Nebuchadnezzar - Test, Taktik & Strategie, PC

Nebuchadnezzar
19.03.2021, Eike Cramer

Test: Nebuchadnezzar

An den Flüssen von Babylon

Ihr vermisst die klassische Aufbaustrategie in der Antike wie Caesar oder Pharao? Dann solltet ihr Nebuchadnezzar mal genauer anschauen – denn hier treffen sich Städtebau und Logistikmanagement im alten Mesopotamien. Wieso das richtig gut funktioniert, erfahrt ihr im Test!

Zugegeben: Schon der Name macht es dem Spiel nicht leicht. Nebuchadnezzar klingt eben einfach nicht so richtig schmissig. Allerdings ist vor allem Nebukadnezar II., so die eingedeutschte Schreibweise, ein überaus passender Charakter für Aufbaustrategie zwischen Euphrat und Tigris – wurden unter seiner Herrschaft im 6. Jh. v. Chr. doch faszinierende Bauten wie das strahlend blaue Ischtar-Tor gefertigt, eines der berühmten Stadttore Babylons.

Nebuchadne….wer?!

Wer Klassiker wie Caesar oder Pharao kennt, findet sich dann auch schnell beim Städtebau im Zweistromland zurecht: Aus isometrischer Perspektive und in stimmungsvoller 2D-Kulisse errichte ich Häuser, Verarbeitungsstätten, Lager und Dienstleistungsgebäude, versorge Einwohner mit Waren, um ihre Behausungen im Level zu steigern, handle mit den Nachbarreichen und errichte später große Tempel und Monumente, um das eigene Ansehen zu steigern. Dazu lege ich Bewässerungsgräben an, um den Wüstensand urbar zu machen, errichte Farmen und Lehmgruben, schaffe Keramikwerkstätten, Handelshäfen und verschönere die Viertel meiner in Villen lebenden Oberschicht, damit sie überhaupt erst in meine Stadt kommen.

Doch Nebuchadnezzar ist im Kern mehr Logistik-Manager als Stadtbau-Simulator. Denn von den zahlreichen Waren, von Brot und Ziegenmilch über Datteln bis religiöse Statuetten, die für drei Bevölkerungstypen vom einfachen Bauern bis zum Aristokraten in bis zu vier Stufen notwendig sind, muss ich jede einzelne Route von der Produktion bis zur Auslieferung planen. Anders als in ähnlichen Spielen wie der Anno-Reihe, wo ich eher aufs große Ganze achte und mir bis auf Reichweiten-Zonen keine Gedanken über die Lieferung mache, muss ich hier jeden Lieferweg per Karawane und Marktläufer selbst einrichten.

Ey, wo ist meine Ziegenmilch?

Die Wege zur Verteilung von Waren müssen manuell angelegt werden.
Das heißt, ich muss von Anfang an Wege von der Produktion in die Lager vorsehen, deren Radius so klein ist, dass es schnell eng wird und es auf exakte Platzierung der Gebäude ankommt. Zwar tauschen hier die Träger ihre Waren noch selbst mit Produktionsstätten und Lagern, doch muss ich penibel darauf achten in welcher der auf sechs Warenstapel á sechs Güter begrenzten Aufbewahrungsstätten ich welche Ware lagern möchte. Will ich dann mein Brot von den Bäckereien zu meinen Märkten transportieren, muss ich auf die gewünschte Ware festgelegte Karawanen aussenden, die das Produkt von einem Lager zum nächsten bewegt. Zudem sollten zuvor die Routen der Lieferanten festgelegt worden sein, die mit Wasser, Brot oder später auch Bronzeschmuck und Papyrus von Haus zu Haus gehen, um die Bewohner bei Laune zu halten.

Trotz etwas kleinteiliger Menüs funktioniert dieses Prinzip nach etwas Eingewöhnungszeit gut und erweitert den üblichen Städtebau um eine interessante Facette. So bin ich beinahe durchgehend damit beschäftigt, die besten Routen und Versorgungswege auszutüfteln. Mit jedem Stufenaufstieg der Gebäude kommen zudem nicht nur weitere Bedürfnisse hinzu, sondern auch der Bedarf an Basis-Waren steigt, da mehr Menschen in einem Haus wohnen. Mehr Bevölkerung heißt im Umkehrschluss aber auch mehr Arbeitskraft, die ich dringend in meinen Werkstätten, auf meinen Feldern und für den Transport benötige.

