Windbound - Test, Survival & Crafting, Stadia, PC, XboxOne, Switch, PlayStation4
Kara heißt die junge Reisende, doch das habe ich erst erfahren, als ich mir die offizielle Webseite angesehen habe. Denn gesprochen wird in Windbound praktisch nicht. Nur Texte beschreiben manchmal wie Untertitel, was Kara sieht oder erlebt. Immerhin führt sie ihre Reise offenbar dorthin, wo schon andere vor ihr waren. Das lässt sich an zerstörten Behausungen sowie Zeichnungen auf Steintafeln ablesen und weckt nicht nur deshalb Erinnerungen an Journey.
Im Auge des Sturms?
Auch Kara wacht ja in einer fremden Umgebung auf, nachdem sie inmitten eines Sturms von ihrem kleinen Boot geworfen wurde. Genauer gesagt befindet sie sich auf einer Insel, die zwar Teil des Ozeans ist, auf dem aber weiterhin ein Gewitter zu wüten scheint. Auf jeden Fall ist das kreisrunde Schönwetter-Areal, auf dem sich noch weitere Inseln befinden, von Sturmwolken umgeben, durch die kein Weg hindurch führt. Nur durch das geheimnisvolle Tor am Ende einer steinernen Treppe gelangt man hinaus – in das nächste, immer etwas größere Areal.
Bis man das Tor nutzen kann, muss man allerdings drei Schalter aktivieren, die sich auf drei Türmen und damit drei teils weit voneinander entfernten Inseln befinden. Um die zu erreichen, braucht man daher ein Boot und so sammelt man Gras, verarbeitet es zu Tau und baut daraus ein erstes Kanu. Später entstehen aus Holz, Leder und anderen Materialien viel aufwändigere und auch widerstandsfähigere Boote, doch diese Rohstoffe muss man erst einmal sammeln bzw. herstellen.
Ewige Kreisläufe
Es ist aber auch ein verzeihliches und gemütliches Spiel, denn im Vordergrund steht das entspannte, wenn auch aufmerksame Erkunden der idyllischen Inselwelt. Hat man den Dreh anfangs nicht ganz raus, segnet Kara schon mal recht plötzlich das Zeitliche. Das passiert aber schnell nicht mehr und wenn doch, arbeitet man sich mit dem bis dahin erlangten Wissen recht flott durch die ersten Inselgruppen. Tatsächlich war mir das Spiel sogar irgendwann zu leicht, obwohl die sieben Inselgruppen immer größer und gefährlicher werden. Nur stellen selbst größere Tiere spätestens dann praktisch keine Gefahr mehr dar, wenn man sie gemütlich per Pfeil und Bogen erledigt oder im Nahkampf Hilfsmittel wie Giftgranaten einsetzt.
Außer Puste
Windbound verlangt ohnehin keine komplexen Survival-Skills, sondern belässt es bei recht übersichtlichen Kreisläufen aus Eigenversorgung, der Herstellung von Waffen und Werkzeugen sowie dem Ausbau des Bootes. Auch die Steuerung ist einfach gehalten, wenn Kara beim Kämpfen automatisch zielt (was leider nicht immer korrekt funktioniert) und sich an Vorsprüngen selbstständig hinaufzieht, wenn man nur dagegen läuft. In Verbindung mit dem fantasievollen Artdesign fühlt sich das Kämpfen und Craften dadurch mehr nach spannendem Camping-Ausflug als nach unbarmherziger Darwin-Auslese an – was ich selbst dann genossen habe, wenn Kreaturen mal wieder im Felsen hängen blieben oder als regungslose Objekte durch die Gegend geschwebt sind.
Versteht das nicht falsch: Es handelt sich nicht um ein belangloses, spannungsarmes Abenteuer! Wer in manchen Situationen nicht aufpasst, gerät schnell in eine brenzlige Lage. Gesundheit und Ausdauer muss man zudem überlegt einteilen, was mir richtig gut gefällt. Geht Kara die Puste aus, kann sie nämlich weiter die Zähne zusammenbeißen – was sie dann an Reserven aufzehrt, kehrt allerdings nur sehr langsam wieder zurück. Auch beim längerem Schwimmen verlassen sie erst mal alle Kräfte. Zusätzlich erholt sich ihre Gesundheit nicht in derselben Sekunde, in der sie einen Braten verspeist, sondern füllt sich nach dem Essen nur gemächlich auf. Das alles sorgt dafür, dass man mit Bedacht und Voraussicht handelt, was nicht nur den Anspruch erhöht, sondern auch das eher ruhige Spielen fördert.
