Observer - Test, Action-Adventure, XboxSeriesX, PlayStation5, XboxOne, PlayStation4, Linux, Mac, Switch, PC
Selten habe ich das Ende eines Spiels so sehr herbeigesehnt wie bei Observer. Nach knapp zehn Stunden kam die Erlösung. Hat mich die verstörende Cyberpunk-Welt und das Abtauchen in fremde, mitunter kranke Gedankenwelten einfach so fertig gemacht? Nein. Aber eigentlich hätte das Spiel alles mitgebracht, um mir ein derart intensives Erlebnis zu bieten. Tatsächlich mangelt es hier nicht an völlig abgedrehten und surrealen Situationen, wenn man sich in der Rolle von Detective Daniel Lazarski (Rutger Hauer, RIP 2019) im Jahr 2084 auf die Suche nach seinem Sohn begibt und dabei in mysteriöse Mordfälle innerhalb eines abgeriegelten Wohnkomplexes in einem heruntergekommenen Viertel der Cyberpunk-Metropole stolpert - in einem futuristischen Polen, das von einem machthungrigen Konzern regiert wird, der auch die Polizei und damit den Protagonisten kontrolliert.
Detektivarbeit mit Implantaten
Türgespräche
Man erlebt ganz schön viel krasses Zeug, wenn man sich in die Gehirne einklinkt und die bizarren, mitunter auch enorm verstörenden Sequenzen überstehen muss. Schnell werden Erinnerungen an Layers of Fear wach – kein Wunder, denn viele Schockeffekte und Mindfucks werden hier quasi 1:1 recycelt und zaubern Kennern des Erstlingswerks (wie mir) über weite Strecken nur in gelangweiltes Gähnen ins Gesicht. Im Gegensatz zum Abstieg in den Wahnsinn des Malers wird man hier allerdings auch mit konkreten Bedrohungen konfrontiert: Diese Passagen beschränken sich zwar meist auf ein simples Versteckspiel oder eine kurze Flucht, sind aber trotzdem eine willkommene Ergänzung und sorgen für eine schöne Spannung, die sich insgesamt leider viel zu selten aufbauen kann. In System Redux wurden die Schleichpassagen jetzt übrigens etwas entschärft, um potenziellen Frustmomenten entgegenzuwirken.
Zurück zu Layers of Fear
Dem Bloober Team fehlt einfach der Sinn für das richtige Maß. Schon bei Layers of Fear haben sich die Mindfucks irgendwann spürbar abgenutzt. Hier erfolgt die Ernüchterung noch rasanter: Als Spieler wird man regelrecht bombardiert mit bizarren Illusionen, verwirrenden Wendungen, krassen Bildern, ungewöhnlichen Filtern und Schockmomenten. Teilweise hatte ich das Gefühl, in einer Tech-Demo gelandet zu sein, in der es primär darum geht, ein Mindfuck-Feuerwerk in einer Kombination mit „Best of Grafik-Effekte“ abzubrennen. Doch die großen Ambitionen verpuffen viel zu schnell und scheitern am puren Overkill, der hier aufgefahren wird. Weniger wäre dafinitiv mehr gewesen. Da hilft es auch nicht, dass das Produktionsniveau mit sehenswerten Grafikeffekten und Filtern sowie einer beklemmenden Klangkulisse erfreulich hoch ausfällt.
Overkill
Von daher hält sich meine Euphorie angesichts der inhaltlichen Ergänzungen bei System Redux in Grenzen. Trotzdem sei erwähnt, dass die erweiterte Fassung mit drei zusätzlichen Nebenquests aufwartet, in denen man sogar Zutritt zu komplett neuen Bereichen innerhalb des Gebäudes mit seinen vielen verschlossenen Türen erhält.
Mehr Inhalt, mehr Technik
Schließt man Maus und Tastatur an die Konsole an, wird man überrascht feststellen, dass man die Steuerungsmethode problemlos als Alternative zum Controller nutzen darf. Das Spiel selbst gibt dazu aber keinen Hinweis: Sämtliche Einblendungen sind weiterhin nur für Aktionen am Controller ausgelegt und auch in den Steuerungsoptionen fehlt jeder Hinweis auf die alternative Steuerung - seltsam.
Alternative Steuerung
Apropos Steuerung: Bei der Interaktion mit manchen Gegenständen erweist sie sich aufgrund des viel zu kleinen Erkennungsbereichs als extrem fummelig, weil man sich gefühlt milimetergenau positionieren muss, um manche Items aufnehmen zu können. Simple Aktionen wie das Verbinden von Kabeln mit der Steckdose wird da schon mal zu einem Drahtseilakt. Hin und wieder ist es mir außerdem passiert, dass ich in der Umgebung fest hing - gerade in engen Räumen, bei denen man auch noch irgendwie die Tür öffnen und sich durchquetschen musste. Zwar konnte ich das Problem in der Regel durch den Wechsel zur geduckten Haltung lösen, aber nervig war es trotzdem.
