Haven - Test, Rollenspiel, PC, XboxSeriesX, PlayStation5, Switch, PlayStation4, XboxOne
Yu und ihr Freund Kay sind davongelaufen und auf einem Planeten gelandet, dessen Oberfläche aus kleinen Inseln besteht. Eine Energie namens Flut hält diese zusammen und wird von den Ausreißern vor allem als Energiequelle genutzt, die ihre Antigravitationsschuhe antreibt, weshalb die beiden schwebend ihre Umgebung erkunden. Auf schmalen Flutströmen laden sie dabei nicht nur ihre Batterien auf, sondern erreichen wie mit einer Art Schienen auch besonders hohe Plattformen, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten.
Rostige Fauna
So erkunden Yu und Kay ihre neue Heimat auf elegante Weise, entdecken neue Inseln und finden dort Wrackteile, mit denen sie ihr Schiff reparieren. Sie sammeln außerdem eine Substanz namens Rost, die sie nicht nur für die Reparaturen benötigen, sondern aus der sie auch Verstärker herstellen, mit denen sie im Kampf u.a. starke Angriffe ausführen. Immerhin treten von Rost befallene Tiere so aggressiv auf, dass man ihnen zunächst eine Lektion erteilen muss, bevor sie wieder friedlich durch die Wildbahn streifen und sich sogar streicheln oder beruhigen lassen.
Überhaupt ist jeder Aspekt des Spiels nicht nur eine Statistik, sondern wird als „greifbarer“ Teil des Abenteuers dargestellt. So müssen Yu und Kay etwa Früchte sammeln und später gar selbst anbauen, um daraus Nahrung oder Arznei herzustellen, mit der sie sich Zuhause oder an Rastpunkten stärken. Die Raststellen ermöglichen daher längere Ausflüge, auch wenn dort nicht alle Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, weshalb ich nach einiger Zeit stets wieder ins heimische Schiff zurückgekehrt bin. Diese sanften Anreize dienen also dem Einhalten eines logischen Rhythmus’ aus Erkunden und Heimkehr, was das Abenteuer auf angenehme Art erdet.
Hausarbeit
Somit erfährt man über zahlreiche Dialoge im Laufe der Zeit erst, warum Yu und Kay ihre Heimat eigentlich verlassen haben, wer genau sie sind, was es mit den verlassenen Gebäuden auf sich hat und vieles mehr. Richtig glücklich war ich jedenfalls über die sehr natürlich wirkenden Gespräche, in denen nicht einfach wichtige Informationen vorpredigt wurden. Vielmehr ergeben sich fast alle Unterhaltungen aus dem Moment heraus, während die Protagonisten manches Detail wie nebenbei erwähnen, bevor es später irgendwann eine Rolle spielt.
Reden statt erklären
Man ist dabei, wenn sie sich gegenseitig veralbern, individuelle Interessen gegen ihre gemeinsame Zukunft aushandeln, zusammen träumen und auch mal streiten. Selbst Sex spielt eine Rolle – auf eine vollkommen unverblümte, aber nie auch nur im Ansatz exhibitionistische Art. Schön, dass das in einem audiovisuellen Medium möglich ist! Wobei es natürlich hilft, dass die Zwei ein ausnehmend charmantes Paar sind, dessen Stimmen man verdammt gerne zuhört und dem die Autoren statt ausgelatschter Floskeln den aufrichtigen Schwung junger Lebensfreude in den Mund legen.
Nun ist Haven (ab 10,50€ bei kaufen) kein dramaturgisches Schwergewicht und beschränkt sich darauf, dass man beim immer gleichen Erkunden sowie den sich ebenfalls oft wiederholenden Tätigkeiten Zuhause oder an Rastplätzen schlichte Dialogblasen anschaut. Es ist mehr Visual Novel als Last of Us. Mit vielen animierten Übergängen, einem erfrischenden Artdesign und der durchaus spannenden Geschichte ist man aber auch als eher klassischer Spieler hier gut aufgehoben.
