Microsoft Flight Simulator - Test, Simulation, XboxOne, VirtualReality, ValveIndex, PC, OculusRift, HTCVive, XboxSeriesX

Microsoft Flight Simulator
18.08.2020, Marcel Kleffmann

Test: Microsoft Flight Simulator

Flug in den siebten Himmel

14 Jahre nach dem Flight Simulator X kehrt Microsoft mit einer neuen Flugsimulation zurück und möchte sowohl Neulinge als auch anspruchsvolle Fans realistischer Fliegerei mit halbem Cockpit auf dem Dachboden in die Lüfte schicken - und größtenteils gelingt dem französischen Entwickler-Studio Asobo dieser Coup. Dennoch ist die immens aufwändige und weltumspannende Simulation nicht frei von Macken.

Der Einstieg in diese waschechte Flugsimulation ist gut gelungen, da man viele Assistenzsysteme, Automatismen und Vereinfachungen anpassen kann - einen kinderleichten Arcade-Modus sollte man allerdings nicht erwarten. 33 Assistenz-Optionen und drei globale Schwierigkeitsmodi lassen sich konfigurieren. So kann man die Checkliste vor dem Start einfach an den virtuellen Co-Piloten delegieren und ihm gleich die Kommunikation mit der Flugverkehrskontrolle (ATC) aufs Auge drücken, wenn man sich lieber auf das Fliegen konzentrieren möchte. Landepfade können beim Anflug auf die Landepiste helfen und Navigationspunkte auf der Weltkarte helfen bei der Orientierung. Die gewünschte Flugerfahrung kann anhand der Assistenzsysteme auf die eigenen Bedürfnisse und Erfahrungen zugeschnitten werden - und auf den "einfacheren Stufen" kann man kuriose Landungen hinlegen.

Eine Flugsimulation für eine neue Generation

Trotzdem sollte man zunächst das achtteilige Tutorial mit einer Cessna 152 absolvieren, das einem teils in hervorragender Form die wichtigsten Aspekte des Fliegens beibringt - inkl. deutscher Sprachausgabe und Texte. Nach Abschluss der Flugschule kann man starten, landen, die Höhe halten, Geschwindigkeit anpassen und vermeidet allzu hektische Manöver. Allerdings werden nur die Grundlagen angeschnitten und viele fortgeschrittene Aspekte wie Flugverkehrskontrolle oder Autopilot werden nicht thematisiert. Hier hätten zumindest kurze Einführungen geholfen, denn so muss man sich selbst reinfuchsen. Aber es ist ja auch eine Simulation, die Zeit, Geduld und Fingerspitzengefühl erfordert.  

Die Güteklasse der Simulation

Über den Dächern von Hongkong.

Die Komplexität der Simulation ist beeindruckend: Die Aerodynamik und die auf das Flugzeug wirkenden physikalischen Kräfte werden an bis zu 1.000 Stellen der Flugzeugoberfläche berechnet - nicht bloß an einer Stelle wie beim Vorgänger. Luftmassen, Winde und dynamische Wolkenbildung werden simuliert - und selbst leichter Wind übt einen spürbaren Einfluss auf die Flugsteuerung je nach Masse des Fluggeräts aus. Es geht sogar so weit, dass Auftrieb und Turbulenzen direkt mit der lokalen Temperatur in der Umgebung zusammenhängen. Hinzu gesellen grafisch und spielerisch relevante Wettereffekte, da die Wolken die Sicht einschränken und die Maschine sogar vereisen kann - die Wetterdarstellung sucht ihresgleichen. Übrigens: Wer lieber das "alte Flugmodell" nutzen möchte, kann dies in den Optionen anschalten.  

Während Schnellstarter gleich mit einem Flugzeug in der Luft losdüsen können, kann der Flugalltag für Fortgeschrittene so aussehen: Flugplan einrichten und Wegpunkte setzen. Die Checkliste im Cockpit durchgehen. Auf dem Flughafen-Vorfeld herumfahren. Funkgespräche führen. Startvorbereitung treffen, abheben, Reiseflughöhe erreichen und den IFR-Routeneinflug einleiten. Autopilot setzen. ATCs wechseln, Landeanflug starten, am Ziel landen, zum Gate fahren und sich auf den simulierten "Ground Service" freuen. Passagieraufkommen wird nicht sichtbar simuliert.   

Die 3D-Wolken sind absolut beeindruckend und blickdicht.

