Godfall - Test, Rollenspiel, PlayStation5, PlayStation4, PC
Es gibt so Spiele, da frage ich mich, warum man sich überhaupt die Mühe einer Rahmenhandlung gemacht hat. In Godfall wird mir in einem kurzen Intro der Konflikt zwischen den Chrom-Laser-Ritter-Brüdern Orin und Macros präsentiert, die offensichtlich ein Faible für Rüstungen im Power-Rangers-Look haben. Letzterer wird von der Macht korrumpiert und wendet sich gegen seinen Bruder. Der wird im Duell fast getötet und sinnt auf Rache. Das ist alles. Das ist die Story. Alles Übrige besteht aus kurzen Sinnlos-Dialogen mit dem Konstrukt „Siebtes Sanktum“ und einem wortwörtlich gesichtslosen Schmied, der so egal ist, dass ich mir nicht mal seinen Namen merken kann, bevor ich mich erneut in die Schlacht gegen die Horden des Bösen werfe.
Story? Welche Story?
Ist diese, bestenfalls rudimentär zu nennende, erzählerische Grundlage schlimm? Für mich, der in diesen Spielen ohnehin jeden Dialog so schnell wegklickt wie er aufploppt, definitiv nicht. Immerhin bin ich zum Looten und Leveln hier und nicht um einem Diskussionsclub beizutreten. Ein größeres Problem ist da schon die mangelnde Hintergrund-Erklärung zu Welt, Charakteren und Konflikten, denn hier orientiert sich Godfall viel zu sehr an Destiny. Fast alles ist in Textfragmenten und Kodex-Einträgen (immerhin: im Spiel selbst) versteckt. Hier wird in schwurbeligen Worten der Hintergrund der Welt Aperion mit ihren gottgleichen Archonten, den Valorianern in ihren Warfra… äh Valorianer-Kürassen und den Feind-Fraktionen erklärt. Am Ende ist das aber fast noch egaler als die „Story“ und mindestens so uninteressant.
Kein Charakter aber ein cooles Kampfsystem
Das Kampfsystem ist dabei die größte Stärke von Godfall: So ziemlich jede Mechanik aus Third-Person-Action mit Nahkampf der letzten Jahre hat es dabei in den ziemlich umfangreichen Fähigkeitenbaum geschafft. Es gibt natürlich schwere und leichte Angriffe, die auch in getimten Kombos verbunden werden können. Dazu kommen Schildparaden, Konter und natürlich ein Schildwurf. Man kann Feinden mit leichten Angriffen Seelenbrecher-Schaden zufügen, der sie alleine nicht killt, aber ihre Seele (und auch ihren Körper) per folgendem schwerem Angriff in einem bunten Partikelregen platzen lässt. Es gibt Schildsprünge, Deckungsbrecher, Finisher, einen Zorn-Modus sowie Schwachstellen, die bei Schlägen anvisiert werden können um Extra-Schaden zu verursachen.
Generell ist der Charakter-Fortschritt in Godfall angenehm motivierend: In den Beute-Massen finden sich immer wieder hochwertige Gegenstände, die sich zudem einerseits in mehreren Stufen aufwerten und andererseits auch in ihrem Item-Level von Gewöhnlich bis Episch per Verzauberung verbessern lassen. Das braucht zwar einige Ressourcen, aber auf diese Weise kann ich lieb gewonnene Klingen einige Zeit mitnehmen. Jedes Item, von Ringen über Amulette bis zu Lebenssteinen beeinflusst die Grundwerte Macht, Geist und Vitalität, die dann wiederum Einfluss auf Waffenschaden, Fähigkeiten und Widerstandskraft haben. Dabei gibt es auch diverse Elementar-Effekte, die allerdings viel zu versteckt dargestellt werden und im Kampf kaum eine Rolle spielen.
Ganz schön viel Loot
Godfall ist beim Austüfteln der besten Charakter-Werte und Fähigkeiten lange nicht so komplex wie Path of Exile und Co., zumal man jederzeit alle Punkte im Fähigkeitenbaum kostenlos neu verteilen darf. Insgesamt schafft man aber eine durchaus motivierende Schleife aus Kampf, Ausrüstung und Stufenaufstieg, die mich bis zum Ende motiviert hat. Zudem lassen sich zwölf Rüstungen freischalten, die nicht nur das Aussehen und Geschlecht Orins verändern, sondern auch seine grundlegenden „Archonten-Zorn“ sowie einige Werte verändern. Hauptsächlich dienen die Kürasse aber nur als Skins.
