Pendragon - Test, Taktik & Strategie, Mac, PC

Pendragon
29.09.2020, Jörg Luibl

Test: Pendragon

Viele Wege führen nach Camelot

Britannien im 7. Jahrhundert: Die legendäre Tafelrunde von König Artus ist zerbrochen, Lancelot irrt mit schlechtem Gewissen umher und Mordred treibt mit abtrünnigen Rittern sein Unwesen. Ihr wollt helfen? Dann versucht euer Glück in Pendragon von den inkle Studios, die für knapp 15 Euro Adventure und Rundentaktik, Sagenstoffe und Brettspielflair auf dem PC sowie Mac vereinen.

Falls ihr noch nichts von den inkle Studios gespielt habt, dann verrate ich euch, was sie können: Geschichten erzählen, indem sie diese meist sehr elegant im Spieldesign verweben. Dabei modernisierten sie in Sorcery! die gute alte Fighting Fantasy der Abenteuer-Spielbücher, inszenierten in 80 Days eine offene Reisewelt à la Jules Verne und ließen mich in Heaven's Vault eine ganze außerirdische Sprache und Kultur entschlüsseln.

Inkle - was?

Ihr merkt schon: Ich mag die Briten. Ihre Spiele beeindrucken nie auf den ersten Blick der Kulisse, dafür fehlen ihnen ganz einfach die Mittel - ihre ersten Schritte machten sie ja auf mobilen Systemen wie iPhone und iPad. Aber ihre Spiele sind intelligent und liebevoll designt, dazu klasse geschrieben, so dass Abenteuer mit einer zauberhaften Anziehungskraft entstehen. Und diesmal widmen sie sich einer der größten Legenden des frühen Mittelalters: König Artus.

Kommt es zum Kampf zwischen Lancelot und der Bogenschützin? Oder wird sie seine Gefährtin? Auch während der Gefechte gibt es Dialoge mit Entscheidungen.
Ihr kennt die Geschichte um die Tafelrunde nicht en detail? Ihr wisst nichts von all dem Verrat und der Tragik, von Excalibur und Merlin? Kein Problem: In Pendragon erlebt ihr die Legende stückweise aus mehreren Perspektiven, in kleinen, aber fein geschriebenen Dialogen (leider nur auf Englisch), in denen ihr euch auch entscheiden könnt - so kann z.B. nach Komplimenten eine Affäre entstehen oder ein Gefährte hinzustoßen.

Storytelling aus mehreren Perspektiven

Dabei schlüpft ihr in die Rolle mehr oder weniger bekannter Charaktere wie Guinevere, Lancelot & Co, wobei ihr mit jedem Versuch neue Figuren freischaltet oder auf dem Weg weitere in eure Gruppe aufnehmt. Das Ziel ist immer Camelot, das irgendwo verborgen im Norden liegt: Dort gilt es, die letzte Schlacht von König Artus und Mordred zu beeinflussen - wer wird gewinnen? Wie wird diese Geschichte erzählt? Man erlebt quasi immer eine neue Variante.

Das alte Britannien durchstreift man auf dieser Karte. Man kann auch in einer Gruppe von vier Gefährten unterwegs sein.
Der Weg zu König Artus beleuchtet jeweils andere Facetten und führt durch das alte Britannien, dargestellt durch eine abstrakte Karte, die an bunte Märchenbücher erinnert, die man aufklappen konnte, um die Hügel und Burgen zu sehen. Jeder Charakter hat einen anderen Startpunkt, eine andere Beziehung zum König, dazu spezielle Manöver wie etwa die Bogenschützin, und deckt je nach gewählter Route weitere Orte wie Ruinen, Dörfer, Wälder, Sümpfe oder Wegkreuzungen auf.

Märchenhaftes Flair

Die Reise erschöpft die Gruppe, so dass man Herzen und auch Moral verlieren kann - je niedriger Letztere ist, desto weniger Zeit hat man in den Gefechten. Man sollte also auch mal rasten und Rationen einnehmen. Denn erreicht man einen Ort, schaltet die Kamera um in die schräge Draufsicht eines Schachbretts. Ziel ist es, den hell markierten Ausgang zu erreichen, der aber auch samt der Feinde im Dunkeln liegen kann. Und Vorsicht: Wenn sie den eigenen Startpunkt erreichen, sterben dort rastende Gefährten oder es heißt Game Over!