In dem Microsoft Flight Simulator (ab 54,49€ bei kaufen) ist eine Navigationsdatenbank in Zusammenarbeit mit Navblue eingebaut worden, die man sich als Satellitennavigationssystem für Flugzeuge vorstellen kann. Wenn ein Sichtflug nicht möglich ist, z.B. weil das Wetter zu schlecht oder es zu dunkel ist, lässt sich das Flugerlebnis auf platzierbare und editierbare Wegpunkte umstellen, die man im Instrumentenflug abklappert. Die geplanten Flugrouten können auch in der Community geteilt werden.

Navigation und spontane Ausfälle

Das Spiel wird als digitale Version im Microsoft Store, Xbox Game Pass für PC und Steam angeboten. Der erste Download fällt sehr klein aus. Danach müssen knapp 100 GB an Daten runtergeladen werden, weswegen man viel Zeit vor dem Start mitbringen sollte. Da der Download quasi im Spiel stattfindet, könnte es danach problematisch werden, das Spiel zurückzugeben, da die Zwei-Stunden-Schwelle schnell erreicht ist. Alternativ kann man eine Disc-Version mit zehn DVDs von Aerosoft im Einzelhandel kaufen, aber auch dieser Version erforderlich zusätzliche Downloads (ca. 10 GB).

Vertrieb, Download und Co.

Simulation, Flugkontrolle und Navigation können einige Schwachstellen nicht verbergen: Der größte Störenfried ist der Autopilot, der bei Langstreckenflügen mit den großen Maschinen richtig viel Blödsinn machen kann - und das ohne ersichtliche Gründe für das Durchdrehverhalten. Außerdem haben wir im Testlauf bemerkt, dass das Live-Wetter nicht immer mitspielte, das Flugzeug nach dem Ende der aktiven Pause seltsame Kapriolen machte und sogar die Flugsicherung nicht vor Fehlern oder Ausfällen gefeit war. Solche Bugs können in einem so komplexen Spiel natürlich auftreten, sollen jedoch nicht unerwähnt bleiben.  

Apropos Ausfälle: Ausgewählte Bordsysteme können je nach Einstellungen ausfallen, wobei es kein optisches Schadenssystem gibt. Abstürze und zerstörte Flugzeuge werden nicht gezeigt. Bevor eine Maschine "zerstört" wird, kommt eine Schwarzblende mit einer simplen Textbotschaft - oder es kommt zu kuriosen Landungen mit starren Flugzeugen. Trotz des Verbots von klaren Abstürzen ist es möglich, dass sich beschädigte Flugzeuge z.B. mit defektem Fahrwerk, Vereisungsschäden und Triebswerksausfällen "sicher" landen lassen - selbst auf dem Wasser. Die Simulation soll solche Szenarien begünstigen, erklärten die Entwickler in einem Interview.

Steuern lassen sich die immens aufwändig nachgebildeten Flugzeuge mit Tastatur-&-Maus, Controller oder Peripheriegeräten wie Joysticks, Yokes, Pedalen und Schubkontrollen. Es sind so viele anpassbare Steuerungselemente vorhanden, dass es sogar eine Suchfunktion bei den Tastaturkürzeln gibt, die jedoch nicht immer funktioniert. Die voreingestellte, aber völlig veränderbare Standard-Steuerung mit Tastatur (Numpad) und Maus ist in Ordnung, jedoch ist es mit Tastatur schon anstrengend zu fliegen, da die Flugzeuge abrupt und schaukelig auf Richtungsänderungen reagieren. Mit einem Controller steuert sich das Flugzeug wesentlich genauer und geschmeidiger, obgleich nur ein Bruchteil der Funktionen auf dem Gamepad Platz hat. Auch die Kameradrohne kann prima mit Controller gelenkt werden. Im Großen und Ganzen ist die Mischung aus Controller zur Flugsteuerung und Tastatur für Kommandos plus Mauseinsatz ganz gut.  

Eine Frage der Steuerung

Trotzdem ist das Spielgefühl mit adäquater Peripherie für Flugsimulationen ein ganz anderes, da sich alles viel "natürlicher", besser und präziser anfühlt - der Unterschied ist wahrlich immens. Getestet haben wir den Flight Simulator mit dem schon etwas betagtem Logitech G Saitek PRO Flight Yoke System und dem Logitech G Saitek PRO Flight Rudder Pedals, das bis auf wenige Zufallseingaben gut funktioniert hat. Mit der von Microsoft zur Verfügung gestellten Hardware (Honeycomb Alpha Flight Controls Yoke & Switch Panel, Logitech Flight Throttle Quadrant und Thrustmaster TPR) läuft das Geschehen so gut, dass man nicht mehr zur Tastatur oder zum Controller greifen möchte, außer wenn es schnell gehen muss. TrackIR wird ebenso unterstützt. VR-Unterstützung, zunächst für das HP Reverb G2, soll im Herbst folgen.

