The TakeOver - Test, Prügeln & Kämpfen, PC, PlayStation4, Switch

The TakeOver
22.06.2020, Matthias Schmid

Test: The TakeOver

Starker Straßenprügler

Nach der gefeierten Rückkehr von Streets of Rage erscheint The TakeOver auf Switch. Dicke Muckis, geölte Knarren und glühende Fäuste - plus haufenweise Gangster zum Verkloppen. Wie schlägt sich das Handkanten-Spekakel im Test?

Man könnte den Eindruck gewinnen, dies seien überraschend gute Zeiten für Freunde altbackener Backpfeifen-Eskapaden: Zuerst der pixelige Spaßmacher Fight'N Rage, dann das (meiner Meinung nach großartige) Capcom Beat 'Em Up Bundle, letztes Jahr das top Remake The Ninja Saviors und jüngst auch noch Streets of Rage 4. Plus eben The TakeOver, das bereits im letzten Herbst für PC erschien und nun den Sprung auf die Switch geschafft hat. Aber war dieses dezent monotone Haudrauf-Subgenre jemals groß? Und war es danach wirklich tot? Dazu muss ich etwas ausholen…

Déjà-Vu

The TakeOver geht gut ab: Supermove, platzende Modermonster und ein dickes MG.
Nach Irems Kung Fu Master, der 1984er Initialzündung für scrollende Prügler, sorgten 1987 Taitos The Ninja Masters und natürlich Technos Double Dragon für Furore und viele Fans. Die Hochzeit seitlich scrollender Prügelspiele läuteten 1989 aber Capcoms Final Fight und Segas Golden Axe ein - Anfang der 1990er war das Genre dann in aller Munde. Arcade-Titel überboten sich mit grafischer Finesse und Spieleranzahl, Konsolenports versuchten - nicht immer erfolgreich-, die technische Perfektion der Spielhalle ins Wohnzimmer zu beamen. Vor allem Sega sorgte spekakulär für Ersatz, mit der Streets-of-Rage-Serie oder auch Comix Zone. Mit dem Wechsel von 2D zu 3D tat sich diese Spielart schwer: Während auf dem NeoGeo weiterhin in Pixel gegossene chinesische Krieger Hackfleisch aus ihren Gegnern machten oder auf Sega Saturn das Studio Treasure mit Guardian Heroes dagegen hielt, verlangten die meisten Käufer der Mainstream-Konsolen nach Polygonfutter. Die Hard Arcade oder Fighting Force gab es zum Beispiel, auch auf Dreamcast holten Dynamite Cop oder Zombie Revenge noch ein paar Fans ab. Klar, der Sidescroll-Klopper schwächelte - aber er war nicht tot.

Der Look von The TakeOver ist recht speziell, aber gut gemacht. Und ein willkommener Gegenpol zu Streets of Rage 4.
Stattdessen musste man sich als Fan damit arrangieren, vom Zentrum an den Rand gedrängt worden zu sein - dann konnte man die gebotene Software-Vielfalt durchaus schätzen. Die blutrünstige Mortal-Kombat-Mönche Liu Kang und Kung Lao bekamen ein spaßiges Abenteuer auf den Leib geschneidert, auch Namcos Urban Reign oder Dimps Spikeout: Battle Street gewannen dem Genre interessante Aspekte ab. Weniger gelungen waren Capcoms Final Fight: Streetwise, das den Nerv der Zeit verfehlte, Namcos monotones Tekken-Spin-off Death by Degrees oder Segas technisch üble Wiederbelebung der Marke Altered Beast. Zum Ende der PS2-Ära und speziell auf Wii und den HD-Konsolen machte sich eine Verwässerung in Richtung God of War oder Devil May Cry breit: Es gab weiterhin Dauerklopper mit coolen Movesets, aber ein God Hand oder MadWorld hatten sich von der Final-Fight-Formel dann doch sehr weit entfernt. Über den Golden-Axe-Reboot Beast Rider breite ich den Mantel des Schweigens, auch Platinums Anarchy Reigns hat mich persönlich nicht angeholt. Hoffnung weckten vielmehr die damals neuen Digital-Stores und Indie-Entwickler: Final Fight kam als Double Impact zurück, Scott Pilgrim kloppte sich pixelig und froh durch die Welt. Was mich dann auch schon zurück in die Gegenwart katapultiert: Indie sei Dank lebt das Genre - und ist in den letzten Jahren so vital und qualitativ hochwertig vertreten wie lange nicht.


Spaß in der Nische

Tja, das kommt also dabei heraus, wenn ich einen Text über The TakeOver schreiben will - bitte seht es mir nach. Denn eigentlich gibt es viel zu erzählen: Wie im Trailer oder den Screenshots zu erkennen setzt der Titel auf 3D-Kulissen und Figuren in einer Art Pseudo-Render-Look. Das verleiht The TakeOver einen dezent trashigen Charme, passt aber zu den Hinterhof-Keilereien wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge - und sieht in Bewegung gut aus. In spielerischer Hinsicht haben sich die Entwickler stark an den 1990er-Genrekonventionen orientiert: Man bewegt sich auf einer 2D-Ebene zur Seite und in die Tiefe, boxt, kickt und wirft Heerscharen von Feinden, holt Kohle und Essens-Items aus zerstörbaren Kisten, sammelt ab und an eine Waffe auf und löst die eigene Lebensleiste verzehrende Rundum-Schläge aus.

Auf diesem soliden, aber natürlich auch überschaubaren Gerüst stehen zahlreiche kleine Finessen, die den Spielablauf spaßig, schnörkellos, fair und abwechslungsreich gestalten: Es gibt Kicksprünge und Punches aus der Luft, eine Rennfunktion plus zweierlei Attacken aus dem Laufen heraus, eine Ausweichrolle in die Tiefe und bei Würfen die Streets-of-Rage-Feinde-Überspringen-Option; außerdem hat jeder Charakter eine Fernwaffe mit begrenzter Munition - eine praktische Idee. Gutes Kämpfen ohne feindliche Treffer lassen zweierlei Zusatz-Leisten wachsen: Mit der einen löst man an einen Raketenwerfer-Einsatz aus - die gute alte Smartbomb lässt grüßen. Die Rage-Leiste wiederum tüncht den Bildschirm in andere Farben, lässt die Spielfiguren automatisch blocken und viel schneller plus härter zuschlagen. Sogar bei den Lebensenergie abziehenden Attacken gibt es zwei Varianten, je nachdem, ob man zusätzlich eine Richtungstaste drückt. Grundsätzlich ist The TakeOver rasanter und leichtfüßiger als jüngst Streets of Rage 4, dafür fühlt es beim taktischem Anspruch und der Erlernbarkeit etwas an Tiefe.

Schnell und komfortabel

Keine Experimente gibt es bei den Figuren: Ethan erinnert an Cody auf Final Fight, Megan hat Beine wie Bayonetta und einen V-Ausschnitt bis zum Bauchnabel, Connor ist der bullige Militärtyp mit Bürgermeister-Haggar-Gedächtnis-Drehattacke. Und natürlich ist Ethan der Allrounder, Megan die Flinke und Connor der Langsame. Nach dem Durchspielen gesellt sich noch ein Typ namens Jackson dazu - und wer das Spiel auch mit diesem abschließt, schaltet frei, dass man während des Zockens den Charakter tauschen kann. The TakeOver ist, abgesehen von der letzten der sieben Welten, meist fair, tischt euch einen bewährten Cocktail aus Straße, Bar, Dschungel, Strand und Bohrinsel auf, versprüht bei den Bossen leider wenig Kreativität, bietet dafür aber zwei launige Zwischenstages mit immensen Sega-Arcade-Anleihen - freut euch auf launige Fahr- und Ballersequenzen am Boden und in der Luft.

