Hood: Outlaws & Legends - Test, Action-Adventure, PC, XboxOne, XboxSeriesX, PlayStation4, PlayStation5
Stealth-Action als teambasiertes Onlinespiel ist zwar kein Novum, aber mit Sicherheit eine Rarität. Splinter Cell sowie Assassin's Creed haben es ein paar Ausgaben lang versucht und auch anderswo findet man natürlich Elemente daraus, zumal sich gute Verstecke in einigen Shootern durchaus bezahlt machen. Aber so richtig Stealth-Action? Mit heimlichem Anschleichen und brutalem Finisher von hinten? Mit Ablenken durch geworfene Steine und alarmierten Wachen, falls man doch gesehen wird? Das ist zumindest ungewöhnlich.
Mit Ruhe zur Truhe
Dabei folgt Hood einem durchaus vertrauten Prinzip: Beide vier Spieler große Teams sollen die in einer Burg, Kirche oder einem anderen Gebäude versteckte Schatztruhe finden, an eines der markierten Ziele tragen und sie dort über eine Seilwinde extrahieren. Um die Tür zur Schatzkammer aufzuschließen, benötigen sie dabei jenen Schlüssel, den der mächtige und unbesiegbare Sheriff am Gürtel trägt. Ihn müssen sie deshalb erst unbemerkt darum erleichtern, bevor sie sich der Truhe annehmen können.
Erschwert wird das alles durch zahlreiche Wachen, die in- und außerhalb der Gebäude patrouillieren. Sie lassen sich durch schnelle Finisher aus der Deckung heraus zwar ebenso erledigen wie durch Pfeile in den Kopf, lösen aber auch Alarm aus, wenn sie einen Spieler entdecken, um daraufhin alle Stahltore zu schließen und mit gesammelter Mannschaft hinter allen entdeckten Eindringlingen herzusprinten. Das Fiese daran: Wer so aufgeflogen ist, wird für die Dauer der Verfolgung durch alle Mauern hindurch auch fürs gegnerische Team markiert. Schon deshalb lohnt sich ein eher bedachtes Vorgehen.
Vermeidet den Wallhack!
Das sind längst nicht alle Eigenschaften der Figuren, deren Besonderheiten man zudem vertieft, indem man ihnen drei Talente verpasst. Mit denen nehmen Robin und Marianne etwa schneller Kontrollpunkte ein, brauchen beim Extrahieren der Truhe aber länger, während John und Tooke vielleicht das Bergen oder Tragen der Kiste beschleunigen. Je mehr Talente man mit steigender Spielzeit freischaltet, desto mehr kann man die Charaktere spezialisieren.
Das A-Team des Mittelalters
Das ist spätestens dann interessant, wenn man die Truhe extrahiert - denn in mehreren Schritten erhält das aktive Team dabei Geld, weshalb es seine Position sowohl gegen Angriffe der Wachen als auch des feindlichen Teams sichern sollte. In dieser Situation kann Mariannes Rauchgranate deshalb ungemein hilfreich sein, da sie die an der Kurbel Stehenden so verdeckt, dass ein entfernter Robin keine gezielten Kopftreffer landen kann.
Aber meine Güte, war all das in den ersten Tagen ein Krampf, als die wenigstens Spieler verstanden, wie wichtig sinnvoll zusammengestellte Teams sind, und ihre bevorzugte Taktik das ebenso aufreibende wie extrem ineffektive Stürmen des Extraktionspunkts war, nur um dort vielleicht einen Treffer zu landen und anschließend das Zeitliche zu segnen! Die Sache ist ja: Das war gar nicht mal ihre Schuld. Denn Hood gelingt es einfach nicht gut genug, sein spielerisches Ansinnen zu vermitteln. Immerhin spielt das Prügeln und Schießen trotz der Stealth-Elemente eine so große Rolle, dass das Anrennen des gegnerischen Teams zunächst logisch erscheint.
Helden in Strumpfhosen – oder so
Bedauerlich finde ich auch, dass beide Teams nicht verschiedene Aufgaben verfolgen, wie es in Splinter Cell und einigen Team-Shootern der Fall ist. Es hätte doch viel eher seinen Reiz, wenn die eine Gruppe auf der Seite der Wachen den Diebstahl durch die andere Gruppe verhindern müsste. Das wäre schon deshalb gut, weil dann nicht zwei Robin-Hood-Banden miteinander konkurrieren würden. Nun darf ein Spiel wie dieses sein erzählerisches Vorbild gerne frei interpretieren, doch Hood ignoriert es gleich dermaßen konsequent, dass es auch „Godzilla und Rotkäppchen in Fantasien“ heißen könnte.
