Shady Part of Me - Test, Logik & Kreativität, PC, PlayStation4, Switch, XboxOne

Shady Part of Me
08.01.2021, Matthias Schmid

Test: Shady Part of Me

Schattenspiele

Bei den Game Awards 2020 wurde, zwischen all den prominenten Preisträgern und großen Ankündigungen, auch Shady Part of Me enthüllt - und just am selben Tag veröffentlicht. Wir haben uns das charmante Indie-Knobelspiel aus Frankreich angeschaut und verraten, wer damit seinen Spaß haben könnte.

Es ist Vergleiche-Zeit: Limbo und Inside, FAR: Lone Sails oder auch Little Nightmares kamen mir, zuerst beim Trailer und dann natürlich beim Durchspielen von Shady Part of Me, in den Sinn. Mit seiner Optik zwischen Sepia und Monochromie, der zärtlich-melancholischen Musik und dem düsteren Grundtenor geht es inszenatorisch in eine ähnliche Richtung wie diese gelungenen Indietitel. Gleichzeitig verzichtet das Spiel großteils auf die Geschicklichkeitsaspekte eines Limbo, das Micro-Management von FAR: Lone Sails oder Little Nightmares' Stealth-Aspekte - an diese Stellen treten Licht- und Schattenrätsel, Kisten-Schiebe-Aufgaben und Perspektiv-Knobeleien. Derlei Elemente kennen Vielspieler aus dem kreativen PSP-Gehirnverdreher Crush, dem PS3-Abenteuer Rain oder Konamis schönem Wii-Titel Der Schattenläufer und die Rätsel des dunklen Turms.

Düstere Gedankenspiele

Das Gesicht der Hauptfigur bleibt ein Mysterium, der mitunter beklemmende Look zieht sich ebenfalls durchs Spiel.
Zu guter Letzt, und da sind wir nun bei der Geschichte rund um die Ängste eines kleinen Mädchens angelangt, reiht sich Shady Part of Me in eine noch recht junge Gruppe von Videospielen ein, die sich mit dem Themenkomplex rund um Ängste, Selbstwahrnehmung oder generell der mentalen Gesundheit befassen. Dabei denke ich an Sea of Solitude, The Town of Light, Celeste, Actual Sunlight oder Hellblade: Senua’s Sacrifice. Gleichwohl Shady Part of Me über die komplette vierstündige Spielzeit auf eine sehr, für meinen Geschmack zu vage Erzählweise setzt, lassen die Szenarien (u.a. Kinderzimmer, Krankenhaus), das Zwiegespräch der verschiedenen Ichs der Protagonistin und die Spiel-Einteilung in „Sitzungen“ keinen Zweifel daran, in welche Richtung die französischen Entwickler mit ihrem Erstlingswerk gehen.

Im englischen Original wird die Hauptfigur klasse von Hannah Murray vertont, die man als Goldy (engl.: Gilly) aus Game of Thrones kennt. In der deutschen Synchro leiht Luisa Wietzorek dem Mädchen ihre Stimme - die Berlinerin kennt man aus vielen TV- und Filmproduktionen wie Coraline oder Modern Family (wo sie Haley Dunphy spricht), erst vor kurzem brillierte sie auch als die deutsche Stimme von Ellie in The Last of Us: Part 2. Leider wird die auch diesmal starke Sprecharbeit von der schlampigen Regie getrübt - oft weiß der Spieler nicht, welches der beiden Ichs gerade spricht, das stört das Verständnis der Dialoge nachhaltig.

Knobeln im Kinderzimmer: Unten im "3D-Bereich" verschieben wir eine Kiste, das ändert dann auch die 2D-Silhouette in der oberen Bildhälfte.
Denn von wenigen Passagen abgesehen, herrscht eine klare Dualität im Spiel: In der oberen Bildhälfte lenke ich den Schatten der Figur durch 2D-Passagen, im unteren Teil steuere ich das eigentliche Mädchen in 3D. Auch ohne Zweispieler-Modus (den ich gerne gesehen hätte) ist Shady Part of Me damit ein Koop-Erlebnis für eine Person. Denn nur durch die Zusammenarbeit der beiden Figuren -man wechselt auf Knopdruck beliebig hin und her - ist ein Vorankommen auf beiden Ebenen möglich. Typisches Beispiel: 2D-Schatten muss über einen See voller Dornenranken, steigt dafür auf ein Quadrat, das sich aber nicht bewegt. Wechsel. 3D-Mädchen schiebt einen Würfel umher, dessen Schatten das Quadrat in der 2D-Ebene ist. Wechsel. 2D-Figur ist auf dieser „Fähre“ ans andere Ufer gelangt, springt herab und kann weiter.

Ich & mein Schatten

Diese Mechanik wird auf vielfältige, kompetente, meist logisch nachvollziehbare und manchmal sogar kreative Weise durchdekliniert: Schiebt die 3D-Figur z.B. einen Block näher an eine Lichtquelle heran, wächst er in der 2D-Ebene in die Höhe. An anderer Stelle taucht ein Schalter nur in im 2D-Scherenschnitt-Bereich auf - wird dieser aktiviert, ändert sich die Position einer Lampe in der 3D-Welt - und schon kann das Polygonmädchen weiterlaufen. Denn so wie ihre 2D-Projektion von schwarzen Schatten zerquetscht werden kann, hat sie in ihrer 3D-Welt Probleme mit hell erleuchteten Bereichen. 