Arbeit, Arbeit

Gleichzeitig steigt die Gefahr eines Totalzusammenbruchs meiner Wirtschaft: Fällt durch einen Fehler nur eine der Lieferketten aus, verliere ich durch Zurückstufung meiner Gebäude schnell Einwohner, was zu weiteren Engpässen und Ausfällen führen kann. Besonders fragil wird das System, wenn ich z.B. Bürger und Bauern gleichermaßen für eine Lieferkette brauche. So wird etwa Bier, das für die vierte Stufe der einfachen Häuser benötigt wird, von Bürgern gebraut, nachdem die Gerste von Bauern angebaut wurde.

Von Lager zu Lager: Auch die Transportwege müssen manuell geplant und eingerichtet werden.
Ziehen meine Bürger nun aber aus, weil z.B. Fisch auf dem Transportweg hängengeblieben ist oder der Bedarf nicht gedeckt ist, kann es zu einem Bier-Engpass kommen, durch den möglicherweise Bauern die Stadt verlassen. Um diese Abwärtsspirale nicht in Gang zu setzen braucht es viel Übersicht und Präzision bei der Zuordnung der Lager, was mit etwas Übung aber flüssig von der Hand geht – auch wenn einige der Symbole wie etwa Gerste und Weizen oder Bronzebarren und Backsteine sich etwas zu ähnlich sind und so vermeidbare Fehler passieren können.

Die Siedlung wächst: Auf den engen Karten ist oft richtig was los.
Die Warenketten sind übrigens recht kurz. Mehrstufige Verarbeitungen wie bei Anno und Co. gibt es im alten Mesopotamien nicht. Auch beschränken sich die Dienstleistungen auf Wasserträger, Beamte und Priester. Anders als bei Pharao gibt es hier kein Gesundheitswesen, keine Feuerwehr, keine Unterhaltungsgebäude etc. Der Spielablauf ist klar auf das Management der Waren zugeschnitten, sodass der Städtebau zum Teil etwas zu sehr in den Hintergrund tritt, wenngleich ich dennoch durchgehend mit der Optimierung meiner Siedlung beschäftigt bin. Dafür gibt es übrigens sehr umfangreiche und grafisch schlüssig aufbereitete Statistiken, die mir schnell Fehler in Planung und Ausführung meiner Produktion offenbaren.

Viel Transport – wenig Städtebau

Insgesamt setzt die Kulisse auf einen gelungenen Mittelweg zwischen Übersicht und Wuselfaktor. Waren werden in Lagern jederzeit klar sichtbar angezeigt, Anhand der Standfarbe von Märkten kann ich erkennen welche Waren ausgeliefert werden und die Gebäudestufen sind deutlich voneinander abgesetzt. Gleichzeitig werkeln überall nett animierte Figuren und mit Trägern, Karawanen und Co. entsteht eine lebendig wirkende Siedlung. Natürlich kann man technisch bei weitem nicht mit dem Aufbau-Schwergewicht Anno 1800 mithalten, doch ist die 2D-Kulisse ein schönes Zitat des klassisch-antiken Aufbaustrategie.

Spannend ist auch das Handelssystem, denn nicht alle Rohstoffe können vor Ort produziert und gefördert werden. Errichte ich den Handelshafen, kann ich auf einer Weltkarte verschiedene Orte auswählen, mit denen Handel getrieben werden kann. Hier kann ich meine Überschüsse verkaufen und dafür wertvolles Elfenbein, Papyrus oder Bronzebarren importieren, die ich selbst nicht herstellen kann. Zudem ist der Handel der einzige Weg Geld zu verdienen, um die Stadt wachsen zu lassen.