Die zum größten Teil bekannten Charaktere werden nicht einmal in Textform kurz vorgestellt, wechseln zu Beginn einer Partie nicht wenigstens ein paar Worte und treten nach Abschluss der Runde auch nicht in kurzen Filmszenen miteinander auf. Ihr Lager ist zudem ein rein funktionelles Hauptmenü. Den Unterschlupf der Gesetzlosen hätte ich mir jedenfalls anders vorgestellt. Warum tummeln sich im Hintergrund nicht wenigstens ein paar Gleichgesinnte? Und wieso verändert sich das Lager nicht, obwohl man es doch langsam ausbaut, um neue Kleidung sowie Verzierungen der Waffen freizuschalten?
Robin wer?
Technisch reißt Hood keine Bäume aus, zumal es auf PS4 und Xbox One nur mit 30 Bildern pro Sekunde dargestellt wird. Dem eher ruhigen Spielablauf schadet das zum Glück nicht - ebenso wenig wie die Tatsache, dass die PC-Fassung auf das Raytracing verzichtet, welches auf PS5 und Xbox Series S/X aktiv ist.
Die Bildrate ist zudem auch am PC auf knapp über 60 begrenzt, während man ähnlich wie auf den Konsolen der letzten Generation mitunter spät auftauchende Texturen bemerkt.Dass die Rächer der Enterbten miteinander reden, wäre ja auch spielerisch wünschenswert, denn wo andere Spiele über kurze Kommentare für den Verlauf eines Matches wichtige Ereignisse mitteilen, muss man hier die ständig wechselnde Informationszeile im Auge behalten. Ohnehin wirkt Hood seltsam still, wenn man die Musik abschaltet. Mir fehlt es u.a. an akustischem Feedback, das die Position und Bewegung naher Wachen vermittelt.
Richtig frustrierend kann dabei das Kämpfen sein, weil viele Auseinandersetzungen wirr und unübersichtlich wirken. Das liegt zunächst einmal an einem relativ engen Blickwinkel, dem selbst auf der schnellsten Einstellung viel zu langsamen Umsehen und der Tatsache, dass man die Bewegungsunschärfe nicht deaktivieren darf. Gerade in einem Spiel, in dem man ständig die Umgebung beobachten muss, um Hinterhalte und Wachen zu vermeiden, ist das ärgerlich.
Die unerwünschte Zielhilfe
Ähnlich frustrierend sind Situationen, in denen man ankommende Gegner im Rücken anschleichen sieht, die Figur aber weder schnell genug drehen noch fortbewegen kann, um einen Meuchelmord zu verhindern, der eigentlich nur unaufmerksamen Spielern passieren sollte. Verstärkt werden solche Augenblicke dadurch, dass sich weder eigene noch die Finisher anderer Figuren aus ihrer normalen Bewegung heraus ergeben, sondern nach dem Wechsel in eine andere Perspektive als separate Animationen abgespielt werden. Besonders wenn man vom Sheriff gegriffen wird, der gegen Ende der Partie am Extraktionspunkt patrouilliert, geschieht das ohne Vorwarnung aus relativ weiter Entfernung. Das ist spielmechanisch schon in Ordnung, hinterlässt aufgrund der unglücklichen Inszenierung aber ein Gefühl von Beliebigkeit, das man gerade in solchen Momenten nicht gebrauchen kann.
Und wisst ihr, was so richtig ärgerlich ist? Das langsame Umsehen gibt es nur auf den Konsolen; am PC kann man die Mausgeschwindigkeit in wilde Höhen schrauben und hat dadurch einen viel besseren Überblick. Hinzu kommt die Tatsache, dass besonders ein Robin mit seinen Instakill-Kopfschüssen an der Maus bedeutend besser aufgehoben ist – was deshalb problematisch ist, weil Konsolen- und PC-Spieler per Cross-play gemeinsam antreten. Das ist natürlich klasse! Und es ist zum Glück nicht so, dass PC-Teams stets gewinnen. Trotzdem haben sie klare Vorteile gegenüber Gamepad-Dieben, weshalb ich mir für kommende Updates eine höhere Drehgeschwindigkeit der Kamera wünsche. Weiterhin würde ich gerne die störende Bewegungsunschärfe auch auf Konsole abschalten. Immerhin darf man schon jetzt fast alle Tasten des Gamepads frei belegen und das Cross-play deaktivieren...
