Marvel's Avengers - Test, Action-Adventure, PlayStation5, XboxSeriesX, Stadia, XboxOne, PC, PlayStation4

Marvel's Avengers
08.09.2020, Benjamin Schmädig

Test: Marvel's Avengers

Endgame?

Das muss man den Entwicklern von Marvel‘s Avengers einfach lassen: Sie fangen das Thema Superhelden hervorragend ein! Immerhin stecken hinter den Masken der farbenfrohen Freiheitskämpfer oft ganz andere Persönlichkeiten. Und so zeigt auch ihr Spiel zwei Gesichter, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Welche das sind und wie sie sich auswirken, das lest ihr im Test.

Wo fange ich am besten an? Ich muss euch wahrscheinlich nicht erzählen, dass die hier vorgestellten Avengers an die Kinofilme der vergangenen Jahre erinnern und ihren Vorbildern deshalb sowohl äußerlich gleichen als auch deren Sprache und Manierismen nachahmen. Im Grunde erleben sie aber ihre ganz eigene Geschichte, weshalb das Spiel heute und in Zukunft frei von den Leinwand-Abenteuern abweicht. „In Zukunft“, weil dieses Avengers zwar eine stringente Kampagne enthält, vor allem aber darauf ausgelegt ist, immer wieder und wieder gespielt zu werden.

Die anderen Avengers

Falls ihr jetzt an Destiny oder Warframe denkt, dann liegt ihr damit goldrichtig. Es dauert nämlich eine ganze Weile, bis man nicht nur sämtliche Fähigkeiten aller spielbaren Superhelden – sechs sind zum Start enthalten, neue kommen später hinzu – freigeschaltet hat, sondern ihnen auch eine Ausrüstung verpasst hat, mit der sie selbst schwierigste Missionen erledigen. Das alles braucht man nicht, wenn man damit zufrieden ist sich etwa 15 Stunden lang mit Tony Stark & Co. durch die Kampagne zu prügeln. Wer sich allerdings darüber hinaus damit auseinandersetzen will, kann schon mal dreistellige Stundenzahlen freischaufeln.

Zum sogenannten Endgame (sollte irgendjemand bei Disney diese Anspielung damals schon geplant haben, dann ziehe ich an dieser Stelle übrigens meinen Hut) aber später mehr. Zunächst einmal die Geschichte, deren Ausgang leider fast komplett vorhersehbar ist, denn es ist ja von Beginn an klar, welche Heldinnen und Helden spielbar sind, sodass nicht einmal die Rückkehr des lange für tot gehaltenen Captain America eine Überraschung darstellt. Dabei ist es hauptsächlich Kamala Khan alias Ms. Marvel, die die alte Truppe wieder zusammentrommelt, nachdem sie vor fünf Jahren aufgelöst wurde.

Fangirl wird Superheldin

Auf der Chimera trommelt Kamala Khan die Avengers wieder zusammen.
Und Kamala ist eine richtig sympathische Dame. Als eine von vielen so genannten Inhumans hatte sie plötzlich übernatürliche Kräfte entwickelt, mit denen sie jetzt erst einmal klarkommen muss – damit und mit den gesellschaftlichen Konsequenzen ihres neuen Andersseins. Es ist wohl auch kein Zufall, dass sie als Heldin mit pakistanischen Wurzeln diese Rolle quasi buchstäblich und symbolisch übernimmt, was sie mit einem angenehm unaufgeregten Optimismus tut. Sie lässt nur leider zu oft heraushängen, wie sehr sie großer Fan der Avengers ist. Bestes Beispiel ist eine vor Pathos triefende Rede, um die angekratzten Egos der Superkämpfer zur Zusammenarbeit zu bewegen – die Regie bevorzugt leider Zaunpfähle, anstatt erzählerisches Fingerspitzengefühl zu beweisen.

