Valheim - Test, Survival & Crafting, PC
Valheim ist ein wahrer Zeitfresser mit einer gigantischen Spielwelt, überraschend vielfältigen Möglichkeiten und wenig nervigen Survival-Mechaniken, sofern man sich durch die ersten Stunden beißt, in denen der Eskapismusturbo noch nicht so richtig zündet. Grundsätzlich erfindet der Titel das Konzept der Survivalspiele nicht neu. Wie schon in ARK, Grounded, Rust, Subnautica, Conan Exiles oder Green Hell erkundet man die Umgebung, kämpft gegen Gegner und sammelt Materialien, um daraus Gegenstände wie Werkzeuge, Waffen, Rüstungen oder Bauteile für Wikingerhütten herzustellen. Man spielt Valheim entweder alleine (eigene Spielinstanz oder eigener Server) oder im kooperativen Mehrspieler-Modus mit maximal zehn Spielern und es fühlt sich so an, als wäre es für Koop-Partien ausgelegt. Es gibt zudem dedizierte Server für diejenigen, die gerne in einer persistenten Welt spielen wollen. Spieler-gegen-Spieler-Gefechte sind möglich, sofern man sie im Charaktermenü eigenhändig aktiviert hat - im Gegensatz zu Rust ist PvP völlig optional. Koop steht im Vordergrund und die Stärke der computergesteuerten Gegner skaliert mit der Spielerzahl.
Ein überragender Erfolg
Lo-Fi-Look trifft auf tolle Spielwelt
Im Gegensatz zu den Landschaften und der Seekulisse sind enge Räume wie die Grabkammern leider recht grobschlächtig und wenig ansehnlich. Die Grafik ist wahrscheinlich eine Kompromisslösung, denn das Entwicklerteam besteht lediglich aus fünf Mitarbeitern.
Zu Beginn des Abenteuers, das lediglich durch beschwörbare Bosse und Tipps des Raben Hugin etwas Struktur erhält, sucht man sich zunächst ein Plätzchen für eine Unterkunft. Mit aufgelesenen Steinen und Holzstöcken bastelt man sich eine provisorische Axt und so werden Bäume gefällt, die beim Umstürzen andere Bäume mitreißen oder beschädigen können - oder sie erschlagen mit teils eigenwilliger Physik den eigenen Charakter. Man sollte sowieso alles mitnehmen, was nicht niet- und nagelfest ist, da alles irgendwie nützlich ist und oft große Mengen nötig sind.
Jagen und (viel) Sammeln
Sammelt man erstmalig eine Ressource ein, werden neue Rezepte freigeschaltet, mit denen sich weitere Sachen herstellen lassen. So fällt dem Charakter beim Einsammeln von Chitin plötzlich ein, dass man daraus ja eine Harpune bauen könnte. Sehr naheliegend! Diesen Aspekt hatte Grounded mit der Erforschung von neuen Materialien besser gelöst.
Gerade das Hausbau-System ist trotz überschaubarer Bauteile richtig gut geworden und schlägt z.B. Grounded um Längen - trotz frickeliger Steuerung. Mit wenigen Elementen lassen sich komplexe Häuser hochziehen, die auf einer physikalischen Grundlage beruhen. So kann man nicht einfach ein Dach in die Luft bauen, alles muss auf einem Fundament (blaue Kennzeichnung) aufbauen und wird instabiler, je weiter es davon entfernt ist. Außerdem erstickt man, wenn man in einem Haus ein Feuer anzündet und keine Belüftung oder ein Schornstein vorhanden ist. Auch hier gilt, dass man viele Spielmechaniken selbst herausfinden muss, denn erklärt wird nur das Nötigste. Vieles wirkt auf dem ersten Blick simpel, aber oft steckt mehr dahinter als man zunächst erwartet, spätestens wenn man herausfindet, dass alle auf dem Boden platzierten Dinge wie Holzstapel über die Zeit durch Regen beschädigt werden, wenn man kein Dach darüber gebaut hat.
