The Walking Dead: Saints & Sinners - Test, Action-Adventure, PlayStationVR, OculusRift, ValveIndex, HTCVive, VirtualReality, OculusQuest

The Walking Dead: Saints & Sinners
30.10.2020, Jan Wöbbeking

Test: The Walking Dead: Saints & Sinners

Schroffer VR-Überlebenskampf

Einfach gestrickte Schießbuden gibt es in VR wie Sand am Meer, doch Skydance Interactive will mit The Walking Dead: Saints & Sinners das bedrohliche Gefühl eines Überlebenskampfes in der Virtuellen Realität einfangen. Ob das auch auf dem Mobil-Chip der neuen Oculus Quest 2 gelingt, überprüfen wir im Test.

Mit diesen Zombies ist nicht zu spaßen – das wird spätestens dann klar, wenn sich in The Walking Dead: Saints & Sinners einer der Untoten ausgesprochen nah an den Spieler schmiegt und ihn um seinen letzten Fortschritt bringt. Nicht immer klappt die unzuverlässige schwungvolle Armbewegung zum Abschütteln, wenn der Untote erst einmal zugepackt hat. So landete ich dank des übertrieben strengen Speichersystems oft wieder am Anfang der Mission, an einem älteren Speicherpunkt in der eigenen Basis oder wurde wahlweise fast wehrlos auf die gefährliche Suche nach dem eigenen Rucksack geschickt.

Nichts für Ungeduldige

Ärgerlich ist auch, dass mir nach dem zu kurzen Tutorial wichtige Infos verschwiegen werden. Eine davon wird mittlerweile immerhin während der ersten der langen Ladepausen eingeblendet: Geplündertes Essen ist verseucht und nagt danach stetig an der ohnehin knappen Energieleiste! Denkt also daran, euch nicht gleich das nächstbeste Nahrungsmittel vor den Mund zu halten, sondern rüstet eure Werkbänke in der Basis erst einmal zum Abkochen auf!

Halt, stopp!
Der gnadenlose Einstieg ins Spiel hat aber auch seine Vorteile: In keinem anderen Survival-Titel hatte ich solch einen Respekt vor den Untoten, wofür auch die knappen Ressourcen verantwortlich sind. Auf meinen Touren in einige von der Flut verwüstete Ortsteile von New Orleans überlege ich es mir oft zwei mal, bevor ich lossprinte und einen durch die Gegend torkelnden Matschkopf auf mich aufmerksam mache. Lieber noch ein Weilchen abwarten und nicht zu viel Lärm machen. Vielleicht noch eine Dose zur Ablenkung werfen, um durch ein aufgebrochenes Loch unter die Dielen eines Anwesens zu schleichen. In die Hocke geht man übrigens per Knopfdruck; gespielt wird wahlweise im Stehen oder Sitzen.

Nicht so laut!

Die Missionen fallen meist recht ähnlich aus: Mit einem kleinen Boot fahre ich von meiner geschützten Basis aus in eine der kleinen, aber frei zu erkundenden Straßenzüge und schleiche mich in ein Haus, um wichtige Gegenstände wie ein Mikro für das Funkgerät in der eigenen Wohnmobil-Basis zu finden. Danach trete ich mit einem skeptischen Fremden in Kontakt, um ihn nach weiteren Informationen zur sagenumwobenen „Reserve“-Basis voller Vorräte auszuquetschen. All das ist auch auf der Quest 2 grafisch erstaunlich hübsch umgesetzt, so dass sich schnell ein überzeugendes Präsenz-Gefühl breit macht. Aus der Nähe sind Texturen wie auf besagtem Funkgerät zwar deutlich unschärfer - und durch Abstriche bei der Beleuchtung wirken die Oberflächen allgemein ein wenig stumpfer, statt authentisch zu glänzen. Doch wichtige Details wie die zahlreichen Texte oder Karten werden von der dynamisch skalierenden Engine sehr geschickt priorisiert und sind auf dem hochauflösenden Screen knackig scharf zu erkennen, wenn sie benötigt werden.