Drei Leute, sechs Fäuste

Überraschung! Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich zwischen all dem Gekloppe plötzlich hinters Steuer durfte.
Zwei Spieler dürfen gleichzeitig ran, man kann sich dabei nicht versehentlich treffen - leider geht das Koop-Vergnügen nur lokal, ein Online-Modus fehlt; ebenso die Option, während der Action einfach einsteigen zu können. Auch Pixel-Figuren oder Versus-Modus sucht ihr besser in Streets of Rage 4, dafür bietet The TakeOver noch eine Survival-Variante und den interessanten Challenge-Modus (der auch erst nach dem Abspann freigeschaltet wird): Hier müsst ihr Zusatzziele erfüllen (z.B. die Energie ständig über 50% halten), um ein Level abzuschließen. Die PC-Fassung erschien, wie eingangs erwähnt, bereits im letzten November, der angekündigte PS4-Port hat leider noch keinen konkreten Releasetermin.

Fazit

Ich schäme mich fast, das zuzugeben, aber ich hatte mit The TakeOver stellenweise noch mehr Spaß als mit Streets of Rage 4 - ganz einfach weil es schneller und unkomplizierter ist. Zudem rocken die Spezialschläge, die lange Haltbarkeit von Waffen und die vielen Manöver aus dem Laufen heraus. Mir persönlich greifen die Figuren etwas zu beherzt zu, wenn man in der Nähe eines Gegners ist - das sorgt für sehr viele Würfe. Auch bei den Bossen hätte es mehr Kreativität gut getan. Dafür gefallen mir der glänzende Look, die Option, per Fernwaffe zu schießen und natürlich das unvergleichliche Gefühl, einen heranrauschenden Biker per Kicksprung von seinem Ofen zu treten. Auch die Baller- und Fahr-Zwischenstages treffen genau meinen Nerv. Unterm Strich eine sehr charmante Retro-Hommage!

Pro

  • klasse Steuerung, flottes Spielgefühl
  • große Move-Vielfalt, die unkompliziert ausgelöst wird
  • interessanter Grafikstil
  • coole Retro-Anspielungen
  • jede Figur hat eine Schusswaffe
  • fetzige Explosionen und Supermoves
  • stimmungsvolle Standbild-Comic-Sequenzen illustrieren die Story

Kontra

  • man macht natürlich irgendwie immer dasselbe
  • Endgegner zu bieder
  • nicht besonders viel zum Freispielen
  • ein paar Gegnertypen mehr hätten nicht geschadet

Wertung

Switch

Erstaunlich kompetenter Sidescroll-Klopper mit starkem Trefferfeedback und top Steuerung - wer Streets of Rage 4 mochte, bekommt hier einen satten Nachschlag.

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Kommentare
cM0

Der Grafikstil ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. Nach Streets of Rage 4 habe ich zwar erstmal genug von dem Genre, aber es kommt auf die Wunschliste, denn gerade das Kampfsystem liest sich sehr gut.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
PlayerDeluxe

Gibt es das Spiel nur für die Switch und den PC? Habe zwar eine Switch, aber auf der PS4 wäre es mir lieber. Sieht auf jeden Fall interessant aus.

vor 4 Jahren
MrLetiso

Der Look ist wirklich etwas gewöhnungsbedürftig - erinnert mich aber wohlig an eines meiner damaligen MP-Highlights, "Hunter Hunted". Die Musik ist aber mal der Oberhammer Schau ich mir sicher mal an!

vor 4 Jahren
Valentin K.

@4players

Ich fand es schade dass ihr damals nicht mother russia bleeds getestet habt zumal das zu einen Zeitpunkt rauskam als es weniger Street Action gab. Ich persönlich fand das Artdesign und das Setting ziemlich cool und vorallem die Level sehr abwechslungsreich mit vergleichsweise relativ kreativen Bosskämpfen...

vor 4 Jahren