Ein bisschen mehr Komfort hätte ich mir außerdem beim virtuellen Notizbuch gewünscht, in dem Lazarski automatisch die Aufgaben der Haupt- und Nebenquests vermerkt. Recht früh im Spiel entdeckt man z.B. eine alte Frau, die in einem Raum an einen VR-Apparat angeschlossen ist. Allerdings wurde ich abgelenkt und habe daher beschlossen, mich erst später wieder der Dame zu widmen. Problem: Als ich wieder zurückkehren wollte, hatte ich schon längst wieder die Zimmernummer vergessen und das Notizbuch war keine besonders große Hilfe und auch auf den zahlreichen Karten-Bildschirmen an den Wänden werden wichtige Standorte natürlich nicht automatisch markiert. Zwar wird der Fund als solches im Notizbuch ordentlich festgehalten, aber einen Vermerk zur genauen Wohnung sucht man leider vergeblich. Als Folge dessen musste ich wieder viel Zeit verschwenden und durch das abgeriegelte Gebäude mit seinen ewig gleichen Gängen irren.
Orientierungsprobleme trotz Karte
Fragwürdige Preisaktion
Fazit
Bei Observer wollen die bizarren Trips in die Cyberpunk-Welt, das Bewusstsein und die Erinnerungen anderer Leute einfach nicht so recht zünden. Was schon beim Original galt, wiederholt sich jetzt erneut bei System Redux, denn die aufgepeppte Technik ändert am Spieldesign freilich nichts. Und so bleibt es bei zähen Dialogen vor verschlossenen Türen und einem redundanten Effekt-Overkill bei den Trips in die Erinnerungen, die viel zu schnell zur Routine werden. Die drei neuen Nebenquests erweitern zwar den Inhalt, aber wirklich gebraucht hätte ich sie nicht, zumal sie für die Haupt-Story eigentlich keine Rolle spielen. In technischer Hinsicht zeigt System Redux seine zwei Gesichter: Zum einen ist der grafische Sprung dank 4K-Texturen im Vergleich zum Original ziemlich groß ausgefallen und dank der üppigen Neon-Beleuchtung kommt auch Raytracing wunderbar zur Geltung. Zum anderen war es für mich aber fast schockierend zu sehen, dass die Entwickler damit selbst eine neue und leistungsfähige Konsole wie die Xbox Series X schon überfordern, denn die Bildrate geht bei 4K und Raytracing in manchen Situationen spürbar in die Knie. Daher bin ich froh, dass neben der Steuerung mit Maus und Tastatur alternativ auch ein Performance-Grafikmodus angeboten wird, bei dem Beleuchtung und Qualität zwar Feder lassen müssen, man im Gegenzug aber meist angenehme 60fps erhält. Was The Observer neben der ansprechenden Story und der tristen Cyberpunk-Welt noch in den befriedigenden Wertungsbereich hievt, sind die mitunter originellen Ideen und ein gewisser Anspruch bei den Rätseln. Schön auch, dass man nach dem sehr rudimentären Layers of Fear auch die Spielmechaniken erweitert und mit tödlichen Bedrohungen die Spannung erhöht hat, selbst wenn die Schleicheinlagen jetzt etwas entschärft wurden. Fragwürdig bleibt der Umgang des Bloober Teams mit Besitzern des Originals, die nur innerhalb eines kurzen Aktionszeitraums ein Upgrade-Angebot in Anspruch nehmen durften, mittlerweile aber wieder den normalen Preis für System Redux zahlen müssen. Wer bisher noch nicht als Observer tätig war und eine etwas dröge Einstimmung für Cyberpunk 2077 sucht, sollte aber selbstverständlich lieber direkt zur technisch aufgemotzten Version greifen.
Pro
- extrem verstörendes Spielerlebnis...
- schicke Kulisse im Cyberpunk-Stil (inkl. Raytracing & HDR)...
- alternativer Performance-Grafikmodus
- leichte Schleich-Ansätze mit Gefahrenpotenzial
- nette, z.T. ungewöhnliche Umgebungsrätsel
- Implantate als sinnvolle Ermittlungs-Werkzeuge
- eindringliche Klangkulisse
- (inoffizielle?) Unterstützung für Maus & Tastatur
Kontra
- ...das schnell nur noch nervt und sich rapide abnutzt
- ...aber starke Performance-Einbrüche bei 4K/Raytracing
- schwache Darbietung von Rutger Hauer
- langatmige Dialoge
- viel Copy & Paste von Layers of Fear
- eintöniger Haupt-Schauplatz
- wirre Story
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