Tannenberg - Test, Shooter, XboxOne, PC, PlayStation4, PlayStation5

Tannenberg
30.07.2020, Eike Cramer

Test: Tannenberg

Der Kampf mit der Technik

Die Ostfront des Ersten Weltkriegs ist im Shooter-Bereich ein beinahe unerforschtes Terrain. Grund genug für die Verdun-Entwickler Blackmill, ihre Ostfront-Schlachten Tannenberg jetzt auch auf PS4 und Xbox One zu veröffentlichen. Wir haben uns für den Test ins virtuelle Ostpreußen begeben.

Der Erste Weltkrieg ist uns am ehesten mit Bildern der Westfront an der Marne, Somme und bei Verdun im Gedächtnis: von massivem Artilleriebeschuss zerschmetterte Landschaften, brutale Abnutzungsschlachten, komplexe Grabensysteme, Stacheldraht und Maschinengewehre. Doch an der Ostfront zeigt sich ein anderes Bild: Die Kämpfe zwischen der russischen Armee, Deutschen Verbänden und Österreichisch-Ungarischen Truppe, von der Ostsee bis zum Schwarzem Meer waren geprägt von gigantischen Truppenbewegungen und Manövern, nicht zuletzt beim ersten Wendepunkt, der „Schlacht von Tannenberg“ im Jahre 1914. Die Oktoberrevolution und die siegreiche „Operation Faustschlag“ beendeten den Krieg mit einer Niederlage Russlands.

Ein unverbrauchter Schauplatz

Tannenberg von Blackmill Games, den Machern des Westfront-Shooters Verdun, versucht, diese Kämpfe vom Baltikum bis nach Rumänien in Szene zu setzen; selbst bei Battlefield 1 fehlte dieser Schauplatz. Doch das gelingt dem Studio leider nur bruchstückhaft. Aber von Anfang an: Ähnlich wie an der 2015 erschienen Westfront bildet der Modus „Frontlinien“ das Herzstück der Kämpfe, die ähnlich wie Battlefield 1 Schlachten über verschiedene Sektoren der Karte inszeniert. Dabei versucht man sich - zumindest was Uniform und Kriegsgerät angeht - etwas realistischer zu präsentieren als der Dice-Shooter. Es gibt an der Front keine Sturmgewehre oder Maschinenpistolen, stattdessen wird mit Repetiergewehren (Kammerstängel und Unterhebel), Handgranate, Bajonett und Grabenspaten gekämpft. Trotzdem gibt es hohe Beweglichkeit, eine Minikarte, Treffer-Markierungen und eingeblendete Punkteanzeigen, sodass man sich nicht in eine simulativere Richtung à la ARMA bewegt.

Im Standbild OK, in der Bewegung dann nicht mehr so: Technisch ist Tannenberg hoffnungslos veraltet.
Wie gewohnt können die Bereiche an Fahnen erobert werden - und nur Gebiete, die an bereits eroberte Zonen angrenzen, können eingenommen werden. Wurde dann bis auf das Hauptquartier einer Seite alles erobert, dürfen auch die Front-Basen erstürmt werden, um einen vorzeitigen Sieg zu erzwingen, der ansonsten über den heruntertickenden Verstärkungs-Zähler errungen wird. Jeder Sektor der Karte bringt Boni wie z.B. Spawn-Beschleunigungen mit, die sich nach der Übernahme auf das eigene Team auswirken. Zudem können die Unteroffiziere der einzelnen Squads per Feldtelefon z.B. Unterstützung in Form von Giftgas-Granaten anfordern, während die eigenen Männer die per Stacheldraht und Gräben befestigten Punkte mit den stationären Maschinengewehren verteidigen. Wie bei allen Spielen, die diese Tauzieh-Mechanik in den Mittelpunkt stellen, könnten so spannende, brutale Gefechte an den Flaggen entstehen, während die Schlacht über die Karte wogt.

Bekannte Mechanik, solider Shooter?

Die Schlachtfelder der Ostfront bieten dabei ordentlich Abwechslung: Von sumpfigen Marschlanden über karge Bergkämme bis zu dichteren Wäldern ist alles dabei und auch die Squad-Mechanik wirkt solide: Jedes Squad besteht aus vier Soldaten, die auf ihre Rolle (z.B. Offizier, Grenadier, Schütze etc.) festgelegt sind. Jeder Soldat bringt für seine Einheit, die ebenfalls eine von vier Rollen auf dem Schlachtfeld erfüllt, einen Erfahrungswert mit, der im Laufe des Spiels neue Uniformen freischaltet, die dem Kriegsverlauf entsprechen. Nur die NCOs können ihrem Squad gezielt Befehle geben, zudem gibt es ein ordentliches Kommunikationssystem um den eigenen Soldaten Feinde und Angriffsrichtungen mitzuteilen. Schade ist nur, dass eine Scharfschützen-Klasse gänzlich zu fehlen scheint und abseits der Assault-Squads nur die Grenadiere eine einzelne (!) Handgranate mitführen dürfen.

Das klingt jetzt vielleicht erst mal ordentlich – und könnte trotz der auf ein Minimum reduzierten Kulisse, die meilenweit hinter dem Weltkriegs-Primus Battlefield 1 hinterherhinkt, durchaus unterhalten. Doch die gruselige Technik der Konsolen-Version macht den Weltkriegsschlachten einen dicken Strich durch die Schlachtfeld-Rechnung. So zeigt sich die Bildrate stark wankelmütig – zwar kann V-Sync deaktiviert werden, was die maximalen Bilder pro Sekunde spürbar ansteigen lässt, dafür sind die Drops aber umso deutlicher spürbar und Tannenberg bedankt sich zudem mit fleißigem Tearing.