Auf diesem Spielplanraster beginnt die interessante Rundentaktik: Dabei wird immer abwechselnd nur ein Manöver wie Abwarten, Bewegung, Attacke oder Haltungswechsel ausgeführt. Warum ist der wichtig? Weil Figuren entweder nur vertikal bzw. horizontal gehen (und in dieser Haltung im nächsten Zug angreifen) oder diagonal gehen (und in dieser Haltung nicht im nächsten Zug angreifen) können. Mit jedem Schritt färbt man zudem Felder ein, genauso wie der Feind. Klingt leider wichtiger als es letztlich ist.

Interessante Rundentaktik

Wenn das Gelände aus eigener Farbe besteht, sind immerhin mehr Manöver möglich, die sich wiederum je nach Figur und Verlauf der Story ändern - meist kann man sich auch eines von zwei möglichen aussuchen. Darunter befinden sich zig Aktionen wie Sprünge über Hindernisse, Seitwärtshiebe, Rückwärtsbewegungen, Vorpreschen, Diagonalattacken, das Verschrecken von Tieren, Ablenkung durch Wasserspritzer etc., die allerdings nur nur leidlich animiert werden, zumal ein Treffer meist das Aus bedeutet -  das ist kein Spiel für Freunde visueller Kniffe, vieles wirkt trotz der tollen Illustrationen und der klaren Formensprache sehr statisch.

Ziel ist es immer, das legendäre Camelot und König Artus zu finden.
Das Gelände selbst kann aus zwei Höhen bestehen, wobei man von oben freie Bewegungswahl hat. Außerdem gibt es Seen oder Büsche, also Untergrund mit je anderen Eigenschaften. Das Artdesign dieser Schauplätze ist ansehnlich, hier entsteht dann auch zusammen mit der Musik eine durchaus stimmungsvolle Atmosphäre, zu der immer wieder die clever verwobene Erzählweise beiträgt. Wenn man die Gruppe z.B. in Ruinen rasten lässt, kann man kleinen Geschichten lauschen, die meist märchenhaften Charakter haben, die tragisch, derb oder witzig sind.

Potenziale nicht genutzt

Pendragon erinnert spielerisch angenehm an den rundentaktischen König in diesem Bereich: Into the Breach. Allerdings erreichen die inkle Studios weder die Tiefe noch die Vielfalt dieser futuristischen Gefechte. Außerdem verschenken sie das Potenzial der Einfärbung sowie des Geländes, so dass die rein taktischen Überlegungen etwas zu oberflächlich bleiben. Und gerade in den ersten Anläufen ist das Spiel viel zu einfach - erst wenn man einen "Run" nach Camelot erfolgreich abschließt, schaltet man mehrere schwere Stufen frei, die einen mehr fordern. Was den inkle Studios gelingt: Diese Wiederholungen überraschen fast immer mit weiteren Details hinsichtlich Story und Spielmechanik.

Jeder Gefährte oder Feind hat eigene Manöver, die man sich anzeigen lassen kann.
Das "Schach" in Pendragon spielt sich zudem elegant und schnell: Es ist z.B. nicht nötig, alle Feinde zu besiegen - sobald man den Zielpunkt erreicht, hat man gewonnen. Auch das ist eine elegante Entscheidung, die angesichts der vielen Runs kaum langweilige Streckungen aufkommen lässt. Manchmal fliehen Fremde, Ritter oder Monster auch. Außerdem entsteht ein schöner Fluss aus Storytelling und Taktik im Gelände, denn die Dialoge finden auch während der Züge statt - und sie können den Verlauf der Schlacht beeinflussen.

