Shattered - Tale of the Forgotten King - Test, Rollenspiel, XboxOne, PC, PlayStation4

Shattered - Tale of the Forgotten King
26.02.2021, Jörg Luibl

Test: Shattered - Tale of the Forgotten King

Ästhetische Zerstörung

Das ist mal verdammt lange her: Shattered - Tale of the Forgotten King wurde schon auf der E3 2016 als Independent-Projekt von Square Enix angekündigt. Nach Kickstarter und einer fast zweijährigen Phase im Early Access wurde das Spiel jetzt für den PC veröffentlicht. Interessant: Das französische Redlock Studio plante ursprünglich einen 2D-Plattformer mit 3D-Bosskämpfen - mit der Zeit hat man das Spieldesign aber deutlicher an Dark Souls & Co angelehnt. Was könnt ihr für knapp 20 Euro erwarten?

Man startet also schon wieder ein Abenteuer als Held ohne Gedächtnis? Doch noch bevor man angesichts der hundertsten Amnesie so richtig gähnen kann, fallen (abgesehen von der fehlenden Charaktererschaffung) zwei Dinge auf: Erstens dieses Artdesign, das zusammen mit den Klavierklängen umgehend für eine Stimmung sorgt, in der etwas Trauriges und Episches spürbar werden, das mich auch ein wenig an Hollow Knight erinnert hat. Auch die abstrakten Einschübe sind gelungen: Ähnlich wie die Figuren in Journey ist man auf spitz zulaufenden Beinen unterwegs, außerdem hat man schon bald ein geisterhaftes Wesen auf der Schulter, das ein wenig an Tim Burtons Kreaturen aus Nightmare Before Christmas erinnert.

Geister einer alten Welt

Der Geist auf der Schulter gibt auch Hinweise.
Und während dieses bleiche Gespenst einem zuflüstert, dass man sein Gedächtnis sowie den König finden soll, sorgt zweitens auch das Weltdesign mit seiner Mischung aus Motiven für Neugier. Obwohl einiges nach gewöhnlichen Mustern düsterer Fantasy klingt, werden früh die Bezüge zur Science-Fiction deutlich. Zwar startet man als "Wanderer" mit einem Schwert, aber man aktiviert elektrisch glimmende Säulen, trifft bald auf Feinde mit Lasergewehren und beamt sich über Portale durch eine angenehm offene, labyrinthisch verwobene und monumental designte Welt.

Futuristische und mittelalterliche Motive verschmelzen im gelungenen Artdesign.
In dieser wirken weite Bereiche zwar wie ausgestorben, aber ähnlich wie in Dark Souls & Co ist der Hintergrund zunächst ein Rahmen voller Fragezeichen und fremder Begriffe, in dem die Geschichte bruchstückhaft erzählt wird. Man weiß nur, dass das alte Reich in Trümmern liegt, dass es von Dämonen heimgesucht wird und dass der König verschwunden ist - mit ihm scheint alle Hoffnung verloren. Wo ist er bloß hin? Vielleicht zu den Sternen gereist?

Reizvolle Akrobatik

Ab und zu meldet sich auch der geisterhafte Begleiter mit Hinweisen oder man trifft auf Händler sowie andere Wanderer, die etwas über all die seltsamen Artefakte und Apparate sagen, wobei einiges kryptisch bleibt. Es gibt keine Sprachausgabe und keine deutsche Übersetzung, lediglich englische oder französische Texte.

Unterwegs in Wäldern voller monumentaler Relikte.
Während der Erkundung entfaltet umgehend die akrobatische Komponente ihre Reize: Man kann nicht nur sprinten oder rollen, sondern mit zwei Sprüngen an Höhe gewinnen und dann in der Luft nach vorne jagen - ähnlich wie kürzlich in Blue Fire, das allerdings deutlich kniffliger in den Hüpfpassagen war. Weg brechende Böden, klaffende Abgründe und schwebende Plattformen sorgen jedoch dafür, dass man mit gutem Timing agieren muss, wobei die Herausforderung zwischen entspannt bis fordernd liegen kann. Nach einem Sprung zeigt ein blauer Kreis den potenziellen Ort der Landung an, so dass die Orientierung erleichtert wird; außerdem kann man sehr tief ohne Schaden fallen, wenn man nur früh genug vor dem Aufprall wieder springt und somit abfedert. Auch wenn man mit Maus und Tastatur spielen sowie die Steuerung dafür anpassen kann, empfehle ich für dieses Abenteuer, in dem auch die Akrobatik wichtig ist, ein Gamepad.

Die Steuerung ist weitgehend präzise, nur hakt es manchmal beim Klettern, denn nicht alle Abfragen von Hindernissen sind konsequent und es gibt einige Bugs: Nervig ist z.B., dass man durch Teleporter fallen kann, wenn man zu schnell hinein rennt, sowie manchmal am anderen Ende noch vor einer eigenen Aktion attackiert wird. Sprich: Man materialisiert sich gerade und bekommt sofort auf die Mütze. Und wer an der falschen Stelle stürzt, kann unten in einer Sackgasse landen, aus der kein direkter Weg hinaus führt - aber das ist immerhin nicht fatal, weil man sich über Artefakte jederzeit an die letzte Speichersäule als auch in den Limbo beamen kann.