Die Probleme mit der Technik

Außerdem wurde die Detail-Sichtweite von Blackmill deutlich reduziert, um die Unity-Kampfgebiete überhaupt einigermaßen flüssig auf die Konsole zu bringen. Das führt zu hässlichen, deutlich sichtbaren Pop-Ins, die bei Büschen und höherem Gras sogar auf mittlere Distanz Deckung verschwinden lassen, was den Verteidigern bei heimlichen Flankenmanövern einen unschönen Vorteil verleiht. Und während auf der PS4 Pro und Xbox One X  immerhin Auflösung und Anti-Aliasing stimmen, flimmern die Versionen auf den Basis-Konsolen zusätzlich noch dramatisch, da anscheinend vollständig auf Kantenglättung verzichtet wurde - das macht das Erkennen von Feinden teilweise zu einem reinen Glücksspiel. Zusätzlich bieten die Gefechte statt 64 Spielern auf der Konsole nur 40 Teilnehmer; dies ist angesichts einer kumulierten Spielerzahl von um die 100 auf allen europäischen Servern allerdings das geringste Problem - immerhin werden vakante Plätze mit Bots aufgefüllt.

Das Grauen des Krieges: Die Gefechte sind Blutig, die Figuren aber schlecht animiert.
Doch leider stimmt nicht nur die allgemeine Kulisse nicht: Waffenmodelle und vor allem die schwachbrüstigen Schussgeräusche erinnern nur entfernt an ihre Originale – der direkte Vergleich zwischen dem legendären, russischen Front-Gewehr Mosin Nagant in Escape From Tarkov und Tannenberg (beide werden von der Unity-Engine angetrieben) zeigt, wie schwach sich die Ostfront hier audiovisuell präsentiert - auch wenn mit großer Brutalität und ohrenbetäubenden Schreien der Gefallenen eine harte Front-Atmosphäre erzwungen werden soll. Zudem sind die einfachen Nachlade- und Nahkampf-Animationen sowie die gruselig aussehenden Maschinengewehre mit ihren sechseckigen Patronen einfach nicht mehr zeitgemäß.

Die Fehler im Detail

Immerhin wirkt der Shooter an sich solide, doch echte Wucht oder größere Komplexität im Waffenhandling (z.B. per Tastendruck in die Kammer schauen, Einstellen der Visiere), die die technischen Defizite ausgleichen könnten, gibt es nicht. Stattdessen gibt es obendrauf fragwürdige Hitboxen, die oftmals einen Tick zu groß wirken.

Fazit

Blackmill, das war nichts. Die Konsolen-Umsetzung von Tannenberg in dieser Form hättet ihr euch auch sparen können. Zwar ist die Kulisse auch auf dem PC nichts Besonderes, der halbwegs solide, zugrunde liegende Shooter in einem kaum bearbeiteten Setting hätte es aber wohl immerhin auf ein „Befriedigend“ gebracht. Die herben technischen Abstriche, die vor allem auf den Basis-Konsolen gruselige Flimmer-Ausmaße annehmen, machen aus den Ostfront-Gefechten auf PS4 und Xbox One ein trostloses Multiplayer-Niemandsland, das nur Menschen mit ausgeprägter Resistenz gegenüber Kantenflimmern, Pop-Ups und Bildraten-Problemen spielten sollten. Schade.

Pro

  • unverbrauchter Schauplatz
  • interessante Squad-Mechanik
  • große Karten
  • Bots verfügbar

Kontra

  • gruselige Technik
  • schwache Waffenmodelle
  • schlechte Animationen
  • nur 40 Spieler
  • Bots nötig (Gesamt-Spieleranzahl gering)

Wertung

XboxOne

Eine wankelmütige Framerate, drastisch reduzierte Details, fiese Popups und brutales Kantenflimmern - diese Konsolen-Umsetzung eines soliden Shooters hätte man sich lieber gespart.

PlayStation4

Eine wankelmütige Framerate, drastisch reduzierte Details, fiese Popups und brutales Kantenflimmern - diese Konsolen-Umsetzung eines soliden Shooters hätte man sich lieber gespart.

Kommentare
Pentanicks

In den Kommentaren zum Test "Verdun" werden sehr viele WW1-Spiele erwähnt...

vor 4 Jahren
fanboyauf3uhr

Mir ein absolutes Rätsel warum die großen Publisher noch kein richtiges AAA WW1 Spiel rausgebracht haben
Battlefield von EA? Damit sollten wohl die meisten für Jahre gesättigt sein.
Ach ja das meine ich, nicht COD (verwechsle den Kram immer). Ist halt nicht WW1 wie gesagt, sieht nur ein bisschen so aus.

vor 4 Jahren
Pentanicks

Mir ein absolutes Rätsel warum die großen Publisher noch kein richtiges AAA WW1 Spiel rausgebracht haben
Battlefield von EA? Damit sollten wohl die meisten für Jahre gesättigt sein.

vor 4 Jahren
fanboyauf3uhr

Mir ein absolutes Rätsel warum die großen Publisher noch kein richtiges AAA WW1 Spiel rausgebracht haben, das hat richtig Potential das Thema. Ich meine nicht sowas wie COD 1 das ist fake (WW2 mit WW1 Skins).

Für Singleplayer wär eine Story wie die aus dem Film "1917" eine gute Grundlage.

vor 4 Jahren