Harvest Moon: Eine Welt - Test, Simulation, Switch, PC, PlayStation4, XboxOne
Kein Scherz - Harvest Moon: Eine Welt bietet tatsächlich erstmals eine Farm, die ins Inventar passt. Einfach vor den aufgetankten Verkleinerungs-Roboter stellen und auf Knopfdruck verschwinden Wohnhaus, Stall und Windmühle in einer Staubwolke (eine Animation hätte vermutlich das Budget gesprengt). Nach einer Wanderung zu einem Bauplatz am Strand oder in anderen Biomen ist all das binnen Sekunden wieder aufgebaut – inklusive Feldern, Hühnern und Kühen, die offenbar nichts vom modernen Umzug mitbekommen haben. Was für eine Welt!
Zurück auf dem Feld
Dieser zunächst reichlich seltsam anmutende Kniff hat mich später tatsächlich ein wenig zur Wanderschaft in die Wüste und an andere Orte motiviert. Mit diesem Trick und mit Hilfe der Schnellreise konnte ich schließlich einfacher die Welt erkunden, statt mich zu stark auf die Feldarbeit zu konzentrieren. Die Ausdauer muss ich übrigens trotzdem im Auge behalten: An heißen und frostigen Orten leert sie sich auf längeren Touren noch schneller als beim gewöhnlichen Wandern.
Überstunden für den A-Knopf
Monotones Gehämmer ist mir als Freund von Hardcore-Techno nicht fremd, hier nimmt es aber Überhand: Sogar am Wegesrand geht das stumpfe Knöpfchendrücken weiter, z.B. beim Aufheben von Muscheln, der Ernte von Kokosnüssen oder dem Einsammeln von Saatgut. Letzteres ist in Läden neuerdings erstaunlich teuer. Im Gegenzug lungern zu Beginn des Spiels aber praktisch an jeder Ecke Erntegeister herum, die kostenlose Beutel mit Samen für Paprika, Rüben oder auch Zierpflanzen wie Hibiskus verschenken. Es lohnt sich also, Ausflüge über die karg designten Wiesen des Spiels zu starten, um per Knopfdruck Saaten „abzuernten“.
Nicht gerade magisch
So ergeben sich etwa beim Anbau in verschiedenen Böden neue Sorten, z.B. Süßmais oder Kuppelkohl. Wie bereits erwähnt, gestaltet sich das Ackern auf dem Feld allerdings schrecklich simpel und monoton. Das gilt vor allem im Vergleich zum lehrreichen traditionellen Reisanbau in Sakuna: Of Rice and Ruin, wo jeder Schritt authentisch im Detail erlernt wird; von der händisch platzierten Aussaat bis hin zur Bewässerung und der späteren Verarbeitung.
Auch grafisch ist man Welten von Sakunas stimmungsvollen Wetterkapriolen oder der idyllischen Comic-Welt in My Time at Portia entfernt. Stattdessen führt die Reise über erstaunlich karge Felder und an generischen Häusern mit unscharfen Texturen vorbei. Zudem verschmelzen die Kühe während der Streicheleinheiten gerne mal mit meinem Charakter, während sie ihn unmotiviert durch den Stall schieben. Trotz des visuellen Trauerspiels und trotz vorgegebener Perspektive zuckelt das Bild auf der Switch fast durchgehend unruhig vor sich hin. Das Dauerruckeln bleibt gerade noch erträglich, wirft aber oft die Frage auf, welches der gefühlten 30 sichtbaren Polygone denn nun schon wieder die Engine ausbremst. Sogar die Musik bleibt manchmal beim Nachladen hängen.
Sparprogramm auf großem Areal
Das Budget wurde offenbar derart knapp kalkuliert, dass für viele Nebenfiguren nicht einmal echte Namen drin waren. Freut euch auf Gespräche mit „Tierhändlerin“, „Müder Mann“ oder „Plumper Mann“, während sie plump in die Szenerie und wieder heraus teleportieren. Selbst wichtige Figuren wie Wichtel Vitae oder der schroffe Tierfarmer Benni beschränken sich auf (selbst für Harvest-Moon-Verhältnisse) simpelsten Smalltalk. Wie schön, die Leute im Dorf lächeln also häufiger, seit ich da bin. Unheimlich rührend! Ständige Begleiter wie „Doc Jr.“ ermöglichen mir aber immerhin die Konstruktion diverser Gerätschaften, darunter ein Düngermischer aus Bronze oder eine Tierfutter-Mühle für Bennis einseitig ernährte Kühe. Grundsätzlich haben die Entwickler an alles gedacht, was zu einem Harvest Moon gehört, von Haustieren, Bergbau über Jahreszeiten und Festivals, Freundschaftspflege mit individuellen Geschenken bis hin zur Familiengründung.
Doppelt hält besser
An Orten wie der Urlaubsidylle „Halo Halo“ wird nicht geschossen, sondern Holz für die Reparatur des Angelstegs besorgt. Im Café Mahalo wiederum lassen sich Rezepte für die eigenen kulinarischen Experimente besorgen, um mit schmackhaften Gerichten die Widerstandskraft gegen eisiges oder heißes Klima zu steigern. Nach und nach eröffnen sich verschiedene Areale, in denen ich für die Erweckung der Wichtel bestimmt Probleme löse.
Extras gegen Echtgeld
Fazit
Wer hätte das gedacht? Zu Beginn wirkte Harvest Moon: Eine Welt mit seiner simplifizierten Steuerung, der monotonen Saatgut-Beschaffung und seiner lieblosen Präsentation wie ein neuer Tiefpunkt der Seriengeschichte – zumal eine derart simple Kulisse nicht einmal auf der Switch ruckeln sollte! Als ich erst einmal mehrere Klimazonen erreicht und neue Pflanzenarten entdeckt hatte, entwickelte sich aber immerhin ein wenig Reiselust und Entdeckerstimmung, auch wenn die generischen Figuren noch belangloseren Smalltalk von sich geben als früher. Der mobile Hof lässt sich hier schließlich im Handumdrehen ins Inventar packen und anderswo wieder aufbauen. So konnte sich das Spiel doch noch eine ausreichende Wertung sichern und sich von Gurken wie Hometown Story oder der Minecraft-Kreuzung Harvest Moon: Das verlorene Tal absetzen. Von der Qualität des liebevoll umgesetzten Stardew Valley bleibt man erneut meilenweit entfernt, zumal auch Doraemon Story of Seasons vielversprechender wirkte. Hierzulande ist Harvest Moon: Eine Welt übrigens nur für die Switch erhältlich - in den USA ist darüber hinaus auch eine PS4-Fassung erschienen.
Pro
- Mobilität sorgt für Lust an Erkundung und Wanderschaft
- variierende Biome und Böden
- vielfältige Mutationen fachen im Lexikon den Sammeltrieb an
Kontra
- simplifiziertes Ackern und Sammeln schrecklich öde umgesetzt
- leichtes Dauerruckeln
- karge, oft potthässliche Kulissen
- austauschbare Charaktere mit austauschbaren Namen
- Smalltalk-Dialoge noch belangloser als früher
- Düdel-Soundtrack nervt relativ schnell mit Wiederholungen
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt einen Season-Pass (14,99 Euro) für neue Gebiete und Tierarten sowie käufliche Upgrades um eine Stufe für wichtige Werkzeuge (2,99 Euro)
- Man kann sich Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, Pay-to-win.
- Season Pass, dessen Inhalte Auswirkungen auf Design und Balance haben können, z.B. XP-Boosts, Waffen, etc.