Skater XL - Test, Sport, Switch, XboxOne, PlayStation4, PC

Skater XL
19.08.2020, Matthias Schmid

Test: Skater XL

Mehr wäre mehr gewesen

Nach einer langen Early-Access-Phase enttäuscht die fertige Version von Skater XL (ab 7,99€ bei kaufen). Warum das Spiel trotz guter Steuerung nicht ansatzweise mit den Granden des Genres mithalten kann, verrät der Test.

Es gab eine Zeit, da waren Trendsport-Spiele der Renner. Und damit meine ich nicht frühe California-Games-Gehversuche oder EAs skate-Reihe, die den Tiefgang von Rollbrettspielen auf ein neues Niveau gehoben hat. Ich meine den Promi schlechthin: Tony Hawk's Pro Skater. Und seine vielen Kinder. Die dann auf BMX und Cyberbrett, auf Surfboard und Jet-Ski, auf Inline-Skates und Snowboards (vor allem) die Konsolen unsicher machen und einer ganzen Generation von Zockern neue Begrifflichkeiten beibrachten. Plötzlich standen Zahlen wie 360 oder 900 für eine bestimmte Anzahl an eleganten Drehungen und der Olli(e) war nicht länger nur ein Vorname.

Durststrecke

Heute ist davon wenig übrig geblieben: Wintersport-Titel mit Trendsport-Charakter sind selten - EA hat seine SSX-Reihe begraben, auch Ubisofts tolles Steep hat schon wieder fast vier Jahre auf dem Buckel. Activision hat gleich mehrere Tony-Hawk-Titel in den Sand gesetzt. Ich bin gespannt, ob das in wenigen Wochen erscheinende Remaster der ersten beiden Teile das Feuer neu entfachen kann. Auf Steam rollten sowohl Session als auch Skater XL lange durch den Early Access - nun hat immerhin Letzteres diese Phase hinter sich gelassen und es zu einem fertigen Spiel gebracht. Oder doch nicht?

Auf Wunsch wird links unten dauerhaft ein Pad eingeblendet, das die zu den jeweiligen Füßen gehörenden Analogsticks farblich markiert.
Skater XL beginnt mit einem kurzen, aber ordentlichen Tutorial: Man lernt, dass man beide Analogsticks für die beiden Füße braucht und am besten per Schultertasten Kurven fährt. Oder wie man anschiebt und bremst plus einen Ollie oder Flip-Trick macht. Beispiel Kickflip, wenn der rechte Fuß hinten auf dem Board steht: Man drückt den rechten Stick nach hinten und lässt ihn schnell los - damit kickt man das Brett in die Luft. Sofort danach bewegt man den linken Stick nach links, um dem Board den nötigen Spin zu geben, damit es sich einmal um die eigene Längsachse dreht. Dann beide Sticks in Ruhe lassen, landen und fertig ist der Kickflip. Viel mehr vermitteln die wenigen kurzen Lektionen dann aber auch nicht: Ebenso wenig werden mir Grabs oder Grinds (Letztere sind ohnehin eine Schwäche des Spiels) beigebracht, noch wie man geschickt Dinge kombiniert oder sein Timing generell verbessert.

Inhaltsangabe

Das Zentrum von Los Angeles wurde ordentlich in Szene gesetzt - wer schon mal an der echten Messe war, erkennt vieles wieder. Leider mangelt es an traumhaften Skate-Spots.
Danach geht es in eines der fünf Areale, die die Entwickler gebaut haben: z.B. die Innenstadt von Los Angeles, eine Riesenrampe in der Wüste oder eine Highschool samt Umgebung. Allen gemein ist eine eher realistische Gestaltung, zwar mit reichlich Treppen, Geländern und Rampen, aber nicht so überzogen wie die traumhaften Skateparks anderer Titel. Das klingt in der Theorie gut, stört mich aber in der Praxis: Vielfach sind die Wege so schmal, dass ich ständig anecke, und die Bordsteinkanten so häufig, dass ich dauernd darüber-ollien muss oder schon wieder stoppe und in die Gegenrichtung rolle. Zudem gibt es in allen Arealen zusammen kaum eine Hand voll richtig geile Ecken, also Stellen, wo ich richtig Bock darauf, Trick um Trick um Trick zu probieren. Lediglich auf der Riesenrampe hab’ ich mich dabei ertappt, einen Megasprung nach dem anderen zu machen. Zu den fünf Stages kommen auf Xbox One und PS4 drei von der Community erstellte, recht kleine Areale wie eine unterirdische Skatehalle oder ein kleiner Park. Das war’s erst mal mit von den Spielern erstellten Inhalten - eine Download-Funktion für weitere Inhalte fehlt; hier ist man auf zukünftige Updates der Entwickler angewiesen. Auf PC geht da mehr - schließlich ist die Community dank der Early-Access-Phase seit langer Zeit aktiv; leider stand die finale PC-Version zum Testen nicht zur Verfügung; ich versuche aber, deren Einschätzung so bald wie möglich nachzureichen.