Vor allem Schrift und Pläne brillieren auf dem scharfen Bildschirm der Quest 2.
Die in einem Hochhaus stationierte Fraktion „The Tower“ will auf skrupellose Weise die Vorherrschaft an sich reißen. Neben ihren Untergebenen und verfeindeten Kriegern treffe ich unterwegs auch auf freundlich gesinnte Passanten, um ihnen in Nebenmissionen zu helfen. Eine ängstliche Frau etwa traut sich nicht, ihren zombifizierten Ehegatten persönlich zu erlösen. Sie möchte nach dem getanen Job nicht wahrhaben, dass dieser vorher noch andere Familienmitglieder erledigen musste. In den professionell auf Englisch vertonten Gesprächen werden kurze Dialog-Entscheidungen im Telltale-Stil eingeflochten, welche mir z.B. den Schlüssel zu einem Safe verschaffen. Eine schöne Ergänzung, die dem Überlebenskampf mehr Persönlichkeit verpasst. Ich selbst gerate als Reisender „The Tourist“ in die unwirtliche Stadt. Nachdem sich Kontaktperson Henri selbst in einen knurrenden Untoten verwandelte, habe ich seine alte Basis im Wohnmobil mittlerweile für mich alleine.

Telltale lässt grüßen

Der Fokus aufs Crafting an den drei Werkbänken und passt gut zum Vorbild, zumal sich benötigte Gegenstände auf Listen verfolgen lassen. Nachdem ich mir auf meinen Ausflügen den aufrüstbaren Rucksack vollgestopft habe, wird aufgeklaubtes Gerümpel erst einmal in den Recycling-Container ausgeleert. Danach stelle ich länger haltbare Revolver, eine Schrotflinte oder Mahlzeiten für mehr Ausdauer beim Flüchten her. Die kurze Haltbarkeit gefundener Gegenstände wirkt etwas lächerlich: Der Flitzebogen vor der finsteren Gruft etwa zerbricht schon nach wenigen Schüssen.

Die selbstgebauten Spielzeuge wie diverse Schießeisen und Flinten sorgen dagegen für eine angenehm hohe Immersion. Das gilt auf Facebooks mobilem System genauso wie auf dem PC. Ein mit dem Bogen verschossener Pfeil etwa wird auch hier wieder eingesammelt. Später fummelt man in brenzligen Momenten sogar mit den eigenen Händen die Patronen in die Revolvertrommel, um einem bedrohlich nahen Zombie gerade noch rechtzeitig in den Schädel zu schießen. Ist die Munition alle, müssen es eben Hieb- und Stichwaffen richten, die in den Händen des eigenen Normalo-Charakters wieder authentisch schwer wirken.

Fieser Nahkampf

Ein großes Brett mit Nagel oder eine mit Stacheln bewehrte Keule muss erst einmal langsam mit zweihändigem Griff Fahrt aufnehmen, bevor es die Höhe eines Schädels erreicht. Dann lassen sich die aufdringlichen Walker aber gut auf Abstand halten. Brenzliger wird es mit kurzen Klingen oder Schraubendrehern. Zuerst muss der Kopf des Untoten im passenden Moment mit einer Hand erfasst werden, um die Klinge schließlich mit der zweiten Hand wieder und wieder in den Kopf zu rammen. Ein ausgesprochen nervenaufreibendes und brutal visualisiertes Manöver! Das Messer könnte schließlich jederzeit brechen, wenn man nicht vorher seinen Zustand überprüft hat. Und dann rückt einem der Untote in VR deutlich näher und unangenehmer auf die Pelle, als man das aus „flachen“ Horrorspielen am TV gewohnt ist.

Ob der Plan aufgeht?
Auch beim Klettern ist Vorsicht geboten, damit die Kraxeltour nicht mit zu wenig Ausdauer startet. Wer direkt aus dem Sprint nach den weiß markierten Balken greift, stürzt schneller in die angelockte Meute am Boden, als ihm lieb sein dürfte. Schade, dass hier manchmal Gegenstände wie die Waffe hängen bleiben und ich daher unverschuldet abgestürzt bin. In brenzligen Momenten fühlt man sich mit dem kabellosen System allerdings viel freier, was Wunder fürs Präsenzgefühl wirkt! Endlich muss man sich unterbewusst nur noch vor Walkern, Gegnern oder Stürzen fürchten und nicht mehr davor, sich dabei im Kabel zu verheddern! Ein entsprechend großes Spielfeld von rund zwei mal zwei Metern oder mehr hilft natürlich auch dabei, nicht so oft von den Begrenzungsgittern an die reale Welt erinnert zu werden (auf kleinerer Fläche bleibt es aber auch ordentlich spielbar).



Etwas hakelig

Ärgerlich ist dagegen die schwache KI der sich bekriegenden Fraktionen. Wer sich geschickt an Hinweisen zu Missionsdokumenten orientiert, muss einen Tower-Stützpunkt unter Umständen gar nicht komplett infiltrieren, sondern nur ein paar Sprengfallen neben der Garage entschärfen. Aufgrund der nervösen KI funktioniert das Anschleichen ans Versteck im Brunnen dahinter allerdings denkbar schlecht. Die unberechenbaren Wachen werden meist trotzdem aufmerksam und rennen danach wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen durcheinander. Mal können sie durch massive Wände sehen oder schießen - in einem anderen Moment erkennen sie mich sogar dann viel zu spät, wenn ich schon direkt vor ihrer Nase stehe und ihnen aus nächster Nähe einen Pfeil in den Schädel jage.