Wofür das Ganze? Weil Böse natürlich Böses planen, weshalb Kamala und ihre neuen Freunde deren Armada blecherner KI-Kameraden vermöbeln. Mal tut man das als Ms. Marvel selbst, mal als Hulk, mal in der Rolle von Black Widow, Iron Man oder Captain America und mal als Thor. So lernt man die Besonderheiten aller Charaktere kennen, denn die spielen sich alle unterschiedlich. Erstaunlicherweise gleicht sich die Steuerung der Figuren dabei sehr, weshalb ich mich nie lange umgewöhnen musste. Und trotzdem fühlen sich die Helden verschieden an. Black Widow zieht sich etwa per Greifhaken an Vorsprünge und Gegner heran, während Hulk an Wänden entlang läuft, Captain America einen Doppelsprung ausführt und Iron Man sowie Thor sich jederzeit in die Luft erheben – dieser nahtlose Übergang ist klasse! Zumal alle Charaktere in jeder Position auch schießen können; mal mit Lasern, mal mit zwei Pistolen, mal mit Steinen, die der große Grüne aus dem Boden reißt.

Per Seil und Düsenanzug

Zusätzlich beherrschen sie neben leichten und schweren Angriffen eine Reihe an Kombos, richten mit Finishern besonders großen Schaden an, weichen aus oder kontern und mehr. Landen sie binnen kurzer Zeit Treffer, ohne selbst erwischt zu werden, füllen sie außerdem Energie für besondere Aktionen auf, und nicht zuletzt stehen allen Helden drei Spezialfähigkeiten zur Verfügung. Elementarschäden sind schließlich das Tüpfelchen auf dem i.

Das Schöne: Man muss all das gekonnt einsetzen, um gegen viele der Feinde zu bestehen. Wer nicht sinnvoll priorisiert und im Idealfall dabei die besonderen Stärken und Schwächen seiner Figur im Auge behält, hat es auf höheren Schwierigkeitsstufen sowie im Verlauf der Kampagne schon jedenfalls schwer. Tatsächlich hebe ich die Herausforderung in fast allen Missionen um mindestens eine, oft sogar zwei Stufen an, weil es sich gegen starke Robotergruppen erst so richtig gut anfühlt die Möglichkeiten seines Charakters effektiv zu kombinieren.

Noch schöner ist es nämlich, dass man diese ohnehin vielseitige Basis individualisieren kann, da zahlreiche Eigenschaften der Helden bzw. ihrer Aktionen auf unterschiedliche Art verstärkt oder mit zusätzlichen Merkmalen versehen werden. Black Widow habe ich etwa so eingestellt, dass die  Abklingzeit ihrer Spezialfähigkeiten extrem kurz ausfällt. Spielt man sie dann auf dazu passende Art, gelangt man in einen geradezu berauschenden Kreislauf mächtiger Angriffsketten. Nun sind diese Individualisierungen bei allen Charakteren die nahezu gleichen. Trotzdem hat man insgesamt eben viele Möglichkeiten, die Action seinen Vorlieben anzupassen. Hinzu kommen ja noch mehrere Eigenschaften auf allen Rüstungsteilen, die u.a. Wahrscheinlichkeiten für das Auslösen kritischer Treffer oder das Wirken von Statuseffekten verändern.

Berauschende Action

Kleinigkeiten könnten besser sein, grundsätzlich ist die Action aber hervorragend! Wenn die Avengers gemeinsam einen Mech zerstören, ist das klasse.
Es gibt eine Hand voll Kleinigkeiten, die mich vor allem bei der Steuerung stören. Dass sich die Kamera außerhalb der Gefechte  z.B. von selbst in die Blickrichtung meines Alter Ego dreht, ist ungemein enervierend – warum kann man dieses Verhalten nur für die Kämpfe ändern? Mir fehlen auch ein verlangsamtes Umsehen, sobald man per Schultertaste zielt, sowie die Möglichkeit einen Sprint durch erneutes Drücken der Sprinttaste zu beenden. Ärgerlich außerdem, dass Black Widow ihren Greifhaken immer dorthin feuert, wohin sie gerade blickt. Sie sollte das zumindest optional in die Richtung tun, in die ich als Spieler gerade blicke. Ist man mit Hulk unterwegs, funktioniert das Schießen schließlich nicht, falls es über dieselbe Taste ausgelöst wird, mit der man leichte Schläge aktiviert. Das funktioniert nur mit der Standard-Steuerung, aber nicht mit einer eigenen Konfiguration. Wobei ich ausdrücklich loben will, dass man die Zuweisung der Tasten einschließlich Doppelbelegungen auch mit Gamepad selbst vornehmen darf. Überhaupt erwähne ich all das nur, weil ich die Hoffnung hege, dass Entwickler Crystal Dynamics (Tomb Raider) in Zukunft nachbessert, um das starke Spielgefühl noch zu verfeinern.

