Population: One - Test, Shooter, HTCVive, VirtualReality, OculusRift, ValveIndex, OculusQuest

Population: One
16.11.2020, Jan Wöbbeking

Test: Population: One

Das Fortnite für VR?

An jeden Ort klettern, gleiten oder Deckungsplatten bauen: Mit diesem Prinzip soll Population: One den Battle Royale in VR etablieren und nebenbei für ein ganz eigenes, reizvolles Erkundungsgefühl sorgen. Ob das trotz des austauschbaren Artdesigns gelingt, überprüfen wir im Test.

Die Grundlagen stimmen schon mal - das fällt auf Anhieb auf: Meine Matches liefen sowohl auf der Oculus Quest 2 als auch auf der Rift S am PC stets technisch sauber, flüssig und fast komplett lagfrei. Und zwar dank Cross-play gegen Spieler auf sämtlichen Plattformen. BigBox VR hat seinen Titel auch für Steam veröffentlicht, mit Unterstützung für Index, Vive, Rift und WMR (eine PSVR-Umsetzung kommt später). Der für 24,99 Euro erhältliche Titel macht es Interessierten also erfreulich einfach, zusammenzufinden. Das sorgte bisher fast immer für volle Server – im VR-Bereich beileibe keine Selbstverständlichkeit! Wie im Genre üblich kämpft man bis zum letzten Spieler (bzw. bis zum letzten Dreierteam), während eine rote Todeszone in Wellen vom Rand aus das Spielfeld verkleinert.

Technisch einwandfrei

Das generische Design in der nahen Zukunft wirkt zwar nicht gerade attraktiv und die Beschränkung auf nur einen Modus etwas strikt. Doch im Spiel erweist sich die einen Quadratmeter große Karte als tolle Spielwiese für das Prinzip. Nachdem sechs Teams mit je drei Spielern aus fliegenden Pods oder von der Plattform gesprungen sind, entfaltet sich in den angenehm charakteristischen Gebieten meist ein dynamischer Überlebenskampf.

Da hinten war er: Auf dem PC profitiert das Bild theoretisch vom höheren Detailgrad. Im Test mit der Rift S litt es allerdings auch unterm stärkeren Fliegengitter, was auf diesem Screenshot natürlich nicht deutlich wird (Rift S).
Fast überall ergibt sich ein schöner Rhythmus aus schnellen Feuergefechten und behutsamer Überbrückung der Lichtungen. Mal schnappe ich mir am Friedhof reiche Beute, liefere mir zwischen Scheunen und Heuballen haarscharfe Schießereien oder bewege mich mit meinem ausschwärmenden Team an Brücken und Industrieanlagen vorbei. Das coolste am Spiel sind die eingangs erwähnten Möglichkeiten, die Karte zu erkunden. Hier lässt sich jedes Gebäude mit intuitiven Armbewegungen erklimmen. Das klappt in der Action zwar nicht ganz so elegant und schwungvoll wie in Stormland, dort steuert man allerdings auch einen fortschrittlichen Androiden mit magnetisch haftenden Händen.

Fly wie ein Igel

Sogar der gigantische Tower in der Mitte der Karte zählt zu den erklimmbaren Bauten, was bei mir zeitweise zu erstaunlich starker Höhenangst und schwitzigen Händen führte. Derart intensiv ist mir das in VR noch nie passiert! Wenn mir mein Unterbewusstsein doch nur glauben würde, dass es sich keine Sorgen machen muss. In Population: One kann ich schließlich jederzeit im freien Fall die Arme ausstrecken und gleite dann sanft an den gewünschten Ort. Fast wie mit einem Wingsuit also, nur deutlich langsamer.

Ein Blick auf die coole Spectator-Funktion nach einem verlorenen Match (Quest 2).
Alternativ flansche ich mir einfach eine Deckungsplatte unter die Füße, während ich lässig mit einer Hand am Turm baumele. So lässt sich im Handumdrehen ein kleines Scharfschützennest bauen. Oder ich knalle auf der Flucht am Boden einfach ein paar Platten hinter mich – und schon bin ich dem Überfall des gegnerischen Teams nicht mehr hilflos ausgeliefert. Das Bauen nimmt hier zum Glück nicht Überhand, sondern bleibt ein nützliches kleines Extra, auch für Tricks wie fiese Verstecke. Einfach mit einer Hand an der Wand hochziehen und mit der anderen hinüber schießen – herrlich hinterlistig! Beim Waffen-Handling hat das Team eine praktische Mischung zwischen Arcade und etwas Realismus gefunden. Oft reichen dank eingeblendetem Zielkreuz schnelle Reaktionen aus der Hüfte. Zweihändig angelegt bekommen die Schüsse freilich mehr Sicherheit, inklusive Feineinstellungen für die automatische „Anschmiegsamkeit“ der stabilisierenden Waffenhand. Beim Nachladen sorgen zwei intuitive „Klick-Klack“-Bewegungen beider Arme für Immersion, ohne in der Hitze des Gefechts unnötig aufzuhalten. Je nach Waffe muss lediglich die grobe Richtung zum entsprechenden Magazin bzw. der Revolvertrommel passen.

