So lang ist das her? Schon im Januar 2017 wurde Werewolf: The Apocalypse angekündigt. Das französische Studio von Cyanide (u.a. Styx) sollte sich um das offizielle Spiel zur "World of Darkness" kümmern, einer Pen&Paper-Horrorwelt von White Wolf. Mittlerweile ist das Action-Rollenspiel für PC, PS4, PS5, One und XBS erhältlich. Ob sich die blutige Gestaltwandlung lohnt, klärt der Test.
Ihr schlüpft in die Rolle von Cahal, der zwar alles in Stücke reißen und sich in drei Formen (Homid = Mensch, Lupus = Wolf, Crinos = Werwolf) verwandeln kann, aber trotzdem so einige Probleme hat. Zum einen hat er seine Wut nicht im Griff und entscheidet sich im Einstieg selbst für das Exil. Das führt wiederum dazu, dass er seine Tochter ein paar Jahre nicht sieht, worunter das Verhältnis leidet. Und als er gerade dabei ist, wieder Anschluss in der Heimat (Caern) zu finden, eskaliert der Konflikt seiner Werwolf-Familie mit dem Großkonzern Endron, der überaus zerstörerische Pläne verfolgt.
Der mit dem Wyrm tanzt
Immerhin bemüht sich Cyanide, das Prinzip der Dreifaltigkeit sowie die Naturgeister aus der Pen&Paper-Vorlage zu verdeutlichen: Die Werwölfe sind hier also mehr als Horrormonster mit Reißzähnen, denn sie verteidigen als Kinder Gaias (Garou) die Erde vor skrupelloser Ausbeutung und pflegen Kontakt zur spirituellen Welt. Doch das Gleichgewicht zwischen Weberin, Wyldnis und Wyrm ist in Gefahr, weil Letzterer dem Wahnsinn verfiel. Er kann sogar Werwölfe korrumpieren, wie Cahals wütende Blutgier andeutete. Aber er will vor allem eines: Alles Leben vernichten. Dafür nutzt er auch die Macht der Großkonzerne...
Das klingt trotz der schnell durchschauten Rollen zunächst ganz gut, aber leider kann die Story keine Sogwirkung entfalten. Denn obwohl man einige Charaktere kennenlernt, Notizen findet und Gespräche mit Antwortauswahl führt, sorgen die hölzerne Mimik und Gestik sowie die teils plumpen Dialoge früh für Ernüchterung - das ist in der Präsentation kein Trash, aber man erreicht auch nur in den besten Momenten so etwas wie B-Niveau. Selbst wenn Cahal mit seiner Tochter spricht, wirkt das so künstlich, dass man im Zeitalter eines The Last of Us Part 2 oder, um viel weiter zurück zu gehen: eines BioShock Infinite, kaum eine Identifikation aufbauen kann. Immerhin: Man kann tatsächlich auch Wut in Dialogen aufbauen, so dass zumindest mal etwas Rollenspiel und Konsequenz aufblitzt.
Action-Rollenspiel ohne SogwirkungAuch die von der Unreal-Engine inszenierte Kulisse kann die Stimmung nicht verstärken: Es gibt zwar einige hübsche Spiegelungen, aber die Landschaft ist zu grob geschnitzt, die Gebäude sind recht steril und die Figuren wirken meist wie Statisten, die man per Copy & Paste designt und platziert hat. Cahal selbst sieht als Held ordentlich aus, auch aus der nahen Perspektive, aber ihm fehlt Charisma und alles um ihn herum, darunter auch wichtige Charaktere, haben kaum eine Präsenz. Als die erste relevante Antagonistin im Exoskelett auftaucht, wird es schon fast peinlich, was die Qualität der Inszenierung sowohl technisch als auch dramaturgisch betrifft. Auch Bildrate und Technik lassen manchmal Federn. Immerhin können sich die Kämpfe selbst auf einem solideren Niveau sehen lassen.
Das ist zwar ein Action-Rollenspiel, in dem man auch Cahals Fähigkeiten entwickeln sowie Areale samt etwas Kletterei erkunden kann, aber auch hier geht es nur um eines: Die spirituelle Sicht aktivieren, so Interaktionen oder Geister finden, meist bei Pflanzen, und diese einatmen, um Punkte für die Entwicklung der Fähigkeiten zu gewinnen. Wirkt in der Ausführung recht plump, aber so kann man stärkere Attacken, bessere Heilung, das Brüllen, die Wahrnehmung etc. freischalten. Einiges darunter wirkt allerdings komplett überflüssig: Die Schüsse mit der Armbrust sind schon idiotensicher, trotzdem kann man da eine Zeitlupe aktivieren. Und falls ihr euch wundert, warum man da so fix so viel freischalten kann: Das Abenteuer ist nach sechs bis acht Stunden vorbei.
Mehr Action als Rollenspiel
Die Betonung liegt also klar auf der kurzweiligen Action. Genauer: Auf Stealth-Action light und brachialem Gekloppe, das meist direkt folgt, wenn man entdeckt wurde. Gerade ging es noch um ganz wichtige Heimlichkeit, plötzlich bricht die Hölle mit hohem Bodycount los. Kaum hat man alle gekillt, ist es wieder still und der nächste Abschnitt folgt - und zwar im selben Gebäude. Richtig gehört: Das multinationale Unternehmen Endron hat zwar schwer bewaffnetes Personal und einiges zu verbergen, aber kümmert sich nur um einzelne Räume, wenn der Alarm losgeht.Zwar hat Cyanide mit Styx zwei coole Schleichspiele entwickelt, aber für die Werwölfe hat man das Infiltrieren auf das Nötigste reduziert. Es gibt zwar Kameras, Wachen werden in mehreren Stufen aufmerksam, man kann leise töten und über Computer einiges (de)aktivieren, so dass man durchaus unterhalten wird. Außerdem kann man in der Gestalt des Wolfes durch Schächte schlüpfen und im Idealfall Gefechte umgehen - es ist also einigermaßen abwechslungsreich. Aber das Niveau von KI, Leveldesign, Patrouillen und Interaktionen ist bescheiden. Immerhin kann man auch Eingänge sabotieren, damit später nicht gefühlt endlos Wachen dort aufploppen...