Auf exaktes Finger-Tracking wie mit der Valve Index am PC muss man natürlich verzichten, was sich aber verschmerzen lässt.
Das Durchforsten von Gebäuden mit Zombiebefall macht aber deutlich mehr Spaß, da ich mich langsam mit flackernder Taschenlampe durch die Flure schleichen und auf jedes der räumlich gut abgemischten Geräusche achten muss. Mit jedem vergangenen Tag vermehren sich übrigens die Walker, wodurch es noch kniffliger wird, wenn ich mich zu Beginn nicht aufs Sammeln und Schmieden an den Werkbänken konzentriert habe. Gespeichert wird schließlich nur relativ selten, z.B. zum Start eines Ausflugs oder wenn ich in der Basis vor der Nachtruhe eine tiefen Schluck aus dem Flachmann nehme. Zudem schadet es nicht, ab und zu einen Blick auf die Armbanduhr zu werfen. Einmal täglich lockt nämlich ein lauter Glockenschlag die Meute an, und bei Dunkelheit werden die Ausflüge deutlich gefährlicher. Daher darf ich nach der Dämmerung auch nicht mehr die Schnellreise per Boot starten, die mich entweder ins aktuelle Missionsgebiet oder zum Abklappern bekannter Areale führt.



Hirntot oder nicht?

Auch die detailverliebte Kulisse trägt sogar auf dem Mobilchip ihren Teil zur Präsenz bei. Die kleinen Stadtteile ähneln sich visuell zwar stark, aus der Nähe aber punkten die verrümpelten Flure mit fein gemaserten Holzanrichten, unheimlichen Graffiti und persönlichen Hinterlassenschaften. Freunde verlassener Orte kommen hier auf jeden Fall auf ihre Kosten! Auch für Komfort-Optionen wie die graduelle Vignette gibt es diverse Optionen. Mein Magen hatte mit der Standard-Einstellung fast nie Probleme. Kollege Ben musste dagegen schon im PC-Original nach kurzer Zeit aufhören, da keine alternative Fortbewegung per Teleportation angeboten wird. In nächster Zeit dürfte vermutlich auch das "Meatgrinder Update" der PC-Fassung nachgereicht werden, das u.a. einen Horde-Modus, eine frische Karte und ein neues Katana mit sich bringt.

Fazit

Ich kenne kaum ein Spiel, in dem mir die Gegner so viel Respekt einflößen wie in The Walking Dead: Saints & Sinners! In VR kommen mir die untoten „Walker“ nicht nur unangenehm nah, sondern lassen sich zudem leider nur unzuverlässig abschütteln. Die knappen Ressourcen und der Fokus aufs Crafting sorgen ebenfalls für Spannung auf den Beutezügen durch das detailverliebt inszenierte New Orleans. Auch das Schwingen und Nachladen der schweren Waffen trägt zum authentischen Gefühl bei. Zudem ist Skydance Interactive eine beeindruckend hübsche Umsetzung gelungen, welche bei Blaupausen, Texten und anderen lesbaren Details  sogar mit der hohen Auflösung des Quest-2-Bildschirms protzen kann. Anderswo wirken Texturen zwar deutlich niedriger aufgelöst und die schwächere Beleuchtung lässt alles spürbar stumpfer erscheinen - doch den stimmigen und flüssigen Gesamteindruck mindert das kaum. Stattdessen profitiert die Immersion massiv vom kabellosen, freien Spielgefühl! Der Survival-Trip hat allerdings nach wie vor deutliche Schattenseiten wie das viel zu kurze Tutorial, welches nicht genügend wichtige Details erklärt. Allgemein präsentiert sich das Spiel vielerorts sperrig, z.B. beim harschen Speichersystem oder wenn die eigene Figur unverschuldet beim Klettern hängen bleibt. Noch unfertiger wirkt das konfuse Verhalten der lebenden KI-Krieger, welches sorgsam geplante Schleichtouren zunichte macht. Sie rennen nicht selten wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen durcheinander oder lassen sich aus nächster Nähe abschießen. Solange man es nur mit den schlurfenden Untoten zu tun hat (die erstaunlicherweise weniger hirntot agieren), entfaltet sich bei der Erkundung der verfallenen Anwesen aber ein angenehmer Nervenkitzel.

