Harvest Moon: Eine Welt - Test, Simulation, Switch, PC, PlayStation4, XboxOne

Harvest Moon: Eine Welt
12.03.2021, Jan Wöbbeking

Test: Harvest Moon: Eine Welt

Wanderlust und Arbeitsfrust

Stardew Valley erfreut seine Fans mit idyllischen Updates, My Time at Portia brachte mit Konstruktionen frischen Wind ins Landleben - doch was ist eigentlich mit Harvest Moon passiert? Die Mutter aller Bauernhof-Abenteuer führt nur noch ein Schattendasein, seit Natsume und Appci den einst glanzvollen Namen regelmäßig lieblos durch den Recycling-Wolf drehen. Kann Harvest Moon: Eine Welt (ab 32,99€ bei kaufen) mit seiner mobilen Farm den Bann brechen?

Kein Scherz - Harvest Moon: Eine Welt bietet tatsächlich erstmals eine Farm, die ins Inventar passt. Einfach vor den aufgetankten Verkleinerungs-Roboter stellen und auf Knopfdruck verschwinden Wohnhaus, Stall und Windmühle in einer Staubwolke (eine Animation hätte vermutlich das Budget gesprengt). Nach einer Wanderung zu einem Bauplatz am Strand oder in anderen Biomen ist all das binnen Sekunden wieder aufgebaut – inklusive Feldern, Hühnern und Kühen, die offenbar nichts vom modernen Umzug mitbekommen haben. Was für eine Welt!

Zurück auf dem Feld

Dieser zunächst reichlich seltsam anmutende Kniff hat mich später tatsächlich ein wenig zur Wanderschaft in die Wüste und an andere Orte motiviert. Mit diesem Trick und mit Hilfe der Schnellreise konnte ich schließlich einfacher die Welt erkunden, statt mich zu stark auf die Feldarbeit zu konzentrieren. Die Ausdauer muss ich übrigens trotzdem im Auge behalten: An heißen und frostigen Orten leert sie sich auf längeren Touren noch schneller als beim gewöhnlichen Wandern.

Die mobile Farm startet mit einer vorgegebenen Zahl beackerbarer Felder. Auch auf der Wanderschaft stolpert man immer wieder über vereinzelte nutzbare Quadrate.
Leider beschränken sich die Stärken auf die Mobilität und die gestiegene Abwechslung durch Klimazonen und neue Pflanzenmutationen. Davon abgesehen wirkt der Titel wie ein müder Abklatsch guter alter Zeiten – umgebaut für die Bedürfnisse und Erwartungen von Smartphone-Nutzern. Egal, was ich auf dem Feld oder abseits des Weges erledige, alles läuft mit dem gleichen stupiden Hämmern auf den A-Knopf ab. Baumwurzel weghacken: A-Knopf. Feldquadrat pflügen: A-Knopf. Saat auswählen und auswerfen: A-Knopf. Ein Schwall aus der Gießkanne: Ihr könnt es euch sicher denken.

Überstunden für den A-Knopf

Monotones Gehämmer ist mir als Freund von Hardcore-Techno nicht fremd, hier nimmt es aber Überhand: Sogar am Wegesrand geht das stumpfe Knöpfchendrücken weiter, z.B. beim Aufheben von Muscheln, der Ernte von Kokosnüssen oder dem Einsammeln von Saatgut. Letzteres ist in Läden neuerdings erstaunlich teuer. Im Gegenzug lungern zu Beginn des Spiels aber praktisch an jeder Ecke Erntegeister herum, die kostenlose Beutel mit Samen für Paprika, Rüben oder auch Zierpflanzen wie Hibiskus verschenken. Es lohnt sich also, Ausflüge über die karg designten Wiesen des Spiels zu starten, um per Knopfdruck Saaten „abzuernten“.

Liebe geht bekanntlich durch den Magen - aber doch nicht so!
Wie gehabt spielen magischen Wesen wieder eine zentrale Rolle in der Geschichte: Da landwirtschaftliches Wissen und Fruchtbarkeit aus einem rätselhaften Grund aus der Region verschwanden, gedeihen mittlerweile nur noch schnöde Kartoffeln. Also geht der im simplen Editor erstellte Held (oder die Heldin) auf eine Reise, um die sechs Erntewichtel mit gefundenen Medaillons zu erwecken und die Vielfalt der Pflanzenarten wiederherzustellen.

Nicht gerade magisch

So ergeben sich etwa beim Anbau in verschiedenen Böden neue Sorten, z.B. Süßmais oder Kuppelkohl. Wie bereits erwähnt, gestaltet sich das Ackern auf dem Feld allerdings schrecklich simpel und monoton. Das gilt vor allem im Vergleich zum lehrreichen traditionellen Reisanbau in Sakuna: Of Rice and Ruin, wo jeder Schritt authentisch im Detail erlernt wird; von der händisch platzierten Aussaat bis hin zur Bewässerung und der späteren Verarbeitung.