Die Entwickler haben, vor allem in den 3D-Bereichen, ein paar wirklich sehenswerte Szenarien erschaffen.
Alle paar virtuellen Meter, meist nach genau einer Kopfnuss, muss eine Art Zielbereich auf beiden Ebenen erreicht werden, damit das Spiel weitergeht. So kommt es nie vor, dass man sich verzettelt oder mit der einen Figur ewig weiterläuft - stattdessen agieren, von wenigen storytechnischen Ausnahmen abgesehen, beide Ichs immer im selben Abschnitt. Dies sorgt für ein stetes Alternieren zwischen den Spielebenen, das auf Dauer etwas monoton werden kann. Ähnliches gilt für die Rätselaufgaben: Zwar ist der Schwierigkeitsgrad für meinen Geschmack genau richtig (und niemals hart, weshalb es wohl auch kein Hilfesystem gibt), allerdings kann ich leider nicht behaupten, dass ich allzu großen Spaß mit den Schalter-, Perspektiv-, Schatten- und Aufzug-Tricksereien hatte. Von einem erfüllenden Aha-Erlebnis wie in den beiden Portals, The Talos Principle oder jüngst bei Manifold Garden ist The Shady Part of Me leider weit entfernt.

Im Bildvordergrund darf man hier nur geradeaus laufen, die 2D-Schattenfigur im Hintergrund muss derweil eine Hüpfpassage absolvieren.
Wer in grellem Licht erlischt oder von einem Schattenblock erschlagen wird, kann per Schultertaste beliebig oft und beliebig lange zurückspulen. So macht man Verspringer ungeschehen oder korrigiert sein Timing beim Umlegen eines Schalters. Damit wird Shady Part of Me in puncto Geschicklichkeits zu einem extrem leichten Spiel und ich fühlte mich dezent an Elikas Hilfestellungen im 2008er Prince of Persia erinnert. Gleichzeitig ist diese Lösung aber eleganter als das bloße Wiederaufsetzen am Plattformrand in kindgerechten Kirby-Hüpfern oder den Realismus untergrabenden Rückspul-Features in diversen Forzas oder jüngst sogar bei FIFA 21. Das von Art Director Marc Lericolais formulierte Ziel „jede Umgebung wie eine lebendige Skizze zu gestalten, die nur darauf wartet, erkundet zu werden“, hat das Team ledlich in puncto Optik erreicht. Tatsächlich kommt die schöne, stilvolle Grafik den „vorläufigen Zeichnungen oder Skizzen (…), die manchmal einfach in die Ecke eines Notizbuchs gekritzelt wurden“ angenehm nahe und wird trotz der stets ähnlichen Farbtöne nie langweilig. Meinen Erkundungstrieb konnten die Szenarien aber nie stillen - dafür sind die Areale viel zu eng begrenzt und linear aufgebaut.

Noch einmal bitte!

Fazit

The Shady Part of Me ist ein circa vier Stunden langer, stets angenehm spielbarer, hübsch gestalteter Indietitel - und als Erstlingswerk eines kleinen Studios durchaus respektabel. So richtig mitgerissen, fasziniert oder motiviert hat mit das Denkspiel aber zu keiner Zeit. Denn dafür bleiben die Gespräche und Wortmeldungen zu oberflächlich und die Geschichte zu unklar umrissen. Auch die Anforderungen an meine grauen Zellen waren überschaubar: Dabei kritisiere ich nicht die gemäßigte Schwierigkeit sondern den fehlenden Wow-Faktor, den die Lösung der Rätsel bei mir auslösen. Im PSP-Geheimtipp Crush oder den vortrefflichen Mobile-Spielen Monument Valley 1 & 2 kam ich auch gut durch, freute mich aber tierisch über so manchen Perspektivtrick oder den nach einer Weile fallenden Groschen. Wer schon mit Rain oder Der Schattenläufer und die Rätsel des dunklen Turms richtig viel Spaß hatte, sollte trotz meiner verhaltenen Einschätzung einen Blick riskieren - mir persönlich aber war The Shady Part of Me, wie auch die beiden genannten Titel, eine ganze Spur zu eintönig und fade.

Pro

  • schöne Optik zwischen Aquarell & Scherenschnitt
  • gut funktionierende Rätsel, die...
  • gelungene Steuerung
  • angenehmer Schwierigkeitsgrad
  • optionale Sammelgegenstände teils knifflig zu holen
  • zum Finale einige größere Rätsel mit zusätzlichem Kniff
  • gute Vertonung (englisch und deutsch)

Kontra

  • Erzählung kommt nie so recht aus dem Quark
  • ...aber mechanisch unterm Strich oft bieder sind
  • steter Wechsel zwischen den Ebenen ermüdend
  • Stimmen-Zuordnung der sprechenden Figuren schwierig

Wertung

PC

Stimmungsvoll inszeniertes Rätselspiel mit Licht- und Schatten-Thematik, das aber weder spielerisch noch erzählerisch so richtig in die Gänge kommt.

PlayStation4

Stimmungsvoll inszeniertes Rätselspiel mit Licht- und Schatten-Thematik, das aber weder spielerisch noch erzählerisch so richtig in die Gänge kommt.

Switch

Stimmungsvoll inszeniertes Rätselspiel mit Licht- und Schatten-Thematik, das aber weder spielerisch noch erzählerisch so richtig in die Gänge kommt.

XboxOne

Stimmungsvoll inszeniertes Rätselspiel mit Licht- und Schatten-Thematik, das aber weder spielerisch noch erzählerisch so richtig in die Gänge kommt.

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Kommentare
Tas Mania

Immerhin sehr gute Synchronisierung,das ist nicht immer selbstverständlich

vor 3 Jahren