Maquette - Test, Logik & Kreativität, XboxOne, PlayStation4, PC, XboxSeriesX, PlayStation5, Switch

Maquette
12.03.2021, Matthias Schmid

Test: Maquette

Denkspiel & Liebesgeschichte

Maquette (ab 7,50€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist aktuell gratis spielbar für PS5-Besitzer mit PlayStation-Plus-Abo - und ein ausgesprochen schönes Spiel. Während man sich mit Hirnschmalz durch die einfallsreiche 3D-Märchenwelt knobelt, wird einem die Beziehungsgeschichte von Kenzie und Michael nähergebracht. Ob das Konzept letztlich aufgeht, erfahrt ihr im Test.

Vergleiche mit M.C. Escher sind ausgesprochen beliebt: Wann immer ein Spiel, wie z.B. Echochrome oder The Bridge, mit scheinbar unmöglichen Perspektiven sowie deren Auflösung im 3D-Raum kokketiert, denkt man unweigerlich an die Werke des niederländischen Grafikers, z.B. an seine Wasserfall- oder Treppen-Bilder. Zwar arbeitete auch Maurits Cornelis Escher vielfach mit Mustern, die sich in die Unendlichkeit fortsetzen, mit Spiegelungen und Symmetrien - um das hier vorliegende Maquette treffend zu beschreiben, finde ich eine Analogie zu Fraktalen aber viel geeigneter. Dieser Begriff stammt vom Mathematiker Benoit Mandelbrot - mancher kennt vielleicht sein berühmtes „Apfelmännchen“ - und bezeichnet Gebilde oder Muster, die eine hohe Selbstähnlichkeit aufweisen, die z.B. immer wieder gleich aussehen, egal wie nahe man „heranzoomt“. 

Fraktale Freuden

Vom Start weg wird die Geschichte auch mit hübsch eingeblendeten Texten erzählt.
Bei Maquette verhält es sich nämlich so: Als Spieler ist man in einer 3D-Welt unterwegs, die ein bisschen an Jahrmarkt oder Disneyland erinnert. Im Zentrum dieser Welt steht ein rotes Kuppelgebäude - und innerhalb dieses nur wenigen Metern großen Baus findet man eine miniaturisierte Abbildung der Spielwelt. Tritt man davon zurück und schaut sich um, wird deutlich, dass auch außerhalb der normalen Umgebung nochmal eine größere Version desselben Kosmos exisiert. Das ist eine wirklich schöne Idee, die sich einfügt in eine kurze, aber illustre Reihe besonderer Videspiele - und zwar die des dänischen Stealth-Abenteuers Echo mit seinen endlosen unterirdischen Palästen und von Manifold Garden, dessen abstrakte Architektur sich ebenfalls bis in die scheinbare Unendlichkeit wiederholte.

So geht die Klein-Groß-Mechanik: Die links mit einem Schlüssel gebaute Brücke ist rechts im Bildhintergrund in riesiger Form zu sehen.
Etwas banaler gedacht, könnte natürlich auch die berühmte russische Schachtelpuppe Pate gestanden haben für die Spielidee von Maquette. Der Schlüssel zur Lösung der meisten Kopfnüsse besteht in der pfiffigen Ausnutzung der sich wiederholenden, aber in unterschiedliche Dimensionen vorhandenen Strukturen. Ein Beispiel: Steht man in der normalgroßen Welt vor einem unüberwindbaren Graben und in der Nähe liegt einen Schlüssel von circa 30cm Länge herum, dann sollte man den mitnehmen. Und zwar zur Miniaturversion der Spielwelt im roten Kuppelbau - dort kann der Schlüssel über den Schlossgraben gelegt werden und bildet eine Brücke. Kehrt man nun zum Ausgangspunkt zurück, kann man selbst über die riesige Schlüsselbrücke laufen. Natürlich haben sich die kalifornischen Entwickler - Maquette ist ihr erstes Spiel - noch weitere Ideen rund um diese Mechanik herum ausgedacht: Mal kommt man in der großen Welt nicht an einen Kristall heran, kann ihn im Mini-Kosmos aber so leicht stibitzen wie man einen Stuhl aus einem Puppenhaus holt. An anderer Stelle scheint der Eingang zu einem Gebiet versperrt: Aber was wäre, wenn man es im großen Bruder desselben Gebiets eine Iteration weiter draußen versuchen würde? Könnte man da vielleicht einfach zwischen den riesigen Zaunlatten durchspazieren?

Knobeln nach Matrjoschka-Manier

Schaut stark aus. Warum es den Spieler hierhin verschlägt, verraten wir natürlich nicht.
Neben derlei Kopfnüssen gibt es in Maquette immer wieder Passagen, wo man einfach nur umherwandert oder sich ein, zwei weiterer, recht simpler Mechaniken bedient, um z.B. in einem Labyrinth den Ausgang zu finden. Das hat mich stark an Ian Dallas’ Debütwerk The Unfinished Swan erinnert: In dieser Indieperle (auf die What Remains of Edith Finch folgen sollte) versuchte sich das Team an mehreren Mechaniken, deren Möglichkeiten aber nicht ganz ausgereizt wurden. Auch bei Maquette hat man trotz einiger erhellender Momente das Gefühl, dass noch mehr drin gewesen wäre, noch eine Prise mehr Wow-Effekt ob des Potenzial der Verkleinern-Vergrößern-Technik.