Auch grafisch ist man Welten von Sakunas stimmungsvollen Wetterkapriolen oder der idyllischen Comic-Welt in My Time at Portia entfernt. Stattdessen führt die Reise über erstaunlich karge Felder und an generischen Häusern mit unscharfen Texturen vorbei. Zudem verschmelzen die Kühe während der Streicheleinheiten gerne mal mit meinem Charakter, während sie ihn unmotiviert durch den Stall schieben. Trotz des visuellen Trauerspiels und trotz vorgegebener Perspektive zuckelt das Bild auf der Switch fast durchgehend unruhig vor sich hin. Das Dauerruckeln bleibt gerade noch erträglich, wirft aber oft die Frage auf, welches der gefühlten 30 sichtbaren Polygone denn nun schon wieder die Engine ausbremst. Sogar die Musik bleibt manchmal beim Nachladen hängen.

Sparprogramm auf großem Areal

Das Budget wurde offenbar derart knapp kalkuliert, dass für viele Nebenfiguren nicht einmal echte Namen drin waren. Freut euch auf Gespräche mit „Tierhändlerin“, „Müder Mann“ oder „Plumper Mann“, während sie plump in die Szenerie und wieder heraus teleportieren. Selbst wichtige Figuren wie Wichtel Vitae oder der schroffe Tierfarmer Benni beschränken sich auf (selbst für Harvest-Moon-Verhältnisse) simpelsten Smalltalk. Wie schön, die Leute im Dorf lächeln also häufiger, seit ich da bin. Unheimlich rührend! Ständige Begleiter wie „Doc Jr.“ ermöglichen mir aber immerhin die Konstruktion diverser Gerätschaften, darunter ein Düngermischer aus Bronze oder eine Tierfutter-Mühle für Bennis einseitig ernährte Kühe. Grundsätzlich haben die Entwickler an alles gedacht, was zu einem Harvest Moon gehört, von Haustieren, Bergbau über Jahreszeiten und Festivals, Freundschaftspflege mit individuellen Geschenken bis hin zur Familiengründung.

Ähnlich wie Halo Infinite braucht auch Halo Halo noch etwas Feinschliff und ein paar Reparaturen, bevor es richtig losgehen kann.
Der Großteil davon wird aber derart austauschbar präsentiert, dass sich allenfalls Neulinge oder junge Spieler im typischen Loop aus Feldarbeit und Erkundung verlieren dürften – alle anderen werden sich mit Erinnerungen an bessere Zeiten abwenden oder lieber gleich eine Runde Stardew Valley starten. Eine Ausnahme sind exotischere Völker, die durch eigene Rituale und Gepflogenheiten immerhin etwas Abwechslung in die Einöde bringen. Die Sitten in Pastilla etwa schreiben es vor, dass Jamil nach meiner Rettung in der Wüste seine Gastfreundschaft beweist. Er hat mich schließlich unangemeldet in die Dorfgemeinschaft gebracht – der Notfall und die Rettung meines Lebens in der sengenden Sonne spielt dabei keine Rolle. Selbst solche vermeintlich persönlichen Details laufen im Endeffekt aber auf gewöhnliche Sammelquests hinaus: In diesem Fall müssen drei Wassermelonen beschafft werden. Kreativ!

Doppelt hält besser

An Orten wie der Urlaubsidylle „Halo Halo“ wird nicht geschossen, sondern Holz für die Reparatur des Angelstegs besorgt. Im Café Mahalo wiederum lassen sich Rezepte für die eigenen kulinarischen Experimente besorgen, um mit schmackhaften Gerichten die Widerstandskraft gegen eisiges oder heißes Klima zu steigern. Nach und nach eröffnen sich verschiedene Areale, in denen ich für die Erweckung der Wichtel bestimmt Probleme löse.

Auf einmal wirkt Pokémon Legenden: Arceus gar nicht mehr so schlicht...
Zur Heilung kranker Kühe soll ich z.B. die eingebildete Tierärztin Gabrielle zur Hilfe überreden, die sich lieber mit der Färbung violetter Haarsträhnen als der Verarztung von Ziegen, Schafen & Co. beschäftigt. Auch Pferde können für eine schnellere Fortbewegung oder die Teilnahme an Reitturnieren gehalten werden. Manche exotischeren Tierarten, Gebiete und  Einrichtungsgegenstände fürs Heim lassen sich übrigens (später) mit dem Season-Pass freischalten. Schon jetzt ist im eShop leider ein Verbesserungspaket für Echtgeld (2,99 Euro) erhältlich, welches Hacke, Gießkanne, Hammer, Axt und Angel um eine Stufe verbessert; zusätzlich enthält es auch Einrichtungs-Themen wie "Schloss", "Steampunk" oder "Raumschiff".

