Hellpoint - Test, Rollenspiel, XboxOne, PC, XboxSeriesX, PlayStation5, Switch, PlayStation4

Hellpoint
01.09.2020, Jörg Luibl

Test: Hellpoint

Seelenlos im Weltraum

Als Hellpoint (ab 18,64€ bei kaufen) für PC, PS4 und Xbox One, später auch Switch, angekündigt wurde, machte uns die Erwähnung von Dark Souls und Dead Space zunächst neugierig. Allerdings sank das Interesse sowohl bei den Souls- als auch SciFi-Fans in der Redaktion nach den ersten Videos. Haben wir da vielleicht einen Geheimtipp des kanadischen Entwicklers Cradle Games ignoriert? Unsere PUR-Abonnenten wünschten sich jedenfalls einen Test. Here we go and fight...

...kann trügen. Vor allem, wenn man nur passiv zuschaut. Digitale Abenteuer entwickeln ihre Anziehungskraft erst, wenn man abtaucht, wenn man die Figur selbst bewegt und sie sowie ihre Welt über Stunden reifen lässt. Aber Hellpoint ist ein Beispiel für Kälte auf den ersten und leider auch zweiten Blick. Das schlanke, an einen Androiden erinnernde Wesen, das da als "Abkömmling" aus dem Nichts auftaucht, hat keine griffige Präsenz, bewegt sich so leicht als würde es schweben und springt so hoch, als hätte es irgendwo ein Jetpack versteckt. Es gibt keine Charaktererschaffung über Klassen, man spielt quasi einen Klon ohne Fähigkeiten, den man selbst entwickeln kann. Die ersten Schritte fühlen sich jedenfalls nicht besonders gut an (zumal die Trittgeräusche auch nicht gut klingen), wenn man mit Rohrklinge und Schild gegen untotes Kroppzeug sowie Ritter kämpft. Ja, auch Warhammer und andere Welten verbinden Stilmittel der Fantasy mit der Science-Fiction, aber hier wirkt das alles andere als einfallsreich, das Artdesign eher bemüht als markant.

Kälte auf den ersten Blick...

Hellpoint versetzt euch auf eine Raumstation.
Der Vorteil ist natürlich, dass sich dieses Spiel flotter und akrobatischer spielt als die schwerfälligen Vorbilder von From Software & Co: Mit Anlaufsprint und Sprung kann man sogar weite Abgründe überwinden, es gibt in der Vertikalen einiges zu entdecken, viele Lifte, mehrere Etagen hoch gestapelte Container sowie Simse weit oben unter der Decke, so dass man sich fast an einen 3D-Plattformer erinnert fühlt. Allerdings an einen, der nicht so präzise ist wie nötig, denn das Springen kann recht schwammig sein. Und an einen, der in einer weitgehend sterilen labyrinthischen Raumstation mit teils riesigen Räumen stattfindet. Die versprühen meist den Charme gigantischer Messehallen - auf so manchem Rückweg zum Riss, an dem man gegen Seelen aka Axionen seinen Charakter aufrüsten kann, fühlt man sich an kilometerlange Märsche der Gamescom vor Corona-Zeiten erinnert. Hat man in anderen Abenteuern frühzeitiger mehr alternative Wege mit frischen Überraschungen, wird man hier gerade in den ersten Stunden zur Wiederholung des ewig Gleichen genötigt. Es gibt ja durchaus monumentales Flair, so manches verstärkt das anvisierte Grauen einer verlassenen Station mit düsteren Geheimnissen. Und es gibt später auch Kreaturen sowie riesige Bestien, darunter teils gut designte Bosse, die auch für Horror sorgen können - allerdings sollte man keine dichte Atmosphäre à la Dead Space erwarten, in der es hinter jeder Ecke knistert.

Ein Ritter im Weltraum...
Nicht die Akrobatik, sondern die Kämpfe à la Dark Souls stehen hier natürlich im Vordergrund. Diesen fehlt es allerdings sowohl an Wucht als auch Eleganz. Wenn man sich bei Ausdauerverlust mit leichten und schweren Hieben, mit Parade und Konter durch die weiten Korridore kloppt, in denen zunächst die üblichen Untoten lauern, wirkt das trotz Blutspritzern und Gebrüll etwas zu fade. Dagegen entfaltet Mortal Shell z.B. umgehend eine atmosphärische Präsenz, in der man sich Charakter und Kulisse gerne anschaut. Dass es mitunter nicht ganz flüssig läuft und die Animationen nicht immer überzeugen, kommt hinzu.