Ahoi!
Immerhin muss man das Tuch im richtigen Winkel zum Wind stellen und auch den Wellengang so nutzen, dass man möglichst ungehindert über das Wasser gleitet und bei starkem Wellengang vielleicht sogar auf den Wogen reitet, um noch schneller zu werden. Solche Momente sind klasse! Nicht zuletzt findet man auf See kleinere Felsen sowie Geheimnisse unter Wasser, wo ein paar zusätzliche Taler oder von Anderen dort zurückgelassene Gegenstände versteckt sind. Immerhin kauft man bei jedem Übergang in ein neues Level eine von zwei zufällig angebotenen Fähigkeiten und kann dadurch z.B. länger schwimmen, wird weniger stark vergiftet oder löst bei angegriffenen Kreaturen zusätzliche Blutungen aus, wodurch man sie schneller zu Tode bringt.
Der Traum von Freiheit...
Es gibt außerdem keine Spielvariante, die – meinetwegen erst nach Abschluss der Geschichte – das freie Erkunden des Meeres oder zumindest eines sehr großen Archipels ermöglicht. Ich verlange selten etwas, das nicht im Spiel enthalten ist, weil es einfach nicht der Vision der Entwickler entspricht. Hier fehlt mir aber quasi die Vollendung des Prinzips, bei der man im freien Spiel weiter mit dem Boot experimentiert, zusätzliche Gefahren meistert und vielleicht besonders gut versteckte seltene Schätze aufspürt. Oder einfach noch lange nach dem Abspann diesen schönen Ausflug genießt, ohne komplett von vorne zu beginnen.
Fazit
Windbound ist ein geführtes Roguelike und Survival-Abenteuer, das den Überlebenskampf als Teil einer von Journey inspirierten Reise inszeniert, anstatt komplexe Mechanismen zu konstruieren, in die man sich mühsam hineinarbeiten muss. Stattdessen hat man die Grundlagen recht schnell verinnerlicht und kann sich von Beginn an von dem wundervollen Artdesign sowie im Wind treiben lassen. Die Segelfahrten sind dabei die größte Stärke des Spiels, denn so unterhaltsam es auch sein mag größere Kreaturen mit etwas List endlich zu erlegen, so großartig fühlt es sich, wenn das Segel voll im Wind steht und das Boot so über das Wasser springt, dass man die Wellen zum eigenen Vorteil nutzt. Ich wünschte nur, es gebe auf dem offenen Meer häufiger mal starken Wellengang und größere Abwechslung unter den Inseln. Mir fehlt auch ein freies Spiel, in dem man dauerhaft und in einer weiten Umgebung mit dem Bau neuer Boote experimentieren kann. In Felsen oder starren Animationsphasen feststeckende Tiere sind zudem ärgerlich und das Bedienen der Menüs könnte besser funktionieren. So verzaubert Windbound im Kleinen also mit wundervollem Flair und stimmungsvollen Höhepunkten – kommt nur leider nie ganz dort an, wo es dem Anschein nach sein möchte.
Pro
- stark vereinfachtes, aber glaubwürdiges Segeln über z.T. hohe Wellen
- motivierender Ausbau des eigenen Boots
- mögliches Spezialisieren auf verschiedenes Vorgehen im Kampf...
- mehrstufiges Ausdauer-System
- Entwickeln zufällig zur Wahl stehender Fähigkeiten
- behalten einiger Gegenstände und Fähigkeiten nach Tod
- fantasievolles Artdesign und stimmungsvoller Soundtrack
- Wahl zwischen Survival- und einfachem Story-Modus
Kontra
- tlw. unlogisches bzw. unhandliches Menü
- relativ häufige Aussetzer der Physik bzw. Darstellung von Gegenständen und Figuren
- ... wobei Fernkampf viel zu leicht ist
- ungenaues Zielen im Nahkampf
- Inseln desselben Typs sehen stets gleich aus
- kein freies Spielen mit einstellbaren Parametern z.B. nach Abschluss der Story
- Tastaturbelegung lässt sich nicht ändern (PC)
Echtgeldtransaktionen
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