Es sind ohnehin nicht die Kleinigkeiten der Steuerung, sondern die vielen weiteren Fehler, die die Freude an der satten Action dämpfen. Dabei kann ich locker darüber hinwegsehen, dass Tony Stark selbst dann nicht immer seine Lippen beim Sprechen bewegt, wenn er ein Outfit ohne vollständigen Helm trägt. Auch dass sich Trainings-Gegner im Übungsraum schon mal nicht vom Fleck bewegen, ist kein Drama. Geschenkt, dass ein Fahrzeug bis auf die Räder unsichtbar sein kann, man gelegentlich auf eine Gegnerwelle wartet, die ihren Einsatz komplett verschläft und ich an einer Stelle nicht mit Kamala sprechen durfte, obwohl sie ein entsprechendes Symbol über dem Kopf trug.

Es läppert sich

Man kann auch eine Art Gutscheine für Superhelden-Kostüme sammeln – die beim Einlösen oft ergebnislos geschluckt werden. Ausgerechnet während des Showdowns konnte ich außerdem keine Beutegegenstände auflesen, obwohl im Inventar mehr als genug Platz dafür war. Abgesehen davon bleibt man hin und wieder in der Kulisse hängen und auch während Ladepausen mitten in oder nach einem Einsatz mit menschlichen Partnern kam es mehrmals vor, dass es einfach nicht mehr weiterging. Manchmal kann man dann den letzten Checkpunkt laden. Manchmal gelangt man noch ins Hauptmenü. Manchmal muss man das Spiel aber auch beenden und neu starten.

Wobei das den Spaß längst nicht so sehr trübt wie das erschreckend müde Missionsdesign. Praktisch jeder Auftrag verläuft ja nach dem gleichen Muster: Man wird in einer mal mehr, mal weniger weitläufigen Außenwelt abgesetzt, wo ohne erkennbares Muster Beutekisten sowie Behälter mit Ressourcen verstreut sind. Tatsächlich bestehen die Gebiete aus so wenigen, sich alle paar Meter wiederholenden Bausteinen, dass man sich ständig wie im Zerrbild eines Traums von letzter Nacht vorkommt: Man erkennt alles irgendwie wieder, findet sich aber nirgendwo zurecht.

Für sich genommen ist nichts davon ein Beinbruch. Die Frequenz, mit der solche Fehler auftauchen, zeugt allerdings von einer mangelnden Qualitätskontrolle.

Stumpfe Raster

Eine große Oberwelt gibt es nicht; stattdessen läuft man ständig an denselben Versatzstzücken vorbei. Die monotonen Kulissen wirken auf Dauer furchtbar ermüdend.
Ganz schlimm ist das in Gebäuden, wo fast immer das Missionsziel liegt und die stets durch eine Ladepause vom Rest des Levels abgeschnitten sind, sodass auf keinen Fall das Gefühl entsteht sich in einer glaubhaften Umgebung zu befinden. Deren enge Flure bestehen nämlich gefühlt aus noch weniger Bauteilen, weshalb man stets durch die gleichen Etagen stürmt und sich selbst an einfachsten Kreuzungen verläuft. Wie gerne würde ich dieses stumpfe Raster gegen die an jedem Fleck einzigartigen Kulissen eines Division oder Destiny tauschen, in denen ich nach etlichen hundert Stunden noch staunend stehenbleibe! Selbst die prozedural erstellten Levels des sieben Jahre alten Warframe machen für mein Empfinden mehr her.