...und zweiten Blick

Doom lässt in manchen Bosskämpfen grüßen.
Doch wo wirklich gute Spiele im Soulstil meist einen innovativen Aspekt in den Gefechten hinzufügen können, wie etwa die Trefferzonen in The Surge, das Verhärten in Mortal Shell, sucht man diesen hier vergeblich. Ein Pluspunkt ist das vielfältige Geballer sowie Attackieren über die Distanz, denn es gibt auch Schusswaffen & Co. Aber im Vergleich zu jenen in Remnant: From the Ashes, die mit Wumms und Rückschlag für echtes Shooterflair sorgen konnten, wirken diese hier im besten Fall mal ansehnlich aufgrund der Lichteffekte - und sie gestalten viele Konfrontationen viel zu einfach. Im spielmechanischen Kern ist Hellpoint durchaus solide, zumal die Steuerung weitgehend sauber ist, aber es kann mit seiner gewöhnlichen Action einfach nicht rocken. Wie sieht es mit den anderen Aspekten aus, mit Story, Erkundung und Entwicklung? Können einen diese Aspekte tiefer hineinziehen?

Zwar hätte die futuristische Ausgangslage durchaus erzählerisches Potenzial: Immerhin befindet man sich auf einer riesigen Raumstation namens Irid Novo, die irgendwo in der Milchstraße durchs Weltall düst. Sie wird manchmal erschüttert, es gibt dynamische Ereignisse, so dass z.B. Horden in Intervallen ihr Unwesen treiben. Aber die extrem spartanische Erzählweise kann diese Hintergrundwelt nicht so mit Leben füllen, dass man wirklich neugierig und vor allem stückweise geködert wird, mehr zu erfahren - obwohl die Vorstellung, dass all das nur "gedruckt" ist, durchaus cool ist. Aber selbst innerhalb des reduzierten Storytelleings passiert letztlich zu wenig an narrativer Interaktion. Obwohl sich Cradle Games auch mit Nichtspieler-Charakteren an From Softwares Art der Regie orientiert, erreichen sie einfach nicht diese Anziehungskraft, zumal die Spielwelt zu dröge wirkt. Das asbtrakte Ziel zu Beginn lautet: "Finde den Architekten!"

Spielwelt fehlt Anziehungskraft

Die Story hält sich bis auf vage Hinweise zurück.
Das Leveldesign ist angenehm verzahnt, so dass man immer wieder Abkürzungen öffnet, die auseinander liegende Bereiche verbinden. Allerdings sieht sich alles zu schnell zu ähnlich - das Artdesign kann auf lange Sicht kaum Akzente setzen. Und man muss hier häufiger als in anderen Spielen dieser Art dieselben weitläufigen Routen in faden Kulisse ablaufen - dabei kann man einige Geheimnisse entdecken, manche Wände zerstören und dahinter etwas finden etc. Aber es fügt sich kein Puzzle zusammen, das man vollenden will.

Einmal besiegte 08/15-Monster tauchen übrigens nicht nach dem Tod oder einem Aufrüsten am Riss, sondern einfach nach gewisser Zeit wieder auf - was mich irgendwann nur noch genervt hat. Denn recht früh ist man zu stark für sie, so dass man sich nur noch durchschnetzelt. Immerhin: Man kann am "Riss" deren Stufen über Polarisierung oder Aushöhlung anpassen - aber auch das empfinde ich als ungeschickt im Spieldesign. Wenn man sich dann noch verläuft, da es keine Kartenfunktion gibt, wächst auch der Unmut. Obwohl man auch in Dark Souls oder Mortal Shell selbst zeichnen muss, gibt es dort immer wieder aufs Neue mehr in dichterer Atmosphäre zu entdecken. Gerade dieses ständige Wiederholen konterkariert auch das Aufkommen eines echten Horrorgefühls, ganz einfach durch Abstupfung - viele Aspekte dieses Spiels, vor allem die Story, hätten eher in einer Art Survival-Abenteuer ohne Soulsformel funktioniert. Bloodborne hingegen gelingt genau das, was mal wieder demonstriert, wie schwierig selbst das Abkupfern in der Spielewelt ist, wenn man sich am höchsten Niveau orientiert.

