Tony Hawk's Pro Skater 1+2 - Test, Sport, PlayStation5, Switch, XboxOne, XboxSeriesX, PC, PlayStation4
Activision ist neben EA, Square Enix oder Capcom einer der großen Wiederholungstäter der Branche: Call of Duty und Guitar Hero, FIFA und Need for Speed, Final Fantasy und Dragon Quest, Street Fighter und Mega Man. Wer sich die Mühe machen und durchzählen mag, welche dieser Reihen es auf die meisten Hauptserienteile plus Spin-offs plus Updates plus Re-Releases bringt, der darf sein Ergebnis gern in den Kommentaren vermelden - ich habe gerade leider keinen halben Arbeitstag dafür übrig. Natürlich melken die großen Publisher ihre Cashcows so oft, mitunter im Jahrestakt, weil sie sich stets aufs Neue blendend verkaufen und somit wahnsinnig viel Kohle in die Kassen spülen. Und das kann lange Jahre gut gehen, wie FIFA, Final Fantasy oder Call of Duty beweisen…
Tonys Verwandtschaft
Andererseits hat gerade Activision auch Talent dafür bewiesen, solche Goldesel im Schweinsgalopp zu Tode zu reiten: Aus dem Phänomen Guitar Hero, das in den ersten gut zwei Jahren seines Bestehens die absurde Marke von einer Milliarde Dollar Umsatz übertraf, wurde innerhalb von nur gut zwei weiteren Jahren ein Zombie. Besser erging es dem Trendsport-Übervater Tony Hawk's Pro Skater, doch auch hier war irgendwann das Fass voll: 1999 traf das Skateboardspiel von Neversoft den Nerv einer ganzen Generation - der späte Playstation-Hit wurde nicht nur in kurzer Zeit für N64 und Dreamcast umgesetzt, sondern brachte innerhalb von nur drei Jahren drei Nachfolger hervor - Tony Hawk's Pro Skater 4 erschien bereits 2002. Auch danach rollte das Brett im Jahrestakt über Halfpipes und Rampen: Underground 1 & 2, American Wasteland, Project 8 und Proving Ground. Dazu Downhill Jam auf Wii und DS. Alles von 2003 bis 2007. Starken Abnutzungserscheinungen zum Trotz wurde jeder Trend und damit die Marke zu Tode geritten: Die mit Skateboard-Controller ausgelieferten Bewegungssteuerungs-Episoden Ride und Shred versetzten der Serie 2009/10 den Todesstoß. Daran änderte auch Tony Hawk's Pro Skater 5 anno 2015 nichts - der letzte Lizenz-Melk-Vorgang, kurz bevor der Vertrag mit dem Namensgeber auslief, verdiente sich nur bescheidene 59% in unserem Test.
Zurück! Mal wieder!
Wer glaubt, dass die nun erfolgte Neuveröffentlichung in überholter Form ein Novum für die Serie darstellt, der unterschätzt Activision: Bereits 2001 verquickte Treyarch (ja, die Call of Duty Black Ops-Macher) die Inhalte der beiden ersten Teile zu Tony Hawk's Pro Skater 2X, einem US-exklusiven Launch-Titel für erste Xbox. Und 2012 erschien mit Tony Hawk's Pro Skater HD ein Best-of von THPS 1 & 2 für Xbox 360, PS3 und PC. Tester Paul bescheinigte dem Titel „Riesenspaß bei entsprechend gefärbter Nostalgiebrille“, und immerhin 71%. 2017 nahm Activision das Downloadspiel übrigens aus allen digitalen Ladenregalen - nur falls ihr jetzt danach gesucht habt und nicht fündig geworden seid.
Die jetzige Generalüberholung übertrug Activision seinem Studio Vicarious Visions - das Team arbeitete bereits seit 2001 an diversen Serienteilen mit, war im abgelaufenen Jahrzehnt aber hauptsächlich mit der Skylanders-Reihe beschäftigt. Ach ja, Skylanders - noch so eine Marke, mit der Activision in nur fünf Jahren viel Kohle gemacht hatte, die aber seit langem im digitalen Nirvana schlummert. Doch zurück zu Tony Hawk's Pro Skater 1+2 - denn hier hat das in New York beheimatete Studio wirklich gute Arbeit abgeliefert, so viel sei schon mal verraten…
Die harten Fakten sind: Im Spiel stecken alle neun Kurse aus THPS1, alle zehn Kurse aus THPS2 (davon zwei nicht vom Start weg), ein Skatepard-Editor plus ein Mehrspieler-Modus (online und lokal). Die Levels beider Serienteile müssen wie anno dazumal in fester Reihenfolge hintereinander gemeistert werden - dazu kommt eine Art Überbau mit allerlei Personalisierungskram, Klamotten, Auflevelsystem und Challenges über alle Modi hinweg. Und die Muck? Bis auf drei Songs haben es zum Glück alle ikonischen Lieder der ersten beiden Teile in die Remaster-Collection geschafft - darunter natürlich auch Goldfingers legendäres Superman, das schon nach wenigen Sekunden für Retro-Glücksgefühle sorgt. Zusätzlich gestellen sich drei Dutzend frische Tracks zum klasse aufspielenden Soundtrack - der trumpft obendrein mit frei konfigurierbarer Playlist auf und ist neuerdings so „intelligent“, dass Lieder auch über Restarts und Menüs hinweg fortgesetzt werden; eine angenehme Neuerung.