In der Kuppel rechts findet man die gesamte Spielwelt in klein wieder - hier ist die Spielfigur schon recht klein im Vergleich zur Architektur.
Zum Glück springt die angesichts solcher Versäumnisse die nette Hintergrundgeschichte in die Bresche: Sie erzählt nicht nur eine anrührige und realistische (wenn auch etwas klischeehafte) Liebesgeschichte zweier junger Menschen, sondern sorgt auch für Unterhaltung während so mancher Laufwege. Zusätzlich zu den hervorragend vertonten Sequenzen gibt es immer wieder Texte, die elegant in die Spielwelt eingeblendet werden und von den Höhen und Tiefen des Zusammenlebens berichten. In puncto Metaphorik ziehe ich meinen Hut: Wenn in der Geschichte die Rede auf gemeinsame Aktivitäten oder auch Risse in der Beziehung kommt, findet sich häufig eine elegante Visualisierung dieser Motive in der Spielwelt wieder - stark! Während die Steuerung in Egosicht grundsätzlich in Ordnung geht, könnt die Handhabe der dreh- und skalierbaren Gegenstände ruhig intuitiver sein - ich habe mir dadurch zwar keine Rätsellösung verbaut, aber gelegentlich doch etwas mit der Platzierung von Objekten gerungen. Während die beiden englischen Sprecher (das Schauspieler-Pärchen Bryce Dallas Howard und Seth Gabel) ihren Job ganz vortrefflich machen, kann die Qualität der deutschen Untertitel da nicht mithalten - neben ein paar Schreibfehlern stört vor allem das extrem billige Aussehen der Textboxen. Maquette ist auf allen Plattformen ein hübsches Spiel; das verdankt es aber seiner künstlerischen Gestaltung, nicht hyperrealistischen Texturen; obendrein müssten die sporadischen Ruckler auf einer PS5 wirklich nicht sein.

Päarchengeschichte

Fazit

Ich bin kein virtueller Rätselmeister - deshalb musste ich an einigen Stellen ganz schön um die Ecke denken oder auch suchen, an welcher Stelle es nun weitergeht. Trotzdem würde ich die Qualität der Kopfnüsse als gut beschreiben. Die Balance zwischen „Häh, keine Ahnung“ und „Ja klar, so geht es“ ist gelungen und die Grundidee mit der sich vom Kleinen ins Große wiederholenden Spielwelt sowieso super. Die Liebesgeschichte von Kenzie und Michael beginnt süß, manche Wendung könnte aber noch besser herausgearbeitet werden - trotzdem fühlte ich mich den beiden verbunden und wollte stets wissen, wie es weitergeht. Dazu tragen natürlich die sehenswerte Spielwelt und die beiden tollen englischen Sprecher bei; deutschen Ton gibt es leider nicht. Dass die Spiellänge mit circa vier Stunden überschaubar und der Wiederspielwert gleich null ist, hat mich nicht groß gestört - ich bin generell ein Freund erzählerisch starker, moderner Rätselspiele à la What Remains of Edith Finch. An die überragende Denksport-Qualität der beiden Portals oder von The Talos Principle kommt dieses erste Spiel des Studios Graceful Decay aber nicht heran.

Pro

  • einfallsreiche Klein-Groß-Knobelidee
  • stimmiges, kreatives Artdesign
  • gut balancierter Schwierigkeitsgrad
  • ein paar sehr gelungene Aha-Momente
  • tolle englische Sprecher
  • interessante Päärchengeschichte
  • teils starke Panoramen und Ansichten

Kontra

  • Handhabe der Objekte recht sperrig
  • ziemlich rasch durchgespielt
  • gewisser Kitschfaktor in der Geschichte
  • mitunter ist es unklar, wo es weitergeht

Wertung

PlayStation4

In eine Liebesgeschichte eingebettetes, ästhetisch ansprechendes 3D-Knobelspiel mit kluger Mechanik, deren Potenzial aber nicht voll ausgeschöpft wird.

PC

In eine Liebesgeschichte eingebettetes, ästhetisch ansprechendes 3D-Knobelspiel mit kluger Mechanik, dessen Potenzial aber nicht voll ausgeschöpft wird.

PlayStation5

In eine Liebesgeschichte eingebettetes, ästhetisch ansprechendes 3D-Knobelspiel mit kluger Mechanik, deren Potenzial aber nicht voll ausgeschöpft wird.

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Kommentare
Czentara

War recht spaßig. Allerdings kann man sich auch in Sackgassen knobeln, wenn man nicht aufpasst. Ist mir zweimal passiert. Also legt regelmäßig ein manuelles Save an!

vor 3 Jahren
nawarI

Das Spiel sah schon ganz nett aus und wahrscheinlich hätte ich dies sogar gekauft. Umso besser, dass das jetzt bereits im PS Plus drinnen ist. Habs schon der Bib hinzugefügt. Wenn ich endlich mal die PS5 ergattere, werde ich einiges zu spielen haben.

vor 3 Jahren
eLZorro

Danke für den Test, das Spiel hatte ich null auf dem Schirm.
Und der Trailer spricht mich sofort an...ab auf die Wunschliste.

vor 3 Jahren