Blair Witch - Test, Action-Adventure, PlayStation4, ValveIndex, PlayStationVR, PC, HTCVive, Switch, VirtualReality, OculusRift, PlayStation4Pro, XboxOne, OculusQuest

Blair Witch
14.07.2020, Michael Krosta

Test: Blair Witch

Verloren im Horror-Wald

1999 sorgte Blair Witch (ab 21,75€ bei kaufen) Project im Kino für Furore. Vor allem der pseudodokumentarische Ansatz rund um angeblich gefundenes Filmmaterial trug zusammen mit der ungefilterten Videokamera-Optik zum Kult-Status des Horrorstreifens bei. Mit Blair Witch greift das Bloober Team das Universum auf, will im Spiel aber mit einer eigenen Geschichte für Gänsehaut sorgen. Wir haben uns für den Test jetzt auch nochmal auf Switch in den verfluchten Wald von Burkittsville begeben...

Gerade bei Hitze ist ein Ausflug in den Wald eine feine Sache: Angenehme Temperaturen, saubere Luft und gut ausgeschilderte Pfade laden zum Wandern ein. Bewegt man sich dagegen abseits der Wege, zeigt der Wald schnell sein bedrohliches Gesicht: Plötzlich gleicht ein Baum dem anderen und es dauert nicht lange, bis man in diesem Labyrinth aus Holz und Blättern komplett die Orientierung verliert. Genau dieses Gefühl fängt das Bloober Team hervorragend ein, wenn man sich als Ex-Cop Ellis zusammen mit seinem treuen Spürhund Bullet in den Black Hills Forest begibt, um die Einsatzkräfte auf eigene Faust bei der Suche nach einem vermissten Jungen zu unterstützen. Und es ist gewollt: Die Designer stiften absichtlich Verwirrung und es ergibt beim Beschreiten der verwinkelten Pfade oft keinen Sinn, dass man plötzlich wieder an einer zentralen Stelle wie einem Zeltlager landet, obwohl man sich gefühlt ständig von ihr wegbewegt hat. Schon bei Tageslicht ist die Kombination aus Einsamkeit und Stille irgendwann bedrückend, wenn man orientierungslos durch die Gegend läuft und dabei mehr oder weniger zufällig über Hinweise wie Dokumente sowie Gegenstände stolpert. Doch erst bei Nacht wird der Schauplatz zunehmend unangenehm, wenn man mit dem schwachen Lichtkegel der Taschenlampe durch die Dunkelheit stapft, in der irgendwann nicht länger nur in der Vorstellung etwas hinter den schemenhaften Büschen lauert.

Der Wald als Labyrinth

Der dichte Wald sieht auf Switch wegen der geringen Zeichentiefe nicht mehr so fantastisch aus wie am PC. Der Orientierungssinn wird trotzdem auf eine harte Probe gestellt.
Wirklich gruselig ist Blair Witch aber nur selten, obwohl vor allem das exzellente Sounddesign mit allen Mitteln versucht, Spannung zu erzeugen. Das gelingt ihr am besten durch die Verwendung von Kopfhörern in Kombination mit der binauralen Stereo-Abmischung. Die zunächst atmosphärischen Wanderungen durch den Wald verlieren aber leider rasant an Reiz, weil schlichtweg zu wenig passiert und man sich stellenweise so fühlt, als wäre man in einer Leerlauf-Schleife gefangen. Die technische Umsetzung fällt nicht sonderlich schmeichelhaft für Nintendos Hybrid-Konsole aus: Vor allem im Mobilbetrieb springt die erschreckend geringe Zeichentiefe beim Durchschreiten des Waldes ins Auge, wo gefühlt im Sekundentakt weitere Pflanzen, Äste und teilweise sogar komplette Hintergründe ins Bild ploppen. Die Bildrate bleibt zwar in einem akzeptablen Bereich, doch scheint die Hardware manchmal an ihr Limit getrieben zu werden und die Bedienung mit den Joy-Cons erweist sich mitunter als arg fummelig.

Wenig Grusel, ärgerliche Bugs

Die Einbindung von Schäferhund Bullet wirkt ebenfalls nicht sonderlich durchdacht. Zwar entsteht durchaus eine emotionale Bindung zum treuen Begleiter und er erweist sich in manchen Situationen als nützlich. Doch das Befehlssystem ist ziemlich unsinnig. Vor allem die Anweisung, mit der Spürnase Hinweise zu erschnüffeln, endet in 90 Prozent der Fälle im Nirgendwo und wird vom Protagonisten ständig mit dem gleichen Satz quittiert. Auch habe ich nicht verstanden, warum es eine Option gibt, in der ich Bullet tadeln sollte. Es gab jedenfalls keine konkrete Situation, in der ich mit dem Hund schimpfen müsste. Nett, aber ohne spielerische Auswirkungen ist sicher die Knuddel-Option und die Möglichkeit, ihn mit Leckerlies zu belohnen. Mittlerweile darf man den tierischen Begleiter auch visuell anpassen, was sich jedoch nicht auf seine Darstellung in Zwischensequenzen auswirkt.