Das Kreaturendesign ist interessanter als die Kulisse.
Was Hellpoint wiederum interessant macht: Man kann einige Bereiche der Raumstation nur zu bestimmten Zeiten erreichen - man hat in seiner Charakterübersicht oben links quasi eine Uhr. Und zweimal am Tag, wenn sich die Raumstation einem Schwarzen Loch nähert, schlägt die "Hell Hour", die bisher blockierte Areale zugänglich macht. Allerdings tauchen in diesen Phasen auch härtere Feinde sowie Horden auf, so dass man sich fast ein wenig an die Arenen aus Doom erinnert fühlt. Mit dem großen Unterschied gegenüber anderen Soulsnachahmern, dass man gegen die kleineren Bosse zunächst einfach keine Chance hat, weil sie einen sofort killen - da hilft auch keine Strategie, da hat man quasi Pech und genau das erhöht den Frust gerade zu Beginn. Apropos Bosse: Auch wenn diese visuell im Gegensatz zur Kulisse markante Akzente setzen können, dürfte ihr teilweise seltsames Verhalten, das entweder viel zu durchschaubar oder konfus chaotisch ist, keine große Freude unter Arenataktikern auslösen, die sich gerne eine Strategie für einen Schlagabtausch zurechtlegen.

Kampf gegen Untote, zunächst nur mit Schild und Rohrklinge.
Wenn man stirbt, kann man seine Seelen aka Axionen wieder einsammeln, wenn man an den Ort des Todes zurückkehrt - mit der kleinen Besonderheit, dass da auch ein grün schimmernder Geist seiner selbst lauert, den man besiegen muss. Außerdem gibt es keine Heiltränke, sondern die Heilungsanzeige füllt sich langsam, sobald man kämpft, so dass man sich zunächst maximal zwei Spritzen injizieren kann - was allerdings auch dazu führt, dass man sich vor einem schweren Kampf vielleicht nochmal durch das Kroppzeug metzeln muss...

Heilung durch Kampf

Ansonsten läuft die Charakterentwicklung klassisch, indem man seine Axionen über acht Attribute von Stärke, Ausdauer über Reflexe bis Weitblick verteilt, die sich auf andere Fähigkeiten sowie den Kampf auswirken: Letzterer erhöht übrigens die Power okkulter Instrumente. Es gibt durchaus einige interessante Fähigkeiten! Der Fernkampf gewinnt neben den Nahkämpfen an Komplexität, so dass man auch auf diverse Art über Distanz feuern kann. Hinzu kommen sechs Schadenstypen, darunter Nihl, Induktion, Entropie und Strahlung, so dass man sich später gut spezialisieren kann bzw. rüsten muss: Kopf, Oberkörper, Arme und Beine können  eingekleidet werden; es gibt auch zig Verbesserungschips. Auch ihr könnt in dieser SciFi-Welt fleißig drucken: Mit genug Rohstoffen wie Inselium oder Kohlenstoff sowie Modellvorlagen dürft ihr euch z.B. selbst so einen Schild anfertigen, den die großen Ritter tragen.

Lokaler Splitscreen ist möglich.
Hellpoint bietet auch Multiplayer-Funktionen - die übrigens zum Ärger der Fans zum Start noch nicht vorlagen, obwohl sie per Kickstarter versprochen wurden. Doch seit einiger Zeit gibt es sowohl Online-Gefechte gegeneinander als auch miteinander, die man jedoch etwas kompliziert im Gestenmenü über Match-Codes einleiten muss und die unter einigen Bugs leiden; immerhin gab es kürzlich einen Patch, doch da liegt noch einiges im Argen. Man kann aber auch loale kooperative Einsätze starten: Wer ein zweites Gamepad anschließt, kann mit einem Kumpel im Splitscreen auf der Couch loslegen, falls man schon einen zweiten Charakter erstellt hat.

