NeoGeo Pocket Color Selection Vol. 1 - Test, Prügeln & Kämpfen, Switch

NeoGeo Pocket Color Selection Vol. 1
27.03.2021, Matthias Schmid

Test: NeoGeo Pocket Color Selection Vol. 1

Die Switch als Handheld-Exot

SNK hat nicht nur Arcade-Action und Prügel-Perlen produziert, sondern auch ein eigenes Handheld-System. Mit der NeoGeo Pocket Color Selection Vol. 1 kommen zehn seltene Mobilspiele auf die Switch. Was die Retro-Sammlung taugt und welche Titel euch erwarten, verrät der Test.

Schon seit dem April 2020 hat SNK damit begonnen, einzelne Titel aus der Spielebibliothek seines Handheld-Systems NeoGeo Pocket Color auf Switch neu zu veröffentlichen. Den Anfang machte der Mädels-only-Prügler SNK Gals’ Fighters, der pixelige Vorgänger vom langweiligen SNK Heroines - seitdem trudelten in unregelmäßigen Abständen fünf weitere SNK-Handheld-Klopper zum Preis von je 7,99 Euro im Switch-Shop ein. Nun entschied die japanische Kultfirma, dass es Zeit für eine speziell zusammengestellte Retro-Sammlung ist - die NeoGeo Pocket Color Selection Vol. 1. Zehn Titel sind enthalten, darunter auch die schon einzeln veröffentlichten Beat’em-Ups plus vier weitere Spiele: SNK Gals' Fighters, Samurai Shodown! 2, King of Fighters R-2, The Last Blade: Beyond the Destiny, Fatal Fury: First Contact, SNK vs. Capcom: The Match of the Millennium, Dark Arms: Beast Buster 1999, Metal Slug 1st Mission, Metal Slug 2nd Mission und Big

Unerverhofft kommt oft

Tournament Golf. Kurzum: 6 x Kloppen, 2 x Ballern, 1 x Action-Adventure, 1 x Sport. Bevor ich auf die einzelnen Titel und die technische Umsetzung in der Sammlung eingehe, ein paar Worte zur Konsole selbst - ist ja schließlich nicht so, dass wir alle mit dem NGPC aufgewachsen wären…

Metal Slug macht auf NGPC etwas Laune - die famose Pixel-Kulisse der Originale ist aber nicht zu ersetzen.
1998 brachte SNK, stolzer Hersteller von Arcade-Hits und der Luxus-Konsole NeoGeo, seine erste Mobilkonsole auf den Markt - doch der NeoGeo Pocket, ein schickes kleines Gerät mit langer Batterielaufzeit, aber monochromem Bildschirm war ein Misserfolg mit einer Softwarebibliothek von nur zehn Titeln. Schon 1999 legte man deshalb nach: Der NeoGeo Pocket Color (NGPC) brachte zwar auch keine Hintergrundbeleuchtung mit, doch sollte mithilfe starker SNK-Umsetzungen dem Game Boy Color in allen drei wichtigen Territorien Konkurrenz machen. Dass dies in wirtschaftlicher Sicht gründlich misslungen ist, verrät uns die Geschichte - sogar Bandais Wonderswan hatte sich besser verkauft; trotzdem brachte es das kurzlebige und günstige Handheld auf 80 Titel. Spannende Details am Rande: Das Gros der NGPC-Titel ist kompatibel mit dem monochromen NeoGeo Pocket - die Titel werden dann einfach in schwarz-weiß wiedergegeben; in die andere Richtung geht es noch besser: Alle 10 NGP-Spiele funktionieren auch auf der Farb-Mobilkonsole. Trotz der kurzen Lebenspanne - bereits 2001 zog die SNK- Mutterfirma Aruze den Stecker - gab es den NGPC in mehreren Gehäusevarianten und sogar noch einer leicht verbesserten Version als New NeoGeo Pocket Color.

Sieht schön aus: So ein Samurai-Klopper im monochromen Look des NeoGeo Pocket mit passend weißem Handheld-Skin.
Die verschiedenen Farbvarianten des NGPC sind denn auch die perfekte Überleitung zur technischen Aufmachung der Retro-Sammlung: Alle zehn Titel können von einem übersichtlichen Menü aus gestartet werden - drückt man im Spiel auf die Minus-Taste der Switch, taucht das Optionsmenü auf. Dort verbergen sich unter dem Punkt „Display“ als Skins die unterschiedlichen Gehäusevarianten des NGPC. Ein schönes Detail! Wer die Umrandung ausblendet und per rechtem Stick ganz heranzoomt, erhält gar eine pixelgenaue, knackscharfe Vollbild-Darstellung mit schwarzen Balken links und rechts. Das geht natürlich nicht anders, schließlich hatte das Handheld mit seiner Auflösung von 160x152 Bildpunkten einen nahezu quadratischen Screen und kein 16:9-Bild. Zoomt ihr nicht ran, sondern blendet das komplette Handheld ein, so haben sich die Portierungsexperten von Code Mystics etwas ausgedacht: Dann könnt ihr im Handheld-Modus der Switch (Joy-Cons ab!) mit euren Daumen sogar die virtuellen Buttons nutzen - ein wirklich cooles Gimmick!

Gezoomt oder mit Gehäuse?

Die ebenfalls im Pausemenü zu findende Rückspulfunktion bietet an, die Action circa 12 Sekunden zurückzudrehen und in dieser Zeitspanne an jedem Punkt neu einzusteigen. Wer möchte, lässt sich auch die meist recht dicke Originalanleitung in Farbe anzeigen und studiert dort Movelisten oder Details zu den einzelnen Spielmodi. Eine komfortable Speicherfunktion findet man leider nicht, das haben die Programmierer anders gelöst: Wann immer man dasselbe Spiel startet, steigt man an der vorigen Stelle wieder ein (auch nach einem Switch-Neustart) - nur wenn man im Pausemenü auf Reset drückt, wird der Fortschritt gelöscht; zudem darf man natürlich die klassischen Speicheroptionen der enthaltenen Spiele nutzen. 

Vergleich: Metal Slug 1st Mission im Original, gehalten vor das virtuelle Modul in der NeoGeo Pocket Color Selection Vol. 1.
Auch vor dem Spielstart hat Code Mystics eine schöne Funktion eingebaut: Bei jedem Titel kann man zwischen japanischer und englischer Version wechseln und sich zudem Spielebox plus Modul aus allen Blickwinkeln anschauen - Packung und Cartridge wurden ansprechend modelliert und mit so starken Texturen beklebt, dass man sehr nah an die virtuellen Stücke heranzoomen kann. Zu guter Letzt wurde auch die einstige Link-Funktion des Handhelds emuliert: Alle enthaltenen Titel, die über einen Mehrspieler-Modus verfügten, können auch zu zweit an einer Switch gedaddelt werden.

Sechs mal wird zweidimensional geprügelt - bei all diesen Titeln hat man es mit für die damalige (Handheld-) Zeit ausgefeilten Spielen zu tun. Egal ob bei Samurai Shodown, King of Fighters oder Fatal Fury - blendet man die aus heutiger Sicht natürlich sehr schlichte Optik aus, dann flutschen die Schlägereien noch ordentlich. SNK machte meist einen guten Job, die Steuerung auf die zwei Buttons der Konsole einzudampfen und spendierte motivierende Einzelspieler- und Zusatzmodi. Vor allem SNK vs. Capcom: The Match of the Millenium ist mit seiner Prügel-Olympiade, den witzigen Minispielen und natürlich den Capcom-Gaststars ein wirklich starker Mobilklopper. 

Und die Spiele so?



Mai Shiranui beim Überschlag auf dem NeoGeo Pocket Color. SNK hat damals ganze Arbeit geleistet, die aufwändigen Prügelspiele auf das Handheld zu übertragen - trotzdem ist die Grafik natürlich sehr einfach.
Das restliche Quartett, das abseits dieser Collection, nicht zu bekommen ist, hinterlässt einen ordentlichen Eindruck: Die beiden Metal-Slug-Titel steuern sich gut und bieten nette Einzelspieler-Modi, sehen aber nicht annähernd so stark aus wie die großen Brüder - hier geht wirklich viel Ballerspiel-Flair verloren. Big Tournament Golf ist ein solides Golfspiel mit typisch gemütlicher Klick-Steuerung und vielen Kursen. Dark Arms: Beast Buster 1999 schließlich stellt den ungewöhnlichste Titel der Sammlung dar: Das Action-Adventure, das mich ein wenig an ein düsteres 2D-Zelda erinnert, schickt euch auf  Friedhof & Co. zu einer ansehnlichen, actiongeladenen Monster- und Untotenjagd. Kuriosweise ist der Titel ein Spin-off zu Beast Busters, einem brutalen 1989er Lightgun-Shooter von SNK, der nur den Allerwenigsten bekannt sein dürfte.

Fazit

Ich gebe zu, dass ich abseits von der Perle der Sammlung, SNK vs. Capcom: The Match of the Millenium, wenig Lust verspüre, die circa 20 Jahren alten Handheld-Titel heute noch richtig lange zu zocken. Spiele mit ungefähr Game-Boy-Color-Optik auf einem System mit nur zwei Buttons sind heutzutage nunmal nicht mehr der letzte Schrei. Auch die von mir kultisch verehrte Metal-Slug-Reihe brauche ich mit dieser radikal eingedampften Optik eigentlich nicht. Aus spielehistorischer Sicht hingegen ist diese Sammlung hochinteressant: Sie macht zehn exotische Handheld-Titel einem neuen Publikum zugängig und ist obendrein sehr sauber programmiert. Vom unkomfortablen Spulen abgesehen finde ich das Drumherum klasse: Die Bild-Optionen sind gut, Filter vermisse ich hier nicht, Mehrspieler-Matches sind möglich, die Touch-Option ist eine nette Dreingabe und das Betrachten der Boxen, Module und Anleitung auch super. Preislich sind 39,99 Euro für „nur“ zehn Titel aber natürlich eine andere Ansage als z.B. die Sega Mega Drive Ultimate Collection - zumal ich auch gerne noch weitere NGPC-Titel auf so komfortable Weise ausprobiert hätte: Das Taktikspiel Faselei!, den Wintersport-Ableger Cool Boarders Pocket oder Sonic the Hedgehoc Pocket Adventure hätten ruhig auch enthalten sein dürfen.

Pro

  • zehn exotische Handheld-Titel komfortabel spielbar
  • Mehrspieler-Modi enthalten
  • gute Bildoptionen mit stufenlosem Zoom
  • Touch-Steuerung im Handheld-Modus der Switch
  • SNK vs. Capcom: The Match of the Millenium ist stark
  • auch im Schwarz-Weiß-Look des NGP spielbar

Kontra

  • sehr überschaubare Handheld-Grafik
  • das Gros der Spiele reizt aus heutiger Sicht nur bedingt
  • Spulfunktion etwas unkomfortabel
  • explizite Speicherstände wären besser gewesen

Wertung

Switch

Technisch klasse umgesetzte, aus historischer Sicht interessante Sammlung exotischer Handheld-Oldies - die Titel selbst sind im Jahr 2021 aber keine Wucht mehr.

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