Nebuchadnezzar - Test, Taktik & Strategie, PC
Zugegeben: Schon der Name macht es dem Spiel nicht leicht. Nebuchadnezzar klingt eben einfach nicht so richtig schmissig. Allerdings ist vor allem Nebukadnezar II., so die eingedeutschte Schreibweise, ein überaus passender Charakter für Aufbaustrategie zwischen Euphrat und Tigris – wurden unter seiner Herrschaft im 6. Jh. v. Chr. doch faszinierende Bauten wie das strahlend blaue Ischtar-Tor gefertigt, eines der berühmten Stadttore Babylons.
Nebuchadne….wer?!
Wer Klassiker wie Caesar oder Pharao kennt, findet sich dann auch schnell beim Städtebau im Zweistromland zurecht: Aus isometrischer Perspektive und in stimmungsvoller 2D-Kulisse errichte ich Häuser, Verarbeitungsstätten, Lager und Dienstleistungsgebäude, versorge Einwohner mit Waren, um ihre Behausungen im Level zu steigern, handle mit den Nachbarreichen und errichte später große Tempel und Monumente, um das eigene Ansehen zu steigern. Dazu lege ich Bewässerungsgräben an, um den Wüstensand urbar zu machen, errichte Farmen und Lehmgruben, schaffe Keramikwerkstätten, Handelshäfen und verschönere die Viertel meiner in Villen lebenden Oberschicht, damit sie überhaupt erst in meine Stadt kommen.
Doch Nebuchadnezzar ist im Kern mehr Logistik-Manager als Stadtbau-Simulator. Denn von den zahlreichen Waren, von Brot und Ziegenmilch über Datteln bis religiöse Statuetten, die für drei Bevölkerungstypen vom einfachen Bauern bis zum Aristokraten in bis zu vier Stufen notwendig sind, muss ich jede einzelne Route von der Produktion bis zur Auslieferung planen. Anders als in ähnlichen Spielen wie der Anno-Reihe, wo ich eher aufs große Ganze achte und mir bis auf Reichweiten-Zonen keine Gedanken über die Lieferung mache, muss ich hier jeden Lieferweg per Karawane und Marktläufer selbst einrichten.
Ey, wo ist meine Ziegenmilch?
Trotz etwas kleinteiliger Menüs funktioniert dieses Prinzip nach etwas Eingewöhnungszeit gut und erweitert den üblichen Städtebau um eine interessante Facette. So bin ich beinahe durchgehend damit beschäftigt, die besten Routen und Versorgungswege auszutüfteln. Mit jedem Stufenaufstieg der Gebäude kommen zudem nicht nur weitere Bedürfnisse hinzu, sondern auch der Bedarf an Basis-Waren steigt, da mehr Menschen in einem Haus wohnen. Mehr Bevölkerung heißt im Umkehrschluss aber auch mehr Arbeitskraft, die ich dringend in meinen Werkstätten, auf meinen Feldern und für den Transport benötige.
Arbeit, Arbeit
Gleichzeitig steigt die Gefahr eines Totalzusammenbruchs meiner Wirtschaft: Fällt durch einen Fehler nur eine der Lieferketten aus, verliere ich durch Zurückstufung meiner Gebäude schnell Einwohner, was zu weiteren Engpässen und Ausfällen führen kann. Besonders fragil wird das System, wenn ich z.B. Bürger und Bauern gleichermaßen für eine Lieferkette brauche. So wird etwa Bier, das für die vierte Stufe der einfachen Häuser benötigt wird, von Bürgern gebraut, nachdem die Gerste von Bauern angebaut wurde.
Viel Transport – wenig Städtebau
Insgesamt setzt die Kulisse auf einen gelungenen Mittelweg zwischen Übersicht und Wuselfaktor. Waren werden in Lagern jederzeit klar sichtbar angezeigt, Anhand der Standfarbe von Märkten kann ich erkennen welche Waren ausgeliefert werden und die Gebäudestufen sind deutlich voneinander abgesetzt. Gleichzeitig werkeln überall nett animierte Figuren und mit Trägern, Karawanen und Co. entsteht eine lebendig wirkende Siedlung. Natürlich kann man technisch bei weitem nicht mit dem Aufbau-Schwergewicht Anno 1800 mithalten, doch ist die 2D-Kulisse ein schönes Zitat des klassisch-antiken Aufbaustrategie.
Spannend ist auch das Handelssystem, denn nicht alle Rohstoffe können vor Ort produziert und gefördert werden. Errichte ich den Handelshafen, kann ich auf einer Weltkarte verschiedene Orte auswählen, mit denen Handel getrieben werden kann. Hier kann ich meine Überschüsse verkaufen und dafür wertvolles Elfenbein, Papyrus oder Bronzebarren importieren, die ich selbst nicht herstellen kann. Zudem ist der Handel der einzige Weg Geld zu verdienen, um die Stadt wachsen zu lassen.