Dabei sehen einzelne Teile der Schauplätze nicht einmal schlecht aus. Es ist nur die Zusammensetzung, die einen stumpfen und einfallslosen Eindruck hinterlässt und die selbst ein prozeduraler Level-Baukasten womöglich besser hätte gestalten können.
Bedauerlich finde ich auch, dass es keine offene Oberwelt gibt und sämtliche Missionen vom Stützpunkt aus geladen werden, denn das wirkt sich negativ aufs Spielgefühl aus. Ist man lange Zeit in einem riesigen Gebiet unterwegs, sind Ablenkungen abseits des Wegs nämlich sehr verlockend, führen an besondere Orte und vielleicht zu einem kurzen Einsatz, der den Eindruck vermittelt Teil einer auch ohne menschliche Spieler funktionierenden Welt zu sein. Dank der Beliebigkeit, mit der Gegner und Beute verteilt sind, wirkt es hier dagegen wie Zeitverschwendung, nicht den direkten Weg zum Ziel zu wählen. Das ähnlich gestrickte Warframe hat doch nicht ohne Grund irgendwann offene Schauplätze eingeführt – wie kann einem aktuellen und noch dazu sehr namhaften Projekt wie diesem der Nutzen solcher Areale entgehen?

Teil einer lebendigen Welt?

Für Abwechslung sorgen immerhin halbwegs starke Gegner (sprich: gute Beute) sowie verschlossene Türen, hinter denen freilich Beutekisten stehen und deren Schalter zwar stets die gleichen sind, aber immer auch ein wenig anders versteckt. Manchmal befreit man außerdem Geiseln oder verfolgt ähnlich wie in Batmans Arkham-Abenteuern ein Signal, das nur die Entfernung, aber nicht die Richtung zu einem Bunker anzeigt, in dem selbstverständlich noch mehr Beute wartet. Abgesehen davon bringen die markanten Umgebungen mit Schnee und Eis, roten Sandsteinfelsen, lichtem Wald und einer Stadt an der amerikanischen Ostküste, einschließlich wechselnder Tageszeiten zumindest äußerlich Variation ins Spiel.

Auf dem Papier unterscheiden sich nicht zuletzt die Aufgaben mancher Missionen, da man manchmal gegen starke Bosse antritt, ein andermal Kontrollpunkte besetzen oder eine bestimmte Anzahl fester Ziele zerstören muss. Doch letztlich fühlt sich das alles gleich an. Spielerische Besonderheiten wie ein Flugzeug, auf das man hinaufspringen kann, um Schwachstellen zu zerstören, sind klasse – es gibt sie nur viel zu selten und fast ausschließlich als Teil der Kampagne. Besonders schmerzhaft ist das im Endgame, wo man sämtliche Missionsarten ständig wiederholt und Crystal Dynamics einen neuen Typ einführt, in dem sich so lange durch etliche Stockwerke kämpft, bis der Held oder die Heldin zu Boden geht und man daraufhin mit einem der anderen Charaktere weitermacht...

„Bitte nicht looten!“

Erklärt es mir: Wie kann es sein, dass man in einem Spiel dieser Art ständig dieselben Bosskämpfe als Daily Missions ausführt, anstatt z.B. die Aufträge der Kampagne mit neuen Gegnergruppen zu erleben? Warum gibt es abseits spielerisch nutzloser Kostüme keine besonderen Ausrüstungsgegenstände, die man nach dem Erfüllen längerer Aufgabenketten erhält? Weswegen erhält man natürlich höherwertige Beute für das Besiegen von Gegnern auf einem höheren Schwierigkeitsgrad, aber keine spezielle feste Belohnung? Und wieso kann man Rüstungsteile nicht modifizieren oder gar eigene herstellen? OK, ihr habt Recht: Anthem ist nach einem ähnlich mageren Start als gigantischer Hit durch die Decke gegangen – womöglich will Square Enix hier ja dieselben Sphären erreichen.