Schleichen light
Denn es geht in erster Linie um rasante Kämpfe gegen Wellen an Feinden in Arenen. Die fühlen sich allerdings nur ansatzweise an wie ein Devil May Cry, wenn man den Kombozähler in die Höhe treibt und seine Manöver vom Boden oder aus der Luft vom Stapel lässt. Nur ist man hinsichtlich Animationen, Taktik und Coolness zwei, drei Klassen von Capcoms Vorbild entfernt - das wird auch deutlich, wenn man Feinde greifen und töten kann. Sollen das etwa Finisher sein?
Godzilla lässt grüßen
Immerhin kann man Gegner fixieren, um nicht nur chaotisch Buttons zu mashen und im Kampf zwei Formen annehmen, die entweder mehr Beweglichkeit oder eine bessere Defensive sowie eigene Kombos gewähren. Nur wenn sich Cahal z.B. aufrichtet, kann er die Feinde mit Schild entwaffnen. Außerdem steigt der Anspruch, wenn endlich größere Gegner in Exoskeletten und nicht nur Kroppzeug in die Arenen flutet. Aber wenn man die Raserei aktiviert, nachdem man genug Wut und Kombos angesammelt hat, haut man ohnehin alles kurz und klein. Und für einen kurzen Moment fühlt man sich dann tatsächlich wie Godzilla auf Speed.
Fazit
Schade um die Werwölfe! Cyanide kann mit diesem Action-Rollenspiel nicht an die Qualität anknüpfen, die sie mit Styx abgeliefert haben. Woran liegt das? Zum einen wurde die Stealth-Action gegenüber dem Goblin-Abenteuer auf ein bescheidenes Niveau reduziert. Das wäre okay, wenn der brachiale Kampf als zentrales Element begeistern könnte. Aber sobald man als Werwolf in Arenen gegen Wellen an Feinden kloppt, fühlt man sich wie in einem Devil May Cry für Arme. Ja, das kann zwischendurch Laune machen, wenn man in der Raserei alles kurz und klein haut - da fühlt man sich wie Godzilla auf Speed. Aber taktisch anspruchsvoll oder stylisch ist das Gekloppe nicht. Und spätestens wenn man danach wieder Dialoge mit Statisten führen, sterile Landschaften erkunden oder Pseudo-Rollenspiel erleben muss, sinkt die Motivation - nach sechs bis acht Stunden ist dann auch endlich Schluss. Da macht mir selbst das plumpe Godfall eine Klasse mehr Spaß, weil es sich auf das Wesentliche konzentriert.
Pro
Mix aus Stealth-Action und Devil May Cry
in Ansätzen brachiale Arena-Situationen
immerhin Wutaufbau auch in Dialogen
zumindest Einblicke in das Pen&Paper-Universum
Kontra
hölzerne Mimik und Gestik
viele Klonfiguren und 08/15-Feinde
nur statische bis solide Kulissen
zu viel Button-Mashing statt Taktik
Story und Charaktere zu durchschaubar
kaum Entscheidungen, wenig Rollenspiel
auch im Kampf teils holprige Animationen
schwache KI, generisches Leveldesign
einige überflüssige Fähigkeiten
nur Stealth-Action light
Wertung
XboxSeriesX
Schade um die Werwölfe! Cyanide kann mit diesem Action-Rollenspiel nicht an die Qualität anknüpfen, die sie mit Styx abgeliefert haben.
PlayStation5
Schade um die Werwölfe! Cyanide kann mit diesem Action-Rollenspiel nicht an die Qualität anknüpfen, die sie mit Styx abgeliefert haben.
PC
Schade um die Werwölfe! Cyanide kann mit diesem Action-Rollenspiel nicht an die Qualität anknüpfen, die sie mit Styx abgeliefert haben.
XboxOne
Schade um die Werwölfe! Cyanide kann mit diesem Action-Rollenspiel nicht an die Qualität anknüpfen, die sie mit Styx abgeliefert haben.
PlayStation4
Schade um die Werwölfe! Cyanide kann mit diesem Action-Rollenspiel nicht an die Qualität anknüpfen, die sie mit Styx abgeliefert haben.
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Bin ich der einzige, der nicht überrascht ist? Cyanide ist nicht gerade für hochwertige Qualitätsware bekannt. Schon garnicht auf dem Lizenzsektor (erinnert sich noch jemand an deren Game of Thrones-Spiel?). Gleiches gilt für Nacon. Dass beides in Kombination komplett in die Binsen geht, ist doch dann nur selbstverständlich.
Nein Du bist nicht der einzige. Seit die mit Loki einen technischen miserablen Diablo 2 Clone abgeliefert haben (ich glaube Skills waren ganz cool, aber mapdesign und Gegnervielfalt waren öde) hab ich mir geschworen nie wieder was von denen zukaufen. Immerhin ist das 23 Jahre her und ich erinner mich noch. Das ist mal markenbindung
Bin ich der einzige, der nicht überrascht ist? Cyanide ist nicht gerade für hochwertige Qualitätsware bekannt. Schon garnicht auf dem Lizenzsektor (erinnert sich noch jemand an deren Game of Thrones-Spiel?). Gleiches gilt für Nacon. Dass beides in Kombination komplett in die Binsen geht, ist doch dann nur selbstverständlich.