Gute Steuerung, ärgerliche Bugs

Das Inventar füllt sich. Aber was kann man mit all dem anstellen?
Die Erkundung der Welt ist trotz weniger Charaktere unterhaltsam, weil man über Schlüssel sowie Tore immer mehr Abkürzungen öffnet, so dass die aus der Soulsreihe bekannten Aha-Effekte entstehen. Besonders cool sind die Kameraschwenks in eine andere Perspektive, wenn man plötzlich wie in einem Jump'n Run von links nach rechts unterwegs ist. In diesen Situationen wird deutlich, dass Shattered mal als 2D-Plattformer mit Bosskämpfen konzipiert wurde. Aber es war eine gute Entscheidung, das nur phasenweise als Abwechslung einzustreuen, so dass man im Großteil der Areale dreidimensionale Akrobatik bei manuell drehbarer Kamera erlebt.

Toller Ausblick auf die über Teleporter und Brücken verbundene Welt.
Und natürlich gibt es auch reichlich Kampf, schießlich ist das ein Abenteuer à la Dark Souls inklusive Estus ("Catalyst") sowie verlorener Seelen ("Essences"), die man nach seinem Tod zurückerobern muss. Man kann Feinde fixieren, leichte und schwere Hiebe austeilen sowie rechtzeitig kontern, um besonders viel Schaden anzurichten. Bei all dem muss man seine Ausdauer berücksichtigen, kann auch aus der Distanz feuern oder einen Schild aktivieren, um nicht von Lasern getroffen zu werden. Wer sich an Feinde heranschleicht, kann diese von hinten attackieren - ärgerlicher Weise wird das manchmal nicht ausgelöst.

Kampf mit Zicken

Die Bosse haben schwankende Qualität, was Design und Präsenz betrifft.
Leider erreicht man im Kampf nicht die Faszination der Akrobatik und lediglich solides Niveau. Schön ist zwar, dass man sehr schnell ausweichen und auch aus der Luft attackieren kann, so dass man flott vorankommt. Nur sind manche Übergänge, gerade nach schweren Hieben, zu störrisch. Überhaupt wirkt das Aneinanderreihen eigener Manöver im Nahkampf leicht verzögert und nicht immer fließend. So manches wirkt trotz der langen im Early Access nicht final poliert. Es gibt auch keine besonders kreativen Ansätze wie etwa die Trefferzonen in The Surge 2 oder die üppige Waffen-, Kombo- und Haltungsvielfalt eines Nioh 2. Auch Mortal Shell war im Kampf sowie Gegnerdesign reizvoller.

Hinzu kommen Bugs wie durch Wände treffende Feinde und eine KI, die größtenteils viel zu statisch sowie manchmal gar nicht nach Beschuss reagiert. Zwar können die Bosskämpfe wieder fordern und auch visuell für mehr Abwechslung sorgen, aber auch hier gibt es neben einigen cool designten Kreatuiren auch recht langweilige humanoide Gegner - unterm Strich wurde all das schon beeindruckender inszeniert. Dafür sind die Kämpfe letztlich deutlich leichter als in anderen Spielen dieser Art, so dass sich Shattered als Einstieg in "Soulslikes" anbietet. Und auch die Abstände der Speichersäulen sind sehr fair, so dass man nicht all zu viel Strecke gegen die wieder erwachten Feinde wiederholen muss.

Wohin führt dieses Portal?
Wer erfolgreich sein will, sollte seinen Wanderer in den fünf Werten von Stärke über Mystizismus bis Wissen entwickeln, mit denen auch Trefferpunkte, Ausdauer sowie der physische sowie magische Schaden skaliert. Je weiter man aufsteigt, desto teurer wird die Verteilung von Punkten. Außerdem kann man seine Waffen aufrüsten sowie neue schmieden - all das kennt man ebenso aus der Soulsreihe wie den Limbo als zentralen Ort der Ruhe und Entwicklung. Auch in der Charakterentwicklung vermisst man jedoch frische Impulse oder interessante Ansätze.

Charakterentwicklung

Die Story und die Zusammenhänge der Welt erschließen sich nur langsam.
Trotzdem kann das Spiel immer wieder mit seiner Ästhetik überzeugen. Während man in Gesprächen mit Charakteren oder über den Einsatz von Artefakten mehr erfährt, entsteht eine ebenso melancholische wie futuristische Stimmung. Diese wird durch das edle Artdesign und die außerirdisch anmutende, über die Unreal Engine inszenierte Kulisse noch verstärkt  - auch wenn es einige Popups sowie fade Texturen gibt. Neben Monolithen und Portalen trifft man aber auch auf mittelalterliche Kathedralen und Tavernen, so dass ein Gefühl sich überlagernder Zeitalter entsteht. Hätte die Spielmechanik, vor allem der Kampf, ähnlich überzeugen können wie Artdesign und Weltkonzept, wäre vielleicht sogar ein Award denkbar gewesen. So sortiert es sich neben Ashen, Code Vein & Co aber immer noch im guten Bereich ein. Vielleicht kann man ja bei den geplanten Umsetzung für PS4 und Xbox One noch einiges verbessern.