Die PC-Version bietet Unterstützung für Breitbild und Ultra-Breitbild-Auflösungen, wobei einige Zwischensequenzen, Videos und Ladebildschirme mit schwarzen Balken versehen sind. HDR sowie Auflösungen bis 4K können gewählt werden, auch eine dynamische Auflösungsskalierung und AMD FidelityFX CAS (Upsampling mit Schärfefilter) werden angeboten. Die Bildwiederholrate kann man den Möglichkeiten des Monitors anpassen, das Sichtfeld darf man allerdings nicht verändern.

Bewegungsunschärfe, Kamerawackeln, Blooming, Linsenspiegelungen und mehr können an- und ausgeschaltet werden. In Zusammenarbeit mit Intel stehen zudem erweiterte Wasser- und Zerstörungseffekte zur Verfügung. Während das Spiel insgesamt besser läuft als die Konsolen-Fassungen, kann es auch hier in weitläufigen Warzones oder bei effektreicheren Kloppereien zu Einbrüchen der Bildwiederholrate kommen.Es mag außerdem eine Kleinigkeit sein, aber weshalb darf man Beuteteile nicht einmal markieren, um sie vor einem versehentlichen Löschen zu bewahren? Ich vermisse weiterhin die Möglichkeit, Beute nach Missionsende aufzulesen, anstatt umgehend die Kontrolle entzogen zu bekommen. Enervierend sind übrigens auch Hinweise, mit denen selbst fortgeschrittene Spieler beim Aufleveln ihres dritten Charakters darauf hingewiesen werden, dass sich gerade minimal bessere Ausrüstung in ihrem Inventar befindet. Die Idee dahinter muss dieselbe sein wie jene, der wir es verdanken ausgerechnet beim Durchforsten der weitläufigen Areale eines Beute-Abenteuers damit gegängelt zu werden, doch bitte schleunigst das auf dem HUD markierte Ziel anzusteuern.

Und dann ist da noch die Technik, die schon auf halbwegs flotten Windows-Maschinen mit einer stabilen Bildrate kämpft, dort aber einen zumindest ordentlichen Eindruck hinterlässt. Auf den Konsolen sieht das allerdings ganz anders aus, denn obwohl die Einstellung „Höchste Performance“ manchmal tatsächlich 60 Bilder pro Sekunde darstellt, sackt fast ständig aber ab, um gelegentlich sogar auf 30 und noch tiefer zu fallen. Von 60 auf Ende 20 und den halben Weg zurück: Das habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Die „4K“-Einstellung hält meistens immerhin ihre mageren 30 Sekundenbilder, sinkt an den gleichen Stellen wie der Performance-Modus aber unter 30.

Ende 20 bis 60

Lasst mich mal Luft holen. Die technischen und inhaltlichen Mängel sind traurig, das stehe völlig außer Frage – das „Schlimme“ ist aber, dass mir Avengers trotz alledem verblüffend viel Spaß macht, und zwar nicht nur in den knackigen Scharmützeln. Auch im Drumherum macht es längst nicht alles, aber doch einiges richtig. Dazu zählt die Tatsache, dass man jeden Einsatz außerhalb der Kampagne alleine oder bis zu viert spielen kann, wobei es durchaus ärgerlich ist, dass man auf allen Plattformen relativ selten auch nur einen Begleiter findet. Ob das Matchmaking oder mangelndes Interesse bei anderen Spielern daran Schuld hat, kann ich allerdings nicht sagen. Zumindest stellen fehlende Mitstreiter kein Hindernis dar, da die Truppen dann mit KI-Helden aufgestockt wird, die auf zuverlässige Art Feinde verschrotten und beim Wiederbeleben stets zur Stelle sind. Man kann sogar bevorzugte Begleiter auswählen.

Gemeinsames Erleben

Naturgemäß ist der Spaß mit Freunden natürlich ungleich größer und Crystal Dynamics sorgt mit einem Anpassen des individuellen Schwierigkeitsgrads sogar dafür, dass sämtliche Teilnehmer einer Party eine maßgeschneiderte Herausforderung erleben: Schaden- bzw. Gesundheitswerte werden individuell angepasst, sodass sich selbst voll ausgebildete Figuren nicht langweiligen, wenn sie mit Level-3-Superhelden unterwegs sind. Cool sind außerdem Finisher an großen Gegnern, die mehrere Helden gleichzeitig ausführen. Auch die KI nimmt daran gerne teil und spätestens das verleiht dem Zusammenspiel echtes Avengers-Feeling.

Ungünstig ist nur, dass sämtliche Mitstreiter zwischen den Missionen den nächsten Auftrag auswählen dürfen. Da aktiviert ein Random schon mal einen Einsatz, den man gerade partout nicht ausführen möchte, obwohl man selbst die Gruppe eröffnet hat. Das ist ein weiterer Grund, aus dem mir offene Areale fehlen: Begibt man sich an solchen zu einem Kampf, würde man vor Ort vielleicht dort ohnehin aktive Mitstreiter finden und dann alleine weiterziehen. Hier muss man nach jedem Einsatz die Gruppe erst aktiv verlassen und das Matchmaking anschließend neu starten. Das ist kein Umstand, hat mit einem fließenden Spielablauf oder gar einem immersiven Erlebnis aber nichts zu tun.

Einsam sammeln

Ist einem die Mission egal, springt man übrigens per Quickmatch einfach in die nächstbeste Gruppe. Dabei fehlt mir allerdings die Möglichkeit wenigstens den Schwierigkeitsgrad auszuwählen, denn sind die Kämpfe dem subjektiven Empfinden nach zu einfach oder zu schwer, macht selbst das coole Prügeln weniger Spaß. Schade auch, dass es noch keine Möglichkeit gibt Positionen oder Objekte wie Beutekisten zu markieren, und dass man sämtliche Ressourcen selbst auflesen muss, nachdem Mitspieler vielleicht am anderen Ende der Karte entsprechende Behälter geöffnet haben. Warum sammeln bis zu vier Spieler nicht jeweils für die gesamte Gruppe, sodass sie alle einzeln das komplette Areal abklappern, bevor es endlich weitergeht?

Mikrotransaktionen beschränken sich derzeit auf rein kosmetische Gegenstände. Über tägliche und wöchentliche Herausforderungen schaltet man zudem weitere Kostüme, Emotes und mehr frei - sowie zusätzliche dieser Belohnungen für Echtgeld. Bei den zum Start erhältlichen Helden ist dieser Premium-Bonus kostenlos, bei zukünftigen Helden wird er Geld kosten. Teil dieser Challenge Cards (in anderen Spielen Battle Pass genannt) sind einige wenige Ressourcen, die keine nennenswerten Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
So müßig das Aufsammeln auch sein mag: Die gleichzeitige Suche nach besserer Ausrüstung lohnt sich immerhin – was an den individuellen Eigenschaften liegt, die den Teilen per Zufall verliehen werden. Die reichen nämlich von größeren Schadenswerten bestimmter Angriffe über das Hinzufügen von Elementarschäden bis hin zu erhöhten Wahrscheinlichkeiten für das Auslösen einer kurzen Unverwundbarkeit und vielem mehr. Manche davon muss man erst aktivieren, indem man die Rüstungsteile verbessert, was wiederum Ressourcen kostet, aber auch das Ausrüstungslevel steigert. Dadurch kann man Teile mit guten Werten relativ lange verwenden, selbst wenn man höherwertige findet.

