Beyond a Steel Sky - Test, Adventure, XboxSeriesX, PlayStation4, XboxOne, Mac, iPad, Switch, iPhone, PC, PlayStation5
Zehn Jahre für Foster – ganze 26 Jahre in unserer Realität. So lange ist es nämlich her, dass Beneath a Steel über die Mattscheiben dicker Röhren flimmerte. Und weil sich in diesen 26 Jahren nicht nur die Displays verändert haben, verschiebt Charles Cecil, der auch schon Teil eins erdachte, seinen Protagonisten diesmal nicht vor zweidimensionalen Pixeln umher, sondern erschuf plastische Kulissen und Charaktere, die denen eines Action-Adventures gleichen.
Dystopisches Einmaleins
Ein markantes Orange überwiegt dort, wenn man den Blick auf hohe Wolkenkrater richtet, wo Menschen vor holografischen Werbetafeln und fliegenden Drohnen flanieren. Stilistisch zeichnet erneut Dave Gibbons (Watchmen ) dafür verantwortlich und während Gibbons‘ Architektur mein Fernweh weckt, geizen Cecil bzw. sein Autoren-Team nicht mit unverändert unterhaltsamen Wortspielen und wohl dosiertem Klamauk.
Gleichzeitig nimmt Cecil sein Szenario aber ernst genug, um ihm Gewicht zu verleihen; eine Welt, in der Menschen überwacht und durch strikte Regeln gelenkt werden. Wer ein angenehmes Leben genießen möchte, muss sich dabei systemtreu verhalten. Die Meisten achten deshalb auf Vorschriften und sammeln Bonuspunkte durch gute Taten, denn so steigern sie ihren Qdos-Wert, über den man in Union City Privilegien verdient – dystopisches Einmaleins, das Cecil hier zitiert. Auch wenn er das Szenario eher zum Erschaffen spielerischer Herausforderungen nutzt als zur fundierten Gesellschaftskritik.
Stilvolle Science-Fiction
Dabei gefällt mir nicht nur die Geschichte selbst, ich mag auch den Großteil der nie in belangloses Plappern absackenden Unterhaltungen. Die sind nämlich nicht nur gut geschrieben, sondern auch sehr ansprechend vorgetragen, hauptsächlich von Eric Meyers, der Foster nicht nur seine Stimme leiht, sondern über das Aussprechen seiner Gedanken auch anstehende Aufgaben sowie erzählerische Schwerpunkte zusammenfasst. Wem das nicht reicht, der aktiviert außerdem Tipps, sodass selbst anspruchsvolle Rätsel ohne Kopfschmerzen lösbar sein sollten. Die deutsche Version steht aufgrund von Corona-Einschränkungen übrigens noch nicht zur Verfügung, wird zu einem noch nicht bekannten Zeitpunkt aber als Update nachgereicht. Offiziell angepeilt ist der August.
„Klassisch“ nicht wegen der Steuerung, aber wegen der Art und Weise, mit der Rätsel und Dialoge aufgebaut sind. Denn das muss man erwähnen: Beyond a Steel Sky besteht nach wie vor aus dem bekannten Abarbeiten von Gesprächen, der Suche nach benötigten Gegenständen sowie dem Kombinieren der richtigen Objekte. Auch technisch ist es weit weg etwa von der Mimik großer Produktionen – was ihm grundsätzlich auch gar nicht schadet...
Rätsel und Fehler
... was aufgrund zahlreicher Fehler meiner Begeisterung allerdings Stunde um Stunde immer stärkere Dämpfer versetzt hat. Dazu zählen Passanten, die während eines Dialogs ständig langsam gegen Foster oder seinen Gesprächspartner laufen. Dazu zählen außerdem Unterhaltungen, in denen sich Foster ständig auf der Stelle oder seinen Körper gar nicht erst zu einem anderen Charakter hin dreht, weshalb er die gesamte Unterhaltung lang seltsam über die Schulter blickt. Auch die Häufigkeit, mit der die Kamera in Wänden oder gar im Protagonisten verschwindet, ist auf Dauer störend.
Ich habe gesehen, wie Foster nach dem Auslösen einer Aktion schleichend an die Stelle gezogen wird, von der aus er die Aktion durchführen soll. Es kam sogar vor, dass er zunächst sekundenlang von einem Aktionspunkt weg lief, bevor ich ihn wieder selbst bewegen konnte. Bedauerlich sind nicht zuletzt Tonfehler, dank denen Gesprächspartner extrem leise sind, oder eine Abmischung, der man überdeutlich anhört, dass zwei Textzeilen zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommen wurden, weil sie mit völlig unterschiedlichem Ausdruck vorgetragen werden. Nicht oft, aber ein paar Mal stürzte das Programm außerdem ab.