Nutzlose Spürnase

Das Befehlssystem für Bullet wirkt nicht sonderlich durchdacht und stellenweise sogar überflüssig.
Am besten schlägt sich Bullet als gekripteter Fährtenleser, nachdem er an einem Gegenstand geschnuppert hat, auch wenn seine Wegfindung nicht immer optimal ausfällt und er manchmal die fehlerhafte Kollisionsabfrage offenbart, wenn er mitten in einem Baum oder einer Wand steht und manchmal sogar komplett verschwindet. Zudem liefert seine Körpersprache gute Hinweise auf Bedrohungen in der Nähe. Eingezogener Schwanz, angelegte Ohren und ein Winseln? Da stimmt doch etwas nicht, selbst wenn es sich „nur“ um ein weiteres Totem handelt, das irgendwo an einem Ast baumelt... Nettes Detail am Rande: Auf Switch kann man die Position von Bullet nicht nur durch den Positionspfeil sehen, sondern teilweise einfach spüren: Das HD-Feedback der Joy-Cons bildet auch das Gebell des Hundes ab und so vibriert es links oder rechts, wobei auch die Entfernung anhand der Stärke der Vibrationen widergespiegelt wird. Darüber hinaus erweist sich Bullet als nützlicher Helfer in den unspektakulären Kämpfen gegen ein Phantom, das sich blitzschnell bewegt und in bester Alan-Wake-Manier allergisch auf das Licht der Taschenlampe reagiert. Theoretisch soll man sich an der Blickrichtung des Hundes daran orientieren, von wo die Gefahr lauert. Praktisch funktioniert die Mechanik aber leider nicht immer einwandfrei, weil Bullet häufig daneben liegt und man als Folge dessen von der Kreatur erfasst wird. Da die Speicherpunkte fair platziert werden, hält sich der Frust über das verfrühte Ableben aber in Grenzen. Schade dagegen, dass die wenigen Begegnungen immer nach dem gleichen Muster ablaufen.  

Das gilt auch für einen Großteil der Rätsel, in denen vor allem die übersinnliche Funktion einer Videokamera zum Einsatz kommt, die gewisse Ähnlichkeiten mit einem Feature aus Layers of Fear 2 aufweist. Schaut man sich die gefundenen Bänder an und pausiert an den richtigen Stellen, kann man die Welt manipulieren. Ein Beispiel: Man steht vor einer verschlossenen Tür, die man zuvor bereits in einem der Video gesehen hat. Dort öffnete ein Mann das Schloss und betrat den Raum dahinter. Spult man das Band jetzt genau zur Stelle mit der geöffneten Tür, steht sie auch in der „Realität“ plötzlich offen. An sich handelt es sich dabei um ein cooles Feature, das leider zu inflationär eingesetzt wird und sich entsprechend schnell abnutzt, zumal das Finden der richtigen Szenen und Standbilder keine große Herausforderung darstellt. Um Batterien muss man sich im Gegensatz zu Outlast & Co übrigens keine Sorgen machen: Sowohl die Taschenlampe als auch die Kamera verfügen über unendliche Energie-Reserven und gehen aus bzw. flackern nur dann, wenn es das Skript so verlangt.

Die Macht der Kamera

Ähnlich verhält es sich mit dem Mobiltelefon und Funkgerät: Mit beiden darf man sporadisch Kontakt zur Außenwelt aufnehmen – sei es in Form von Gesprächen oder eingehenden Nachrichten. Hier erfährt man u.a. mehr über den Protagonisten und dessen Vergangenheit, die man sich teilweise auch in diversen „Psycho-Abschnitten“ nach und nach zusammenreimen kann. Ein großes Mysterium darf man allerdings nicht erwarten: Schnell wird klar, in welche einfallslose Richtung sich die Hintergrundgeschichte rund um Ellis entwickelt. Entsprechend vorhersehbar wird die Handlung.         