Das Bauen nimmt nicht Überhand

Das Arsenal ohne spezielle Aufsätze oder dergleichen wirkt im Vergleich zu den Vorbildern ziemlich karg. Hier warten auf der Karte lediglich einige Bleispritzen verschiedener Seltenheit in typischen Kategorien wie Sturmgewehr, SMG oder Scharfschützengewehr. Entsprechend farbcodierte Munition ist ebenfalls enthalten. Zwischendurch klaube ich noch Schild-Batterien auf, pelle eine Gesundheit spendende Banane oder bereite den Defibrilator für eine Wiederbelebung vor. Ich will mir lieber nicht vorstellen, was meine Nachbarn sehen, wenn ich das Gerät mit ryhthmischem Rubbeln auflade und mir kurz danach eine Banane ins Gesicht schiebe.

Auch in der Spielwelt selbst gibt es einige Albernheiten, mit denen sich der Avatar und sein Arsenal im Aussehen verändern lassen. Das bisher recht begrenzte Angebot an Skins und Charakteren dürfte aber nicht all zu lange motivieren. Sie werden entweder per Rang oder mit Echtgeld freigeschaltet. Spielerischen Einfluss nimmt glücklicherweise nichts davon. Ab und zu werden immerhin kleine Events mit sammelbaren Tokens für limitierte Skins veranstaltet. Für die Zukunft haben die Entwickler zudem einen Battlepass in Arbeit. Voranimierte Tänze lassen sich hier natürlich nicht abspulen, da sich die Sieger persönlich mittels Bewegungssteuerung zum Affen machen.

Etwas mager

Apropos affig: Ab und zu erwische ich übrigens schon im Matchmaking einen typischen Kreischer, der mich zum Stummschalten des Sprachchats zwang. Meist verhielten sich meine zufälligen Mitspieler aber deutlich gesitteter und kooperativer als in klassischen Shootern. Ständige Kommunikation über die Position entscheidet hier schließlich über Leben und Tod. Dazu gehört auch das Ping-System zur Markierung von Feinden, interessanten Orten und für Hilferufe – nicht ganz so durchdacht wie in Apex Legends, aber durchaus praktisch.

Jetzt wird es brenzlig (Quest 2)!
Kommen die Kollegen zu spät zur Hilfe, kann ich übrigens noch als langsamer, wiederbelebbarer Geist über die Karte spuken, um gegnerische Verstecke zu verraten. Sogar wenn das ganze Squad ausgeschaltet wurde, lohnt es sich, in der Runde zu verweilen: Die Entwickler haben schließlich ein richtig cooles Zuschauer-System geschaffen! Aus der freien Vogelperspektive sehe ich die verbleibenden Kämpfer wie auf einem räumlichen Lego-Schlachtfeld kämpfen – irgendwie putzig und nebenbei natürlich lehrreich!

Geistreiche Action

Ein wenig schade ist der Verzicht auf jegliche Fahrzeuge, wie es sie in Blackout gibt. Auch coole Spezialfähigkeiten wie in Respawns Battle-Royale-Shooter fehlen. Im Gegenzug besitzt die Karte aber genau die richtige Größe für die 18 Spieler und das allgemein etwas langsamere VR-Tempo. So kann ich zu Beginn erst einmal in Ruhe nach Ausrüstung suchen. All das lief auch auf der Quest 2 stets flüssig, mit relativ kleinen Schönheitsfehlern wie unruhigeren Pixelkanten oder in der Nähe nachladenden Texturen. Im Gegenzug wirkte auf dem hochaufgelösten Screen das Gesamtbild schön scharf. Rund ein Jahr lang tüftelten die Entwickler mit modernen Unity-Tools herum, bis sie das Ergebnis auch auf der Mobil-Hardware überzeugt hat.

Auf Oculus' Mobilsystem wirkt die Grafik mitunter etwas billig, es bleibt aber durchweg sauber (Quest 2).
Als ich später wieder die Rift S aufsetzte, hatte ich wieder das altbekannte Fliegengitter vor Augen, was sich aber mit genügend Supersampling abschwächen ließ. Insgesamt hält sich der visuelle Unterschied zwischen den Plattformen in engen Grenzen, weshalb ich letztendlich bei der kabellosen Variante auf der Quest 2 geblieben bin.

Sauber auf allen Plattformen?

Ähnlich wie bei Stormland haben auch die Entwickler von Population: One in ihren Testphasen allerlei Tricks gegen Übelkeit ausgetüftelt – mit darauf abgestimmten Bewegungen, Geschwindigkeiten und Einstellungen. Mit starker Vignette und hohen Komfort-Optionen hatte ich fast keinerlei Probleme, auch nicht beim Klettern oder Gleiten. Ich habe allerdings von anderen Spielern gehört, denen extrem schnell schlecht wurde. Wie so oft scheint es in diesem Punkt individuell starke Unterschiede zu geben. Ein wenig schade ist übrigens, dass es abseits des Hauptmodus fast keinerlei Abwechslung gibt. Stattdessen warten im Hauptmenü lediglich ein simples Tutorial sowie ein kleiner Übungsmodus gegen grenzdebile Bots.

Fazit

Nachdem sich in Space Junkies die Server geleert haben, entwickelt sich Population: One zu meinem aktuellen Mehrspieler-Favoriten im Bereich der VR-Shooter. Sicher, das generische Design und die mobiltaugliche Grafik gewinnen nicht gerade einen Schönheitspreis - zumal auch Umfang, Arsenal und Abwechslung deutlich hinter klassischen Vorbildern wie Blackout zurückbleiben. Im Rahmen der einen Quadratkilometer großen Karte mit 18 Spielern hat Entwickler BigBox VR aber eine tolle Mischung ausgetüftelt! Vor allem die freie Erkundung sorgt für einen spannenden Überlebenskampf, da man jedes Gebäude mit intuitiven Armbewegungen erklimmen kann, um danach mit einem schnellen Gleitflug die angrenzende Lichtung zu überqueren. Plündern, klettern, gleiten, eigenhändig nachladen und kleine Deckungsmauern aufbauen – all das geht hier so flüssig und sauber ineinander über, dass sich die Schusswechsel deutlich dynamischer und immersiver anfühlen als am Monitor! Das liegt auch an der Karte mit ihren verwinkelten, charakteristischen Arealen und dem über allem thronenden Turm. Außerdem sorgt das sauber umgesetzte Crossplay fast immer für volle Server (inklusive systemübergreifenden Freunden und Einladungen). Die SteamVR-Fassung konnten wir mangels Rezensionsmuster leider nicht testen, sie unterstützt neben Oculus-Headsets auch Valve Index, HTC Vive, und Windows Mixed Reality (WMR).

Pro

  • toll abgestimmtes Klettern, Gleiten, Bauen und Erkunden
  • passende Kartengröße und viele charakteristische Gebiete
  • Crossplay ohne nennenswerte Lags oder Verbindungsprobleme
  • technisch insgesamt sehr sauber
  • flüssige Steuerung und sinnvolle Komfort-Optionen
  • coole Geist- und Zuschauer-Mechaniken

Kontra

  • Arsenal, Abwechslung und Freischaltungen deutlich geringer als in Genre-Größen am Monitor
  • nur ein Modus auf einer Karte und 18 Spielern (Größe passt aber gut zur Spielerzahl)
  • generisches Artdesign und schlichte, mobiltaugliche Grafik
  • bisher nur wenige, simple Events
  • abseits des Hauptmodus nur ein simples Tutorial und Matches gegen debile Bots

Wertung

VirtualReality

Das freie Klettern und Gleiten ermöglicht einen spannenden, technisch sauberen Überlebenskampf in VR - trotz Schwächen bei Umfang und Abwechslung.

OculusRift

Das freie Klettern und Gleiten ermöglicht einen spannenden, technisch sauberen Überlebenskampf in VR - trotz Schwächen bei Umfang und Abwechslung.

OculusQuest

Das freie Klettern und Gleiten ermöglicht einen spannenden, technisch sauberen Überlebenskampf in VR - trotz Schwächen bei Umfang und Abwechslung.

Echtgeldtransaktionen

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  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
  • Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
Kommentare
M4g1c79

Ich will mir lieber nicht vorstellen, was meine Nachbarn sehen, wenn ich das Gerät mit ryhthmischem Rubbeln auflade und mir kurz danach eine Banane ins Gesicht schiebe.
Ahahahahahaha, danke dafür. Selten auf 4players so gelacht
top!

vor 3 Jahren
narrator83

Ich will mir lieber nicht vorstellen, was meine Nachbarn sehen, wenn ich das Gerät mit ryhthmischem Rubbeln auflade und mir kurz danach eine Banane ins Gesicht schiebe.
Ahahahahahaha, danke dafür. Selten auf 4players so gelacht

vor 3 Jahren