Electronic Super Joy 2 - Test, Plattformer, PlayStation4, Switch, PC

Electronic Super Joy 2
15.10.2020, Matthias Schmid

Test: Electronic Super Joy 2

Tanz der tausend Tode

Stampfende Beats, grelle Neonfarben und beinharte Jump’n’Run-Levels: In Electronic Super Joy 2 sitzt euch der Tod im Nacken - derweil zeigt euch Satan seinen goldenen Arsch, ein Tentakelmonster bandelt mit eurer Mutter an und der Weihnachtsmann jagt euch mit Lenkraketen. Unser Test verrät, ob das nicht nur irre klingt, sondern auch noch Spaß macht.

Der in Toronto beheimatete Kanadier Michael Todd macht seit 15 Jahren Spiele, eigener Aussage zufolge bisher über 40 davon, sein Indiestudio hat er ganz banal Michael Todd Games getauft. Sein namhaftester Titel ist der nach und nach für PC, Wii U, Xbox One, PS4 und Switch veröffentlichte Techno-Plattformer Electronic Super Joy, zudem arbeitete Todd zwischendurch als freiberuflicher Leveldesigner beim edlen PS-Vita-Plattformer Sound Shapes mit. Sich selbst bezeichnet er als „einigermaßen erfolgreichen, verhalten beliebten Indie-Entwickler“ - und natürlich arbeitet Todd trotz seines Namens im Firmentitel nicht allein an den Spielen, vor allem die vortreffliche Musik stammt häufig von externen Komponisten.

Einmannarmee?

Ihr erkennt nichts? Ging mir am Anfang auch so - aber in Bewegung sieht man die Plattformen.
Ich persönlich stolperte zum Wii-U-Release von Electronic Super Joy (2015) erstmals über Todds Spiel - und war baff! Denn der Mix aus einfallsreichen, millimetergenauen Sprungpassagen und einem geradezu fantastischen Techno-Soundtrack schien wie für mich gemacht! Ernsthaft: Als Happy-Hardcore-Kind der späten 1990er hatte ich abseits von Techno Kitten Adventure nichts derartig Wunderbares in einem Videospiel gehört! Zum Glück konnte das Spiel- und Leveldesign mithalten: Electronic Super Joy spielte nicht nur mal eben die Klaviatur der Plattform-Plattitüden rauf und runter, sondern grätschte mit Teleportern, Leveldrehungen, Schwerkraft und nicht zuletzt Kraftausdrücken kräftig dazwischen - wo sonst kann man den Techno-Papst aus seinem Ufo wummsen?

Nach DLC-Kram und der, wie Todd sie selbst nennt, 1.5er-Version Electronic Super Joy: Groove City landete der richtige zweite Teil bereits im vergangenen Sommer auf Steam - und zum Oktober 2020 nun endlich auf Konsolen. Zeit für einen Test: Wie hat sich das Konzept spielerisch weiterentwickelt? Trumpft die Musik erneut auf? Und wer folgt auf den Papst als Erzschurke?

Der zweite Tanz

Cooler, aber stressiger Look: Electronic Super Joy 2 greift tief in den Farbtopf.
Die letzte Antwort ist die einfachste: Satan. Oder doch Santa? Ist egal, ist nämlich ohnehin ein Anagramm. Jedenfalls geht um den goldenen Hintern des Teufels - hinter dem ist man als Spieler her. Es wird wild, es wird schmutzig - und leider auch ein bisschen plump. Wo der Vorgänger erfolgreich ein paar überraschende Humorspitzen setzen konnte, versucht es Teil 2 mit dem Holzhammer, zudem nervt mich das ständig in die Musik eingestreute Gestöhne und „Oh, yeah“-Gerufe. Womit wir schon bei der Klangkulisse angekommen wären: Electronic Super Joy 2 klingt ebenfalls extrem gut - und ist so schlau, die Musik bei jedem Fehlversuch weiterlaufen zu lassen! Der Soundtrack von Teil 2 ist abwechslungsreicher und differenzierter, lässt aber die Nonstop-Power des Vorgängers vermissen. So mancher Track knallt noch immer richtig gut, wenn die Song-Klimax passend zum explosiven Bildschirmgesehen aus den Boxen scheppert - unterm Strich lösten die fröhlicheren Techno-Tracks von Teil 1 aber mehr Glücksgefühle bei mir aus als der basslastige, elektronische Klangteppich von Electronic Super Joy 2.

