Story of Seasons: Pioneers of Olive Town - Test, Simulation, PC, Switch

Story of Seasons: Pioneers of Olive Town
24.03.2021, Jan Wöbbeking

Test: Story of Seasons: Pioneers of Olive Town

Das bessere Harvest Moon

Nachdem Harvest Moon: Eine Welt erst kürzlich wieder lieblos das Bauernhof-Thema gemolken hat, liegt die Hoffnung derzeit auf Story of Seasons: Pioneers of Olive Town. Dies stammt schließlich vom ursprünglichen Harvest-Moon-Schöpfer Marvelous. Wir haben uns im Switch-Titel die virtuelle Hacke geschnappt und den verfallenen Hof des Großvaters auf Vordermann gebracht.

Schon in den ersten Minuten wirkt die Präsentation eine ganze Ecke aufwändiger als im aktuellen Harvest Moon: Eine Welt: Aus einer weitgehend festen Perspektive wiegen sich Bäume und Kirschblüten sanft im räumlichen Comic-Design. Leider trübt auch hier ein Dauerruckeln das Bild, zumal das Nachladen für lange Pausen, Bild-Hänger und sichtbaren Grafikaufbau sorgt. Trotzdem wirkt die etwas heruntergekommene Küstenstadt Olivingen schon bei der Ankunft um einiges liebevoller als Natsumes Welt.

Vom Chaos zur Idylle

Als Neuankömmling aus dem simplen Charakter-Editor macht man eben das, was man schon aus Dutzenden Vorgängern und Vorbildern kennt: Den überwucherten Hof mit Feldarbeit und Tierzucht auf Vordermann bringen. Dazu Baumaterial fürs verschlafene Städtchen liefern, damit auch dort neues Leben einkehrt, was wiederum Touristen anlockt. Alles also sehr austauschbar, aber dank der putzigen Präsentation und der Erfahrung des Teams wurde das weitgehend bekannte Thema immerhin relativ hübsch umgesetzt und dürfte daher auch einige Serienkenner mit Ermüdungserscheinungen anlocken.

Wer nicht regelmäßig Bäume fällt, lässt seine Farm schnell wieder zuwuchern, sodass die Tiere hängen bleiben. In trockengelegten Teichen wartet übrigens mitunter ein Schatz.
Der Fokus aufs Freiräumen, Trockenlegen und die Reparatur des verfallenen Anwesens mit diversen erweiterbaren Ställen ist zunächst eine schöne Idee, zumal auch erste Nutztiere im Dickicht entdeckt und gezähmt werden. Auf Dauer strapazieren die schnell nachwachsenden Bäume und Steine aber schon mal die Nerven, da man sie immer wieder mühsam mit Axt und Hammer aus dem Weg schaffen muss. Die Nutztiere oder der Haushund haben ebenfalls ihre Probleme mit dem Wildwuchs: Mit ihrer schwachen Wegfindung bleiben sie schnell mal zwischen dem Gerümpel hängen und müssen sich dann erst einmal in die Freiheit bzw. den Stall teleportieren. Hier und da könnten die Eingaben allgemein ein wenig präziser umgesetzt werden, da man beim Ackern oder beim Aufbau von Zäunen nicht selten das falsche Quadrat anpeilt.

Freiräumen und Zähmen

Wie gehabt lässt man in der vorindustriellen Bauernhofidylle morgens die Tiere aufs Feld, melkt und streichelt, sammelt gelegte Eier ein und ackert auf beliebig vielen umgegrabenen Feldquadraten. Das Saatgut aus dem benachbarten Lädchen wird je nach Fähigkeitsstufe auf mehrere Felder gleichzeitig geschleudert. Danach folgt das Gießen per Knopfdruck und ein paar Tage später die Ernte, die bequem per Versandbox verkauft wird. Die Konstruktion von Sprinklern erleichtert die irgendwann monoton werdende Routine. Um an die benötigten Erze zu gelangen, sind vorher aber etwas zu viele Ausflüge in diverse Minen nötig, wo das exzessive Hacken per Knopfdruck schnell ähnlich monoton wird.

Zeit für die Erdbeerernte zwischen wehenden Blütenblättern! Bei Regenwetter hat der Sprinkler dagegen Pause und auch das Vieh bleibt dann im Stall.
Außerdem wird mit Hilfe verschiedener Materialien ein ganzer Maschinenpark zur Veredelung aufgebaut: Robustes Holz wird ratternd zu Bauholz, Eier zu Mayonnaise, Gras zu Garn und dann zu Stoff. Letzterer lässt sich bei der Schneiderin mit Hilfe ausgepresster Farben in Kleidungsstücke verwandeln, darunter erstaunlich große Mützen.

Ratter, ratter!