Alternativ zu den Tastaturkürzeln können in den detailverliebt nachgebildeten Cockpits alle Schalter einzeln mit der Maus angeklickt und betätigt werden. Sämtliche analogen Instrumente, Knöpfe, Transponder, Radar und Bordcomputer im Cockpit funktionieren - und je nach Lichteinfall sind die Instrumente sogar schwerer ablesbar. Wobei schon einige Flugexperten herausgefunden haben, dass nicht alle Schalter und Instrumente genau das tun, was sie eigentlich sollten - und im Testbetrieb hatten wir einen Bug-bedingten Totalausfall des Cockpits.

Ausbaubare spielerische Elemente

Die Detailfülle und die Grafikqualität sind stellenweise so gut, dass kleinere Fehler besonders schnell ins Auge stechen.

Ja, der Microsoft Flight Simulator ist in erster Linie eine Simulation und geizt mit spielerischen Elementen, sofern man sich nicht selbst Ziele setzt oder die Welt erkunden möchte. Neben den "Sandbox-Flügen" gibt es 24 Lande-Herausforderungen und drei Buschflüge. Bei Lande-Herausforderungen müssen Anflüge auf gefährliche oder besonders bekannte Flughäfen absolviert werden. Je nachdem wie gut man die Landung meistert, bekommt man Punkte für die Bestenliste. Bei den Buschflügen testet man auf lange Strecke seine Navigationsfähigkeiten beim Sichtflug (VFR) - mehr Spielkram gibt es nicht, weder eine Piloten-Karriere noch eine Kampagne  mit Fortschrittsystem oder Missionen bzw. Szenarien mit festgelegten Zielen wie beim Flight Simulator X. Und dass in der Beta noch gesperrte Pilotenprofil entpuppte sich in der finalen Version bloß als Sammlung von Achievements, Abzeichen, Flugdaten und Statistiken.  

Natürlich braucht solch eine Simulation diese Elemente nicht unbedingt, aber sie wären eine optionale Ergänzung, die ggf. andere Spielertypen ansprechen und motivieren würde. Denn nach den ersten Erkundungsflügen kann die Luft schnell raus sein, wenn man nicht unbedingt jedes Flugzeug meistern oder alle Hilfen abschalten möchte. Zumal es andere Simulationen schaffen, Kampagnen oder Karrieren zu bieten …

Geteilte Welt und wo ist Flughafen Stuttgart?  

Wohin soll der nächste Flug gehen?

Dafür ist man in der geteilten offenen Welt nicht alleine unterwegs, sondern trifft auch auf andere von Menschen gesteuerte Maschinen - und auf KI-Flugzeuge, die auf echten Flugrouten und -daten basieren. Laut Entwickler sollen die jeweils 50 nahesten Flugzeuge im Umkreis des Spielers dargestellt werden. Ansonsten kann man sich mit anderen Piloten via Accountname (Microsoft-Account) verbinden und gemeinsam durch die Gegend fliegen oder über das Rollfeld rollen und in Formation starten. Hier gilt ebenfalls: Ziele muss man sich selbst setzen.

Wetter, Verkehr, Tageszeit sowie Abflug- und Ankunftsort wählt man auf einer 3D-Erde aus. Microsoft und Asobo wollen über 37.000 Flughäfen eingebaut haben, wobei man auf vielen Flughäfen generische Gebäude zu Gesicht bekommt. Allerdings fehlen einige Flughäfen, wie z.B. Flughafen Stuttgart (EDDS) - immerhin der sechstgrößte Flughafen in Deutschland im Jahr 2019. Eine Suchfunktion hilft etwaige Orte oder Flughäfen (nach ICAO) zu entdecken, spuckt bei Stuttgart aber nur einen Schauplatz in den USA aus. Auf den Bing-Karten ist EDDS nur verpixelt zu sehen, höchstwahrscheinlich wegen der Präsenz von US-Truppen vor Ort. Deswegen könnte der Flughafen bei der automatischen Implementierung durch das Raster gefallen sein.