Dazu gesellt sich ein Wiederaufsetz-Feature, das stark nach einem Trainingsmodus, aber nicht nach einem fertigen Spiel riecht: Wer stürzt (das passiert oft und sieht meist ungelenk und billig aus), taucht am Level-Startpunkt oder einer selbst gesetzten Stelle wieder auf. Also nicht an dem Ort, wo der Sturz passiert ist. Mag sein, dass es schon ein Spiel gab, wo das so war - aber für mich fühlt es sich einfach falsch an: Wieder und wieder vergesse ich, an einer interessanten Stelle, die ich gerne mehrfach versuchen würde, meinen Checkpoint zu setzen - und prompt bin ich nach einem Sturz wieder ganz am Anfang. Alternativ kann ich zu einer Vogelperspektive springen und meinen Skater irgendwo im Level platzieren - gute Idee, aber alle paar Sekunden habe ich da auch keinen Bock drauf.

Respawn

Wer mit einer Frau aufs Brett will, muss sich im Editor eine bauen. Coole Grinds (hier im Bild) sind selten - sie werden schlecht erklärt, zudem ziehen euch die Rails nicht gerade an.
Vier echte Skater geben sich die Ehre (Evan Smith, Brandon Westgate, Tom Asta, Tiago Lemos) - sie können per Menü jederzeit ausgewählt werden. Ein weiblicher Profi ist leider nicht an Bord, dafür zwei Editor-Charaktere (männlich & weiblich). Letzteren könnt ihr zwar etliche Shirts, Hosen und Schuhe anziehen, ihnen verschiedene Decks und Rollen geben und ein paar (hässliche) Frisuren verpassen - ein guter Editor sieht im Jahr 2020 aber anders aus. Weder kann man Gesichter ändern noch die Haare färben oder die Leute größer und kleiner bzw. dicker oder dünner machen, geschweige denn Outfits oder Boards individualisieren. Zudem gibt es nichts Reizvolles zu den vier prominenten Herren - keine Intros oder Sound-Schnipsel, keine Signature-Tricks, keine Erklärung, wer sie sind.

Hinter dem Punkt "Herausforderungen" verbergen sich coole Dinge, die eine Skater-Silhouette vormacht. Leider ist die Einbindung ins Spiel mangelhaft und die Motivation zu üben, wird kaum angefacht.
War es das schon? Fast! Hinter dem jederzeit einblendbaren Menüpunkt „Herausforderungen“ verbergen sich viele, an das jeweilige Level abgestimmte Tricks und Lines: Das sind mal einfache Ollie-Sprünge über eine Parkbank, mal knifflige Tricks mit hohen Sprüngen, mal Grinds über das Treppengeländer hinter der Schule. Stets fährt eine Skater-Silhouette voraus und man bekommt die aktuellen Stick- und Button-Eingaben eingeblendet - dann muss man das möglichst akkurat nachmachen. Tipps für korrektes Timing fehlen ebenso wie eine abschließende Bewertung. Also prinzipiell ein cooles, reizvolles Feature - das aber viel zu halbgar und wenig motivierend ins Spiel integriert wurde. Alles muss ich einzeln anwählen, nichts wird fetzig oder stylisch präsentiert und eine Belohnung am Ende gibt es auch nicht. Der Vollständigkeit halber: Ein virtuelles Gamepad, das die Sticks in zwei Farben zeigt und diese Kolorierung auch über eure Schuhe legt, ist in den Optionen jederzeit einblendbar. Und aus den Boxen dringt ein gefälliger, aber unaufdringlicher Rocksoundtrack, der ohne große Namen auskommt, aber gut zur entspannten Spielatmosphäre passt.

Bisschen was zu tun

Fazit

Ich müsste meine schönen Erinnerungen mit etlichen Tony-Hawk- und skate-Episoden sowie anderen Trendsport-Hits löschen, um Skater XL für ein richtig gutes Videospiel zu halten. Denn hier ist nur die Basis gelungen: Der entspannte Skater-Vibe stimmt, die Umgebungen sehen ordentlich aus und - am wichtigsten - die Zweistick-Steuerung geht nach einiger Zeit in Fleisch und Blut über. Aber: Einfach rumrollen, hinfallen, ein paar Tricks machen und dabei natürlich besser werden - das reicht mir nicht in einem Skate-Spiel des Jahres 2020. Ich hätte gern ein bisschen pompöses Drumherum (wie bei einem Forza-Horizon-Festival) oder eine Vom-Underdog-zum-Star-Geschichte. Und ich will etwas Konkretes zu tun haben in den Stages: Seien es nur bunt leuchtende Lines, die geritten werden wollen, besonders schwere Tricks oder Sammelkram. Und dafür dann auch Punkte. Punkte, mit denen ich am Ende prahlen kann oder die mir Upgrades verschaffen - für Kleidung, neue Decks, freischaltbare Skater oder eben Zusatzareale. All das bietet Skater XL nicht oder nur in unendlich biederer Ausführung. Viel zu oft fühlt sich das ganze Spiel so an, als würde ich im Trainingsmodus eines richtig guten Skater-Titels gestrandet sein - dazu passt auch, dass ich ständig selbst Wiederaufsetz-Punkte festlegen muss, will ich nicht nach jedem Sturz wieder am ursprünglichen Start anfangen.