Pro

  • kniffliger Überlebenskampf erfordert behutsames Vorgehen und Planen
  • gefährliche Zombies erzeugen starkes Bedrohungsgefühl
  • sehr detailverliebte verfallene Kulissen
  • stimmungsvolle englische Vertonung
  • Handlung und Aufgaben passen zur Vorlage
  • immersive Bewegungssteuerung
  • Erkundungsgefühl profitiert stark von der Kabellosigkeit

Kontra

  • wichtige Mechanismen zu Beginn schwer durchschaubar und kaum erklärt
  • sehr simple, teils richtig dämliche KI bei menschlichen Gegnern
  • Gegner schießen und schauen durch Wände
  • Abschütteln von Zombies funktioniert unzuverlässig
  • zu strenges Speichersystem
  • übertrieben kurz haltbare Gegenstände wirken unglaubwürdig
  • keine deutsche Lokalisierung

Wertung

VirtualReality

Spannender VR-Überlebenskampf mit Fokus aufs Crafting und einigen Macken wie schlecht erklärten Regeln oder der schwachen menschlichen KI.

OculusQuest

Spannender, grafisch stark umgesetzter VR-Überlebenskampf mit Fokus aufs Crafting und einigen Macken wie schlecht erklärten Regeln oder der schwachen menschlichen KI.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
SpookyNooky

Nach langem Zögern - und nochmaligem Durchspielen von Half-Life: Alyx - habe ich mich dann doch mal an die VR-Spielumsetzung der wohl popkulturell bekanntesten Zombiemarke gewagt.
Und das Ding an einer Handvoll Abenden durchgespielt. Genug habe ich noch nicht, ich wage mich als nächstes an die Achievements. Heißt: Im verfallen New Orleans jeden Stein umdrehen respektive jede Schranktür öffnen und dabei aufpassen, nicht von Zombies übermannt zu werden. Mir macht's Spaß.

Der Test ist "on point" und beschreibt das Spiel - Stärken und Schwächen - sehr treffend. Jedoch: Ich finde den Speicherrhythmus äußerst fair und besonders sinnvoll. Denn gespeichert wird immer vor der gefährlichen Erkundung und nachdem man sich mit der Beute außeinandergesetzt hat. Das beugt Wiederholungen vor. Die Erkundungen dauern zudem nie länger als 20-30 Minuten, so dass man bei einem Ableben nie weit zurückfallen würde. Außerdem werden ca. 10 Speicherstände durchrolliert.

Wo das Spiel meiner Meinung nach aber am meisten Potential verliert ist das Verhalten der menschlichen NPCs bzw. die (kaum vorhandene) Interaktion mit dem Spieler. In einem Test von Jörg würde wohl die "Regie" bemängelt.
Die Prämisse ist grundgenial wie einfach: Da tobt ein Krieg zwischen zwei rivalisierten Banden, mitten in einer Zombieapokalypse. Und der Spieler ("Tourist") zwischen den Fronten. Es fängt vielversprechend an: Mit Nebenquests (rette Person X, finde Gegenstand Y). Aber anstatt die Charaktere und die Banden näher zu beleuchten, bleibt alles vage und wird nahezu ausschließlich über Briefe erzählt. Interaktion? Reputationssystem? Weitere Nebenquests zum Vertiefen der Story? Alles kaum vorhanden. Das Finale ist noch mal äußerst spannend inszeniert, der Rest ist leider sehr bieder. Dabei sind Writing und die Sprecher 1A, insbesondere der recht häufige Funkkontakt mit einem Überlebenden. Die Dialoge wirken lebendig, realistisch und wenig kitschig wie man es vielleicht erwarten würde, wenn man die Serie kennt. Aber hilft eben alles nichts, wenn die NPCs ansonsten nur rumstehen und nichts tun (uncanny valley inklusive).

Ein weiterer Negativpunkt, der hier noch angemerkt sei: Das Respawn-Verhalten der Zombies ist nahezu dreist. Ihr habt einen Zombie in einem Raum erledigt, geht zwei Schritte weiter und dreht euch um. Gut möglich, dass da nun ein Neuer steht. Dass man nach ein paar Kills auf offener Straße nicht irgendwann durch leergefegte Gassen sausen sollte: Ist klar. Aber das ist schon etwas übertrieben und letztlich der Immersion auch abträglich.

Ansonsten macht das Ding tierisch Spaß.

Es ist übrigens ein neuer Patch angekündigt worden ("Aftershock"), der noch mal mehrere Stunden Story dranhängen soll (kostenlos).
Ich bin gespannt.

vor 3 Jahren