Außerdem wird auf der 3D-Erdkugel die Topographie der Karte leider zu früh ausgeblendet, so dass man beim Zoom schnell jegliche Anhaltspunkte verliert.

Das Flugzeugaufgebot besteht ausschließlich aus zivilen Flugzeugen und hängt mit der gekauften Edition zusammen. Die Standard Edition, die auch im Xbox Game Pass für PC enthalten ist, kommt mit 20 Flugzeugen; bei der Deluxe Edition sind es 25, bei der Premium Deluxe Edition insgesamt 30.

Flugzeuge und Flughäfen: Standard, Premium und Premium Deluxe

Die Mehrzahl fällt in die Kategorie der Propellerflugzeuge und natürlich merkt man zwischen ihnen zaghafte bis deutliche Unterschiede beim Flugverhalten. Zwei Verkehrsflugzeuge sind in der Standard-Version dabei, und zwar der Airbus A320 neo und die Boeing 747-8. Bei der Premium Deluxe Edition steht noch der 787 Dreamliner im Hangar. Die großen Vertreter sind beeindruckend nachgebildet, jedoch fühlt sich Steuerung und Flugmodell weniger passend an, zumal der Autopilot seinen eigenen Querkopf hat. Die kleineren Maschinen und ihr Fluggefühl sind die klaren Stärken vom Microsoft Flight Simulator.  

Je nach Edition unterscheidet sich die Anzahl der "besonders akkurat" nachgebildeten Flughäfen. In der Standard Edition sind es 30 - und jeweils fünf mehr in der Premium und der Premium Deluxe Edition. Diese "besonders akkuraten" Flughäfen stellen ein ausschließlich optisches und nicht spielerisch relevantes Upgrade dar. Man kann auch in der Standard Edition auf allen Flughäfen der Welt starten und landen, aber die aufwändiger nachgebildeten Flughäfen sind Besitzern der teureren Versionen vorenthalten.

In Deutschland gibt es nur einen aufwändig nachgebildeten Flughafen, und zwar den Flughafen Frankfurt, der nur in der Premium Deluxe Edition enthalten ist. Innsbruck, Paris (CDG) und Courchevel sind die nächstliegenden Vertreter in diesem Bereich für Nutzer der Standard Edition.

Köln. Der Dom ist ordentlich in 3D nachgebildet worden. Der Bahnhof ist jedoch platt wie eine Flunder und die Hohenzollernbrücke führt neuerdings durch den Fluss anstatt darüber. Eisenbahnstrecken stellen ein Problem für die KI dar.


Die Simulation der ganzen Welt

Das größte Kunststück, das dem Microsoft Flight Simulator gelingt, ist die Simulation der gesamten Erde als Spielwelt - nach einer sehr langen Ladezeit bis zum Menü und einer langen Ladezeit bis ins Cockpit, selbst wann man die 100 GB (+ Auslagerungsdatei) auf SSD installiert. 

In der Flugsimulation kann man jeden Ort der Welt anfliegen und dabei Wetterbedingungen und Tageszeit selbst bestimmen - oder man setzt auf Live-Wetter, das mit Daten von Meteoblue gefüttert wird. Das Kartenmaterial, das der virtuellen Erde zugrundliegt, basiert auf Satelliten-gestützten Bing-Karten von Microsoft, ergänzt mit Höhendaten zur Rekonstruktion von Hügeln und Gebirgen. Dadurch entsteht eine virtuelle Erde, die dem Original ziemlich ähnlich sieht, dennoch gibt es kleinere Macken, so ist z.B. Helgoland viel zu flach. Steilküsten erweisen sich als schwierig. Die Deiche an der deutschen Nordseeküste sind ebenfalls flach. Aber wenn man über die Alpen fliegt und mit zunehmender Flughöhe sieht, wie die Gipfel über die dreidimensionalen Wolken hervorragen und im Flug die Sicht auf malerische Flusstäler frei wird, sehen alle anderen Flugsimulationen bei der Umgebungsgrafik wahrlich alt aus - das gilt vor allem, wenn man weit oben in der Luft ist.  

Flach vs. nachgebildet: Das Westfalenstadion in Dortmund ist flach. Die Fußballarena in Leipzig nicht. Auf ihrem Modell kann man sogar den Namen erkennen.