Storytelling im Gelände

Man kann z.B. auf dem Spielbrett einer unbekannten Gestalt begegnen, die im Dunkeln erstmal bedrohlich wirkt. Dann stellt man sich misstrauisch Fragen, während man schon Züge macht und so entsteht Spannung über die Ungewissheit - zumal ein Treffer den Tod bedeutet. Richtig cool ist, dass solche Situationen auch ohne Kampf oder gar mit einem neuen Gefährten enden können. Trotzdem hätte ich mir etwas mehr Anspruch und mehr Knobelflair im Gelände gewünscht.

Fazit

Es gibt sie noch, diese kleinen Schätze! Pendragon ist ein stimmungsvolles Abenteuer, das gut erzählt wird, rundentaktisch interessant ist und auf charmante Art die Artus-Legende thematisiert. Auch wenn mich die inkle Studios diesmal nicht ganz so begeistern wie in den letzten Spielen, weil sie einige taktische Potenziale liegen lassen und das Prinzip der wiederholten Quest trotz vieler Überraschungen nicht ganz aufgeht, beweisen sie mal wieder ein kreatives Händchen für Storytelling und liebevolles Design. Falls ihr gute Geschichten und Brettspielflair mögt, solltet ihr Britanniens mythischem König nach Camelot folgen. Ich empfehle Tee und Pfeife dazu!

Pro

  • Storytelling trifft Rundentaktik
  • mehrere Perspektiven erleben
  • knackige Gefechte im Brettspiel-Stil
  • schöner Beitrag zur Artus-Legende
  • Charaktere und Schwierigkeit freischalten
  • je nach Dialogführung andere Ergebnisse
  • jede Figur mit eigenen Gedanken & Manövern
  • gut geschriebene Texte und Sagenbezüge
  • in mehreren Stufen zoombares Gelände
  • hoher Wiederspielwert

Kontra

  • zu Beginn etwas zu leicht
  • fragwürdiges Prinzip der Wiederholung
  • taktische Potenziale nicht ganz genutzt
  • etwas verschenkte Idee mit der Einfärbung
  • kaum animierte Bewegung, statische Präsentation
  • keine deutsche Übersetzung, keine Sprachausgabe

Wertung

Mac

Es gibt sie noch, diese kleinen Schätze! Pendragon ist ein stimmungsvolles Abenteuer, das gut erzählt wird, rundentaktisch interessant ist und auf charmante Art die Artus-Legende thematisiert.

PC

Es gibt sie noch, diese kleinen Schätze! Pendragon ist ein stimmungsvolles Abenteuer, das gut erzählt wird, rundentaktisch interessant ist und auf charmante Art die Artus-Legende thematisiert.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
Kalumet


Wenn es keine deutsche Sprache gibt, wird es meist unter Pro & Kontra auf der Kontra-Seite erwähnt.
(Keine Ahnung wie durchgängig das ist, bei diesem Test ist es jedenfalls der Fall)
Danke für den Tip, hatte ich übersehen.

vor 4 Jahren
Bussiebaer

Wäre schön wenn Ihr im Profil oder zumindest im Text die unterstützenden Sprachen des Spiels erwähnen könntet.
Wenn es keine deutsche Sprache gibt, wird es meist unter Pro & Kontra auf der Kontra-Seite erwähnt.
(Keine Ahnung wie durchgängig das ist, bei diesem Test ist es jedenfalls der Fall)

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
Kalumet

Schade das es keine deutsche Lokalisation hat.

@Redaktion: Wäre schön wenn Ihr im Profil oder zumindest im Text die unterstützenden Sprachen des Spiels erwähnen könntet.

vor 4 Jahren
Sonarplexus

Klingt gut! Auch wenn eigentlich schon Heaven's Vault auf meinem Pile of Shame liegt, werde ich das wohl zuerst anspielen. Ein kleines, feines Spiel, das nicht gleich in wochenlange Arbeit ausartet. Den letzten Ausschlag hat Jörgs Rat mit dem Tee und der Pfeife gegeben... hmmm...

vor 4 Jahren
Pixelex

Das sieht doch mal sehr sehr nett aus. Schau ich mir noch an! ^^

vor 4 Jahren