Pendragon - Test, Taktik & Strategie, Mac, PC
Falls ihr noch nichts von den inkle Studios gespielt habt, dann verrate ich euch, was sie können: Geschichten erzählen, indem sie diese meist sehr elegant im Spieldesign verweben. Dabei modernisierten sie in Sorcery! die gute alte Fighting Fantasy der Abenteuer-Spielbücher, inszenierten in 80 Days eine offene Reisewelt à la Jules Verne und ließen mich in Heaven's Vault eine ganze außerirdische Sprache und Kultur entschlüsseln.
Inkle - was?
Ihr merkt schon: Ich mag die Briten. Ihre Spiele beeindrucken nie auf den ersten Blick der Kulisse, dafür fehlen ihnen ganz einfach die Mittel - ihre ersten Schritte machten sie ja auf mobilen Systemen wie iPhone und iPad. Aber ihre Spiele sind intelligent und liebevoll designt, dazu klasse geschrieben, so dass Abenteuer mit einer zauberhaften Anziehungskraft entstehen. Und diesmal widmen sie sich einer der größten Legenden des frühen Mittelalters: König Artus.
Storytelling aus mehreren Perspektiven
Dabei schlüpft ihr in die Rolle mehr oder weniger bekannter Charaktere wie Guinevere, Lancelot & Co, wobei ihr mit jedem Versuch neue Figuren freischaltet oder auf dem Weg weitere in eure Gruppe aufnehmt. Das Ziel ist immer Camelot, das irgendwo verborgen im Norden liegt: Dort gilt es, die letzte Schlacht von König Artus und Mordred zu beeinflussen - wer wird gewinnen? Wie wird diese Geschichte erzählt? Man erlebt quasi immer eine neue Variante.
Märchenhaftes Flair
Die Reise erschöpft die Gruppe, so dass man Herzen und auch Moral verlieren kann - je niedriger Letztere ist, desto weniger Zeit hat man in den Gefechten. Man sollte also auch mal rasten und Rationen einnehmen. Denn erreicht man einen Ort, schaltet die Kamera um in die schräge Draufsicht eines Schachbretts. Ziel ist es, den hell markierten Ausgang zu erreichen, der aber auch samt der Feinde im Dunkeln liegen kann. Und Vorsicht: Wenn sie den eigenen Startpunkt erreichen, sterben dort rastende Gefährten oder es heißt Game Over!
Auf diesem Spielplanraster beginnt die interessante Rundentaktik: Dabei wird immer abwechselnd nur ein Manöver wie Abwarten, Bewegung, Attacke oder Haltungswechsel ausgeführt. Warum ist der wichtig? Weil Figuren entweder nur vertikal bzw. horizontal gehen (und in dieser Haltung im nächsten Zug angreifen) oder diagonal gehen (und in dieser Haltung nicht im nächsten Zug angreifen) können. Mit jedem Schritt färbt man zudem Felder ein, genauso wie der Feind. Klingt leider wichtiger als es letztlich ist.
Interessante Rundentaktik
Wenn das Gelände aus eigener Farbe besteht, sind immerhin mehr Manöver möglich, die sich wiederum je nach Figur und Verlauf der Story ändern - meist kann man sich auch eines von zwei möglichen aussuchen. Darunter befinden sich zig Aktionen wie Sprünge über Hindernisse, Seitwärtshiebe, Rückwärtsbewegungen, Vorpreschen, Diagonalattacken, das Verschrecken von Tieren, Ablenkung durch Wasserspritzer etc., die allerdings nur nur leidlich animiert werden, zumal ein Treffer meist das Aus bedeutet - das ist kein Spiel für Freunde visueller Kniffe, vieles wirkt trotz der tollen Illustrationen und der klaren Formensprache sehr statisch.
Potenziale nicht genutzt
Pendragon erinnert spielerisch angenehm an den rundentaktischen König in diesem Bereich: Into the Breach. Allerdings erreichen die inkle Studios weder die Tiefe noch die Vielfalt dieser futuristischen Gefechte. Außerdem verschenken sie das Potenzial der Einfärbung sowie des Geländes, so dass die rein taktischen Überlegungen etwas zu oberflächlich bleiben. Und gerade in den ersten Anläufen ist das Spiel viel zu einfach - erst wenn man einen "Run" nach Camelot erfolgreich abschließt, schaltet man mehrere schwere Stufen frei, die einen mehr fordern. Was den inkle Studios gelingt: Diese Wiederholungen überraschen fast immer mit weiteren Details hinsichtlich Story und Spielmechanik.
Storytelling im Gelände
Man kann z.B. auf dem Spielbrett einer unbekannten Gestalt begegnen, die im Dunkeln erstmal bedrohlich wirkt. Dann stellt man sich misstrauisch Fragen, während man schon Züge macht und so entsteht Spannung über die Ungewissheit - zumal ein Treffer den Tod bedeutet. Richtig cool ist, dass solche Situationen auch ohne Kampf oder gar mit einem neuen Gefährten enden können. Trotzdem hätte ich mir etwas mehr Anspruch und mehr Knobelflair im Gelände gewünscht.
Fazit
Es gibt sie noch, diese kleinen Schätze! Pendragon ist ein stimmungsvolles Abenteuer, das gut erzählt wird, rundentaktisch interessant ist und auf charmante Art die Artus-Legende thematisiert. Auch wenn mich die inkle Studios diesmal nicht ganz so begeistern wie in den letzten Spielen, weil sie einige taktische Potenziale liegen lassen und das Prinzip der wiederholten Quest trotz vieler Überraschungen nicht ganz aufgeht, beweisen sie mal wieder ein kreatives Händchen für Storytelling und liebevolles Design. Falls ihr gute Geschichten und Brettspielflair mögt, solltet ihr Britanniens mythischem König nach Camelot folgen. Ich empfehle Tee und Pfeife dazu!
Pro
- Storytelling trifft Rundentaktik
- mehrere Perspektiven erleben
- knackige Gefechte im Brettspiel-Stil
- schöner Beitrag zur Artus-Legende
- Charaktere und Schwierigkeit freischalten
- je nach Dialogführung andere Ergebnisse
- jede Figur mit eigenen Gedanken & Manövern
- gut geschriebene Texte und Sagenbezüge
- in mehreren Stufen zoombares Gelände
- hoher Wiederspielwert
Kontra
- zu Beginn etwas zu leicht
- fragwürdiges Prinzip der Wiederholung
- taktische Potenziale nicht ganz genutzt
- etwas verschenkte Idee mit der Einfärbung
- kaum animierte Bewegung, statische Präsentation
- keine deutsche Übersetzung, keine Sprachausgabe
Echtgeldtransaktionen
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- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.