Handel ist alles

Dementsprechend wichtig ist der Fokus auf das Freischalten der Handelspartner, was zunächst über einen Prestige-Wert und nach ersten Annäherungen im Anschluss über ein Warengeschenk funktioniert. Danach steigt mein Ansehen bei den anderen Reichen, je länger ich mit ihnen Waren tausche. Zudem bekomme ich immer wieder Anfragen nach bestimmten Gütern, die bei Erfüllung ebenfalls die Beziehungsleiste in den grünen Bereich verschieben. Je besser meine Beziehungen mit meinen Handelspartnern, desto bessere Preise erhalte ich für Im- und Export. Außerdem steigt auch das Prestige meiner Siedlung, wenn andere mich für einen beeindruckenden Herrscher halten.

Der Handel ist ein wichtiges und mächtiges Instrument. Anders kann kein Geld verdient werden.
Der Handel funktioniert schlüssig, ist wichtig und auch extrem mächtig. Oft ist es eine sinnvolle Strategie, zunächst nur die grundlegenden Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen und so schnell wie möglich mehrere Handelspartner freizuschalten, damit man ihnen in Masse produzierte Ware andrehen kann. Denn mit einer recht zügig prall gefüllten Schatzkammer ist es erheblich einfacher, den weiteren Ausbau der Stadt voranzutreiben. Also ist es wichtig einen guten Ort für den Hafen zu finden, damit sich dort zahlreiche Lager platzieren lassen, damit der Warenumschlag so reibungslos wie möglich erfolgt.

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Die großen Tempelbauten können manuell entworfen werden, es gibt eine Vielzahl von Elementen und Stilen.
m das Prestige weiter zu erhöhen können zudem große Tempelanlagen errichtet werden. Hier kann man zumeist auf einen vorgefertigten Bauplan oder einen eigenen Entwurf zurückgreifen. Um einen Tempel fertigzustellen, platziere ich zunächst die Grundfläche und richte ein Lager für Backsteine ein. Will ich selbst als Architekt tätig werden, kann ich über mehrere Ebenen mit verschiedenen Baustilen, Deckenhöhen, Durchgängen, Treppen, Wandfarben und Türmen austoben sowie Zierobjekte wie Feuerschalen und Bepflanzungen platzieren – allerdings immer nur exakt solange, wie Baumaterial vorhanden ist. Platziere ich einen fertigen Bauplan, muss ich nur noch Material anliefern, während der Tempel fertiggestellt wird.

Prestigeträchiger Tempelbau

Die Bauwerke sind allerdings richtig groß - und Platz ist der Endgegner in Nebuchadnezzar. Die Karten der Kampagne sind mit Absicht knapp entworfen und da sich nicht auf jedem Untergrund auch jedes Gebäude errichten lässt, muss mit großem Aufwand bewässert, umbaut und freigehalten werden, um alle Produktionsketten errichten zu können.

Der Kampf mit dem Platz 

Bei späteren Missionen ist am Ende beinahe die ganze Karte zugebaut, nachdem zuvor oft großflächige Umstrukturierungen notwendig waren. Immerhin: fairerweise gibt es bei Abriss von Gebäuden immer Geld zurück, somit ist man nicht plötzlich pleite, nur weil ein Viertel an der falschen Stelle steht.

Großproduktion: Die Industrie kann große Ausmaße annehmen.
Eine Achillesferse der gelungenen Aufbaustrategie ist allerdings derzeit noch der Umfang: Neben der immerhin 13 Missionen umfassenden Kampagne, die quer durch die Mesopotamische Geschichte von kleinen, vorkeramischen Tutorial-Anfängen bis zur Errichtung des weltbekannten Babylon inkl. der Hängenden Gärten führt, gibt es derzeit nichts.

Es fehlt an Umfang

Kein Endlosspiel, keine Sandbox und auch keine vorgefertigten Szenarien abseits der über staubtrockene Texte inszenierten Kampagne. Entsprechend fehlt auch ein Map-Generator oder die Möglichkeit, auf den Kampagnen-Karten frei zu bauen. Allerdings haben die Entwickler hier bereits Abhilfe versprochen: Mit Patch 1.1 sollen sowohl Szenarien als auch ein Freies Spiel nachgereicht werden.