Dialogblasen und Visual Novel
Zumal mir das Gleiten über die Inseln ähnlich viel Spaß gemacht hat wie das Schweben in Flower oder vergleichbare Szenen in Journey, von dem sich The Game Bakers ohnehin ganz offiziell inspirieren ließ. Es gab immer wieder mal Situationen, in denen ich mit der teils eigenwilligen Steuerung angeeckt bin oder leicht genervt den einzig richtigen Flutstrom zu einer nur darüber erreichbaren Plattform gesucht habe. Die meiste Zeit bin ich mich allerdings mit einem guten Gefühl über die fantasievollen Inseln geflogen.
Es macht Spaß neue Gerichte zu kochen, indem man andere Zutaten kombiniert und auch die teils fordernden Kämpfe fand ich klasse. Keine Sorge: Gelegenheitsspieler können Teile der Herausforderung oder den Schwierigkeitsgrad ganz allgemein auf eine sehr niedrige Stufe stellen, sodass das pure Erkunden noch stärker im Vordergrund steht.
Links wie rechts
Passenderweise nutzen dabei sowohl die Kämpfe als auch das Kochen sowie das Herstellen von Verstärkern und Medizin das gleiche System, bei dem nicht nur die vier Tasten auf der rechten Seite des Gamepads, sondern auch das Digikreuz quasi die gleiche Funktion haben – nur dass man über das Digikreuz die von Kay auszuführende Aktion auswählt und über die normalen Funktionstasten die Aktionen für Yu. Beim Kochen müssen also immer beide jeweils eine Zutat beifügen, während sie beim Kämpfen unabhängig voneinander verschiedene Angriffe ausführen oder den Schild hochhalten.
... die beim Spielen mit einem Freund oder Partner natürlich noch deutlich stärker wirkt, wenn man sich über kommende Aktionen oder die gewünschten Zutaten beim Kochen einigt. Dennoch empfinde ich den kooperativen Modus unterm Strich als sehr unausgereifte Zugabe, die bei weitem nicht wie erhofft funktioniert. Zum einen trifft man sich nämlich nur lokal vor einem Bildschirm und zum anderen ist es nicht so, dass man jeweils Yu oder Kay steuert. Stattdessen müssen sich beide Spieler in Dialogen stets für dieselbe Antwort „entscheiden“, während beim Herumfliegen immer nur einer der beiden den Weg vorgibt.
Gemeinsam statt kooperativ
Fazit
Schade, dass ausgerechnet das kooperative Spielen nur wie ein halbherziger Aufsatz wirkt, obwohl Haven wie dafür gemacht scheint. Immerhin erlebt man hier ein Abenteuer, das sich ebenso stark um seine Protagonisten dreht wie um deren Geschichte. Yu und Kay müssen ja nicht nur die Herausforderungen ihrer neuen Heimat meistern, sondern sich auch als junges Paar dort einrichten. Und dass ihnen das fast durchgehend auf eine so sympathische wie natürliche Art gelingt, während sie ganz selbstverständlich große Themen einer Beziehung ansprechen, macht Haven zu etwas Besonderem. So überschaubar außerdem das Erkunden ihrer Welt im spielerischen Sinne sein mag, so entspannend und motivierend, manchmal sogar angenehm fordernd sind das durchdachte Erkunden, Sammeln und Kämpfen. So ist Haven also kein prosaisches Drama um Last und Leiden der Liebe – sondern wie ein verdammt charmantes Stück einfühlsamer Jugendliteratur.
Pro
- liebenswerte Charaktere und gut geschriebene Dialoge
- bodenständiger, erfrischender und umfassender Blick auf junge Beziehung
- unterhaltsame Geschichte in interessantem Szenario
- schwungvolles Schweben über hügelige Inselwelten
- motivierendes Reparieren des Schiffs
- überschaubares, cooles Kampfsystem mit einigen spannenden Gefechten
- einfaches sammeln und anpflanzen von Ressourcen sowie kochen von Nahrung und herstellen von z.B. Medizin
- viele kleine Geheimnisse beim zusätzlichen Erkunden
Kontra
- meist sehr kleine, stets durch Ladepausen voneinander getrennte Inseln
- gute, aber nicht in jeder Situation intuitive Steuerung
- hin und wieder umständliches Suchen des richtigen Wegs
- aufgesetzter lokaler Koop-Modus vor nur einem Bildschirm und ohne Splitscreen, in dem beide Spieler stets das Gleiche tun müssen
Echtgeldtransaktionen
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