Verzicht auf Kleidersünden

Mit Iron Man fliegen oder mit Kamala dehnbar sein? Es sind die verschiedenen Charaktere, die zum Glück auf lange Sicht motivieren.
Dankbar bin ich übrigens für die Entscheidung, die Ausrüstung nicht sichtbar an den Charakteren zu zeigen. Ich möchte Superhelden jedenfalls nicht in verkappten Designunfällen herumfliegen sehen, wie sie den Destiny-Hütern während des Auflevelns und beim Tragen besonders starker Ausrüstung oft zugemutet wird. Stattdessen erhält man hier durch das Erfüllen bestimmter Aufgaben zahlreiche ikonische Kostüme, was bedeutend besser in die Welt der Freiheitskämpfer passt.

Überhaupt sind es die Helden selbst, die mich im Endgame trotz der inhaltlichen Flaute bei Laune halten, denn es dauert eine ganze Weile, bis man auch nur eine Figur voll entwickelt und mit bestmöglicher Ausrüstung versehen hat. So ist das zwar ein recht langer Vorgang, aber auch ungemein motivierend, die Besonderheiten kennenzulernen sowie Stärken und Schwächen zu verinnerlichen. Bleibt die Hoffnung, dass Crystal Dynamics genau weiß, wie viel diesem Abenteuer jetzt noch fehlt und in den kommenden Monaten nicht nur anspruchsvolle Missionen, sondern auch viel inhaltliche Abwechslung ins Spiel bringt.

Fazit

Was für eine Berg- und Talfahrt: Es gibt Augenblicke, in denen fühlt sich Marvel‘s Avengers wie eine inhaltlich stark beschränkte Beta an – und es gibt Momente, da ist es berauschend gut! Wenn man in anspruchsvollen Gefechten Nah- und Fernkampf auf elegante Art zu brachialen Höhepunkten kombiniert, fühle ich mich jedenfalls auch nach Dutzenden Stunden noch pudelwohl. Das Kampfsystem ist klasse und bietet genug Möglichkeiten die Fähigkeiten der Superhelden eigenen Vorlieben anzupassen. Im kooperativen Einsatz kommen dabei selbst Spieler mit unterschiedlich weit entwickelten Charakteren zusammen, während man jederzeit auch guten Gewissens mit der zuverlässigen KI losziehen kann. Umso stärker schüttele ich den Kopf über die vielen technischen Fehler, noch mehr über die teils desaströse Bildrate im Performance-Modus, aber auch über etliche Versäumnisse im Spieldesign. Richtig schmerzhaft ist diese fehlende Sorgfalt bei dem stumpfen Levelaufbau, dem monotonen Missionsdesign sowie den fehlenden Aktivitäten und weiteren Möglichkeiten der Anpassung im Endgame. Unterm Strich ist Marvel‘s Avengers daher noch längst nicht das gute Spiel, das es sein könnte – sondern vor allem auf den Konsolen nur eine gerade noch befriedigende Beta.

Pro

  • starkes Prügeln mit variantenreichen Nah- und Fernangriffen
  • relativ unterschiedliche Charaktere
  • mehrere Möglichkeiten Superhelden über Ausrüstung und Fähigkeiten zu individualisieren
  • fordernde Action: unterschiedliche Gegner zwingen zu überlegtem Vorgehen
  • jede Mission außerhalb der Kampagne alleine und bis zu viert spielbar
  • wechselnde Missions-Parameter wie erhöhter Nahkampfschaden...
  • sehr aktive und hilfreiche KI-Begleiter
  • relativ viele Missionen nach Abschluss der Kampagne
  • mitunter knifflige Suche nach Schaltern für Türen zu Beutekisten...
  • frei einstellbare Tastenbelegung, auch mit Gamepad...
  • schnelle Spielersuche per Quickmatch...
  • Herausforderung wird für Koop-Partner mit verschiedenem Fortschritt jeweils angepasst
  • relativ zahlreiche Sprachaufzeichnungen lassen tiefer in Geschichte und Charaktere blicken
  • einfacher, aber handlicher Foto-Modus und jederzeit pausierbares Spiel im Solo-Modus