Je nach Jahreszeit gedeihen nach ein paar Tagen unterschiedliche Feldfrüchte wie Rüben, Zwiebeln, Tee, Beeren, Blumen oder Reis – teils mit mehrfacher Ernte. Im Städchen oder dem Wald gibt es ebenfalls viel zu tun, etwa die Entdeckung wilder Früchte oder neuer Pflanzenarten, die Fotojagd auf Wildtiere oder das Abliefern diverser Erzeugnisse, um die Einwohner und den Bürgermeister glücklich zu machen. Großprojekte wie Straßen oder der Ausbau des Rathauses werden schließlich in schlichten, nicht vertonten Zwischensequenzen präsentiert. Dazwischen werden kleine Entscheidungen im Adventure-Stil eingestreut, die sich u.a. um das Ködern von Touristen und neuen Heiratskandidaten drehen. Apropos Köder: Mit speziellen Exemplaren an der Angel beißen auch die Fische besser an. Das entsprechende Angel-Minispiel mit dem nötigen Timing und zitternder Leine wurde gelungen umgesetzt; anderswo verlassen sich die Tätigkeiten aber zu oft auf fade Fleißarbeit und einfaches Knöpfchendrücken.

Die Komplexität von Sakuna: Of Rice and Ruin beim Reisanbau wäre hier vermutlich zu viel des Guten - trotzdem würde mehr mechanische Abwechslung dem Spiel gut tun. Sogar der zunächst geheimnisvolle Besuch bei den kugelrunden Wichteln verkommt schnell zum öden Abklappern ihres Dorfes, um per Knopfdruck Belohnungen abzusahnen und Aufgaben zu verteilen. Ähnlich lustlos wurden die Online-Features umgesetzt, z.B. zum Hochladen von Schnappschüssen. Selbst in Wii-Oldies wie Animal Crossing: Let's Go to the City konnte man schließlich schon die Welten anderer Spieler besuchen, sogar inklusive Sprach-Chat. Hier hingegen scheint man nur seinen Avatar auf die Reise zuschicken.

Zu viel simples Knöpfchendrücken

Trotz all dieser Versäumnisse offenbaren sich aber auch schnell einige Stärken von Pioneers of Olive Town: Der üppige Umfang und das Feintuning der ineinander greifenden Tätigkeiten profitieren schließlich spürbar von der langen Erfahrung des Teams. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge, technischen Hilfsmittel, Läden und helfenden Handwerker wurden größtenteils sinnvoll aufeinander abgestimmt – auch wenn man hier die Konkurrenz durch Mitbewerber vermisst.

Guter Rat ist teuer - ein gutes Rathaus ebenfalls.
Der Erkundungsdrang bleibt ebenfalls hinter manch einem Konkurrenzspiel zurück. Die abenteuerliche Aufbruchstimmung des postapokalyptischen My Time at Portia mit seinen weiten Landschaften und urigen Figuren sollte man hier nicht erwarten. Stardew Valley versteht es ebenfalls besser, den Spieler mit interessanteren Charakteren in seine liebevoll designte Pixel-Welt zu ziehen. Die Figuren im aktuellen Story of Seasons bleiben dagegen ziemlich austauschbar. Mit ihrem belanglosen, fast immer freundlichen Smalltalk gehen sie viel zu sehr auf Nummer sicher, statt immerhin etwas Profil zu zeigen. Im Gegensatz zum neuen Harvest Moon besitzen aber immerhin alle Personen ihren eigenen Namen statt plump generierter Titel wie „Plumper Mann“.

Konkurrenz für Stardew Valley?

Kurze Gespräche und individuelle Geschenke fördern erneut die Freundschaft, um später z.B. zu heiraten und eine Familie zu gründen. Wie gehabt spielen auch Geburtstage und Festivals eine wichtige Rolle in der Dorfgemeinschaft, insgesamt gibt es über 200 Events. Sie sorgen aber nicht unbedingt für Abwechslung, da Feste wie die an Ostern erinnernde Eiersuche automatisch ablaufen. Interessanter wird später die Haltung von Pferden zum Reiten, diversen Schaf-Züchtungen oder exotischen Tierarten wie Lamas. Auch verschiedene Pilze lassen sich züchten, sobald man einen entsprechenden Baumstamm zum Anbau repariert hat.

Der Knuddelfaktor ist um einiges höher als im aktuellen Harvest Moon. Kein Wunder: Viele Tiere bestehen zu 50% aus Kopf.
Hof und Werkzeuge werden im Laufe der Zeit bei den Handwerkern des Ortes aufgemotzt, was im gewöhnlichen Spiel aber eine ganze Menge Zeit und Ressourcen bedeutet. Allgemein gehen hier viele Spielstunden ins Land, bis eine Jahreszeit verstrichen ist und sich auf der überschaubaren Karte neue Gebiete eröffnen. Das Schlafengehen lässt sich mit Hilfe gekochter Gerichte (plus Nachtisch ohne Völlegefühl!) sogar auf praktische Weise hinauszögern. So wird nach einem langen Tag noch ein abendlicher Trip in eine Mine möglich. Wer den Alltag auf dem Land entspannter angehen möchte, kann übrigens alternativ einen „Setzlings-Modus“ starten. Darin wird das Leben mit Vorteilen wie höheren Einnahmen, höherer Ausdauer und schneller Erfahrungspunkten für Fertigkeiten erleichtert.