In spielerischer Hinsicht hat Todd dazugelernt, und es übertrieben. Doch dazu gleich mehr. Dazugelernt heißt zunächst: Die Stages wirken noch besser komponiert - jede Plattform, jeder Feind, sogar fast jede Rakete ist, sitzt oder fliegt genau da, wo er/sie hingehört. Super-Mario-Niveau möchte ich fast sagen. An einigen Stellen war ich einfach nur glücklich und entzückt, was für ein geiles Leveldesign mir da vorgesetzt wird. Pfeile, die meine Spielfigur nach oben katapultieren, sind so akkurat platziert, dass ich damit perfekt über einen langen gähnenden Abgrund gelangen kann - wenn ich nur keinen Fehler mache. Und die Geschosse der fiesen Froschfeinde kommen zwar mit einer brutalen Frequenz, sind aber doch so berechenbar, dass ich ausweichen kann, wenn mein Timing auf die Zehntelsekunde genau passt. Dazu gesellen sich einfallsreiche Fähigkeiten: Mal steht mir in einem Level ein Fünffach-Sprung zur Verfügung - dann fühlt sich das Von-links-nach-rechts-Hüpfen so federleicht an wie ein Shoot’em-Up oder im Mobilespiel Flappy Bird. An anderer Stelle saust meine Figur auf Knopfdruck wie ein Laserstrahl in die anvisierte Richtung - und kommt nur zum Stehen, wenn sie auf einen Feind oder eine Wand trifft; natürlich hat Todd die Stages so gebaut, dass die nötigen Plattformen und Gegner an exakt der Stelle sind, wo sie für die Nutzung dieser Fähigkeit benötigt werden.

Ist es zu stark, bist du zu…

Zum Teufel mit den guten Manieren - der Beelzebub attackiert mit Worten... und wilden Sprints.
Leider lässt diese extreme Zuspitzung auf millimetergenaues Hopsen, auf das bockschwere Umgehen von Raketen, auf das perfekt getimte Vermeiden von tödlichen Lasern keinen Spielraum für ein flüssiges Spielerlebnis wie es Teil 1 noch an vielen Stellen bot. Das heißt im Klartext: Die Levels sind zwar extrem gut gebaut, doch weil zwischen jedem der häufigen Checkpoint ein wahrer Spießrutenlauf wartet, geht gar nichts ohne Levelkenntnis. Versuchen, scheitern, merken, verbessern. Reagieren allein reicht nicht aus. Damit reiht sich Electronic Super Joy 2 ein in die Riege Super Meat Boy, Slime-san oder The End is Nigh! - verlässt aber die oben erwähnten Spielspaß-Sphären der Überserie Super Mario.

Fraglos, Härte kann genau richtig dosiert werden und dann ein herausragender Motivator sein - in nur leicht überzogener Form kann sie aber auch stören. Dabei empfand ich das Spiel an keiner Stelle als zu unfair und unschaffbar, das ständig nötige Wiederholen verschob ganz einfach den Fokus - weg vom stark designten, herausfordernden Hüpfspiel hin zum Scheitern... Scheitern... Scheitern... Scheitern (…) Schaffen. Und das kann in Verbindung mit der anstrengende Bild- und Soundkulisse enervierend sein. Electronic Super Joy 2 klingt nämlich nicht nur brutal, der 2D-Look mit seinen grellen Farben und krassen Kontrasten, mit Explosionen und Raketenschweifen, mit Lichtblitzen und grobpixeligen Feinden ist auch visuell eine Herausforderung.