Kratzer in der wunderschönen Fassade

Auch die Positionen von Straßen, Brücken, Stadien, Sehenswürdigkeiten und ikonischen Gebäuden wurden in die Spielwelt übertragen. Gebäude und Vegetation wie Bäume, die auf Satellitendaten ziemlich flach sind, werden mithilfe von speziell trainierten KI-Algorithmen generiert und live aus der Azure-Cloud in das Spiel gestreamt, sofern man diese Bandbreiten-fressende Option zu Beginn auswählt. Verzichtet man auf diese Funktion, ist vieles flacher und weniger detailliert. Nutzt man den Offline-Modus, der im Testlauf manchmal funktionierte oder eine Disc beim Start erforderte, muss man sich von sehr vielen Details verabschieden.

Durch die KI-Unterstützung und die prozedurale Generierung mussten die Entwickler nicht alle Gebäude oder Bäume der Welt eigenhändig nachbilden und platzieren. Aus der luftigen Perspektive sehen die Städte mit ihren dreidimensionalen Gebäuden und Bäumen erstklassig aus. Je näher man dem Boden kommt, desto mehr Risse bekommt die Fassade, denn die KI-generierten Städte sehen längst nicht wie das Original aus - trotz gewisser Ähnlichkeit von Gebäuden und Straßenplatzierung.

Bei Testflügen über Deutschland stellte sich heraus, dass die Straßen zwar halbwegs ordentlich realisiert werden, aber Bahnhöfe, Eisenbahn und Brücken oftmals ein unüberbrückbares flaches Problem darstellen. Während man in Dortmund über das flunderhafte "Westfalenstadion" fliegt, steht in Leipzig ein so gut nachgebautes Modell der dortigen Fußballarena, dass man sogar den Schriftzug auf dem Dach lesen kann. Dann fehlen wiederum Schlösser, Burgen und Kirchen oder sie sind nur mit flachen Texturen versehen wie der Kaiserdom in Speyer oder das Ulmer Münster. Andere Gebäude oder Brücken haben leider nur ein generiertes Standard-Modell bekommen und dann gibt es Hochhäuser mitten in Gebirgen, die dort definitiv nicht stehen. Hier hat die KI ggf. einen Sendemast oder Aussichtsturm falsch erkannt. Während der Hamburger Hafen gut nachgebildet wurde, ist die Köhlbrandbrücke z.B. nur ein generisches Standardmodell. Die Skyline von Frankfurt wirkt ebenso generisch. Mit spiegelnden Glasfassaden wie in New York steht die Spielwelt auf Kriegsfuß.

Auf manchen Satellitendaten sieht man sogar noch Umrisse von Schiffen auf Kanälen oder auf Straßen festgehaltene Fahrzeuge über die generierte 3D-Fahrzeuge fahren, was ziemlich kurios aussieht. Zumal abrupte Farbwechsel bei den Bodentexturen keine Seltenheit sind. Hier zeigt das Ausgangsmaterial von Bing klare Verbesserungsmöglichkeiten. Außerdem neigt die KI gerne dazu, zu viele Bäume in die Landschaft zu pflanzen und hat schon Gebäude auf Straßen oder in Stadien platziert.  

Das Material von Bing

Ja, das ist Meckern auf hohem Niveau, denn noch nie sah eine Flugsimulation so gut aus, aber diese Defizite sollte man kennen, um einer Enttäuschung vorzubeugen, wenn der eigene Ort nicht so realistisch aussieht, sondern dem Vorbild nur ähnlich ist. Zumal solche Fehler schneller ins Auge fallen, weil ein Großteil der Welt extrem beeindruckend aussieht.  

Einige ikonische Städte, beliebte Ziele und Sehenswürdigkeiten wurden ergänzend via Fotogrammetrie aufgenommen und realisiert oder mit eigenhändigen 3D-Modellen ergänzt. Des Weiteren werden Drittanbieter auf dem integrierten Ingame-Marktplatz eigene 3D-Pakete anbieten, welche die Städte realistischer machen werden. Aktuell kann man z.B. eine bessere Version von London für knapp acht Euro von ORBX kaufen.

Oben auf dem Bild ist die Offline-Version ohne Live-Daten-Streaming zu sehen. Der Süden von Island wirkt dort ziemlich detaillos. Das untere Bild zeigt fast die gleiche Flugposition, aber mit aktiviertem Live-Daten-Streaming. DerUnterschied in der Detailfülle ist gewaltig.


Next-Gen-Vertreter in vielen Bereichen ...

Die optische Pracht wird durch fließenden Tag- und Nachtwechsel mit dynamischer Beleuchtung, realistischen Reflexionen und einer phänomenale Nachtdarstellung aufgewertet, die im Tiefflug ihre fliegenden Lichtquellen jedoch nicht verbergen kann.  

Die enorme Weite der Welt, die Vielfalt der Geländetypen und die Details der Umsetzung sind trotzdem einsame Spitze und laden zu Erkundungsflügen rund um die Welt ein. Die Grafikpracht mit maximalen Einstellungen in 1440p bringt aber selbst leistungsstarke und Control-RTX-geprüfte Rechner an ihre Grenzen - z.B. an Orten wie New York oder am Frankfurter Flughafen. Wobei die CPU ebenfalls gefordert wird (Systemanforderungen). Seltsam ist hingegen, warum das Spiel (noch nicht) auf DirectX 12 setzt.

Hält man sich bei den Grafikeinstellungen zurück und spart bei Reflexionen, Wolkendarstellung und Details, sind auf Mittelklasse-Rechnern schicke Ergebnisse zu beobachten, zumal man bei der Grafikpracht auch Abzüge der Bildwiederholrate verschmerzen kann. Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen, sieht man beim Microsoft Flight Simulator wenigstens, warum es manchmal ruckelt. Der ein oder andere Absturz des Spiels störte jedoch im Testverlauf und gelegentlich neigte das Grafikmonster zu Bildrateneinbrüchen (Nachladeruckler?) oder es kam zu längeren "Standbildern", wenn Wetter oder Tageszeit mit Schieberegeln verändert wurden.

Für Microsoft ist der Flugsimulator eine Plattform, die in den nächsten Jahren mit neuen Inhalten, kostenlosen Updates und kostenpflichtigen Erweiterungen versorgt wird. Zu den Gratis-Updates gehören die so genannten World-Updates, welche z.B. das Kartenmaterial aktualisieren und präziser nachgebildete Flughäfen sowie mehr Städte in 3D umfassen werden. Auch Updates für die Simulationsmechaniken werden kostenfrei verteilt. An dieser Stelle werden z.B. geteilte Cockpits (Multiplayer für zwei Personen) aufgeführt. Kostenpflichtig sollen Neuerungen werden, die viel Entwicklungs- und Produktionsaufwand bedeuten. Die Einführung von Helikoptern mit eigenem Flugmodell und Landeplätzen fällt in diese Kategorie, schließlich wollen die Entwickler es "richtig" und nicht halbherzig umsetzen. Die Community würde sich hingegen noch Segelflugzeuge, Wasserflugzeuge, eine Piloten-Karriere, Missionen, Jahreszeiten etc. wünschen.

Auf dem Ingame-Marktplatz werden schon erste Add-ons verkauft.


Eine Simulator-Plattform für die Zukunft

Ausgebaut wird das Spiel ebenfalls durch den Ingame-Marktplatz für Mods bzw. Add-ons, auf dem Hobby-Entwickler und professionelle Third-Party-Anbieter (Anzahl: 268) ihre Produkte anbieten und verkaufen können. Zum Beispiel können Orbx, Gaya, PMDG und Aerosoft spezielle Flugzeugmodelle oder viel feiner ausgearbeitete Flughäfen oder Städte anbieten. Die Preise der Inhalte sollen von den Moddern selbst festgelegt werden. Den Partnern des offiziellen Ingame-Marktplatzes soll übrigens nicht verboten werden, ihre Erweiterungen auch anderswo anzubieten.

Fazit

Der Microsoft Flight Simulator ist eine beeindruckende Simulation, die zeigt, was mit Cloud- und KI-Power machbar ist: schließlich kann man die ganze Welt erkunden, obgleich hier und da längst nicht alles stimmt. Hinter der leistungshungrigen, aber bildschönen Fassade und den detailverliebt nachgebildeten Flugzeugen versteckt sich eine komplexe Flugsimulation, die sich dank zahlreicher Optionen überraschend vielfältig anpassen lässt. Wetterdarstellung, 3D-Wolken, Cockpits und das physikalische Flugmodell bei den kleineren Flugzeugen suchen jedenfalls ihres Gleichen, während der Autopilot und andere Macken das Gesamterlebnis schon stören - und nahelegen, dass die Testflüge etwas zu früh beendet wurden, gerade bei den großen Flugzeugen. Außerdem dürfte es schon mehr spielerische Elemente abseits der Herausforderungen geben. Optionale Missionen oder eine Kampagne hätten das Gesamtflugpaket aufgewertet. Doch trotz seiner Macken setzt die Flugsimulation neue Maßstäbe und ist in vieler Hinsicht ein vor allem technischer Meilenstein.

Zweites Fazit von Eike Cramer:

Flight Simulator 95 und 98 waren zwei meiner ersten Videospiele - und trotz meiner irrationalen Flugangst bin ich bis heute fasziniert von der Fliegerei im Großen und Kleinen. Kurz: Ich habe eine ausgeprägte Schwäche für Flugsimulatoren aus dem Hause Microsoft. Asobo hat für mich mit dem Microsoft Flight Simulator also einen Traum wahr gemacht: Ich kann virtuell die ganze Welt umrunden, mit Buschflugzeugen durchs Outback brettern, mit einer Cessna 172 Skyhawk entspannt Kanada erkunden oder mit einem Airliner hoch über den Wolken Linieflüge absolvieren. Und das ist in diesem Umfang nicht nur einmalig, sondern auch absolut großartig. Die Technik der Umgebungsgenerierung, der Lichtstimmungen, Wolken und Wetter ist dabei nicht weniger als atemberaubend - aber auch das Flugmodell und die Flugzeuge gehören zum besten am virtuellen Himmel, auch wenn man gerade bei den Verkehrsflugzeugen nicht ganz an die teuren Premium-Modelle von Drittentwicklern wie PMDG oder Aerosoft heranreicht. Schade sind aber die kleinen und großen Fehlerchen und Bugs, die den Gesamteindruck trüben: sporadische Abstürze, ein sich aufhängendes Wettersystem, zum Teil massive Probleme mit dem Autopiloten, zum Teil fehlerhafte Angaben und merkwürdige Funksprüche der Luftraumüberwachung und fehlende Checklisten stören das hervorragende Bild. Doch mit dem klugen Launcher-System, einer wegweisenden Cloud-Technologie, der direkten Einbindung des Marktplatzes für Drittanbieter sowie einer Schnittstelle zum Hardcore-Simulationisti-Netzwerk VATSIM dürfte der Flight Simulator über Jahre hinweg der Gold-Standard für die zivile Luftfahrt-Simulation werden - so wie es sein Vorgänger beinahe 14 Jahre lang war. Und jetzt entschuldigt mich, ich habe hier gerade die Startfreigabe auf Bahn 23 bekommen. Wir sehen uns über den Wolken! … 80 Knots … V1 … rotate … positive rate … gear up

Pro

  • komplexe Simulation der Flugphysik und der Wetterauswirkungen
  • weitreichend anpassbares Flugmodell
  • schneller als auch komplexer Spielstart möglich
  • viele Assistenzoptionen, Unterstützungen und Optionen
  • gute Steuerbarkeit mit Controller sowie FluSi-Peripherie
  • einstellbare Ausfälle oder Schäden
  • die komplette Erde kann "beflogen" und erkundet werden
  • gigantisches Ausmaß der Spielwelt
  • viele Orte wurden sehr aufwändig nachgebildet
  • die meisten Gebiete sehen dem Original ziemlich ähnlich
  • KI-Nutzung und Cloud-Datenstraming der Spielweltdetails
  • Sichtflüge sind durch Komplexität der Szenerie möglich
  • Tutorial ist eine richtig gute Flugschule
  • Shared-World mit anderen Spielern und KI-Flugzeugen
  • glaubwürdige Kommunikation mit der Flugsicherung
  • eigens simuliertes Navigationssystem
  • über 37.000 Flughäfen, Flugplätze und Graspisten
  • eindrucksvolle 3D-Wolken
  • aufwändig nachgebildete Flugzeuge und Cockpits
  • simuliertes Leben am Boden (Autos, Tiere, Ground Crew)
  • Lande-Herausforderungen und Buschflüge
  • intergrierter Marktplatz für Mods und Add-ons