Hausbau mit System
Für Valheim muss man vor allem Zeit und etwas Frustresistenz mitbringen: Einerseits nimmt die Rohstoff-Beschaffung viel Zeit in Anspruch (selbst wenn man Wälder mit Trollhilfe rodet), andererseits sind die Dinge, die man basteln kann oft sehr sinnvoll und sorgen für stetigen Fortschritt samt Belohnungen. Allerdings wird der eigene Wikinger des Öfteren ins Gras beißen, meistens wenn ein neues Gebiet betreten wird und man sich an die neuen Gegebenheiten anpassen muss. Baumstamm-schwingende Trolle, Wölfe im Gebirge oder fiese Todesmücken können sehr, sehr tödlich sein und so entstehen etwaige Schwierigkeitsspitzen, die im gleichen Moment wieder Motivation stiften, zumal man nach seinem Tod wieder zur Leiche laufen und seine Ausrüstung abholen darf.
Zeitfresser mit einer Prise Frust
Zahme Survival-Elemente, bestrafende Gegner
Auch wenn sich Valheim auf dem ersten Blick nicht so sehr von anderen Open-World-Survival-Sandboxen unterscheidet, gibt es viele Details, die es wohltuend abheben. Die Wikinger müssen z.B. nicht trinken, um zu überleben. Die Reparatur von Gegenständen kostet keine Ressourcen, es muss nur eine passende Werkbank vorhanden sein. Essen dient auch nicht primär dazu, das Verhungern zu verhindern, sondern um die Gesundheitspunkte zu erhöhen und die Ausdauerleiste zu verlängern, schließlich ist letztere für nahezu alle Aktionen erforderlich. Die Effekte von nasser Kleidung oder nach einer gemütlichen Nacht in der eigenen Hütte wirken sich allesamt clever auf Ausdauer und Regeneration aus, was man aber erst erfährt, wenn man im Menü nachschaut. Im Hintergrund arbeitet ein dynamisches Fertigkeitssystem nach Rollenspiel-Vorbild: Einzelne Skills wie Holzfällen, Schwertkampf, Schwimmen, Springen etc. werden verbessert, wenn man diese Aktion häufiger durchführt - quasi Learning-by-Doing. Nach dem Ableben gibt es allerdings einen kleinen Malus auf diese Skills.
Early-Access-Status und Ausblick
Fazit
Early-Access-Test: Auch wenn Valheim vor allem zu Beginn wie das nächste Open-World-Survival-Spiel nach Standardmuster wirkte, kann einen das Wikinger-Abenteuer überraschend schnell und lange in seinen Bann ziehen - zumal die eigentlichen Survival-Elemente im Vergleich zu anderen Spielen aus dem Genre recht zahm ausfallen. Es ist sowohl ein gemütlicher Zeitfresser mit Nestbaucharakter als auch ein herausforderndes und komplexes Eskapismus-Erlebnis in einer mythologischen Welt, das inmitten der Covid-19-Pandemie scheinbar den Nerv der Zeit getroffen hat - und auch mit vergleichsweise mildem Rückenwind durch Streamer. Klar verbringt man viel Zeit dabei, Materialien zu sammeln, die Gegend zu erkunden, über das Meer zu schippern und das möglichst perfekte Haus zu bauen, aber all das fühlt sich in der aktuellen Early-Access-Version schon ziemlich gut und ausgefeilt an, wenn man von einigen rauen Kanten, Schwierigkeitsspitzen und manchmal schwacher Computerintelligenz absieht. Was man in Valheim jedenfalls für knapp 17 Euro geboten bekommt, steckt bereits so manches Vollpreisspiel inhaltlich als auch spieltechnisch in die Tasche. Bis zum nächsten Satisfactory-Update werde ich wohl in Valheim unterwegs sein - und nach mehreren Early-Access-Updates gerne wieder zurückkehren.
Dieser Early-Access-Test beruht auf Version 0.147.3 (Anfang März 2021).
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