Fazit

Schade, dass sich ein Klischee bestätigt: Französische Studios begeistern meist mit stimmungsvoller Präsentation, sie überzeugen visuell und akustisch, aber ernüchtern oft auf spielmechanischer Ebene. Shattered - The Forgotten King übt mit seinem tollen Art- und Weltdesign zunächst eine große Anziehungskraft aus, weil es aus Motiven der Fantasy und Science-Fiction eine eigene Ästhetik entstehen lässt. Und auch die akrobatische Komponente ist in dieser monumentalen, toll miteinander verwobenen Welt überaus gelungen. Nur hapert es hinsichtlich KI und Kampf, der in seinen besten Momenten nur solides Niveau erreicht, zumal er sich nicht flüssig genug anfühlt. In den Gefechten sowie der Charakterentwicklung vermisst man auf lange Sicht frische Impulse, die andere Spiele wie The Surge 2, Nioh 2 oder Mortal Shell liefern konnten. Außerdem kommen ärgerliche Bugs hinzu - Shattered fehlt an einigen Stellen der letzte Schliff. Trotzdem ist es eines der elegantesten "Soulslikes", das ich aufgrund der fairen Speicherpunkte sowie der moderaten Schwierigkeit auch Einsteigern empfehlen kann. Mich haben diese 20 Stunden mit dem Wanderer jedenfalls gut unterhalten. Umsetzungen für PS4 und Xbox One sind angekündigt.

Pro

  • Abenteuer à la Dark Souls mit Jump'n Run-Flair
  • gelungene Akrobatik, teils in 2,5D-Ansicht
  • Mischung aus SciFi und Fantasy
  • Story macht neugierig
  • faire Speicherpunkte, moderater Anspruch
  • tolles Art- und Sounddesign
  • Charakter entwickeln
  • sehr gut verzweigte Spielwelt
  • einige gut designte Bosse
  • Maus und Tastatur oder Gamepad
  • mehrere Enden

Kontra

  • Kampf nicht flüssig genug
  • recht generisches Gegnerdesign
  • einige ärgerliche Bugs in Akrobatik & Gefechten
  • Fehler in Kollisionsabfrage
  • Gegner-KI zu statisch
  • einige langweilige Bosse
  • recht sterile Areale, kleinere Glitches
  • keine deutsche Lokalisierung, keine Sprachausgabe

Wertung

PC

Shattered übt mit seinem tollen Art- und Weltdesign sowie der gelungenen Akrobatik zunächst eine große Anziehungskraft aus. Aber vor allem der Kampf und einige Bugs sorgen für Dämpfer. Unterm Strich dennoch ein gutes Soulslike.

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  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
VaniKa

Es soll diese Woche noch ein Patch kommen. Was Bosse angeht, so müssen die für mich gar nicht so schwer sein. Ich suche mir eigentlich meist direkt Spieler-Hilfe und lasse die dann einfach die Bosse für mich erledigen beim zweiten Versuch (der erste Versuch ist dann immer die Cutscene). Hab keine Lust, da ewig dran festzuhängen und "Patterns zu lernen". Lieber lerne ich Dinge, die ich auch im gesamten Spiel gebrauchen kann. Ich nutze da also alle Tricks, die irgendwie gehen. Bei The Surge 2 war das aber dann richtig hart, weil man da keinerlei Hilfe bekommt. Bin also ganz froh, wenn es bei Shattered heißt, die Bosse wären einfacher. Das passt auch besser zu der entspannten Stimmung des Spiels.

vor 3 Jahren
MaxDetroit

Habe mir mal ein paar Steam Reviews angesehen, wie im Test auch schon erwähnt gibt es noch eine Menge Bugs, da warte ich vielleicht noch ein paar Monate, so das ein paar Patches draußen sind, und greif dann im Sale zu.

Dazu ist ein häufiger Kritikpunkt das die Bosse zu langweilig und einfach geraten sind, wie auch im Test erwähnt. Ein Soulslike wird bei mir auch irgendwie am Schwierigkeitsgrad gemessen, der muss schon ein wenig knackiger sein, sonst wird's öde. Z.B. war mir letztens auch Mortal Shell viel zu einfach geraten - das hatte dem Spiel (obwohl es extrem stimmungsvolle Grafik und Kulisse hatte) am Ende nicht gut getan, und es fühlte sich zum Schlusse hin zu repetitiv und langweilig an.

vor 3 Jahren
CHEF3000

Sieht in der Tat stark nach Ashen aus - welches ich nebenbei bemerkt für die beste Soulslike Kopie halte, solch ein tolles Game mit fazinierender Atmosphäre.

Shattered werde ich mir geben, sobald es für die PS5 erhältlich ist.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
VaniKa

Wow, hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Scheint aber ein gutes Spiel zu sein. Erinnert mich sehr an Ashen.

vor 3 Jahren