Fazit

Ich habe selten so schnell die Lust an einem Spiel à la Dark Souls verloren. Manchmal trügt ja der erste Blick, aber Hellpoint ist trotz soulsähnlicher Struktur auch auf den zweiten und dritten Blick zu fade. Zwar ist die Ausgangssituation in einer Raumstation eigentlich reizvoll, aber man sollte hinsichtlich der Atmosphäre kein Dead Space erwarten, zumal weder die visuellen noch erzählerischen Potenziale zur Geltung kommen. Obwohl Kampf und Charakterentwicklung okay und einige Bosse sogar markant sind, entsteht keine Sogwirkung. Wo ich in anderen Spielen dieser Art wie etwa Mortal Shell oder Remnant: From the Ashes gerne Areale wiederholt erkunde, sinkt die Motivation beim Wiederholen bekannter Erkundungen in dieser sterilen Kulisse zu schnell ab - vielleicht hätte man komplett auf die Soulsformel verzichten und eher Survival-Horror ohne Wiederholungszwang anbieten sollen. Hellpoint ist aber kein Murks, denn es baut ja auf einem stabilen Fundament auf, bietet mit den dynamischen Ereignissen sowie der Plattformakrobatik zumindest eigene Ideen und hat einen Koop-Multiplayer. Wer viel Geduld mitbringt, der kann letztlich noch solide unterhalten werden. Aber da draußen gibt es viel bessere Spiele in der Tradition von From Software.

Pro

  • interessantes Raumstation-Szenario
  • solides Nah- und Fernkampfsystem
  • Charakterentwicklung à la Souls
  • teils akrobatische Erkundung, einige Geheimnisse
  • dynamische Ereignisse
  • PvP- und Koop-Multiplayer
  • gut designte Bosse

Kontra

  • schnell monotones Spielgefühl
  • Bewegung und Kämpfe ohne Wucht
  • zu schwammiges Springen
  • fade Kulisse, viel Einheitsbrei
  • komplett unfaire Kämpfe in der Hell Hour
  • kaum interessantes Storytelling
  • sehr lange Laufwege, keine Karte
  • nervige Trittgeräusche
  • Multiplayer mit einigen Bugs
  • Bosskämpfe manchmal zu chaotisch

Wertung

XboxOne

Interessantes futuristisches Szenario, solide Spielmechanik, aber ich habe selten so schnell die Lust an einem Spiel à la Dark Souls verloren.

PC

Interessantes futuristisches Szenario, solide Spielmechanik, aber ich habe selten so schnell die Lust an einem Spiel à la Dark Souls verloren.

PlayStation4

Interessantes futuristisches Szenario, solide Spielmechanik, aber ich habe selten so schnell die Lust an einem Spiel à la Dark Souls verloren.

Echtgeldtransaktionen

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  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
NoCrySoN

Wo sind eigentlich all die Leute die unbedingt dieses Machwerk im Test sehen wollten? Alles stille Pur-Leser?
Kauf dir halt auch Pur und stimm mit ab?
Darum gehts doch gar nicht.

Ist doch bloß komisch das sich hier niemand zu Wort meldet. Wenn es mehrheitlich gewonnen hate, sollte sich doch jemand im Test finden, der mal seine Meinung kundtut. Interessiert mich eben wer warum hier soetwas wählt und was er aus solch einem Titel an Spaß zieht.

Würde ja gerne mal, wie schon in der Wunschtest-News geschrieben, die Zahlen wissen, wieviele da wirklich immer mitmachen. Wenns im zweistelligen Bereich ist, ist das hier ja keiner Wunder, wenn mehr, dann gerne auch mal Meinungen zum Test, wie schon erwähnt.
Danke.

vor 4 Jahren
GeronimoJackson

Wo sind eigentlich all die Leute die unbedingt dieses Machwerk im Test sehen wollten? Alles stille Pur-Leser?
Hier ist einer


Tatsächlich hatte ich mit Hellpoint mehr Spaß als mit Mortal Shell, das mich komplett kalt gelassen hat und in dem ich ab ca. der Hälfte nur noch in Richtung Bosse durchgerannt bin.
Klar, manches an Hellpoint ist tatsächlich leider "gut gedacht, schlecht gemacht" (beim Gedanken an die Sprungpassagen zuckt mein linkes Auge immer noch ), aber im Großen und Ganzen ist es doch solide Soulslike-Kost inklusive NG+, alternativen Enden, versteckten Geheimräumen etc.

vor 4 Jahren
CroGerA

Wo sind eigentlich all die Leute die unbedingt dieses Machwerk im Test sehen wollten? Alles stille Pur-Leser?
Kauf dir halt auch Pur und stimm mit ab?

vor 4 Jahren
NoCrySoN

Wo sind eigentlich all die Leute die unbedingt dieses Machwerk im Test sehen wollten? Alles stille Pur-Leser?

vor 4 Jahren