Project Wingman - Test, Simulation, ValveIndex, VirtualReality, OculusRift, PC, HTCVive
Fiktiv ist die virtuelle Welt, weil es zwar unsere ist, ihre Geschichte allerdings eine andere. Nur die Vorzeichen sind natürlich vertraut, denn wenn sich die kaskadische Republik an der Westküste Nordamerikas von der Pazifischen Föderation lossagt, löst das einen bewaffneten Konflikt aus, den das frisch für unabhängig erklärte Land nicht alleine durchstehen kann. Kaskadien heuert deshalb Söldner an, um seine militärischen Stärke zu vergrößern, darunter Monarch, dessen oder deren Rolle man hier übernimmt.
Hör- statt Drehbuch
Mit von der Partie sind außerdem ihre bzw. seine Mitstreiter, über deren Funksprüche und Einsatzbesprechungen man die Ereignisse der gut 20 Missionen verfolgt. Erwartet kein cool inszeniertes Top Gun! Stimmen ohne Gesichter sind alles, was Project Wingman in Sachen Erzählung auffährt, und das fällt vor allem dort auf, wo das stumme Alter Ego wie ein Geist ohne Charakter erscheint und nicht einmal im Profilbild zu sehen ist.
Stark vereinfacht
Und in Teilen ist diese Einfachheit durchaus bedauerlich. Dass man zumindest hin und wieder den eigenen Blutdruck im Auge haben sollte, wäre z.B. eine gelungene Ergänzung, während das HUD sowie akustische Rückmeldungen deutlicher auf Gefahren hinweisen könnten. Abgesehen davon kann man markierte Ziele nicht immer schnell genug von anderen Anzeigen unterscheiden und das Durchschalten aller feindlichen Objekte in ungefährer Blickrichtung ist als einzige manuelle Zielauswahl viel zu ungenau. Wer mit VR-Headset im Cockpit sitzt, kann beim Fliegen durch Wolken schließlich kaum ausmachen, ob die Nase gen Boden oder Himmel zeigt. Vertikale Markierungen an den Rändern der Höhenlinien könnten das ändern, fehlen aber.
Top-Gun-Romantik
Klasse finde ich außerdem die Inszenierung, wenn man kurz vor Sonnenuntergang über einer belagerten Stadt oder im Regen unter tief hängenden Wolken kämpft und dabei zusieht, wie Wasser auf den Scheiben des Cockpits in Richtung Heck fließt. Nicht zu vergessen auch, wie der gedämpfte Knall von Explosionen in größerer Entfernung erst nach kurzer Verzögerung zu hören ist. Mit anderen Worten: So wenig das auf die Erzählung zutrifft, so sehr erweckt das eigentliche Spiel eine ebenso verklärte wie gerade noch bodenständige Top-Gun-Romantik zum Leben.
Leider verzichtet Entwickler Sector D2 nur auf eine gute Joystick-Unterstützung, weshalb selbst weit verbreitete HOTAS-Modelle im Grunde ignoriert werden. Als Windows-Eingabegeräte kann man sie zwar verwenden und ihnen per Hand alle wichtigen Funktionen zuweisen. Entsprechende Voreinstellungen gibt es aber nicht. Nahezu einwandfrei funktionieren dafür VR-Headsets, bei deren Nutzung außerdem Menüs und HUD sowie die Steuerung so angepasst wurden, dass man per Knopfdruck etwa nicht von Innen- auf Außenansicht wechselt, sondern das Bild zentriert.
Ab in die virtuelle Realität!
Und das ist ein Segen, denn gerade das virtuelle Fliegen profitiert enorm von der Virtual Reality! Tatsächlich ist VR die Plattform, auf der man Project Wingman erst „richtig“ erleben kann. Mit dem freien Umsehen rutscht man ja nicht nur tiefer in den Pilotensitz, es erleichtert auch die Navigation und Zielerfassung und macht das schnelle Abschießen der Raketen oft überhaupt erst möglich. Gelegentliche Einbrüche der Bildrate sind zwar ärgerlich und ich musste mit Oculus Rift die Post-Processing-Effekte minimieren, weil ich aufgrund eines Grafikfehlers sonst nicht einmal das Flugzeug auswählen kann. Alles in allem funktioniert das Fliegen in VR aber hervorragend – was nicht zuletzt daran liegt, dass man im Gegensatz zu in Ace Combat 7 das komplette Spiel unter dem Headset verbringen darf.
Anders als bei Ace Combat hat man außerdem vor jedem Einsatz die Wahl, welchen Flieger man eigentlich nutzen will und welche Luft- und Bodenwaffen er an Bord haben soll. Immerhin mimt man einen Söldner, dessen Geldbeutel nach jedem erfolgreichen Einsatz dicker wird. Nun dient dieser Lohn ausschließlich zum Freischalten weiterer Maschinen, während man einem geradlinigen Missionsstrang folgt. Trotzdem bin ich für die kleinen Freiheiten ebenso dankbar wie für taktische Überlegungen, da man seine Flugzeuge nicht beliebig bestücken kann, sondern jedes eigene Einschränkungen hat...