Laufen, kloppen, leveln – und von vorn
Zudem erfordert der Story-Fortschritt eine Menge Backtracking: Um den nächsten der fünf Bosse zu erreichen, müssen zumeist Siegel gesammelt werden, die sich auch über die vorhergehenden Welten verstreuen. Hier müssen dann zwangsweise Jagdmissionen angegangen werden, die oftmals nur eine Variante bereits abgeschlossener Aufträge sind. Es wird also schnell repetitiv – zumal man im späteren Spielverlauf von deutlich schwächeren Feinde keine Erfahrungspunkte mehr erhält. Zwar kann man Missionen auf einem höheren Schwierigkeitsgrad angehen, was immerhin die Viecher deutlich stärker macht, das hat aber nur Auswirkungen auf die Beute, nicht auf die gewonnenen XP. Zudem erhalten die völlig bedeutungslosen Tode auf „Schwer“ etwas mehr Gewicht. Kann man sonst nach jedem Ableben direkt nebenan wieder einsteigen, ohne selbst bei Bosskämpfen irgendeinen Fortschritt zu verlieren, ist auf dem höheren Schwierigkeitsgrad nach drei Versuchen die Mission vorbei und man muss vom Sanktum aus einen neuen Versuch starten.
Gute Technik und Mehrspieler-Gekloppe
Allerdings werden die neuen Funktionen des DualSense wie haptisches Feedback oder adaptive Trigger auf der PS5 nicht umfänglich genutzt. Zwar wird das haptische Feedback für leichte Links-Rechts-Effekte genutzt und auch die Trigger vibrieren bei aufgeladenen Schlägen. Dennoch ist die Immersion nicht im Ansatz so groß wie etwa bei Astro's Playroom. Ähnlich oberflächlich wie die Missionen ist auch der Mehrspieler-Koop gestaltet: Hier können sich bis zu drei Valorianer gemeinsam durch die Feindesmeuten fräsen. Das funktioniert auch lag- und störungsfrei, allerdings können weder Items getauscht noch Verbündete wiederbelebt werden. Es gibt nicht mal ein Emoji-Rad, mit dem man dem Kollegen zuwinken kann. So bietet das gemeinsame Schnetzeln durchaus eine ganz unterhaltsame Feierabend-Gestaltung
Fazit
Repetitiv, schreiend bunt und flach wie ein Babybecken: Godfall ist chromglänzender, unheimlich stumpfer Kloppmist - und macht mir trotzdem noch Spaß! Ähnlich wie Ryse zum Start der Xbox One ist Godfall das charakterlose Hochglanz-Kloppspiel im Lineup der PS5, das in meinen Augen aber mehr richtig macht als der cineastische Römer-Reaktionstest von Crytek aus dem Jahre 2013. Das Kampfsystem umfasst so viele Mechaniken und ist so wuchtig, dass es Laune macht, Massen von Feinden wegzufräsen und den einen oder anderen Boss zu legen, während im Hintergrund ein Hörbuch oder Podcast läuft. Godfall ist hinsichtlich Story, Leveldesign und Abwechslung kein gutes Spiel, zumal es auf der PlayStation 5 nicht mal ansatzweise das audiohaptische Feedback des Controllers nutzt. Dennoch ist das Spiel technisch stark und hat mit 15 bis 20 Stunden genau die richtige Länge, um es nach Feierabend bei Bier und Erdnussflips mit bis zu drei Helden im Koop zu snacken.
Pro
- gute Kulisse
- wuchtige Kämpfe
- umfangreiches Kampfsystem
- ordentlicher Skilltree
- eine Menge Loot
- gut funktionierender 3-Spieler-Koop
Kontra
- nichtexistente Quatsch-Story
- schlechtes Worldbuilding
- repetitive Missionen
- Zwang zum Backtracking
- keine XP bei der Rückkehr in frühe Gebiete
- zu wenig visuelle Anpassbarkeit
- oberflächlicher Koop
- dauerhafte Internet-Verbindung auch im Singleplayer notwendig
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?