Hat Corona auch hier gestört?
Auch dem grundsätzlich gelungenen Auswählen von Dialogoptionen über ein Kreismenü hätten Cecil & Co. gerne etwas mehr Entwicklungszeit spendieren können. Obwohl dort nämlich wichtige neue sowie endgültig abgearbeitete, aber zum Auffrischen der Erinnerung weiterhin anwählbare Stichpunkte markiert sind, fehlt diese Kennzeichnung oft oder ist so uneindeutig, dass ich nie ganz sicher war, was sich hinter einem Stichpunkt verbirgt. Hinzu kommen Aktionsfelder beim Bedienen eines Computers, die man beim Nutzen eines Gamepads gar nicht erreichen kann.
„Erde an Rätsel!“
Das alles ist umso ärgerlicher, weil die zentrale Mechanik vieler Rätsel sehr gelungen ist. Ich empfand den Großteil der Aufgaben zwar als zu leicht, fühlte mich damit aber trotzdem gut unterhalten. Traditionelle Inventar-Rätsel gibt es hier nämlich nicht. Mitunter muss man an der richtigen Stelle zwar einen Gegenstand benutzen und ihn zuvor selbstverständlich finden, man kombiniert jedoch keine Objekte innerhalb der Handt… Verzeihung: der Umhängetasche.
Hacken statt klassisch kombinieren
Man kann dabei nur kompatible Bausteine tauschen, die auf dem Scanner als deckungsgleiche geometrische Formen erkennbar sind. Auf diese Art sind stets verschiedene Aktionen möglich, ohne dass man sich komplett verzetteln könnte – ein System, das ich als angenehm clever empfinde. Mir hat das Hacken jedenfalls viel Spaß gemacht, zumal es manch drolligen Unfug zulässt. U.a. ist etwa das Öffnen einer Tür mit dem Auslösen eines Alarms kompatibel… Schade nur, dass die Figuren in der Umgebung nur selten und z.T. eben auch fehlerhaft auf daraus folgende Veränderungen reagieren.
Fazit
Tatsächlich führt Beyond a Steel Sky die Geschichte um Robert Foster also originalgetreu fort, da es wie der Vorgänger ein weder spielerisch noch erzählerisch allzu anspruchsvolles, dafür aber sehr ansehnliches Adventure mit sympathischen Haupt- und Nebencharakteren sowie einer unterhaltsamen Geschichte ist. Schön, dass man das stilvolle Union City dabei als plastische Kulisse erkundet und dass sich viele Rätsel um das Manipulieren der Umgebung drehen; das ist inhaltlich sinnvoll und verleiht den Kulissen zusätzliche Substanz. Es fühlt sich ein bisschen so, als würde man Life is Strange mit einer wesentlich stärkeren Gewichtung der Rätsel spielen – es fühlt sich allerdings auch so an, als hätte das Spiel noch einige Wochen Entwicklungszeit nötig gehabt, denn die vielen Programmfehler hatten mich irgendwann glatt aus dem Spiel gerissen. Nun stolpert man selten über drastische Fehler, aber wenn man stundenlang seltsam geknickte Köpfe ansieht, die Kamera zuverlässig in Wänden und Körpern verschwindet, man nicht alle Optionen eines wichtigen Menüs mit dem Gamepad auswählen kann oder ein gelöstes Rätsel nicht erkannt wird, dann reibt man sich irgendwann leider daran auf. Ohne diese Fehler könnte Beyond a Steel Sky ein richtig gutes Spiel sein. Mit ihnen kann ich es hingegen nur Fans empfehlen, die bereit sind mindestens ein Auge fest zuzudrücken.
Pro
- insgesamt wenige, aber visuell beeindruckende Kulissen
- cleveres Hacken zum Lösen vieler Rätsel und teils freiem Experimentieren
- spannende Geschichte mit interessanten Haupt- und Nebencharakteren
Kontra
- zahlreiche programmbedingte Unstimmigkeiten und Fehler
- erledigte Dialogoptionen nicht immer als solche erkennbar
- überwiegend etwas zu einfache Rätsel