Kontra

  • Tutorial schneidet fortgeschrittene Themen nicht an
  • Autopilot-Fehler und seltsames AP-Verhalten
  • lange Ladezeiten
  • wenig spielerische Elemente (keine Kampagne, keine Missionen)
  • enttäuschendes Pilotenprofil
  • Offline-Modus funktioniert nicht immer
  • viele kleine Grafikmacken beim Tiefflug
  • Grafikqualität der Offline-Variante fällt stark ab
  • kein Schadensmodell
  • Topographie der Weltkarte wird zu schnell ausgeblendet
  • (seltene) Programmabstürze
  • Flughafen Stuttgart (EDDS) fehlt
  • etwaige Bugs: Live-Wetter-Ausfall, ATC-Ausfall, Flugverhalten nach aktiver Pause, eingefrorenes Cockpit

Wertung

PC

Hinter der leistungshungrigen, aber bildschönen Fassade versteckt sich eine komplexe und vielfach anpassbare Flugsimulation, die aber nicht ohne spielerische und technische Macken daherkommt.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Neue Flugzeuge und aufwändiger nachgebildete Flughäfen sowie Szenerien können je nach Edition und auf dem Marktplatz gekauft werden.
Kommentare
Mindflare


- Aus irgendeinem Grund labert mich der Co-Pilot (?) auf deutsch zu, allerdings mit englischer Betonung aller Wörter (???)
Ist der ATC, der wohl immer das englische Azure Modul für Text-to-speech nutzt.

vor 4 Jahren
IEP

Ja, die Doppelbelegung habe ich auch. Ist auch ein bisschen irritierend

Okay, da ich das erste Mal in meinem Leben einen Joystick für den PC benutze (davor nur auf C64 und Amiga) wusste ich nicht, dass es grundsätzlich keine Overlays gibt. Wenn ich drüber nachdenke ergibt das bei den vielen verschiedenen Modellen natürlich Sinn. Ich werde mir die Buttons einfach belabeln mit Nummer und Funktionsbeschreibung

Ich weiß nicht ob ich nicht genug Buttons habe, aber das Standard-Layout hat mir die Landeklappen auf die Tastatur gelegt. Da muss ich eventuell noch ein bisschen nachjustieren. Den Button für die Außenkamera brauche ich auf dem Joystick ja nicht... zum Beispiel.


Und ja: Die Suchfunktion bei den Optionen ist gold wert!

vor 4 Jahren
IEP

Ich hatte es an Tag 1 aus Jux und Dollerei mit Maus und Tastatur ausprobiert und habe nur die erste Trainingseinheit geschafft, und das auch nur mit Mühe und Not.

Habe jetzt einen Flightstick, da ich mich reinfuchsen will und gestern erstmal die Flugschule bis zum Navigieren gemacht (dort bin ich beim Landen an einem Baum hängengeblieben und wollte es nicht nochmal machen ). Es macht echt richtig Laune!

Bin dann ein bisschen um meinen Wohnort herumgeflogen von einem Flugplatz aus, den ich seit meiner Kindheit kenne. Und wie im echten Leben ist das Ding einfach nur ein Feldweg.

Negativpunkte, die mir aufgefallen sind:
- Die Installation hat erst beim fünften Anlauf geklappt. Ich musste dazu eine Menge Tipps im Internet nachschlagen, das Spiel als Admin starten und einen PS4-Controller, der mit dem PC verbunden war, entfernen. Warum? Hat noch dazu die ganze Nacht gedauert

- Das Controller-Overlay wird nicht eingeblendet, wenn ein Tooltip kommt, dieses muss man selber dann nochmal aufmachen, was bei vier Millionen Buttons auf dem Flightstick einfach nervig ist. Muss den Stick wohl belabeln

- Aus irgendeinem Grund labert mich der Co-Pilot (?) auf deutsch zu, allerdings mit englischer Betonung aller Wörter (???)

- Die Performance lässt trotz High-End-Rechner ab und zu zu wünschen übrig. Vor allem, wenn es sehr wolkig ist und man aus dem Fenster Richtung einer Stadt schaut, die zu allem Überfluss noch von der Sonne angestrahlt wird



Aber alles in allem bin ich fürs erste Zufrieden und werde mich definitiv noch mehr damit beschäftigen, als absoluter Noob. Schade nur, dass es nicht noch für die anderen Flugzeuge ein paar Einsteigertutorials gibt.

vor 4 Jahren
Usul

Wenn ihr TLoU2 auch nur so kritisch getestet hättet wie den Flight Simulator...darf man, wenn man die PS4-Spiel nicht als fehlerlose Heilsbringer sieht, hier 5 Punkte draufschlagen und die bei TLoU2 und Konsorten abziehen?
Darfst du. Wenn dich das glücklich macht.

vor 4 Jahren