xCloud - Test, Service, XboxOne, iPad, Spielkultur, XboxSeriesX, PC, Android, iPhone
Es ist schon interessant zu sehen, wie diametral sich Microsoft und Sony bei ihren Service-Angeboten entwickelt haben: Während die Japaner mit dem Kauf von Gaikai und dem daraus entstandenen Streamingservice PlayStation Now vorgeprescht sind, konzentrierte man sich bei Microsoft zunächst auf sein Abo-Modell Game Pass und widmet sich erst jetzt stärker dem Cloud Gaming, in dem bekanntlich auch Google mit Stadia oder Nvidia mit Geforce Now mitmischen. Umgekehrt verwandelt Sony seinen zunächst reinen Streamingdienst durch alternative Download-Optionen zunehmend in eine Art Game Pass Light. Bekanntlich hält man aber immer noch nichts davon, Neuveröffentlichungen umgehend im Rahmen eines Abos zur Verfügung zu stellen. Komplett angleichen werden sich die beiden Konkurrenten also (vorerst) nicht.
Game Pass NOW
Für Abonnenten von Xbox Game Pass Ultimate ändert sich mit der Integration von xCloud nichts: Ohne Aufpreis erhalten sie neben der Gold-Mitgliedschaft von Xbox Live nach wie vor Zugriff auf die gesamte Bibliothek am PC oder der Konsole, können ausgewählte Spiele für 12,99 Euro pro Monat ab sofort aber auch auf mobile Geräte mit Android-Betriebssystem streamen. Alles, was man dafür benötigt, ist die kostenlose Game Pass App, die es u.a. im Google PlayStore oder Samsung Galaxy Store gibt. Für die Bedienung muss man außerdem einen Controller mit dem Mobilgerät verbinden – sei es per Bluetooth oder mit einem Kabel. Letztere Variante ist auf jeden Fall empfehlenswert, sofern man die unvermeidliche Latenz so gering wie möglich halten will. Ein offizieller Xbox-Controller ist übrigens nicht zwingend erforderlich. Falls man ihn dennoch verwenden möchte, sollte man sicherstellen, das aktuelle Firmware-Update aufzuspielen.
Äpfel müssen draußen bleiben
Und was ist mit Apple und der Unterstützung für iOS? Es gab zwar eine Beta-Phase für das „Project xCloud“ auf den Apfel-Plattformen, doch wurde sie von Microsoft bereits im Vorfeld beendet, weil man sich nicht mit den Richtlinien von Apples AppStore anfreunden konnte. Als Folge dessen steht die Cloud-Option für Game-Pass-Kunden exklusiv für Android zur Verfügung. Und nicht nur das: Aktuell lässt die App offiziell lediglich auf mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets installieren. Versionen für Fernseher, wie sie z.B. auch Geforce Now anbietet, gibt es derzeit noch nicht. Zwar lässt sich die App über Umwege und via Sideloading auch auf Android-TVs hieven, doch dürfte sich der Spaß dort in Grenzen halten, weil die Streams für die mobile Nutzung ausgerichtet sind.
Schwankende Qualität
Prinzipiell funktioniert das Xbox Cloud Gaming ähnlich gut wie bei Stadia oder anderen Diensten, sofern man eine möglichst schnelle und vor allem stabile Internetverbindung zur Verfügung hat. Schon bei DSL50 fühlt sich die Spielerfahrung recht rund an, variiert mitunter aber auch von Spiel zu Spiel. Während sich Plattformer wie Ori trotz anspruchsvoller Hüpfeinlagen überraschend reaktionsfreudig im Stream präsentieren, spürt man die Eingabeverzögerung bei Rennspielen wie F1 2019 oder Forza Horizon 4 trotz der flotten Darstellung mit bis zu 60fps deutlicher und muss sich mitunter sogar neue Bremspunkte einprägen. Klar kann man sich darauf einstellen und die Performance im Stream ist über weite Strecken erstaunlich gut, aber im Vergleich zum lokalen Spielen an der Konsole fühlen sich vor allem flotte Titel dennoch etwas träger und damit anders an, bleiben in der Regel aber weiterhin ordentlich spielbar, sofern man keine kompetitiven Ambitionen hegt. In kleinen Details ist das Mobilgerät der Konsole sogar überlegen: Setzt man bei Spielen wie Dirt 4 z.B. sein Profil auf, kann man seine Angaben ganz bequem über die virtuelle Tastatur mit Touchscreen eintippen anstatt umständlich mit dem Controller einen Cursor durch die Buchstabenreihen zu dirigieren.
