Blizzard Arcade-Sammlung - Test, Action-Adventure, PlayStation4, PC, Switch, XboxOne

Blizzard Arcade-Sammlung
25.02.2021, Matthias Schmid

Test: Blizzard Arcade-Sammlung

Wikinger, Rock & Schrotflinte

Der WoW- und Diablo-Konzern kramt in seinen Firmenarchiven und legt drei kultige 90er-Jahre-Spiele neu auf: The Lost Vikings, Blackthorne und Rock ’n Roll Racing haben zwar nie eine Spielhalle von innen gesehen, trotzdem hört die Retro-Collection auf den Namen Blizzard Arcade-Sammlung. Ob die Titel heute noch Laune machen und wie Blizzard sie aufbereitet hat, erfahrt ihr im Test.

Warum man keine „Blizzard Retro-Sammlung“ sondern eine „Blizzard Arcade-Sammlung“ veröffentlicht hat, wissen wohl nur die Macher selbst: Denn anders als z.B. Capcom, Sega oder SNK, deren Oldie-Sammlungen schon mehrfach den Fokus auf alten Spielhallen-Titel legten (zuletzt: Capcom Arcade Stadium), hat Blizzard nun mal keine Klassiker im Portfolio, die dereinst in Automatenform veröffentlicht wurden. Und von den drei enthaltenen Spielen passt eigentlich nur auf Rock 'n Roll Racing das Prädikat „arcadig“ - The Lost Vikings und Blackthorne sind ausgewachsene 16-Bit-Heimkonsolen-Titel mit mehreren Stunden Spielzeit und Fokus auf Köpfchen und Erkunden statt auf Highscores und Münz-Nachwurf. Zudem: Sind nicht drei Titel ein bisschen mager für eine Sammlung - möchte man unken. Der Rock 'n Roll Racing-Vorgänger RPM Racing - das allererste Blizzard-Spiel überhaupt (damals noch unter dem Namen Silicon & Synapse firmierend) - fehlt ebenso wie The Lost Vikings 2 oder zwei in Kooperation mit Sunsoft veröffentlichte Superman-Prügelspiele. Andererseits hat Blizzard die drei enthaltenen Klassiker mit viel Liebe und Sorgfalt aufbereitet.

Arcadige Firmengeschichte?

Im Blizzard-Museum warten viele schöne Dinge auf Fans der Klassiker - z.B. Konzeptskizzen und die Spielmusik.
Ich starte mit The Lost Vikings, einem damals wie heute ungewöhnlichen Spielkonzept: Drei Wikinger werden von einem außerirdischen Aggressor entführt, um als Zoo-Attraktion ausgestellt zu werden - um das zu verhindern, knobeln, kämpfen und springen sie fortan durch einen launigen Puzzle-Plattformer. Als Spieler kann man stets zwischen Erik, Baleog und Olaf wechseln und muss deren unterschiedliche Fähigkeiten in jeder Stage klug einsetzen, um zum Ausgang zu gelangen: Erik sprintet, hopst und kann mit dem Kopf durch die Wand, Baleog haut mit dem Schwert zu oder aktiviert Schalter per Bogen, der gut genährte Olaf hat einen Multifunktionsschild, den er als Schutz, Gleitschirm oder Plattform für die Kollegen benutzen kann. Wenngleich sich die Steuerung aus heutiger Sicht nicht gerade perfekt anfühlt, sind Konzept und Kopfnüsse anständig gealtert - und die bunte Comic-Grafik reißt einiges raus. Auch ohne Asterix-Lizenz fühlt man sich vielfach an die kauzigen Gallier erinnert, zudem sind die Animationen der drei Wikinger wirklich drollig.