PC-Spieler im Vorteil
...was ich allerdings nicht empfehle, da die ohnehin schon recht zähe Spielersuche dann noch länger dauert. Auch hier könnte eine zukünftige Änderung womöglich Abhilfe schaffen: Dass Hood erst eine der fünf Karten wählt und dann das Matchmaking startet, dürfte jedenfalls großen Anteil an den oft langen Wartezeiten haben. Bedauerlich ist auch, dass manche Stimmen des Sprachchats gar nicht oder nur teilweise zu hören sind, man häufig aber die Gespräche bereits abgelaufener Partien belauschen kann, und dass befreundete PC-, Xbox- oder PlayStation-Nutzer nicht gezielt zusammenkommen dürfen. Es gibt ja keine plattformübergreifende Freundesliste.
Ich würde den Spawnpunkt nach einem Tod außerdem gerne sofort auswählen, anstatt bis zu 15 Sekunden auf eine „tote“ Übersichtskarte zu glotzen, während Menüpunkte am PC gerne per Mausklick anwählbar sein dürfen, anstatt nur über gezielte Tastatureingaben. Falls Entwickler Sumo Digital (Sackboy: A Big Adventure, Hotshot Racing, Team Sonic Racing) diese und weitere Ärgernisse behebt, könnte sich Hood schon um einiges besser anfühlen! Man merkt dem Spiel einfach an, dass es nicht mit der Sorgfalt einer großen Produktion entwickelt wurde, denn im Drumherum hakt es an etlichen Stellen.
Einzelleistung und Teamgeist
Und wie gesagt: Ganz besonders macht sich gutes Teamplay bezahlt, denn während einzelne Kämpfer in bestimmten Situationen große Mühe haben, sind zwei Diebe oft sehr mächtig. Hält sich einer etwa versteckt, kann er einen Feind in Ruhe meucheln, falls der auf den Kameraden fixiert ist. Man könnte sich auch abseits des eigenen Teams von Wachen entdecken lassen, um im besten Fall mehrere Gegner auf sich zu ziehen… In dieser scheinbar profanen Schatzsuche steckt eine Menge drin.
Fazit
Ein großes Spiel ist Hood also nie. Dem kommen nicht nur Ärgernisse in Sachen Menü und Steuerung in den Weg, sondern auch das ungenaue Kampfsystem, das magere akustische Feedback oder die Tatsache, dass sowohl Szenario als auch Charaktere komplett verschwendet wirken. Dass beide Teams dasselbe Ziel verfolgen, empfinde ich gerade im Bereich der Stealth-Action zudem als vertane Chance. Im Gegenzug funktioniert das schnelle Schleichen aber erstaunlich gut, zumal es sowohl gegen die Wachen als auch gegen feindliche Spieler enorm effektiv ist. Die sehr verschiedenen Charaktere ergänzen sich dabei hervorragend, sodass allen vier Dieben eine wichtige Funktion zukommt, anstatt nur die Höhe des allgemeinen Schaden-Outputs zu vergrößern. Hoffentlich merzen die Entwickler die vielen Kinderkrankheiten tatsächlich noch aus – dann könnte Hood ein richtig gutes Spiel werden. Immerhin ist es schon jetzt um einiges interesssanter als das x-te Battle Royale!
Pro
- klassische Stealth-Action in teambasierten Online-Duellen
- Verstecken und Schleichen bringt wichtige Vorteile
- überlegtes, gemeinsames Vorgehen ist enorm wichtig
- vier sehr verschiedene Charaktere für unterschiedliche Spielweisen
- zufällig verteilte Kontrollpunkte sorgen für leicht veränderliche Bedinungen in den Levels
- behutsames Entwickeln aller Charaktere über Auswahl von drei passiven Fähigkeiten
- wahlweise Cross-play über alle Plattformen
Kontra
- sehr langsames Umsehen auf Konsole, PC-Nutzer sind klar im Vorteil
- seltsam geräuscharme Kulisse und keine das aktuelle Spielgeschehen kommentierende Sprachausgabe
- keine Fallen, besondere Wege nur für bestimmte Charaktere o.ä.
- in vielen Situationen sehr ungenaues Zuschlagen, Blocken und Meucheln
- Heraufklettern auf z.B. flache Stege nur an dafür vorgesehenen Punkten
- nervige Suche nach Munition vor allem für Robin
- Meuchel-Animationen wirken wie separate, aus dem Geschehen gerissene Aktionen
- Auswahl des Spawnpunkts erst nach Ablauf des Countdowns, Menü am PC tlw. nur über Tasten statt Mausklicks nutzbar u.v.a. kleine Ärgernisse
- lange Wartezeiten im Matchmaking, u.a. weil Level schon vor Spielersuche bestimmt wird
- keine plattformübergreifende Freundesliste
- komplett uninteressante Charaktere und erzählerisch verschwendetes Szenario
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
- Man kann die Spielzeit über Käufe nicht verkürzen, kein Pay-to-Shortcut.
- Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
- Käufe haben keine Auswirkungen auf das Spieldesign.