Genau hinschauen: Für den Switch-Screen sind solche Ein-Bildschirm-Level fast zu kleinteilig. Deren Aufbau ist aber sehr interessant.
Man kann die gut 50 Standard-Level plus die noch härteren und seltsameren Zusatzwelten - auf Konsole sind die DLCs der Gold-Edition inklusive - in drei, vier Stunden meistern. Oder mehrere Tage damit zubringen. Wie lange Electronic Super Joy 2 an den Controller fesselt, hängt hauptsächlich von der Fähigkeit des Spielers ab - und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen von Reaktionsfähigkeit und Geschick, zum anderen von der Fähigkeit, sich der Reizüberflutung über einen längeren Zeitraum hinweg zu stellen. Zum Zocken auf Switch empfehle ich einen Pro Controller, damit lenkt sich die Tortur doch wesentlich angenehmer als mit den Joy-Cons. Via Steam ist Electronic Super Joy 2 übrigens seit seinem Release gratis erhältlich - lediglich für die Gold-Edition wollen die Macher Geld. Besitzt ihr also einen PC, könnt ihr kostenlos testen, ob ihr Kohle für PS4- oder Switch-Version locker machen möchtet. Oder ihr holt euch den (meiner Meinung nach noch besseren) Vorgänger - denn den habt ihr bestimmt verpasst, oder?

Lang? Kurz? Beides!

Fazit

Electronic Super Joy 2 ist richtig gut - und ein bisschen zu viel des Guten! Mir missfallen der pubertierende Humor und die Tatsache, dass der immer noch tolle Electro-Sound nun weniger Tempo versprüht. Doch beides sind Randerscheinungen. Die einzig echte Spielspaßbremse ist die Schwierigkeit und damit einhergehend der Zwang zur dauernden Wiederholung. Die Levels sind zwar großartig designt bzw. komponiert und machen auch beim 30. Anlauf noch Laune - trotzdem hätte ich zugunsten von mehr Geschwindigkeitspassagen auf das viele Klein-Klein verzichtet. Doch trotz dieses Dämpfers möchte ich den schrägen Plattformer all jenen Mario-Kindern ans Herz legen, die ein Faible für Retro-Optik und 2D-Hopsereien haben. Electronic Super Joy 2 kracht und scheppert, es blitzt und blinkt und fährt dabei coole Ideen im Dutzend auf, die vielen anderen Hüpfspielen gut zu Gesicht stünden.

Pro

  • grandios komponierte Levels
  • einfallsreiche Leveldesign-Kniffe und Fähigkeiten
  • top Steuerung
  • starker Electro- und Techno-Soundtrack
  • visuell herausfordernd und wild
  • weißer Schweif macht den eigenen Weg sichtbar
  • fast alle Stellen sind mit viel Übung gut machbar
  • Satan, Santa & goldene Hintern
  • sehr abwechslungsreiche Stages

Kontra

  • sehr viel Wiederholung notwendig
  • Musik weniger temporeich als im Vorgänger
  • unnötig viel Po-, Stöhn
  • und Pups-Klamauk
  • Menü absichtlich unübersichtlich

Wertung

PlayStation4

Kreativer Pixel-Hüpfer mit treibendem Elektro-Soundtrack und starkem Leveldesign - nur mit der Schwierigkeit hat es der Entwickler übertrieben.

Switch

Kreativer Pixel-Hüpfer mit treibendem Elektro-Soundtrack und starkem Leveldesign - nur mit der Schwierigkeit hat es der Entwickler übertrieben.

Echtgeldtransaktionen

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  • Auf Konsole sind alle Inhalte der Gold-Edition (PC) enthalten. Die normale PC-Fassung ist allerdings gratis.
  • Es gibt keine Käufe.
Kommentare
Kant ist tot!

Bin schon mit Teil 1 überhaupt nicht warm geworden.

vor 4 Jahren
MrLetiso

Hat was von "I wanna be the Boshy" auf LSD

vor 4 Jahren
Hans_Wurst80

Wer damit Spaß haben kann dem wünsche ich viel Vergnügen und 80 Punkte sind ja auch wirklich gut. Mir hingegen ist das schon im Video optisch viel zu anstrengend, da hätte ich wohl keine Freude dran.

vor 4 Jahren
CroGerA

Der Klick auf den Artikel auf der Hauptseite führt nirgendwo hin. Man muss über das Forum den Test aufrufen.

vor 4 Jahren