Wikinger anno 1993

The Lost Vikings war anno 1993 ein hübsches, knallig buntes Spiel. Daran hat sich 2021 nichts geändert.
The Lost Vikings ist zunächst als das 1993er Super-Nintendo-Original enthalten; außerdem ist die grafisch sehr ähnliche, aber um ein paar Abschnitte erweiterte Mega-Drive-Fassung anwählbar. Beide Versionen haben englische Bildschirmtexte und nutzen die neuen Komfort-Funktionen der Blizzard Arcade-Sammlung: Sofortiges Zurückspulen (bis zu zehn Sekunden lang), verschiedene Bildoptionen (Format & Filter) sowie eine Speicherfunktion, die das originale Password-System obsolet macht. Schließlich gibt es von The Lost Vikings noch die neue Definitive Edition, die Elemente aus beiden Retro-Versionen kombiniert, auch auf deutsch spielbar ist und optisch in einem schön gestalteten Rahmen daherkommt - Speichern ist hier möglich, Zurückspulen aber nicht. Bei SNES- und Mega-Drive-Version gibt es zudem, etwas versteckt im Auswahlmenü, eine spannende Option: „Zusehen“. Wer die wählt, kann das gesamte Spiel ansehen - wie in einem der unzähligen Longplay-Videos auf YouTube wird einem der Titel fehlerfrei vorgespielt. Dieses Feature ist stark umgesetzt: Es wird hier nämlich nicht einfach ein Video abgespielt, sondern es läuft die Emulation ab, aber eben mit vorprogrammierten Eingaben - das führt dazu, dass man bequem vor- und zurückspulen kann und sogar währenddessen Bildformat oder Filter ändern kann. Der Clou: Mit einem Knopfdruck kann man an jeder Stelle selbst ins Spiel einsteigen. Wem dieser Retro-Titel trotz Speicher- und Rückspul-Funktion zu hart ist, der kann über diese „Zusehen“-Option nicht nur spätere Abschnitte sehen, sondern sie auch selbst ausprobieren.

Rock 'n Roll Racing, Blizzards futuristisch-rockige Interpretation des klassischen Fun-Racer-Prinzips aus Iso-Perspektive (Stichwort: R.C. Pro-Am) ist vom Hauptmenü aus in vier verschiedenen Versionen spielbar: Natürlich als SNES-Original mit den schwungvollen Midi-Versionen großer Rocknummern (u.a. Born to be Wild, Paranoid, Radar Love). Die zweite Fassung ist die um einige Strecken erweiterte, aber mit deutlich schwächerem Musik-Klang ausgestattete Mega-Drive-Version. Beide Retro-Titel bieten Speicherfunktion, Rückspulen und verschiedene Bildschirm-Einstellungen - eine „Zusehen-Funktion“ gibt es hier aber nicht. Weil: Rennspiel. Der dritte Punkt im Rock 'n Roll Racing Menü heißt „4er Versus“ und tut das, wonach es klingt. Hier findet sich eine neue, explizite Mehrspieler-Variante, bei der das komplette 16:9-Bild genutzt und in vier kleinere Ausschnitte unterteilt wird - sämtliche Strecken können vom Start weg ausgewählt werden. 

Rockmusik & Rennspiel

Die Bildformat- und Filtereinstellungen sind nicht enorm, das Gebotene überzeugt aber. Wer will, kann Rock 'n Roll Racing so spielen.
Die Definitive Edition von Rock ’n Roll Racing schließlich erweitert den Bildausschnitt ebenfalls auf ein schönes 16:9-Bild und bietet erstmals Rocksongs mit Gesang in besserer Tonqualität - allerdings gibt es hier unverständlicherweise weder die Speicher- noch die Zurückspul-Option. In spielerischer Hinsicht hat sich der Titel erstaunlich gut gehalten, die schmutzigen Hintergründe der Alien-Planeten gefallen, das arcadig-driftlastige Fahrverhalten ist nachvollziehbar, der coole Kommentator so motivierend wie damals. Die vielen ähnlichen Kurse mit ihren rechtwinklingen Kurven sind nach einer Weile allerdings ermüdend, immerhin gibt zwischen den Rennen ein mehrstufiges Aufrüst-System für eure Karren und Waffeneinsatz auf den Pisten; was auf den höheren Schwierigkeitsstufen dann wieder zu Frust führen kann.

Wirkt auch heute noch ziemlich grob: "Held" Kyle kann Gefangene mit seiner Shotgun töten. Hier ist die 32X-Fassung zu sehen.
Kommen wir schließlich zu Blackthorne - ein 2D-Spiel gewordenes Heavy-Metal-Plattencover. Der langhaarige Protagonist Kyle „Blackthorne“ Vlaros rennt, klettert und springt durch ein Labyrinth voller Katakomben und Aufzüge - und lässt nicht nur seine Muskeln, sondern vor allem seine Schrotflinte sprechen. Begleitet von einer düsteren Klangkulisse findet er die vom Bösewicht Sarlac und dessen Monsterschergen angeketteten Mitglieder seines Volkes - und kann sie per Shotgun-Schuss sogar von ihren Leiden erlösen. Blackthorne erinnert spielerisch an das erste Prince of Persia oder Flashback, man klettert langsam, hopst etwas schwerfällig über Abgründe, sucht Zugangskarten, sprengt Türen auf und liefert sich knackige Duelle mit unzähligen Wächtern. Zieht der Held seine Waffe, verändert das die Handlungsoptionen: Nun kann sich Kyle durch Druck auf die Nach-Oben-Taste an die Wand lehnen und ist so vor feindlichen Salven sicher; zudem führt ein anderer Tastendruck dazu, dass man die Shotgun nach hinten richtet und abdrückt - was auch über 25 Jahre nach dem Originalrelease noch unverschämt cool aussieht. Blackthorne wurde in Europa übrigens unter dem Namen Blackhawk veröffentlicht und war mit seinem Passwort-System und den seltenen Speicherpunkten ein verflucht knackiges Spiel.

Der Mann mit der Gun

Zum Glück gibt es in den enthaltenen Retro-Fassungen (SNES, 32X) die Komfort-Funktionen Speichern und Zurückspulen - letztere scheint wie gemacht für ein Spiel wie Blackthorne, wo man so einen tödlichen Sturz oder ein schlecht getimtes Auftauchen aus der Deckung im Nu ungeschehen machen kann. Die SNES-Fassung verfügt über grünes Blut, die Version für die Mega-Drive-Erweiterung 32X überrascht mit ständig eingeblendetem Inventar, hat überarbeitete, ebenfalls hübsche Grafiken, und - wie einst die DOS-Version - rotes Blut. Das Spiel wäre mit dem Fokus auf die Shotgun und der Möglichkeit, Gefangene ohne Sanktionen zu liquidieren, aber auch so martialisch genug. 

Geschnitten???

Hilfreich: In der Definitive Edition von Blackthorn gibt es nun eine Levelkarte.
Die ebenfalls enthaltene Definitive Edition, deren 4:3-Bild in einem ansehnlichen Rahmen sitzt, verfügt zum Glück ebenfalls über eine Speicherfunktion, allerdings ist das Zurückspulen deaktiviert. Schade, denn neue Hilfen wie eine einblendbare Karte und das verbesserte Inventarmenü machen diese Fassung ansonsten zur besten Blackthorne-Version. Wie schon bei The Lost Vikings verfügen die Fassungen für die Nintendo- und Sega-Konsolen über das „Zusehen“-Feature. So kann man sich mit wenigen Knopfdrücken rasch in die späteren Abschnitte tricksen und auch die Zusatz-Stage der 32X-Fassung ausprobieren.

Die Definitive Edition von Rock 'n Roll Racing verfügt über ein ansehnliches 16:9-Bild.
Der vierte Punkt im Hauptmenü der Arcade Sammlung hört schlicht auf den Namen Blizzard - und genau so stelle ich mir eine gut gemachte Aufarbeitung von Retro-Titeln vor: Es gibt eine Musikbox mit allen Tracks der zwei je Versionen von The Lost Vikings und Blackthorne, dazu sehr viele, gut bestückte Galerien mit Fotos aus den alten Blizzard-Büros, Spielepackungen, Artworks, Werbeflyern, Konzeptskizzen oder unveröffentlichten Inhalten, die es nicht in die finalen Spiele schafften. Alles ohne Ladezeiten rasant durchschaltbar und mit toller Zoom-Funktion. Und schließlich gibt es noch die Interviews - das sind sechs Clips mit insgesamt 55 Minuten Laufzeit, in denen die Originalentwickler etwas zur Entstehung der Spiele sagen, über die Firmengeschichte plaudern oder glaubhaft erzählen, wieviel Unsinn man damals angestellt habe.

Museum & mehr

Fazit

Ja, es sind wenige Spiele, aber die sind dafür immer noch gut und wurden liebevoll behandelt. Unterm Strich kann man die Beschränktheit der Collection (das Fehlen weiterer Frühwerke habe ich im Text schon beklagt) vielleicht sogar als Stärke deuten. Denn dadurch wurde jeder der drei Titel aufwändig in mehreren Versionen integriert - wenngleich ich die unterschiedliche Verfügbarkeit von Speicher-, Spul- und Zusehen-Funktion in den einzelnen Fassungen inkonsequent finde und ich die GBA-Ports der drei Titel als Dreingabe schön gefunden hätte. Alle drei Klassiker wurden im Jahr 2015 übrigens schon mal gratis via Battle.net veröffentlicht - sie sind dort aber nur zu finden, wenn man die Spracheinstellung auf "US" ändert. Die Blizzard-Frühwerke sehen immer noch charmant aus und spielen sich allesamt ordentlich bis richtig gut - zudem gibt es innerhalb der Titel Anspielungen untereinander und das düstere Blackthorne-Setting mit den Orkwachen kann als Vorgriff auf Warcraft gedeutet werden. Es gibt etliche Gründe, den sicher nicht geringen Preis von 20 Euro gerne zu löhnen: die komfortable „Zusehen“-Option, der Vierspieler-Modus von Rock 'n Roll Racing, der Humor der Wikinger, jeder Shotgun-Schuss in Blackthorne - und natürlich die traumhaften Museumsfeatures, die ich in anderen Retro-Sammlungen vermisst habe.

Wertung: gut

Pro

  • drei spielerisch gut gealterte 90er-Jahre-Klassiker
  • jeweils verschiedene Versionen enthalten
  • klasse Emulation
  • Zusehen-Feature
  • immer noch cooles Artdesign und schöne 2D-Grafik
  • Komfortfunktionen wie Spulen & Speichern
  • ordentlich Bildformat- und Filter-Einstellungen
  • toller Museumsteil mit Artworks, Musik und Interviews

Kontra

  • eben nur drei unterschiedliche Spiele enthalten
  • nicht alle Komfortfunktionen für alle Versionen
  • Blackthorne steuert sich etwas behäbig

Wertung

PlayStation4

Qualität statt Quantität: Die drei Blizzard-Klassiker sind spielerisch gut gealtert, wurden kompetent aufgearbeitet und mit reichlich Bonuskram ausgestattet.

PC

Qualität statt Quantität: Die drei Blizzard-Klassiker sind spielerisch gut gealtert, wurden kompetent aufgearbeitet und mit reichlich Bonuskram ausgestattet.

Switch

Qualität statt Quantität: Die drei Blizzard-Klassiker sind spielerisch gut gealtert, wurden kompetent aufgearbeitet und mit reichlich Bonuskram ausgestattet.

XboxOne

Qualität statt Quantität: Die drei Blizzard-Klassiker sind spielerisch gut gealtert, wurden kompetent aufgearbeitet und mit reichlich Bonuskram ausgestattet.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Auf PS4, Xbox One und Switch gibt es das Spiel neben der Standard-Variante für 19,99 Euro auch als "30-Year Celebration Collection" für 29,99 Euro - als Boni winken Extras für Diablo 3 und Overwatch. Auf PC in Blizzards Battle.net-Shop gibt es gar drei Edition: Die Standard-Ausführung (Essentials-Paket) sowie Heroic-Paket für 39,99 und das Epic-Paket für 59,99 Euro - die beiden letztgenannten enthalten beinhalten reichlich Zusatzkram für Diablo 3, Hearthstone, Overwatch und World of Warcraft.
  • Es gibt keine Käufe.
Kommentare
Anvaale

Ach naja das Remake von Rock n Roll racing hab ich mir damals schon geholt, "Motor Rock"

vor 3 Jahren
Exist 2 Inspire


...


Danke dafür... Hab mir gleich nochmal Blackthorne gesichert. Trotzdem bleibt die Frage offen: Muss das so sein? Hat es nur der Praktikant vergessen im US Store auch unzugänglich zu machen? Warum gibt es die nur über "Umwege" und nicht mehr einfach offen im deutschen Shop?

Weil es diese Spiele meines wissens schon immer nur über den US Store gab.

https://www.gamestar.de/artikel/the-los ... 55438.html

"Wer sich die drei Spiele-Klassiker, die via DOSBox zum Laufen gebracht werden, herunterladen möchte, muss sich im battle-net anmelden und dann die US-Version des Account-Managers nutzen."

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
HellToKitty

...

Danke dafür... Hab mir gleich nochmal Blackthorne gesichert. Trotzdem bleibt die Frage offen: Muss das so sein? Hat es nur der Praktikant vergessen im US Store auch unzugänglich zu machen? Warum gibt es die nur über "Umwege" und nicht mehr einfach offen im deutschen Shop?

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
4P|Matthias

"Alle drei Klassiker wurden im Jahr 2015 übrigens schon mal gratis via Battle.net veröffentlicht - mittlerweile sind sie dort aber nicht mehr zu finden."
Das stimmt so nicht - die Spiele sind da unverändert kostenlos runterladbar, allerdings nur, wenn man die Spracheinstellung dort auf "US" ändert - was sehr einfach und schnell geht. Wer das nicht möchte - hier sind die Direktlinks:

Blackthorne, Rock 'n Roll Racing, The Lost Vikings
Guter Hinweis & Service. Danke!

vor 3 Jahren
Gamer81

Rock roll racing war damals der hammer, da gab es damals noch mehr in dem Genre wie z. B biker
Mice .... Dieses Spiel würde ich sofort wieder kaufen mit neuer engine

vor 3 Jahren