Die Manipulation der Umgebung ist nicht die einzige Situation, bei der man zur Kamera greift. So schleicht man später z.B. durch einen dichten Nebel, in der die Taschenlampe eher kontraproduktiv ist. Stattdessen orientiert man sich am Display der Kamera, auf dem man Spurentupfer erkennt, die einen ans Ziel führen. Außerdem

Mit Hilfe von gefundenen Bändern lässt sich mit der Kamera die Realität manipulieren, wenn man die richtigen Stellen findet.
werden Gegner rot hervorgehoben, die man nicht länger mit der Taschenlampe bekämpfen darf, sondern umgehen muss. Genau wie bei Slender sollte man Blickkontakt vermeiden, um nicht das nächste Opfer zu werden. Im offenen Feld kann man der Gefahr gut aus dem Weg gehen. Doch wenn der potenzielle Tod hinter der Ecke in einem Haus voller enger und düsterer Gänge lauert, wird das Versteckspiel deutlich spannender, erfordert teilweise aber auch mehrere Versuche. In diesen Momenten zeigt Blair Witch gute Ansätze und zumindest einen Hauch von Horror-Feeling. Leider übertreibt man es in den letzten 60 Minuten wieder völlig mit den Psychospielchen, wie man sie teilweise aus Layers of Fear kennt. Entsprechend zäh gestaltet sich der Weg zum Finale und man möchte es irgendwann einfach nur noch hinter sich bringen. Nicht, weil man die Spannung kaum noch ertragen kann, sondern weil das Psycho-Dauerfeuer rapide an Reiz verliert und irgendwann sogar nur noch nervt. So fällt es  tatsächlich schwer, überhaupt noch die Motivation aufrecht zu halten, um sich nach einer Spielzeit von etwa sechs bis acht Stunden doch noch bis zu einer von mehreren möglichen Endsequenzen durchzuquälen.

Ein Hauch von Slenderman

Fazit

Ich fand The Blair Witch Project unfassbar langweilig und konnte den Hype um den Film nie nachvollziehen. Bis auf das dramatische Finale, bei dem endlich ein Hauch von Spannung aufkam, war ich von der lahmen Handlung und der ständigen Wackelkamera einfach nur angeödet. Das Spiel vom Bloober Team brachte dieses Gefühl von damals schon auf dem PC wieder zurück - und jetzt sogar noch etwas stärker auf Switch: Denn der dichte Wald wirkt auf der Nintendo-Konsole aufgrund vieler Pop-ups und niedrigeren Details längst nicht mehr so imposant wie am PC und auch die Bildrate bewegt sich stellenweise am Limit, während die zahlreichen Fehler bei der Kollisionsabfrage weiterhin stören. Die Orientierungslosigkeit bleibt zwar auch bei der abgespeckten Technik erhalten, doch viel zu oft spaziere ich auf der Suche nach Hinweisen gelangweilt durch die Gegend, weil einfach nichts passiert, kaum Grusel aufkommt und mich die Spürnase meines tierischen Begleiters genauso oft im Stich lässt wie seine mangelnde Unterstützung in den redundanten Kämpfen gegen das lichtempfindliche Phantom. In diesem Zusammenhang lässt sich auch über den Sinn des Befehlssystems für den Vierbeiner diskutieren, der sich mir nicht erschließt. Zwar gibt es gute Ansätze wie die Einbindung der Kamera, doch laufen die anspruchslosen Rätsel meist nach dem gleichen Schema ab. Nicht nur das Kamera-Feature, sondern auch die Psychospielchen verlieren leider zunehmend an Reiz und Wirkung. Vor allem gegen Ende übertreiben es die Entwickler wieder maßlos mit dem Wahnsinns-Overkill, was dazu führte, dass mir das zähe Finale im Gegensatz zum Film hier nicht als Highlight, sondern als Tiefpunkt in Erinnerung bleiben wird.

Pro

  • Orientierungslosigkeit wird prima eingefangen
  • tierischer Begleiter liefert gute Unterstützung
  • Kamerabänder können Umgebung manipulieren...
  • vereinzelte Spannungsmomente
  • ein paar gelungene spielmechanische Ansätze
  • optionale Minispiele im Handy
  • gelungenes Sounddesign

Kontra

  • extrem geringe Zeichentiefe sorgt für Dauer-Pop-ups
  • lästiger, zäher und redundanter Psycho-Overkill gegen Ende
  • ...aber die Mechanik wird inflationär genutzt
  • viel spielerischer und inhaltlicher Leerlauf
  • nur wenige Grusel-Momente
  • unspektakuläre Kämpfe
  • Handy-Einbindung oft störend
  • meist keine echte Bedrohung vorhanden
  • vorhersehbare Hintergrundgeschichte
  • ziemlich überflüssiges Befehlssystem für Hund
  • vereinzelte, mitunter krasse Fehler bei der Kollisionsabfrage
  • Bildrate bewegt sich am Limit

Wertung

Switch

Inhaltlich ist Blair Witch auf Switch genauso öde wie am PC, aber technisch eine ganze Klasse schlechter. Statt Nervenkitzel überwiegt die Ernüchterung.

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