Ländlicher Zeitfresser

Fazit

Am Ende des Tages steckt in Story of Seasons: Pioneers of Olive Town zwar ein ideenarmes, dafür aber immerhin routiniertes Bauernhof-Abenteuer. Der Großteil der umfangreichen Mechaniken wurde gut aufeinander abgestimmt, besitzt aber kleine Macken und verlässt sich etwas zu sehr auf Fleißarbeit per Knöpfchendrücken. So monoton wie in Harvest Moon: Eine Welt mit seiner stupiden Einknopfsteuerung wird es aber zum Glück lange nicht! Die stagnierende Serie hat nichtsdestotrotz viel von ihrer Faszination verloren. Die Entwickler von Stardew Valley oder My Time at Portia sind mit spürbar mehr Herzblut bei der Sache, statt ständig nur ein leicht verändertes Konzept zu recyceln. Viele neue oder junge Spieler mit einer Switch dürften trotzdem Spaß auf dem Feld haben, da immerhin ein routiniertes Aufbau-Abenteuer geboten wird.

Pro

  • idyllische Comic-Kulisse
  • viele motivierend abgestimmte Mechaniken
  • zahlreiche Tiere, Maschinen und Möglichkeiten

Kontra

  • Übertriebene Fleißarbeit und starker Wildwuchs macht einige Aufgaben, Minispiele und Festivals monoton
  • dauerhaft leichtes Ruckeln
  • kleine technische Probleme, z.B. bei der Wegfindung
  • Story und Charaktere wirken sehr austauschbar

Wertung

Switch

Trotz eines Mangels an neuen Impulsen und etwas zu viel monotonem Knöpfchendrücken steckt in Story of Seasons: Pioneers of Olive Town ein routiniertes Bauernhof-Abenteuer.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
Kommentare
Dearan

Sehr schade. Hatte mich auf das Spiel gefreut.
Kenne die Vorgänger nicht, nur das allererste Harvest Moon und selbstverständlich das sehr gute Stardew Valley.
Aber bei so einer Wertung und den verhaltenden Reaktionen auf dem Reddit-Forum werde ich lieber erst einmal nicht zuschlagen.
Dann also jetzt erst einmal auf Rune Factory 5 warten?

vor 3 Jahren
Todesglubsch

Was macht Stardew Valley denn gameplaytechnisch besser?
IMO nichts, bzw. nichts, was nicht irgendein HM-Teil schon gemacht hätte.
Aber es scheint mir dabei deutlich fokussierter zu sein, d.h. es gibt keine Features, die dir irgendwie zwischen die Beine grätschen. Es konzentriert sich auf sein Kernelement und dieses wird durch neue Inhalte nicht zerstört. Jeder HM-Teil der irgendein neues Gimmick hatte, änderte auch das Kernelement, also den Bauernhof-Teil.

vor 3 Jahren
Dat Scharger

Das ist eigentlich eine sehr gute Frage.
[...]
Also, eigentlich pure Nostalgie mit den kostenlosen Updates als Boni? Was macht Stardew Valley denn gameplaytechnisch besser?

vor 3 Jahren
Wulgaru

Ich glaube ein großer Aspekt ist der Look. Ich finde sowohl Harvest Moon als Story of Seasons sehen immer noch aus wie hochskalierte DS-Spiele. Ich bin mal gespannt ob Rune Factory was abliefert. Habe den Wii-Teil ziemlich gut gefunden, wenn dieses Spirit-System dort nur nicht gewesen wäre.

vor 3 Jahren
Todesglubsch

Was genau macht Stardew Valley eigentlich besser als die Konkurrenz?
Das ist eigentlich eine sehr gute Frage.
Die Unterschiede fangen ja schon ganz vorne an: Sowohl HM, als auch SoS sind wirtschaftliche Produkte die Cash abwerfen sollen. Das ist ihr einziger Zweck. Der Season Pass wird prominent beworben.

Stardew Valley hingegen war das Produkt eines Mannes, der sein Herz und seine Seele reingesteckt hat, da das Spiel zeigen sollte, was er alles kann. Es bekam im Laufe seines Bestehens mehrere Inhaltsupdates und sogar Multiplayer - alles kostenlos, obwohl mit 505 ein wirklich geldgeiler Publisher mit dabei ist.

Ich schätze Stardew spricht zudem einfach unsere Nostalgie an, da es grafisch an das Original HM erinnert, das biele von uns gespielt haben. Die HM-Reihe verlor ja irgendwie den Zauber, als sie sich ins Dreidimensionale wagte.

vor 3 Jahren