Scott Pilgrim vs. The World: Das Spiel - Test, Prügeln & Kämpfen, 360, Stadia, Switch, PlayStation3, XboxOne, PC, PlayStation4

Scott Pilgrim vs. The World: Das Spiel
15.01.2021, Matthias Schmid

Test: Scott Pilgrim vs. The World: Das Spiel

So richtig retro

Kultiges Comeback? Das pixelige PS3- und Xbox-360-Prügelspiel verschwand, sehr zum Unmut seiner Anhänger, einst aus den digitalen Stores. Nun legt Ubisoft die Comic-Adaption neu auf und wir uns erneut mit schrägen Ex-Freunden an - in Scott Pilgrim vs. The World: The Game - Complete Edition.

Im Jahr 2010 wurde Bryan Lee O’Maylleys Graphic Novel Scott Pilgrim groß umgesetzt - zeitgleich als Realfilm im Kino und als pixeliges Videospiel für PS3 und Xbox 360. Letzteres, mit dem Namen Scott Pilgrim vs. The World: The Game, kam von Ubisoft, war eine Co-Entwicklung aus kanadischen und chinesischen Niederlassungen und verschwand zum Ende des Jahres 2014 aus den digitalen Krämerläden von Sony und Microsoft. Für Fans der Marke und solche, die es noch hätten werden können, natürlich ein Affront und eine negative Begleiterscheinung digitaler Vertriebswege. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Films im letzten Jahr kündigte Ubisoft eine Remaster-Version an. Und Limited Run versorgt sogar alle, die bereit sind, mehr Geld auszugeben, mit drei unterschiedlichen Versionen auf Disc bzw. Modul (PS4 & Switch). Ich musste zum Glück nicht auf diese Fassungen warten, die ab 16 Uhr deutscher Zeit bestellbar sind (!), aber vermutlich erst Mitte 2021 verschickt werden - sondern konnte mit den Digitalversionen sofort loslegen…

Comeback Kid

Geiler Move! Ein paar der Bosse überraschen mit derben Animationen.
Ubisoft wählte für die Umsetzung der schrägen Geschichte (rund um den Kampf gegen die sieben Ex-Freunde von Scotts Auserwählter) ein selten benutztes Genre: den Sidescroll-Klopper. Zumindest im Releasejahr 2010 war das so. Heute freuen sich Fans des Dauerschlägerns über deutlich mehr und qualitativ hochwertigen Nachschub (z.B. Streets of Rage 4), aber vor gut zehn Jahren musste man derart gelagerte Titel tatsächlich mit der Lupe suchen. Scott Pilgrim vs. the World: The Game nimmt dabei deutlich mehr Bezug auf Technos’ Double-Dragon- und Kunio-kun-Reihen denn auf Final Fight, Golden Axe & Co. Das fängt beim (tendenziell) in der Echtwelt angesiedelten Szenario an und hört bei Rollenspiel-Elementen und Shop-System noch nicht auf - auch das langsamere Spielgefühl borgen sich Scott und seine Freunde bei Technos’ Klassikern.

Straßenschläger

Viel los: Spätestens ab Welt 3 sieht man teils den Hintergrund vor lauter Feinden kaum.
Wer den 2019er Klopper River City Girls von WayForward (das übrigens im Xbox Game Pass enthalten ist) gezockt hat, weiß am ehesten, was auf ihn zukommt. Doch leider fühlt sich Scott Pilgrim nicht so griffig und die Steuerung weniger direkt an: Mit niedriger Laufgeschwindigkeit und schon mal Feinde verfehlend, die nur hauchzart über mir stehen, kloppe ich mich durch Heerscharen von garstigen Kids. Ich schnappe mir Waffen, sammle aus Feinden purzelnde Münzen, attackiere grundsätzlich mit zwei Attacken und befreie mich per Lebensenergie kostendem Rundumschlag. Eine zweite Energieleiste erlaubt das Herbeirufen eines kurzzeitigen Helfers, außerdem kann geblockt werden - eine keinesfalls zu vernachlässigende Komponente, die in Verbindung mit Trainingseifer zwar taktisch sinnvoll, aber dem Spieltempo nicht zuträglich ist. Wer mit Couch- oder Online-Mitspielern unterwegs ist, kann gefallene Kollegen reanimieren - allerdings dauert das nervig lange und man setzt sich derweil einem hohen Trefferrisiko aus.

Die zweite Welt spielt an einem Filmset: coole Präsentation, aber zäher Spielfluss.
Apropos Trefferrisiko: Scott Pilgrim ist selbst auf dem niedrigsten von drei Schwierigkeitsgrade ein anstrengendes Spiel - die drei Leben pro Welt sind rasch verbraucht, Feinde treffen gefühlt besser als man selbst und die Zahl der Antagonisten steigt bald dramatisch an. Das Gefühl der Unterlegenheit schwindet zwar mit wachsender Spieldauer und den durch Levelaufstieg freigeschaltenen Moves - dennoch ist fühlt sich das Austeilen nie so kraftvoll an wie unlängst in Fight'N Rage oder The Ninja Saviors: Return of the Warriors. Auch The King of Dragons, Captain Commando oder Armored Warriors - allesamt 2018 im Capcom Beat'em Up Bundle enthalten - finde ich in puncto Trefferrückmeldung und Wucht deutlich gelungener.

Zombies, aber ohne Nazi-Hintergrund: Das Balgen mit Untoten im Bonus-Minigame wird rasch monoton.
Beim Thema Sound bin ich zweigespalten: In der Standard-Abmischung sind Schlaggeräusche kaum hörbar, was ich tatsächlich störend finde - gleichzeitig ist der Soundtrack der Chiptune-Band Anamanaguchi halt auch richtig hörenswert und einer der Stars des Spiels. Ach ja: Dass die DLC-Inhalte des Originals an Bord sind, ist prinzipiell schön, allerdings finde ich die Zusatzmodi durch die Bank recht spaßbefreit: Neben dem obligatorischen Boss-Rush gibt es einen Versus-Klopp-Modus, eine optisch tolle aber spielerisch banale Dodgeball-Variante und ein Dauermatschen von Zombiefeinden. Die sieben, von einer hübsch gepixelten Oberwelt-Karte aus zugänglichen Welten, verlangem einem je nach Schwierigkeit und eigenen Fähigkeiten locker zwei bis vier Stunden ab - wer auch ohne Fleiß in spätere Stages schauen will, kann dies im Online-Mehrspieler-Modus tun. Dort sind, wenn man ein Spiel erstellt, alle Abschnitte wählbar. Leider gab es bei meinen Online-Partien (sowohl als Host oder als Gast) mehrfach Suchen ohne Ergebnisse oder plötzlich beendete Partien - wenn es denn mal länger lief, war das Spielerlebnis aber durch die Bank flüssig.

Ohrenschmaus?

Fazit

Bei einem so eng gefassten und - selbst bei den besten Titeln - in der Tendenz monotonen Genre wie dem Sidescroll-Klopper, ist die Grenze zwischen „Mann, das macht einfach nur Spaß“ und „Boah, wie langweiliig“ eine haarscharfe. Bei Scott Pilgrim vs. The World: The Game - Complete Edition schlägt mein Spaßbarometer ganz klar in letztere Richtung. Kurz gesagt: Ohne Testauftrag im Hinterkopf hätte ich das Teil nach dreißig Minuten von der Platte geschmissen. Schon im ersten (zu lang, keine Höhepunkte) und zweiten Level (nervige Stun- und Feuerball-Gegner) leisten sich die Macher deutliche Design-Schnitzer, die auch der schräge Humor und die farbenfrohen großen Pixel nicht ausbügeln können. Generell ist die Standard-Laufgeschwindigkeit zu niedrig, das Spielgefühl zu träge und die Hitboxen passen vielfach einfach nicht; plus: das hohe Gegneraufkommen im letzten Spieldrittel ist selbst im Mehrspieler-Modus oft nervig. Auf der Habenseite stehen dezente RPG-Elemente wie Power-Ups, Erfahrungsstufen und neue Moves, ein motivierendes Geld-System, eine für das Genre stattliche Spielzeit und ein fetziger Soundtrack von Anamanaguchi. Doch das reicht letztlich nicht für mehr als ein gutes „Ausreichend“, weil das grundlegende Spielgefühl und -design so schwach ist. Unterm Strich ist Scott Pilgrim im Jahr 2021 deutlich mehr retro als das Gros seiner Vorbilder, die schon im originalen Release-Jahr 2010 retro waren - und das ist in diesem Fall leider kein Kompliment.

Pro

  • schräge, bunte, wilde Pixel-Optik
  • treibender Soundtrack
  • kreative Bonuslevel
  • technisch blitzsauberes Remaster
  • DLC der 2010er Fassung inklusive
  • mit zwei bis vier Stunden ordentliche Spielzeit fürs Genre

Kontra

  • Steuerung fühlt sich träge an
  • Hitboxen der Feinde zu klein
  • altmodisches, spannungsarmes Spieldesign
  • Schwierigkeit und Gegneraufkommen zu hoch
  • gähnend langweilige Zusatz-Modi
  • Matchmaking im Mehrspieler-Modus oft fehlerhaft

Wertung

Switch

Technisch sauberes Remaster des Pixel-Kloppers, das den meisten Genre-Konkurrenten spielerisch aber deutlich hinterherhinkt.

XboxOne

Technisch sauberes Remaster des Pixel-Kloppers, das den meisten Genre-Konkurrenten spielerisch aber deutlich hinterherhinkt.

PC

Technisch sauberes Remaster des Pixel-Kloppers, das den meisten Genre-Konkurrenten spielerisch aber deutlich hinterherhinkt.

PlayStation4

Technisch sauberes Remaster des Pixel-Kloppers, das den meisten Genre-Konkurrenten spielerisch aber deutlich hinterherhinkt.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

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Leicht
Mittel
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Kommentare
4P|Matthias

Es kommt nur hin und wieder vor, dass hier die Wertungen etwas sehr von dem entfernt sind, was ich beim Spielen empfunden habe. Und da fühle ich mich dann gezwungen zumindest meine Sicht mal kund zu tun.
Was super ist, und wofür wir immer dankbar sind. Auch danke für die langen Ausführungen - ich sage auch nicht, dass meine Ansicht dazu in Stein gemeißelt auf einem Thron zu stehen hat.

vor 3 Jahren
NoBoJoe

...
Das kannst du solltest du von einem Tester auch erwarten - weshalb ich natürlich auch so verfahren habe. Ich liebe das Genre (soviel zum Punkt mit dem Thema nix anfangen könne), liebe Pixel-Spiele (soviel zum Punkt mit dem Thema nix anfangen können 2.0). Und habe keinerlei, nicht auch die geringsten Vorurteile (?!) gegenüber Ubisoft (Chengdu, Montreal, Castrop-Rauxel).

Die 58 stehen auch da, weil ich glaube, dass viele Leute damit nicht sonderlich glücklich sind. Ich finde nämlich, dass es das, was es macht, nicht gut macht. Und schon gar nicht sehr gut. Und das habe ich auch im Test erläutert (Level-Länge, fehlende Höhepunkte, nervige Feinde, Feindzahl, Hit-Boxen, Geschwindigkeit).

Toll aussehen? Klar. Deshalb schreib ich das. Toll klingen? Klar. Deshalb schrieb ich das. Und bitte: Couch-Koop ist eine Pflicht-Übung, nichts positiv hervorzuhebendes.
Ich meinte nicht das Thema "Genre" oder "Pixel" sondern das Thema "Scott Pilgrim".

Und was "Level-Länge, fehlende Höhepunkte, nervige Feinde, Feindzahl, Hit-Boxen, Geschwindigkeit" betrifft: Als jemand der sagt er kenne das Genre, wundert mich das etwas.

Level Länge: Variert. Zugegeben. Es sind nur sieben und diese sind tatsächlich verhältnismäßig kurz. Aber man hat mir hier im Forum mal erklärt, das wäre bei diesem Genre üblich. Dazu kommt, um wirklich alles freizuspielen, sind mehrere Durchläufe mit unterschiedlichen Charakteren nötig. Klingt für mich daher genretypisch.

Fehlende Höhepunkte: Das ist bei dieser Art Spiel immer schwierig. Falls du auf sowas anspielst, wie bei The Takedown, Auto fahren oder Jet fliegen, okay. Fehlt. Aber da fallen mir viele Vertreter ein, denen solche Höhepunkte fehlen. Auch SoR4 hat keine Höhepunkte. Nur mal so...

Nervige Feinde: Ich sag nur Dobermann bei Fightn Rage. Um ein Extrem zu nennen. Ansonsten glaube ich, müssen die auch "nervige" Feinde rein machen. Sonst ist es doch zu leicht... und ich erinnere mich nicht an sehr viele wirklich nervige bei SP. Die Emos vielleicht. Aber alles im Rahmen und für das Genre üblich.

Feindzahl: Den Punkt verstehe ich gar nicht. Ich bin kein Pro auf dem Gebiet. Habe bisher nur fünf bis sieben solcher Spiele gespielt. Aber ich hatte hier nie das Gefühl zu viele oder zu wenige Gegner vor mir zu haben. Und ich habe es auf dem höchsten und niedrigsten Schwierigkeitsgrad durch...