Pro

  • durchdachte Zwei-Stick-Steuerung
  • schon einfache Tricks machen Laune
  • entspanntes Free-Skaten ohne Druck
  • angenehmer Soundtrack
  • gute Roll- und Untergrund-Geräusche
  • saubere Optik
  • Wiederholungs-Editor inkl. kürzbarer Clips
  • Skater an jedem Ort in Level platzierbar

Kontra

  • kein Story-Modus
  • gewöhnungsbedürftige Wiederaufsetz-Mechanik
  • Herausforderungen extrem bieder integriert
  • hampelige Sturz-Animationen
  • Skate-Stars und -Marken lieblos integriert
  • viele kleine Kanten stören Spielfluss
  • Level verleiten nicht zum stundenlangen Ausprobieren
  • wenige Schauplätze
  • Tutorial sehr kurz
  • nur eine (tiefe) Kameraperspektive
  • Modelle und Texturen nur mittelmäßig

Wertung

XboxOne

Freeskate-Indiespiel mit gut erlernbarem Tricksystem, das aber ohne Story, freispielbare Dinge und mit wenigen Schauplätzen auskommen muss und daher unfertig wirkt.

PlayStation4

Freeskate-Indiespiel mit gut erlernbarem Tricksystem, das aber ohne Story, freispielbare Dinge und mit wenigen Schauplätzen auskommen muss und daher unfertig wirkt.

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Kommentare
Shake_(s)_beer


Ich hätte auch nichts gegen den realistischeren Ansat...
Dann kann ich dir Session im Simulationsmodus ans Herz legen.
Danke für den Tipp. Das kannte ich noch gar nicht. Werd's auf jeden Fall mal im Auge behalten und vielleicht irgendwann mal ausprobieren.

vor 4 Jahren
HellToKitty

Das Spiel ist leider von vorne bis hinten unfertig. Allein die Menüs wirken wie Platzhalter. Grafikoptionen sind nur rudimentär enthalten und es gibt noch nicht einmal einen Menüpunkt zum Beenden des Spiels. Die Physik wirkt an vielen Ecken und Enden noch recht buggy. Mich stört vor allem, dass der Winkel in dem das Board auf dem Boden aufkommt, fast keinen Rolle spielt. Man kann beinahe im 60° Winkel landen und fährt dann trotzdem weiter. Das fühlt sich einfach falsch an und würde in Echt so einfach nicht funktionieren und das ungeachtet der Skills und des Gleichgewichtsgefühls des Skaters. Wenn man das Board bei Fliptricks über- beziehungsweise unterdreht, wird es wie an unsichtbaren Fäden zurück zur ganzen beziehungsweise vor zur Doppeldrehung gezogen, was extrem komisch wirkt, weil das Board dann einfach aus einer eigentlichen Darkslideposition zurück glitcht. Den Videomodus habe ich bereits nach ein paar Minuten wieder verlassen, weil ich damit einfach nicht klargekommen bin. Das Spiel hat sicherlich Potential und könnte nach vielen Updates noch was werden, aber so ist nach kurzer Zeit einfach die Luft raus, weil es unterm Strich auch einfach viel zu anspruchslos ist, aber für ein echtes Arcadefeeling einfach die Aufgaben fehlen.

Da bietet Session bereits als Early Access bei weitem mehr und wer einmal im Simulationsmodus die Catchmechanik begriffen hat, will ohnehin nie wieder zurück zu den Stützrädern anderer Skateboardspiele.

Ich hätte auch nichts gegen den realistischeren Ansat...
Dann kann ich dir Session im Simulationsmodus ans Herz legen.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
Shake_(s)_beer

Puh, echt schade. Ich hatte auch die große Hoffnung, dass da endlich mal wieder ein gutes Spiel kommt. Die sind ja im Skateboard-Genre in den letzten Jahren eher selten geworden.
Ich hätte auch nichts gegen den realistischeren Ansatz, die Tony Hawk-Reihe war ja schon seit jeher ziemlich arcadig. Was immer cool war, aber man kann's ja auch anders angehen.
Aber wenn der Titel außer freiem Skaten nichts bietet, ist mir das auch ein bisschen zu wenig. Das macht vielleicht ein paar Stunden Spaß, aber das war's dann wahrscheinlich auch.

vor 4 Jahren
Ernesto Heidenreich

Ich liebe Rollsport, skaten, Skateboard fahren, fahre heutzutage aber altersgemäß nur noch E-Skateboard

Skate 1+2 habe ich damals intensiv gespielt und sehne mich nach spielerischem Nachschub, habe aber hier auf einen Kauf verzichtet. Das Spiel machte einfach keinen guten Eindruck.

Danke für den Test, ich hoffe Skate 4 kommt 2021.

vor 4 Jahren
HubertKah

Sorry Leute, das war mein Fehler, Headline ist geändert: Tony Hawk kommt ja noch...
Was stand denn vorher da?

vor 4 Jahren