The Suicide of Rachel Foster - Test, Adventure, PC, Switch, XboxOne, PlayStation4
Familiendrama
In den folgenden Stunden entspinnt sich eine zarte Beziehung zwischen Nicole und dem Mann am anderen Ende der Leitung. Und der Spieler fühlt sich stark an Firewatch erinnert, jenem erzählerischen Glanzstück von Entwickler Campo Santo. Und wie dort Henry und Delilah Funkkonkakt halten und langsam Einblick in ihre Leben gewähren, so erfährt man auch in The Suicide of Rachel Foster immer mehr von dem, was einst Dramatisches in Hotel und Kleinstadt geschah. Wie Nicole ihre Schulkameradin wahrnahm, wie die Lokalpresse auf den Fall reagierte, was Nicoles Vater nach der Abreise von Frau und Tochter unternahm. Die Gespräche sind dabei angenehm abwechslungsreich - mal ist Nicole zynisch oder verschlossen, ein ander Mal plaudert sie mit Irving wie mit einem alten Freund.
Firewatch Hotel?
Obgleich das Spiel auf Schockmomente verzichtet, ist es weniger subtil als Firewatch, die Dialogregie wirkt nicht ganz so feinsinnig und durchdacht. Nicoles Antworten, die man als Spieler auswählt, haben zwar Einfluss auf die Gespräche - echte Konsequenzen ergeben sich daraus aber nicht. Außerdem finde ich es schade, dass ich, von wenigen Momenten abgesehen, nicht selbst die Initiative zum Telefongespräch ergreifen kann - Nicole ruft, wenn in einem Raum etwas passiert ist, automatisch an oder wird angerufen.
Der Schauplatz Timberline Hotel selbst ist viel weitläufiger als man in den ersten Spielminuten denkt: Es gibt einen abgesperrten, weil baufälligen Flügel, endlose Kellerkorridore, Speise- und Ballsaal und natürlich viele Standard-Hotelzimmer - Nicole darf zwar nicht jeden Raum inspizieren, während der vier bis fünf Spielstunden fühlt sich die Größe des Anwesens aber genau richtig an. Per Zoom-Funktion kann ich alles komfortabel anschauen, einige Gegenstände wie Dokumente, Bücher, Putzmittel oder Werkzeuge nimmt Nicole auf Knopfdruck zur genaueren Inspektion in die Hand. Außerdem findet man im Spielverlauf Polaroidkamera, Taschenlampe und Mikrofon - mit diesen Utensilien ausgestattet, kann Nicole ihre Umgebung gründlicher untersuchen. Was wohl unter den Zwischenböden und hinter der zugestellten Kellertür verborgen ist?
Bleibt noch der eingangs gezogene Vergleich mit P.T., jener mittlerweile legendären Demo für Hideo Kojimas eingestelltes Horror-Projekt Silent Hills: In mancher Hinsicht ähnelt The Suicide of Rachel Foster nämlich auch dieser. Die langen Hotelflure, die vielen Türen, die Gegenstände auf Tischen, deren Begutachtung sich lohnt. Vor allem aber ist es die hervorragende, realistische wirkende Beleuchtung, die mich an P.T. erinnert hat. Die Blooming-Effekte der Lampen oder des Schneesturms außerhalb der Hotelfenster sind großartig, dazu gesellt sich ein geschicktes Spiel mit der Tiefenschärfe.
Silent Hotel?
Ja, The Suicide of Rachel Foster ist einer dieser "Walking Simulatoren", quasi ein Wanderspiel innerhalb eines Hotels: ohne Action-Einlagen und ohne Adventure-Rätsel. Ab und zu muss ich einen Raum akribisch unter die Lupe nehmen oder bei der Suche nach einer versteckten Tür Gespür beweisen - Kopfnüsse erwarten Nicole im Timberline Hotel aber keine. Die niedrige Spielgeschwindigkeit und der in der ersten Hälfte träge Spielfluss tragen zur eigentümlichen Atmosphäre bei, was ungeduldigen Naturen sauer aufstoßen könnte. Andererseits fühlt es sich auch ehrlich und realistisch an, dass man sich bei der der Suche nach einem Gegenstand erstmal aufgeschmissen fühlt - schließlich war Nicole zehn lange Jahre nicht in den Räumlichkeiten.
Fazit
Weil die Geschichte und vor allem, wie sie ausgeht, das A und O von The Suicide of Rachel Foster ist, verzichte ich auf weitere Details zum Fortgang der Story. Keine Sorge, die im Haupttext geschilderten, konkreten Ereignisse stellen die Ausgangssituation im Spiel dar oder passieren in den ersten zwanzig Minuten. Mir hat der Titel tatsächlich richtig gut gefallen: Der Schauplatz ist angenehm verwinkelt, aber doch so abgeschlossen, dass ich mich am Ende super zurechtfand. Der realistische Look von Tischen, Teppichen, Fluren, Tresen, Vorhängen & Co. trägt viel zur greifbaren Atmosphäre bei. Das Spiel ist nicht wirklich angsteinflößend - unheimlich und verlassen wirkt die Herberge, welche nicht zufällig an das legendäre Overlook-Hotel aus Shining erinnert, aber durchaus. Das Prunkstück sind unterm Strich aber die intensiven Gespräche von Nicole und Irving, die das ausgestorbene Hotel mit Leben zu füllen vermögen. Da verzeihe ich auch die paar Situationen, an denen ich nicht recht wusste, wo es weitergeht und ein, zwei zu offensichtliche Story-Entwicklungen. Wer Firewatch, den PC- und Xbox-360-Grusel Anna oder auch What Remains Of Edith Finch mochte, der sollte diesem Mystery-Krimi eine Chance geben. Auch auf den Konsolen von Sony und Microsoft, denn technisch ist das Spiel hier ebenso sauber wie auf dem Rechner.
Pro
- einzigartige Stimmung im Hotel
- interessante Geschichte und Personen
- stark geschriebene Dialoge
- gut englische Sprecher und deutsche Texte
- alternatives Ende
- handbetriebene Taschenlampe
- läuft auch auf Konsole sauber
- super Beleuchtung mit top Blooming- & Unschärfe-Effekten
Kontra
- keine deutsche Synchro wählbar
- manchmal ist es unklar, wo es weitergeht
- Dialog-Optionen haben keine spielerischen Folgen
- geringer Wiederspiel-Anreiz trotz des alternativen Endes
- man kann nicht selbst zum Telefon greifen
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