Zu den 13 alten (und auch visuell gealterten) Rollbrett-Helden - darunter Muska, Burnquist, Lasek, Steamer oder Mullen - kommen acht neue Profis, plus Officer Dick und - sofern man sich die Digital Deluxe Edition gönnt - ein Skelett. Alle echten Sportlern dürft ihr diverse (freispielbare) Outfits anziehen, die enorme Masse an mit Ingame-Währung kaufbaren Shirts, Hosen, Schuhen, Decks, Tapes oder Rollen ist aber eurem Eigenbau-Skater vorbehalten. Die Liste an Herausforderungen erinnert in ihrem Ausmaß an ein Call of Duty-Spiel: Es gibt buchstäblich hunderte von Challenges für alle Skater, für alle Levels und viele andere Zusatzziele - das führt während des Herumrollens schon mal dazu, dass man von aufploppenden Einblendungen erschlagen wird, erhöht für Profis aber die Langzeitmotivation. Mit jeder geschafften Challenge rückt man der nächsten Level-Stufe ein Stückchen näher und kann sich vielleicht ein neues hübsches Ausrüstungsteil kaufen.
Skater, Kram & Challenges
Zudem wird auch das Fahren mit einem bestimmten Profi belohnt, denn das bringt zusätzliche Punkte für den Charakter - so kann man zehn Werte wie z.B. Flip-Geschwindigkeit, Rail-Balance oder die allgemeine Geschwindigkeit verbessern. In den 19 Stages selbst locken die altbekannten Aufgaben, deren Platzierung akkurat von den Originalspielen übernommen wurde: Man sammelt SKATE-Buchstaben, geheime Tapes, meistert besondere Gaps und kümmert sich natürlich um Punkte-Vorgaben. Interessanterweise bekamen die Stages aus dem Erstling neue Aufgaben spendiert, damit die Liste genauso lang ist wie bei den Schauplätzen aus Teil 2. Nur wer das Gros der Prüfungen schafft, kann die folgenden Levels freischalten - in diesem Punkt ist das Remaster bewusst altmodisch. Wem das zu stressig ist, der kann aber im Freeskate-Modus von Anfang an alle Stages ohne Zeitbegrenzung anwählen. Zeitbegrenzung? Richtig. In den alten Tony-Hawk-Teilen war man immer nur zwei Minuten pro Versuch unterwegs - wer in dieser Zeitspanne z.B. nur 4 von 5 Buchstaben findet oder knapp an der gewünschten 100.000-Punkte-Marke scheitert, muss nochmal von vorn ran. Aber natürlich lernt man bei jedem Lauf dazu: Man prägt sich die besten Lines ein, notiert im Kurzzeitgedächtnis die Platzierung von Buchstaben oder anderen Sammelgegenständen - und kennt die überschaubar großen, aber hervorragend designten Levels bald in- und auswendig.
Aufgemotzt
In puncto Aufbau und Leveldesign bleibt Vicarious Visions also erfreulich nah am Original - wer die Oldies noch gut kennt (was nach 20 Jahren tatsächlich eine Herausforderung ist), fühlt sich spielerisch sehr wohl. Zudem sorgen die knackige, arcadige Steuerung und das hohe Tempo bei konstanten 60 Bildern pro Sekunde für ein allgemein sehr angenehmes Spielgefühl. Optisch hat sich hingegen zum Glück einiges getan - das Remaster lässt die grobschlächtigen 32-Bit-Originale natürlich meilenweit hinter sich, sieht aber auch deutlich besser als das HD-Upgrade von 2012 oder Teil 5 aus dem Jahr 2015. Zwar könnten manche Skater-Animation ruhig noch ausgefeilter und etliche Texturen schärfer sein - die dramatische Verbesserung in puncto Details, Graffitis, Objektvielfalt und optische Gimmicks wie Laub oder Schmutz ist aber beachtlich. Auch der teils etwas andere Ton in puncto Beleuchtung oder Schmuddel-Faktor tut einigen klassischen Arealen gut.