Taktisch flach
Die vor einigen Jahren erschienene Demo stammt zwar aus einer Alpha-Fassung, bietet aber einen vielsagenden ersten Eindruck.... wobei die meisten Unterschiede unterm Strich sehr gering ausfallen, sodass sich die Abwechslung letztlich in Grenzen hält. Und das trifft leider auch auf sämtliche Missionsziele sowie Entwicklungen in den Einsätzen zu. Man ist ja stets in sehr kleinen Arealen unterwegs, weshalb ich immer wieder mal den Hinweis lesen musste doch bitte ins Einsatzgebiet zurückzukehren. Dort bekommt man es fast immer mit einer viel zu großen Anzahl an Bodenzielen sowie feindlichen Fliegern zu tun, die schön vorhersehbar in Wellen eintreffen. Überraschende Ereignisse gibt es praktisch keine – dafür Start- und Landesequenzen, die nicht im eigentlichen Einsatz stattfinden, sondern als eine Art Minispiel, das extra geladen werden muss.
Umso besser, dass man sich die Zeit auch damit vertreiben kann bereits abgeschlossene Missionen noch einmal zu erleben – wahlweise sogar mit oder komplett ohne Gegner. Noch wertvoller ist allerdings der Eroberungs-Modus, in dem man sich wie in einem Roguelike von einem Einsatzgebiet ins nächste vorarbeitet und wo einige Elemente anders funktionieren als in der Kampagne. Weil jeder Tod etwa ein endgültiges Ende ist und die Gefechte stetig anspruchsvoller werden, investiert man hier verdientes Geld in zusätzliche Begleiter sowie Hardware-Upgrades.
Die moderne Endlosschleife
Gleichzeitig steigern erfolgreiche Aufträge das Prestige, mit dem man in diesem Modus Flugzeuge freischaltet. Sowohl diese als auch das Prestige bleiben dabei dauerhaft erhalten, weshalb man mit deutlich besserem Material in spätere Eroberungs-Kampagnen startet, was der Motivation natürlich guttut. Inhaltlich ist auch die Roguelike-Variante also nur ein immer schwerer werdender Wellen-Modus, der das immer Gleiche im Rahmen seiner Möglichkeiten aber auflockert.
Fazit
Rein inhaltlich tut Project Wingman wirklich nur das Nötigste: In kleinen Arealen schießt man auf ständig gleiche Gegner, vermisst selbst rudimentäre taktische Möglichkeiten und muss doch tatsächlich den Joystick erst mühsam ans Spiel anpassen, weil entsprechende Voreinstellungen fehlen. Auch die umständliche Zielauswahl und nicht immer gut erkennbare HUD-Anzeigen machen recht deutlich klar, dass es sich um ein überschaubares Indie-Projekt handelt. Und trotzdem kann ich das allen empfehlen, die sich nach Arcade-Action der Marke Ace Combat sehnen. Audiovisuell fängt es die verklärte Top-Gun-Romantik nämlich überzeugend ein und das ebenso unkomplizierte wie glaubhafte Fluggefühl ist klasse. So richtig geht beides dabei erst in der Virtual Reality auf, wo die Hardware so perfekt zum Spiel passt, dass man sich nicht nur mitten im Geschehen befindet, sondern auch wichtige Vorteile aus dem aktiven Umsehen zieht. In Verbindung mit dem freien Ausrüsten der Jets sowie dem motivierenden Roguelike-Eroberungs-Modus ist Project Wingman also kein besseres Ace Combat 7 – aber eine gelungene Ergänzung des erklärten Vorbilds.
Pro
- überzeugende Arcade-Flugphysik
- stimmungsvolle Akustik, Beleuchtung und andere Umwelteffekte
- sehr abwechslungsreiche...
- umfassende und nahezu einwandfreie VR-Unterstützung wertet das Flugerlebnis deutlich auf
- zahlreiche Funksprüche und Informationen in Einsatzbesprechungen...
- Roguelike-Modus mit eigenem globalen Fortschritt als Abwechslung zu Kampagne
- freies Fliegen in freigeschalteten Einsatzgebieten
- Wahl von Flugzeug und Ausrüstung vor jedem Einsatz
Kontra
- wenig spielerische Abwechslung
- keinerlei taktische Einstellungen oder Anweisungen
- ... aber auch recht kleine Einsatzgebiete, deren Grenzen man schnell aus Versehen überfliegt
- ungenaue Zielauswahl sowie schlecht wahrnehmbare Gefahren
- und andere Meldungen
- ... aber charakterlose Hauptfigur und keinerlei Film
- oder Dialogszenen
- Start und Landung komplett getrennt von restlicher Mission
- unbefriedigende Joystick-Unterstützung
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