Fazit

Nebuchadnezzar ist ein gelungenes Aufbaustrategiespiel im klassischen Look mit einem interessanten Management-Ansatz. Nepos Games überzeugt mit einem komplexen Warenmanagement, gut ineinandergreifenden Systemen und viel Liebe zum Detail. Zwar hat man etwas Schlagseite hin zum Kleinklein bei Transport und Aufbewahrung und verliert so etwas den typischen Stadtaufbau aus dem Fokus. Aber immerhin setzt man so eigene Akzente und kann sich Alleinstellungsmerkmale gegenüber dem ebenfalls in Entwicklung befindlichen Remaster des Klassikers Pharao erarbeiten. Nebuchadnezzar ist selbst in seinem derzeit noch bescheidenen Kampagnen-Umfang ein gnadenloser Zeitfresser, der mit dem von den Entwicklern angekündigten Endlosspiel, Szenarien und einem möglichen Map-Editor vermutlich noch dutzende Stunden der Tüftelei im alten Mesopotamien ermöglicht.

Pro

  • klassische Aufbaustrategie in der Antike
  • frischer Schauplatz
  • stimmungsvolle 2D-Kulisse
  • manuelles Warenmanagement
  • wichtiger Handel
  • gute Statistiken und Übersicht
  • gute Kampagne
  • viele Waren und Dienstleistungen

Kontra

  • kein Endlosspiel
  • noch keine Szenarien
  • trockene Präsentation der Kampagne
  • Fokus etwas zu stark auf der Logistik
  • Menüs zum Teil etwas zu kleinteilig
  • Waren-Icon zum Teil etwas zu ähnlich
  • Kein Multiplayer

Wertung

PC

Nebuchadnezzar inszeniert richtig gute Aufbaustrategie im alten Mesopotamien, mit Fokus auf den Warentransport.

Echtgeldtransaktionen

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Kommentare
JoniSaid

Werde dem ganzen eine Chance geben. Pharao war und ist mein liebster City Builder, en ich tatsächlich heute noch ab und zu anschmeiße.

Komplexe Lieferketten á la Anno brauchts da m.E. gar nicht, Fokus lag bei mir persönlich eher auf dem Monumentenbau.

vor 3 Jahren
JudgeMeByMyJumper

Ich liebe die Sierra/Impressions Games City Builder wie Caesar 3 und Der erste Kaiser. Und daher spricht mich dieses Spiel hier auch extremst an. Aber diese Beschreibung des Mikromanagements bezüglich der Lieferketten/Auslieferung hat es mir dann doch madig gemacht. Wenn es eine Demo gäbe, würde ich das mal ausprobieren, aber so verzichte ich darauf, und hoffe Pharao holt mich da eher nochmal ab. Ansonsten hat mich nach dem 3D Caesar IV von 2006 und dem genialen, weil so unheimlich freien Medieval Lords kein Aufbaustrategietitel mehr angesprochen.

Überhaupt, warum nicht mal ein neues Caesar oder eben Medieval Lords 2? Muss doch auch dafür eine Nische da sein...

vor 3 Jahren
Andraax

Klingt erstmal interessant, aber wenn man bei der Supply Chain evtl. wegen des hinsichtlich des Mikromanagements aufwändigen und anscheinend störungsempfindlichen Logistikkonzepts oberflächlich bleibt, und dabei nicht einmal eine mehrstufige Produktionskette hat, dann ist meine erwartete Langzeitmotivation eher begrenzt. Militär scheint es auch kaum zu geben, so dass sich für mein Gefühl beim Lesen des Tests Nebuchadnezzar irgendwie zwischen die Stühle von Anno, SimCity und Factorio setzt, aber dabei jeweils nur an der Oberfläche kratzt. Klingt zwar unterhaltsam, aber nicht interessant genug um es meiner Bibliothek hinzuzufügen.

vor 3 Jahren
HellToKitty

Sehr cool, ich hab mal wieder Lust aus Aufbau, auch wenn ich als alter Rimworlder eher zu Songs of Syx tendiere. Das Setting finde ich sehr ansprechend. Da bekommt man gleich Bock auf blaue Kacheln.

vor 3 Jahren
casanoffi

Sehr interessant, wirkt wie eine Mischung aus Pharao und Factorio ^^

vor 3 Jahren