Problematisch wird es erst, wenn es zu Schwankungen bei der Verbindungsqualität kommt: Während man die kleinen Aussetzer bei Genres wie Rundenstrategie oder Adventures locker verschmerzen kann, enden sie bei reaktionslastigen Titeln im schlimmsten Fall in einer unspielbaren Katastrophe. Neben den massiven Auswirkungen auf die Steuerung spiegeln sich Verbindungsprobleme auch schnell in der Darstellung wider, wenn man statt sauberer Bilder plötzlich immer mehr hässliche Kompressionsartefakte auf dem Display sieht, es zu Tonaussetzern kommt und Reaktionen auf die Eingaben immer später erfolgen. Das ist und bleibt weiter eines der großen Probleme beim Cloud Gaming: Ohne eine gute und stabile Leitung gibt es auch kein gutes Spielerlebnis - und da bildet auch die Microsoftsche xCloud keine Ausnahme! Unter idealen Bedingungen bekommt man dagegen eine willkommene Alternative zum lokalen Zocken am PC oder der Konsole, muss neben dem Input-Lag aber dennoch generelle Abstriche bei der Bildqualität aufgrund der Kompression in Kauf nehmen. Positiv ist aber, dass Spiele mit nativen 60fps auch im Stream mit der hohen Bildrate dargestellt und nicht auf 30fps kastriert werden.
Die Kehrseite der Medaille
Attraktive Bibliothek
Der Xbox Game Pass ging nicht ohne Grund als Sieger in unserem großen Vergleich der Spiele-Abos hervor. Folglich profitiert auch die Cloud-Funktion von der Breite, dem Umfang und der Aktualität der Bibliothek, selbst wenn sich derzeit leider nicht alle der enthaltenen Spiele optional via Stream nutzen lassen. Titel aus dem Microsoft-Katalog bieten allerdings fast ausnahmslos die Cloud-Option an. Dazu zählen u.a. die Serien Halo und Gears of War, Forza Horizon 4 sowie Sea of Thieves. Mit Beispielen wie Resident Evil 7 biohazard, F1 2019, Shadow Warrior 2, NieR Automata oder Destiny 2 finden sich zudem weitere Schwergewichte von Drittherstellern. Umrahmt wird die Auswahl mit einer Reihe von Indie-Produktionen, darunter Hello Neigbor, Overcooked 2, Enter the Gungeon und aktuelle Titel wie Hotshot Racing oder Spiritfarer. Von der Streaming-Option ausgeschlossen sind dagegen generell Spiele von der Xbox 360 und der Original-Xbox, obwohl sie zusammen durchaus einen gewissen Anteil innerhalb der Game-Pass-Bibliothek ausmachen. Das mag systemische Gründe haben, ist aber dennoch sehr schade. Zudem sind auch nicht alle One- und PC-Spiele der Dritthersteller zum Stream freigegeben. Dazu gehören z.B. Rage 2, Tekken 7, Dirt Rally 2.0 oder Kingdom Hearts 3. Eine komplette Übersicht der Cloud-fähigen Spiele im Game Pass gibt es hier. Mit Blick auf Stadia, wo die Auswahl immer noch zu wünschen übrig lässt, hat der Abodienst der verkleinerten Streaming-Bibliothek immer noch viel mehr zu bieten als das Google-Pendant. Praktisch: Da man ohnehin schon in der Cloud unterwegs ist, versteht es sich von selbst, dass man seine Spielstände weiter nutzen und direkt dort weiterspielen darf, wo man zuvor an Konsole oder PC aufgehört hat.
Mein eigener xCloud-Server
Neben der Integration in Game Pass Ultimate bietet Microsoft für Xbox-Nutzer noch eine alternative Cloud-Lösung an: Wie im Vorfeld versprochen, darf man seine eigene Konsole kostenlos in einen Server verwandeln und Inhalte via Remote-Zugriff direkt auf sein Android-Mobilgerät streamen. Dazu benötigt man jedoch eine separate App, die sich derzeit noch in der Beta befindet. Und das nicht ohne Grund: Es gibt nicht nur vereinzelte Probleme, die App überhaupt zu starten, sondern auch für die Verbindung zur eigenen Konsole werden manchmal mehrere Anläufe benötigt. Doch auch bei der Game-Pass-App läuft trotz einer generell besseren Stabilität nicht immer rund: So kann es passieren, dass man bereits den Ton vom geladen Spiel hört und es sogar bedienen kann, der Cloud-Ladebildschirm aber nicht verschwindet. Da hilft dann nur der Neustart des Programms.
Zunächst muss die Xbox über die Einstellungen ohnehin erst für die Remote-Nutzung eingerichtet und mit der App gekoppelt werden, was schnell und problemlos funktioniert. Um Zugriff zu erhalten, ist es zwingend erforderlich, bei den Energie-Einstellungen „Schnelles Hochfahren“ auszuwählen, damit die Konsole auch nach dem Ausschalten im Standy bleibt und über das Internet erreicht werden kann. Dass gleichzeitig auch der Router in den eigenen vier Wänden eingeschaltet bleiben muss, versteht sich von selbst.
Einfache Einrichtung
Doch selbst wenn man den Verbindungstest zur Remote-Nutzung mit Bravour besteht, ist das leider noch kein Garant für einen guten Stream. Im Vergleich zur xCloud im Game Pass schwankte die Qualität bei der Heimserver-Variante deutlich häufiger – bis hin zu einer komplett zerschossenen Darstellung im Dashboard. Wenn es mal gut läuft, liegen die Vorteile auf der Hand: Man ist nicht länger auf die Auswahl der Game-Pass-Bibliothek beschränkt, sondern kann alle Spiele streamen, die auf der eigenen Festplatte installiert sind oder sich im Laufwerk befinden. Ausnahmen bilden erneut Titel von der 360 und Original-Xbox sowie Apps wie der Blu-ray-Player. Umgekehrt wird ein Stream von der TV-App Zattoo überraschend gestattet.
Test nicht aussagekräftig?
Egal ob man sich für Cloud Gaming via Game Pass oder der Heimkonsole entscheidet, sollte man schon ein halbwegs aktuelles Mobilgerät besitzen. Ein Versuch auf einem etwas betagteren Tablet zeigte, dass beide Apps hinsichtlich Kompatibilität zwar grünes Licht vom Google PlayStore erhielten, in der Praxis die Streams aber leider nicht zufriedenstellend stemmen konnten.
Energie- und Daten-Hunger
Zudem ist das Spielen im WLAN mit einer möglichst hohen Bandbreite empfehlenswert. Der Wunschvorstellung, auch mobil das Cloud Gaming nutzen zu können, stehen gleich mehrere Faktoren im Weg: Zum einen ist ein öffentliches WLAN nur bedingt geeignet. Zum anderen funktioniert der Stream zwar sogar mit einer LTE-Verbindung, doch fallen trotz Kabel-Controller die Eingabeverzögerungen sowie Bild- und Tonstörungen deutlich höher aus. Manche Spiele lassen sich so ertragen, die meisten jedoch nicht. Dazu gesellt sich der Datenverbrauch: Beim Blick auf die Handy-Statistik werden pro Minute etwa 30,5 Megabyte für das Zocken über die Cloud fällig. Je nach verfügbarem Datenvolumen stößt man da schnell an Grenzen. Die weiterhin suboptimale Netzabdeckung in Deutschland trägt ebenfalls dazu bei, dass man sich z.B. bei Reisen im Zug auf häufige Verbindungsabbrüche einstellen und daher die Cloud-Option gar nicht erst in Betracht ziehen sollte.
Selbst wenn das Netzumfeld stimmt, muss man sich darauf einstellen, dass die Streams schon alleine aufgrund des eingeschalteten Displays energiehungrig sind und der Akku daher recht schnell zur Neige gehen kann. Ein Grund mehr darauf zu hoffen, dass Microsoft seinen Cloud-Service möglichst bald auch für die Nutzung an TV-Geräten ausweitet, wo schon die mögliche LAN-Verbindung dazu beitragen könnte, die Streamingqualität weiter zu steigern.
Fazit
Es war ein cleverer Schachzug von Microsoft, xCloud direkt in den Game Pass Ultimate zu integrieren – und das ohne Aufpreis, den jetzt höchstens Abonnenten der Standard-Varianten in Kauf nehmen müssen, sofern sie die neue Cloud-Option nutzen möchten. Aber es gibt ja noch eine andere Alternative: Ganz ohne Abo-Zwang darf man seine Spiele von der eigenen Konsole streamen, was bei unseren Testläufen aber noch nicht so zufriedenstellend funktionierte wie erhofft. Da es sich dabei offiziell immer noch um eine Beta handelt, gibt es aber noch eine Schonfrist bis zum endgültigen Urteil. Einen wesentlich besseren Eindruck hinterlässt xCloud im Rahmen vom Game Pass: Ich bin immer wieder überrascht, wie gut "Cloud Gaming" unter halbwegs idealen Bedingungen mittlerweile funktioniert, sofern man die leichten Abstriche bei Latenz und Bildqualität akzeptieren kann. Das gelingt Gelegenheitsspielern freilich eher als dem kompetitiven Multiplayer-Fan, dem der Input-Lag und die daraus entstehenden Nachteile zu hoch ausfallen dürften. Zudem spielt auch das Genre eine Rolle, in dem man unterwegs ist: Gemütliches Rätseln und Rundenkämpfe funktionieren im Stream tendenziell besser als flotte Action- oder Rennspiele. Die Bibliothek des Game Pass haben wir bereits in unserem Abo-Vergleich gebührend gewürdigt. In der Cloud-Auswahl findet man ebenfalls viel Qualität und Abwechslung, obwohl man leider auf Titel aus der 360-Ära und von der Original-Xbox verzichten muss. Schade zudem, dass Microsoft den Cloud-Zugang derzeit offiziell nur für Mobilgeräte anbietet und Apple-Jünger gar nicht erst mitspielen dürfen. Trotz Android-Exklusivität werden aber sicher auch bei Google die Alarmglocken läuten: xCloud bietet mobil nicht nur ein vergleichbares Spielerlebnis, sondern auch eine wesentlich größere und attraktivere Spielauswahl als Stadia, wo man sich angesichts dieser starken Konkurrenz jetzt ordentlich ins Zeug legen muss, um im "Cloud Gaming" relevant zu bleiben.
Wertung: gut