Apropos klassisch: Wer mit der Steuerung/Buttonbelegung, die sich mehr an Teil 3 bzw. 4 orientiert, nicht zurechtkommt, kann im Menü unter „Bewegungssets“ sogar zu den Originaleinstellungen von damals wechseln. Und er darf (im Untermenü „Mods“) sogar einstellen, dass automatisch die Rail-Balance gehalten wird oder eure Skater gar nicht stürzen. Neben einem ordentlichen Tutorial, das eure eingerosteten Skills auf Vordermann bringt, dürfte einigen Spielern auch das Skatepark-Editor gefallen. Die Eigenbau-Kreationen sehen letzten Endes zwar immer spartanischer und hässlicher aus als die Standard-Levels, dafür kann man sich auf diese Weise reichlich Nachschub aus der Community holen. Und schließlich lockt noch der Mehrspieler-Part: Lokal tritt man im Splitscreen-Modus gegen einen Kontrahenten an und macht z.B. Jagd auf die LOSER-Buchstaben, online misst man sich mit bis zu sieben Mitspielern in klassischen Varianten wie Score-Challenge, Kombo-Mambo oder Graffiti. Das Matchmaking funktioniert klasse, die Wartezeiten sind kurz und die Verbindungsqualität in all meinen Online-Partien war tadellos.
Fazit
Tony Hawk’s Pro Skater 1+2 ist nicht perfekt, als Remaster zweier klassischer Trendsport-Titel aber ziemlich nah dran! Von den etwas langen Ladezeiten und der Einschränkung, dass die Profi-Skater nicht alle Klamotten tragen können, abgesehen, ist eine Mängelliste fast nicht vorhanden. Die alten Kult-Areale wurden in puncto Geist und Spielgefühl vortrefflich in die Moderne übertragen, die grafische Generalüberholung gefällt. Meine alten Lieblingsstages wie das Einkaufszentrum oder Downhill Jam kann ich in dieser Form locker 20 oder 30 mal am Stück zocken, ohne dass mir langweilig wird. Die Areale sind einfach so stark designt, locken Punktejäger und Kombo-Könige mit so vielen Spots, dass es eine Wucht ist. Das schnelle, arcadige Spielgefühl tut das Übrige - man fällt in den ersten Stunden zwar ständig auf die Schnauze, berappelt sich aber ebenso rasch. Und im Nu werden die Kombo-Tricks immer cooler - auch dank Wallrides oder Manuals, die hervorragend sind, um Aktionen miteinander zu verbinden. Auch das Grindsystem mag ich sehr: Es mag haarsträubend unrealistisch sein, wie leicht man auf Geländern oder Mauerabsätzen grinden kann, aber ist in spielerisch Sicht einfach viel erfüllender als z.B. jüngst in Skater XL. Während mich die unzähligen Challenges und das Aufleveln der Profis nicht sonderlich interessiert, finde ich klasse, dass alle Levels für den Freeskate-Modus schon freigeschaltet sind - denn allen lobenden Ausführungen zum Trotz, habe ich mit dem Prinzip des Zwei-Minuten-Runs auf Dauer nicht mehr ganz so viel Spaß wie anno 2000 auf meinem Dreamcast.
Pro
- hervorragende Steuerung
- exzellent designte Areale
- Grinden geht super von der Hand
- grafisch stark generalüberholte Stages
- Manuals zum Verbinden von Tricks
- viele Stürze, schnelles Aufstehen
- motivierende Aufgaben in den Arealen
- Free-Skate-Modus, wo schon alles freigeschaltet ist
- starker Soundtrack mit fast allen alten Stücken
- Soundtrack nun frei konfigurierbar
- irrer Umfang an Herausforderungen
- Auflevelsystem über die Inhalte beider Spiele hinweg
- Skatepark-Editor inklusive
- stabiler, schneller, spaßiger Online-Modus
- Offline-Versus-Modus im Splitscreen
- alle alten Helden plus neue Profis dabei
- viele Kleidungsstücke bekannter Marken
- Editor für den eigenen Skater
Kontra
- 2-Minuten-Korsett fühlt sich schon altmodisch an
- Profi-Skater nicht frei mit Klamotten ausrüstbar
- keine Einstellungsmöglichkeiten für Online-Partien
- die vielen Challenges können überfordern
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- DLC verfügbar: "Vereint-Paket" mit Klamotten & Co. für 4,99 Euro
- Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
- Käufe haben keine Auswirkungen auf das Spieldesign.