Extras gegen Echtgeld

Fazit

Wer hätte das gedacht? Zu Beginn wirkte Harvest Moon: Eine Welt mit seiner simplifizierten Steuerung, der monotonen Saatgut-Beschaffung und seiner lieblosen Präsentation wie ein neuer Tiefpunkt der Seriengeschichte – zumal eine derart simple Kulisse nicht einmal auf der Switch ruckeln sollte! Als ich erst einmal mehrere Klimazonen erreicht und neue Pflanzenarten entdeckt hatte, entwickelte sich aber immerhin ein wenig Reiselust und Entdeckerstimmung, auch wenn die generischen Figuren noch belangloseren Smalltalk von sich geben als früher. Der mobile Hof lässt sich hier schließlich im Handumdrehen ins Inventar packen und anderswo wieder aufbauen. So konnte sich das Spiel doch noch eine ausreichende Wertung sichern und sich von Gurken wie Hometown Story oder der Minecraft-Kreuzung Harvest Moon: Das verlorene Tal absetzen. Von der Qualität des liebevoll umgesetzten Stardew Valley bleibt man erneut meilenweit entfernt, zumal auch Doraemon Story of Seasons vielversprechender wirkte. Hierzulande ist Harvest Moon: Eine Welt übrigens nur für die Switch erhältlich - in den USA ist darüber hinaus auch eine PS4-Fassung erschienen.

Pro

  • Mobilität sorgt für Lust an Erkundung und Wanderschaft
  • variierende Biome und Böden
  • vielfältige Mutationen fachen im Lexikon den Sammeltrieb an

Kontra

  • simplifiziertes Ackern und Sammeln schrecklich öde umgesetzt
  • leichtes Dauerruckeln
  • karge, oft potthässliche Kulissen
  • austauschbare Charaktere mit austauschbaren Namen
  • Smalltalk-Dialoge noch belangloser als früher
  • Düdel-Soundtrack nervt relativ schnell mit Wiederholungen

Wertung

Switch

Wechselnde Biome und Böden sorgen zwar für Reiselust, im Kern wird die vereinfachte Landarbeit aber viel zu monoton und lieblos inszeniert.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt einen Season-Pass (14,99 Euro) für neue Gebiete und Tierarten sowie käufliche Upgrades um eine Stufe für wichtige Werkzeuge (2,99 Euro)
  • Man kann sich Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, Pay-to-win.
  • Season Pass, dessen Inhalte Auswirkungen auf Design und Balance haben können, z.B. XP-Boosts, Waffen, etc.
Kommentare
Todesglubsch

Ebenso die Publisher Politik. Das Spiel erscheint digital später auch auf der Xbox - allerdings nur auf dem amerikanischen Markt, da Rising Star Games (Publisher für Europa) eine Veröffentlichtung in Europa nicht geplant hat..warum auch immer.
Nintendo strahlt Fernsehwerbung für Harvest Moon aus. Ggfs. hat das was damit zu tun?

vor 3 Jahren
Grim85RIP

Die Wertung wundert doch nun wirklich niemanden oder? Wir alle wissen doch mittlerweile zu Genüge, dass Harvest Moon inzwischen Story of Seasons heißt und mit diesem Müll mal so gar nichts zu tun hat. Das Natsume immer noch mit diesen kläglichen Versuchen für 'nen Cash Grab um die Ecke kommt, ist einfach nur noch lächerlich und irgendwie traurig. Naja was soll's, irgendwann wird der "Aufwand" von den Einnahmen nicht mal mehr gedeckt werden und dann verschwinden diese kümmerlichen Reste ein für alle mal.

vor 3 Jahren
Stephan_su

Das war leider zu erwarten.

Einen Hit habe ich nicht erwartet und die Idee mit der wandelbaren Farm ist ja gar nicht schlecht. Aber das dieses Spiel auf der Switch so stark ruckelt ist absolut unverständlich.

Ebenso die Publisher Politik. Das Spiel erscheint digital später auch auf der Xbox - allerdings nur auf dem amerikanischen Markt, da Rising Star Games (Publisher für Europa) eine Veröffentlichtung in Europa nicht geplant hat..warum auch immer.

Story of Seasons dürfte Ende des Monats deutlich besser werden. Zumal inzwischen schon einige interessante kleinere Titel via Kickstarter etc in der Mache sind.

Und es gibt halt Stardew Valley. Das ist mit Update 1.5. (wäre bei fast jedem anderen Spiel als vollwertiger kostenpflichtiger Dlc durchgegangen) noch mal immens besser geworden, kostet gerade mal 15 Euro und ist von der Qualität aktuell unerreicht. Ein großartiges Spiel.

vor 3 Jahren
Mr. Hunter

Coral Island wird der nächste Hit.
https://coral-island.backerkit.com/hosted_preorders

Mir war aber klar das Harvest Moon nix wird.

vor 3 Jahren
Todesglubsch

Natsume und Marvelous schieben sich übrigens gegenseitig den schwarzen Peter zu.

So ist Natsume der Meinung, dass sie erheblich am Erfolg von Harvest Moon im Westen beigetragen haben. Sie betrachten also Marvelous' Weggang als Dolchstoß in den Rücken.

Natürlich wäre es leichter Sympathie mit ihnen zu haben, wenn sie unter der Harvest Moon-Marke nicht solchen Schrott produzieren würden.

vor 3 Jahren