Kontra

  • 30 Bilder pro Sekunde werden nicht durch durchgehend gehalten und desaströse Bildwiederholrate im Performance-Modus
  • viele Unstimmigkeiten und Programmfehler
  • praktisch alle Missionen sind sich extrem ähnlich
  • Kulissen unterscheiden sich kaum voneinander und besonders Innenareale sehen praktisch überall gleich aus
  • verzögertes und deshalb teils nicht stattfindendes Auflesen von Beute und Ressourcen
  • ... die aber nicht weit genug gehen, um stärkeres Anpassen oder Teamplay zu fordern
  • träge Menüs mit relativ vielen kurzen Ladepausen
  • Ausrüstungsgegenstände können nicht markiert werden, kosmetische Waren wie Emotes beim Kauf nicht angesehen und Gegenstände im Spind nicht mit Ausrüstung verglichen werden
  • ... aber grundlegend scheinbar willkürliches Leveldesign mit sinnlos platzierten Ressourcenkanistern und Beutekisten
  • ... aber Steuerung nicht durchgehend logisch und frei konfigurierbar
  • ... der aber Einschränkungen wie Wahl des Schwierigkeitsgrads fehlen
  • keine festen zusätzlichen Belohnungen für Spielen auf höheren Schwierigkeitsgraden
  • keine Erspielen einzigartiger Ausrüstung abseits rein kosmetischer Gegenstände
  • kein Modifizieren oder Herstellen von Ausrüstung
  • sehr geringe Anzahl an Daily Missions
  • kein manuelles Aufsammeln der Beute nach Missionsende
  • kein Setzen von Markierungen im kooperativen Spiel
  • Material in von Koop-Partnern zerstörten Ressourcenkisten muss von allen einzeln aufgelesen werden
  • keine Wahl des Schwierigkeitsgrads für Quickmatch-Partien
  • überwiegend langweilige Geschichte mit vorhersehbarem Plot und pathetischen Erklärdialogen in Kampagne
  • ständige akustische und visuelle Hinweise auch für fortgeschrittene Spieler
  • keine Übersicht über Begriffe und Spielmechanismen

Wertung

XboxOne

Starke Action und motivierende Charakterentwicklung - in einem technisch und inhaltlich unfertigen Spiel.

PC

Die inhaltsgleiche PC-Version läuft vor allem grafisch deutlich besser, leidet aber ebenfalls unter technischen Fehlern.

PlayStation4

Starke Action und motivierende Charakterentwicklung - in einem technisch und inhaltlich unfertigen Spiel.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
  • Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
  • Käufe haben keine Auswirkungen auf das Spieldesign.
Kommentare
borammstein

ist das wirklich so gemeint von square wenn ich teil 2 der kampagne machen will , den helden 95 kraftstufen tranieren muss um die story weiter zu spielen? Ich will doch nicht stundenlang leveln nur um in der story weiter zu machen wtf.

vor 2 Jahren
LeKwas

Gerade auf golem.de gelesen das man plant ab Level 25 die benötigten xp für den Levelaufstieg anzupassen. Man soll künftig wesentlich mehr xp benötigen um die nächsten Stufen zu erreichen. Wenn das so stimmt frag ich mich ob man damit dem Spiel nicht den endgültigen Todesstoß versetzt.
Die Begründung, die CD dazu nachschob, ist auch PR-Bullshit par excellence:
"Wir möchten neue Spieler nicht verwirren oder überwältigen." - wie ungemein gütig und zuvorkommend von ihnen

Wirkt auf mich so, als wollten sie demnächst (mehr) XP Boosts im Itemshop verkaufen - womöglich auch in Kombination mit einer gelanten Free-To-Play-Umstellung.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
LeKwas

Falls es jemand eventuell noch ausprobieren möchte, auf Steam gibt's das Basisspiel grad mit 50% Rabatt (29,99€). Das ist schon ein heftiger Preissturz nach nur knapp 6 Wochen oder so.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
Kirk22

Da warte ich lieber auf die PS5-Version.

vor 4 Jahren