Handel ist alles
Dementsprechend wichtig ist der Fokus auf das Freischalten der Handelspartner, was zunächst über einen Prestige-Wert und nach ersten Annäherungen im Anschluss über ein Warengeschenk funktioniert. Danach steigt mein Ansehen bei den anderen Reichen, je länger ich mit ihnen Waren tausche. Zudem bekomme ich immer wieder Anfragen nach bestimmten Gütern, die bei Erfüllung ebenfalls die Beziehungsleiste in den grünen Bereich verschieben. Je besser meine Beziehungen mit meinen Handelspartnern, desto bessere Preise erhalte ich für Im- und Export. Außerdem steigt auch das Prestige meiner Siedlung, wenn andere mich für einen beeindruckenden Herrscher halten.
U
m das Prestige weiter zu erhöhen können zudem große Tempelanlagen errichtet werden. Hier kann man zumeist auf einen vorgefertigten Bauplan oder einen eigenen Entwurf zurückgreifen. Um einen Tempel fertigzustellen, platziere ich zunächst die Grundfläche und richte ein Lager für Backsteine ein. Will ich selbst als Architekt tätig werden, kann ich über mehrere Ebenen mit verschiedenen Baustilen, Deckenhöhen, Durchgängen, Treppen, Wandfarben und Türmen austoben sowie Zierobjekte wie Feuerschalen und Bepflanzungen platzieren – allerdings immer nur exakt solange, wie Baumaterial vorhanden ist. Platziere ich einen fertigen Bauplan, muss ich nur noch Material anliefern, während der Tempel fertiggestellt wird.Prestigeträchiger Tempelbau
Die Bauwerke sind allerdings richtig groß - und Platz ist der Endgegner in Nebuchadnezzar. Die Karten der Kampagne sind mit Absicht knapp entworfen und da sich nicht auf jedem Untergrund auch jedes Gebäude errichten lässt, muss mit großem Aufwand bewässert, umbaut und freigehalten werden, um alle Produktionsketten errichten zu können.
Der Kampf mit dem Platz
Bei späteren Missionen ist am Ende beinahe die ganze Karte zugebaut, nachdem zuvor oft großflächige Umstrukturierungen notwendig waren. Immerhin: fairerweise gibt es bei Abriss von Gebäuden immer Geld zurück, somit ist man nicht plötzlich pleite, nur weil ein Viertel an der falschen Stelle steht.
Es fehlt an Umfang
Kein Endlosspiel, keine Sandbox und auch keine vorgefertigten Szenarien abseits der über staubtrockene Texte inszenierten Kampagne. Entsprechend fehlt auch ein Map-Generator oder die Möglichkeit, auf den Kampagnen-Karten frei zu bauen. Allerdings haben die Entwickler hier bereits Abhilfe versprochen: Mit Patch 1.1 sollen sowohl Szenarien als auch ein Freies Spiel nachgereicht werden.
Fazit
Nebuchadnezzar ist ein gelungenes Aufbaustrategiespiel im klassischen Look mit einem interessanten Management-Ansatz. Nepos Games überzeugt mit einem komplexen Warenmanagement, gut ineinandergreifenden Systemen und viel Liebe zum Detail. Zwar hat man etwas Schlagseite hin zum Kleinklein bei Transport und Aufbewahrung und verliert so etwas den typischen Stadtaufbau aus dem Fokus. Aber immerhin setzt man so eigene Akzente und kann sich Alleinstellungsmerkmale gegenüber dem ebenfalls in Entwicklung befindlichen Remaster des Klassikers Pharao erarbeiten. Nebuchadnezzar ist selbst in seinem derzeit noch bescheidenen Kampagnen-Umfang ein gnadenloser Zeitfresser, der mit dem von den Entwicklern angekündigten Endlosspiel, Szenarien und einem möglichen Map-Editor vermutlich noch dutzende Stunden der Tüftelei im alten Mesopotamien ermöglicht.
Pro
- klassische Aufbaustrategie in der Antike
- frischer Schauplatz
- stimmungsvolle 2D-Kulisse
- manuelles Warenmanagement
- wichtiger Handel
- gute Statistiken und Übersicht
- gute Kampagne
- viele Waren und Dienstleistungen
Kontra
- kein Endlosspiel
- noch keine Szenarien
- trockene Präsentation der Kampagne
- Fokus etwas zu stark auf der Logistik
- Menüs zum Teil etwas zu kleinteilig
- Waren-Icon zum Teil etwas zu ähnlich
- Kein Multiplayer
Echtgeldtransaktionen
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- Es gibt keine Käufe.