Hitboxen: Waren bei mir perfekt. Klar. Man verschätzt sich mal, wegen der Reichweite oder weil man ein bisschen zu hoch oder niedrig steht, aber für mich hat sich das nicht nach falschen Hitboxen angefühlt. Da hatte ich mehr Probleme bei SoR4 ehrlich gesagt. Das einzige was ich bei SP in Bezug auf Hitbox, wenn das dazu zählt, etwas frickelig fand, war manchmal das Aufsammeln von Items/Waffen. Da hätten sie mit dem Bereich etwas großzügiger sein können.

Geschwindigkeit:

Ja. Anfangs tatsächlich etwas behäbig. Dafür können alle Charaktere rennen (zu SoR4 schau), und man kann über die richtigen Fooditems seine Werte ja dauerhaft erhöhen. Und ab 60 bei Geschwindigkeit wird es deutlich spürbar und bei 100 teilweise schon etwas zu schnell. Ich finde aber nicht, dass man das negativ ankreiden sollte (meine Meinung, mehr nicht), da es ja auch merkliche Steigerungen geben muss. Da kommt ja irgendwie auch Motivation zum mehrfach spielen her.

Ich finde es insgesamt halt schade, dass dieser Test im Prinzip das Spiel als Gurke dastehen lässt. Und eine 58 ist eine Gurke. In allen Belangen. Und davon ist Scott Pilgram nun wirklich weit entfernt. Es ist vielleicht kein 90er, wie ein Cyberpunk 2077 *Hust* (sorry, konnte ich mir nicht verkneifen), und ein "sehr gut" habe ich auch gar nicht erwartet. Aber befriedigend ist es allemal.

Und wer den Grafikstil und die Musik mag, wird es sogar für gut befinden.

Mir ist jedoch klar, dass hier an den Wertungen keine Änderungen vorgenommen werden, nur weil ein paar User hier die Wertung monieren.

Das war auch gar nicht mein Ansinnen. Und es liegt mir ebenfalls fern, dir meine Meinung aufzuzwingen.

Es kommt nur hin und wieder vor, dass hier die Wertungen etwas sehr von dem entfernt sind, was ich beim Spielen empfunden habe. Und da fühle ich mich dann gezwungen zumindest meine Sicht mal kund zu tun.

vor 3 Jahren
Oynox

Wenn die das fertig gepatcht haben, werde ich mir das sicherlich auch mal im Sale zulegen.

River City Girls hat Lust auf mehr gemacht.

vor 3 Jahren
Peter__Piper

Aber 58%? Selten habt ihr aus meiner Sicht so daneben gelegen.
Du hast noch nicht so viele 4P-Tests gelesen?
Ist ja gut Junge - so langsam wissen glaub ich alle das du mit 4 Players Tests nix anfangen kannst

vor 3 Jahren
4P|Matthias

Und von einem Tester erwarte ich schon auch grundsätzlich Neutralität und zumindest objektive Bewertung der Qualität entsprechend. Ich weiß. Bewertung ist immer subjektiv. Aber einem Spiel eine rote Wertung rein drücken, nur weil man mit dem Thema an sich nichts anfangen kann, oder vielleicht irgendwelche Vorurteile gegenüber der Entwickler hat, finde ich ungerecht.

Und es sorgt dafür, dass ansonsten Leute, welche mit dem Spiel garantiert glücklich geworden wären, weil es das was es macht, sehr wohl gut macht, abgeschreckt werden.

Ein 70er wäre ja okay und glaubhaft. Es erfindet nichts neu. Aber es funktioniert technisch, hat einen schönen Soundtrack, sieht charmant aus, bietet eine mal andere Geschichte und macht spielerisch auch Spaß. Und Multiplayer samt CouchKoop ist ist auch dabei.
Das kannst du solltest du von einem Tester auch erwarten - weshalb ich natürlich auch so verfahren habe. Ich liebe das Genre (soviel zum Punkt mit dem Thema nix anfangen könne), liebe Pixel-Spiele (soviel zum Punkt mit dem Thema nix anfangen können 2.0). Und habe keinerlei, nicht auch die geringsten Vorurteile (?!) gegenüber Ubisoft (Chengdu, Montreal, Castrop-Rauxel).

Die 58 stehen auch da, weil ich glaube, dass viele Leute damit nicht sonderlich glücklich sind. Ich finde nämlich, dass es das, was es macht, nicht gut macht. Und schon gar nicht sehr gut. Und das habe ich auch im Test erläutert (Level-Länge, fehlende Höhepunkte, nervige Feinde, Feindzahl, Hit-Boxen, Geschwindigkeit).

Toll aussehen? Klar. Deshalb schreib ich das. Toll klingen? Klar. Deshalb schrieb ich das. Und bitte: Couch-Koop ist eine Pflicht-Übung, nichts positiv hervorzuhebendes.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren