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Wraith: The Oblivion - Afterlife
27.04.2021, Jan Wöbbeking

Test: Wraith: The Oblivion - Afterlife

Gespenstisches Schleich-Abenteuer

Es wird ernst für Fast Travel Games: Nach dem surrealen Apex Construct und dem innovativen Schleichspiel Budget Cuts 2 versucht sich der VR-Entwickler an einer bekannten Marke im Universum von "World of Darkness". Wraith: The Oblivion – Afterlife soll das Blut in den Adern gefrieren lassen - und zwar nicht mit platten Geisterbahn-Schocks, sondern einer vereinnahmenden Geschichte und coolen Gespensterfähigkeiten. Wir sind durch den Test für Quest und Rift gegeistert.

Für das Review haben wir übrigens mit der Rift S und der Quest 2 gespielt, ältere Headsets wie die Quest 1 werden aber ebenfalls unterstützt. Vorwissen über Titel wie Vampire: The Masquerade oder Werewolf: The Apocalypse sind nicht nötig, da die Geschichte im "World of Darkness"-Universum weitgehend für sich alleine steht. In einem verlassenen Anwesen in den Hollywood Hills muss der Spieler als "Wraith"-Gespenst hinter das Geheimnis einer blutigen Séance gelangen - immer auf der Flucht vor den Spectre-Geistern aus einer Schattenwelt. Es handelt sich schließlich um einen Mix aus Adventure und Schleichspiel. Auch der eigene Tod gibt dem Protagonisten und Fotografen Ed Miller selbstverständlich Rätsel auf.

Finstere Vorahnung

Was genau ist passiert, als bei der sogar vom Medium belächelten Séance plötzlich tatsächlich ein Monstrum über dem Tisch erschien? Wohin könnten seine Frau Rachel und andere Überlebenden geflüchtet sein? Was genau wollte der exzentrische aber gebrechliche Filmproduzent Howard Barclay erreichen und welche Rolle spielen dabei die Intrigen unter Teilnehmern wie dem geldgierigen Galeriebesitzer Tom Shepard?

Nach dem Séance-Unfall wird Protagonist Ed zum "Todesalb" - so der deutsche Fachbegriff. Die professionell klingende Vertonung gibt es übrigens lediglich auf Englisch, auf Wunsch mit deutschen Untertiteln (Quest 2).
Meist wird all das leider nur in leicht animierten Rückblicken weitererzählt, die sich mit einer magischen Kamera auslösen lassen. Und doch haben die Entwickler eine unterhaltsame Erzählstruktur gefunden, bei der Eds abgespaltenes, finsteres Alter-Ego eine Erzähler-Rolle einnimmt und gelegentlich Hinweise auf die kommenden Aufgaben gibt. Seine hallende Stimme scheint förmlich aus allen Richtungen durch den eigenen Kopf zu zischen schafft schon zu Beginn eine angenehm düstere Grundstimmung. Auch andere räumliche Soundeffekte und plötzliche orchestrale Spitzen wurden hier genial abgemischt! Poltert in heiklen Momenten lieber nicht zu schnell über die knatschenden Bohlen, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf euch zu ziehen. Quest- und Rift-S-Besitzer sollten also unbedingt mit Kopfhörern spielen! Das Design des verwinkelten Anwesen vermittelt ebenfalls meist eine dichte Atmosphäre. Zudem wirken die okkulten Statuen und elitären Spielchen rund um Macht und Vermögen nicht so abgegriffen wie manch andere Horror-Themen.

Zurück in die Erinnerung

Nach und nach erfährt man neue Details und lernt als Gespenst frische Fähigkeiten. Meist schaffen die Autoren es, dabei das Interesse aufrecht zu erhalten. Zu Beginn kann die Fülle an Namen, Verflechtungen und Galerie-Einträge der herumspukenden Gespenster etwas zu viel werden - zumal man relativ lange nur mit Kamera und Blitzlicht bewaffnet durchs Anwesen streift, um Erinnerungen zu finden und überwucherte Durchgänge zu öffnen. Achtet also möglichst oft auf den magisch glühenden Arm. Dieser agiert ähnlich wie eine Wünschelrute, ohne so viel vorwegzunehmen wie ein moderner Open-World-Marker. Er hilft etwa bei der Wegfindung und schlägt auch bei anderen interessanten Objekten wie Lebens- oder Blitzgerät-Energie an.

Jetzt wird es höchste Zeit für eine Flucht oder ein Ablenkungsmanöver per Blitzlicht (Quest 2)!
Sobald Fähigkeiten wie das Durch-die-Wand schlüpfen an vorgegebenen Punkten oder das In-die-Luft-Hieven entfernter Objekte hinzukommen, gewinnt das Spiel angenehm an Tempo. Plötzlich fühlt man sich in seiner vernarbten und gruselig verzierten Haut deutlich mächtiger! Das heißt allerdings nicht, dass man zwischendurch nicht auch mal gehörig zusammenzuckt! Fast Travel Games verzichtet zwar bewusst auf billige Schreckmomente; die durch die Flügel des Anwesens spukenden Gespenster bringen ihr Opfer unterm VR-Headset jedoch trotzdem oft und gerne zum Schreien. Ob nun eine gescheiterte Schauspielerin mit Haltungsschäden oder ein blutüberströmter Geschäftspartner Barklays mit Basketballer-Statur: Sie alle dienen für gelegentliche Schleich-Einlagen in abgegrenzten Arealen im Stil von Alien: Isolation oder Jurassic World: Aftermath.

Ab durch die Wand!

Die Klasse des berüchtigten Xenomorphen erreicht die Inszenierung hier zwar nicht. Die unberechenbare KI sorgt trotzdem immer wieder für willkommene Spannung – vor allem, wenn man kurz zuvor vergessen hat, sich am manuellen Speicherpunkt abzusichern. Kleine Ablenkungsmanöver mit dem Equipment oder herumliegenden Gegenständen ergänzen die Stealth-Ausflüge. Sie wirken insgesamt zwar nur solide, aber spürbar professioneller umgesetzt als z.B. die ungelenk inszenierten Bosskämpfe im ersten Budget Cuts. Im Gegenzug war in dieser Serie aber das Schlüpfen durch die Wand cooler umgesetzt, da man vor dem Beamen durch ein Portal spicken konnte.

Wraith The Oblivion – Afterlife baut aber ohnehin stärker auf Abwechslung: Oft müssen hier kleine Adventure-Rätsel gelöst werden, allerdings ohne großes Inventar. Stattdessen erscheinen schon eingesammelte und derzeit relevante Gegenstände direkt neben Objekten wie einem Save oder einem versteckten Schlossmechanismus. Oft muss eine Reihe persönlicher Erinnerungsstücken aufgespürt werden – z.B. die Opfergaben, um den Rückblick aufs Ritual und dessen chaotischen Ergebnisse anzustoßen.

Eine runde Mischung?

Auf der Flucht im Gästehaus zwischen verschiedenen Geister-Schlupflöchern wird es übrigens schnell übertrieben dunkel. Mit ausgelutschter Batterie kann das fast blinde Irren durch die Gänge vor allem mit der Quest ein wenig nervig werden. Aufgrund der niedrigen Farbauflösung bekommt man hier hässlich grobe Farbverläufe zu Gesicht, zumal auch die dynamische Beleuchtung der PC-Fassung fehlt. Davon abgesehen schlägt sich die Technik auf dem Mobilsystem aber gut: Die detailreichen Flure, Filmplakate und Maserungen vermitteln ein gruseliges Gesamtbild. Auch unter der Rift S passen Stimmung und Kulisse. Am unschärferen Rand der Rift-S-Linsen lassen sich die (deaktivierbaren) Untertitel zwar schwerer lesen – es gibt allerdings keine hässlichen Farbverläufe wie auf der Quest 2. Erhängte PC-Gespenster baumeln mit hübscheren, dynamischen Schatten von der Decke und allgemein wirkt fast alles einen Deut sauberer als auf der Quest 2.

Wer wird denn gleich durch die Wand gehen? Ed natürlich - diese coole Fähigkeit beherrscht er zu Beginn aber leider noch nicht (Quest 2).
Trotzdem wird auf Anhieb klar, dass es sich um eine Kompromisslösung handelt, die nicht primär für den PC entwickelt wurde. Von Grafik-Highlights wie dem aufwändig inszenierten The Inpatient von Supermassive Games bleibt man ein ganzes Stück entfernt. Auch Don’t Knock Twice oder Here They Lie haben in der Gestaltung ihrer makabren, von blutigen Opfern geprägten Umgebung mehr Abwechslung zu bieten.

Auf dem PC etwas hübscher

Wraith The Oblivion – Afterlife bietet aber ein stimmigeres Design und ein homogeneres Gesamtbild, in das sich glaubwürdiger eintauchen lässt. Nur selten reißen Feinheiten den Spieler aus der tiefen Immersion. Das passiert z.B., wenn das übergroße Gespenst ungelenk über die Grenzen des Türrahmens hinausragt, wenn einer der seltenen Inventar-Bugs ein Flackern erzeugt oder sogar einen Neustart vom letzten Speicherpunkt erfordert. Zudem waren wir uns nicht sicher, ob es beabsichtigt war, dass sich der wichtige Fotoapparat schon sehr früh auf dem Séance-Tisch ablegen lässt – so dass er anderswo vorerst keine Story-Rückblenden mehr auslösen kann.

Nach und nach entdeckt die magische Kamera neue Erinnerungs-Sequenzen, bei denen die geisterhaften Schemen der Figuren nur leicht animiert wurden (Rift S).
Gelungen wirken dagegen die Komfort-Optionen. Sie bieten sogar eine eigenwillige optionale Teleportations-Steuerung, bei welcher Ed vor den eigenen Augen langsam zum angepeilten Ziel schreitet.

Komfortabel aber nicht fehlerfrei

Ebenfalls dabei sind allerlei Feineinstellungen für die Bewegungsrichtung, die schwarze Vignette am Bildrand oder die ruckartige Drehung in verschiedenen Winkeln – mit oder ohne kurze Abdunklung des Bildes. Gestählte VR-Veteranen können vieles davon komplett deaktivieren, um sich frei zu bewegen und zu drehen.

Fazit

Wraith The Oblivion – Afterlife wirkt also hier und da noch nicht ganz ausgefeilt, doch beim Aufbau der Umgebungen und den Schleich-Einlagen mit KI-Gegnern kann Fast Travel Games meist überzeugen. Unterm Strich handelt es sich daher um ein stimmungsvolles, vereinnahmendes Schleich-Adventure mit genialer Sound-Abmischung, das allerdings von ein paar spröden Abschnitten und Macken beim Feinschliff ausgebremst wird. Wer keine Lust auf Zombies oder simple Schreck-Momente hat und lieber langsam in ein Horror-Abenteuer hineingezogen werden möchte, dürfte hier also auf seine Kosten kommen. Andere PC-Headsets wie Index und Vive bekommen übrigens am 25. Mai ihre Steam-Umsetzung; eine PSVR-Fassung soll im späteren Jahresverlauf folgen.

Pro

  • stimmungsvolles, nicht zu sehr abgenutztes Horror-Szenario
  • ausgewogener Mix aus Erkunden, Schleichen, Rätseln und Erzählung
  • Sounddesign und räumliche Abmischung sind großartig
  • detailreiche Kulissen (für Quest-Verhältnisse)
  • zahlreiche Komfort-Optionen

Kontra

  • mitunter zu dunkel und verwirrend
  • unterhaltsamste Fähigkeiten werden zu spät freigeschaltet
  • seltene Inventar-Bugs und Schnittstellenfehler
  • Licht/Schatten auf der Quest 2 nicht dynamisch

Wertung

OculusRift

Das stimmungsvolle Schleich-Adventure wirkt auf dem VR-PC ein wenig runder - inklusive dynamischer Schatten und ohne hässliche Farbverläufe.

VirtualReality

Wraith: The Oblivion - Afterlife ist ein stimmungsvolles, vereinnahmendes Schleich-Adventure, das allerdings von ein paar spröden Abschnitten und Macken beim Feinschliff ausgebremst wird.

OculusQuest

Wraith: The Oblivion - Afterlife ist ein stimmungsvolles, vereinnahmendes Schleich-Adventure, das allerdings von ein paar spröden Abschnitten und Macken beim Feinschliff ausgebremst wird.

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Kommentare
artmanphil

Klingt nach meinem Geschmack! Aber der Name, ayayay. Demnächst kommt dann ein Addon names "Wraith: The Oblivion - Afterlife: New Beginnings" und irgendwann für Vive "Wraith: The Oblivion - Afterlife: New Beginnings | Vive Edition" und in einem Jahr "Wraith: The Oblivion - Afterlife: New Beginnings | Vive Edition <<remastered collection game of the decade lmao!!!1111einself>> "

vor 3 Jahren
Tas Mania

Hot für steam.

vor 3 Jahren
Eispfogel

Angenehmer Test!
Ich wusste auch gar nicht, dass da so ein Universum dahintersteht - das macht das ganze gleich nochmal Interessanter!
Vor allem nach dem was JuJuManiac noch geschrieben hat möchte ich mehr über diese Welt wissen.

Mir hat das Spiel bisher gar nicht so zugesagt. Das Gameplay sah nach einem Layers of Fear aus aber da scheint doch mehr dahinter zu sein. Ist in jedem Fall auf der Wunschliste!

Danke für den Test. Bitte macht weiter so

vor 3 Jahren
Astorek86

Der Soundddesigner vom Spiel hat hier tatsächlich einen Oscar verdient. In Kombination mit dem realistischen, organischen Anwesen und dem Verzicht auf billige Jump-Scares geht mir der Anfang des Spiels schon stark unter die Haut. Ich hab mich nach Fund der Taschenlampe dafür entschieden, den Fernseher im selben Raum wie das VR-Equipment ganz leise mitlaufen zu lassen, weils sonst zu gruselig wird . Das Spiel triggert zu Anfang halt echt noch Verhaltensweise ala "hat sich da im Schatten grade was bewegt", was mit der Zeit vermutlich besser wird^^.

Warum bin ich in VR-Horror nur so schreckhaft?

Für alle Quest-User mit entsprechendem Equipment übrigens interessant: Das Spiel unterstützt Cross-Buy, d.h. es kann auch mit der Oculus Rift-Software heruntergeladen und wahlweise über Link, Air Link oder VD gespielt werden und von der besseren Grafik profitieren, sofern man den Aufwand mitmachen will.

Schade auch um die teils wirklich grässlichen Farbübergänge auf der Quest 2, die haben mir zwischendrin schon unnötig Atmosphäre geraubt^^...

vor 3 Jahren
4P|Jan

Hmmmm. Klingt so gar nicht nach dem Wraith: The Oblivion Setting aus der Pen & Paper Vorlage.

Das zentrale Thema ist bei Oblivion der Kampf um seine Psyche. Jeder Geist hat seinen Schatten, eine Art dunkle und oft destruktive Seite, die ihn in das Vergessen (Oblivion) führen möchte, während der Geist die Transzendenz anstrebt. Die Auseinandersetzung damit ist bei Wraith noch zentraler und komplexer als die der Vampire (aus dem Maskerade Setting) mit ihrem Tier.
Spectre sind einfach Geister, die sich komplett und dauerhaft an ihren Schatten verloren haben und langsam aber sicher immer mehr dem Vergessen anheim fallen und nicht irgendwie andere Wesen. Wie ein Vampir, der sich im Wassail, der dauerhaften Raserei befindet.

Hat man in Wraith das Relikt einer Taschenlampe würde man es nicht mit Batterien, sondern mit Pathos betreiben, einer Art psychischer Energie, die man durch das Ausleben seiner Leidenschaften aus Lebtagen aufbaut (seine Kinder noch nach dem Tod beschützen, so etwas). Ein frisch gebackener Todesalb kann gar nicht die "Skinlands" beeinflussen (die Welt der Lebenden), da das im Schattenland verbotene und deshalb nur schwer erlernbare Fertigkeiten erfordert.

Der Test klingt so, als hätte man einfach das Franchise über ein sehr herkömmliches Grusel- und Knobelspiel gestülpt. Schade.
Die Energie fürs als Taschenlampe genutzte Blitzlichgerät heißt hier auch "Pathos" (lädt sich durch gefundene Fotos und an Speicherpunkt-Portalen auf). Ich muss aber zugeben, dass ich bisher ein Neuling im "World-of-Darkness"-Universum bin und vielleicht auch das eine oder andere bei den Begrifflichkeiten durcheinandergebracht habe.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren