Necromunda: Hired Gun - Test, Shooter, XboxOne, PlayStation5, PC, PlayStation4, XboxSeriesX
Für alle die jetzt etwas ratlos sind, folgt ein kleiner Abriss des Warhammer-40.000-Universums, denn das Tabletop Necromunda, auf dem dieser Shooter basiert, ist Teil der finsteren Zukunftsvision von Games Workshop. Oder um es mit Warhammer 40k zu sagen: „In der Finsternis der fernen Zukunft gibt es keinen Frieden.“ Die Menschheit hat sich im 41. Millennium zwischen den Sternen ausgebreitet und bereist ihr Imperium in riesigen Schiffen durch den Warp, in dem unaussprechliche Gefahren lauern. Ihr Anführer, der allmächtige Gottimperator, regiert von der heiligen Thronwelt Terra aus eine Million Welten mit Billionen von menschlichen Einwohnern. Der Imperator wurde vor 10.000 Jahren durch den Verrat einer seiner geliebten Söhne, dem Space Marine-Primarchen Horus, tödlich verwundet und wird nurmehr durch den goldenen Thron am Leben erhalten, in den sein verwesender Leib eingebettet ist. Während der Geist des Imperators die Welten des Imperiums durch den Warp wie ein Leuchtfeuer erhellt, wird das interstellare Reich an seiner Statt durch den Rat von Terra, die heilige Kirche des Imperators und die Millionen Männer und Frauen der Imperialen Garde mit eiserner Faust gegen Verräter, Ketzer und Xenos verteidigt, die die Menschheit aus der Galaxis tilgen wollen.
Necrowasbitte? Ne-cro-mun-da!
Damit ist die Story eigentlich erzählt, denn die 13 Missionen der recht kurzen Kampagne des Shooters sind ansonsten eine lose Aneinanderreihung von Einsätze, die durch mitunter völlig sinnlose Erzählfetzen zusammengehalten werden, die bis auf die Hauptantagonistin Silver Talon wirklich gar keine Rückschlüsse auf Motivation oder Beziehungsgeflechte in der Makropole zulassen. Auf Deutsch sind die Sinnlos-Dialoge übrigens gepaart mit einer absolut unterirdischen Synchronisationsleistung, die leider an die schlimmen Neunziger erinnert. Zu keinem Zeitpunkt versteht man so richtig, warum man hier eigentlich gerade wen wegballert oder wo genau man sich in der Makropole befindet. Wer also zwingend eine koheränt erzählte Geschichte für seinen Spielspaß benötigt, sollte dringend von Necromunda: Hired Gun Abstand nehmen. Das große Potential, welches das „Netz“ aus Clans, Gangs und Adelsfamilien birgt, und in dem man ohne Probleme sein eigenes Game of Thrones erzählen könnte, bleibt bei Hired Gun nämlich völlig unangetastet.
Wer jedoch einen soliden Shooter spielen möchte, der mit seiner ikonisch-klaustrophobischen Architektur durchaus beeindruckt und dem Spieler bei Bewegung und Fähigkeiten einige Freiheiten lässt, der kann mit Hired Gun zumindest manchmal Spaß haben. Die Entwickler von Streum on Studio haben sich nach dem schwerfälligen Space Hulk: Deathwing nämlich auf ihre ersten Spiele Syndicate Black Ops und E.Y.E. - Divine Cybermancy besonnen und inszenieren die Gefechte in der Makropole als rasend schnelles Effektgewitter. Meistens müssen im Missionsverlauf einige Arenen von Feinden gesäubert werden, die als Wellen in den Kampfgebieten erscheinen. Mit Wandlauf, Dash, Doppelsprung und einem Greifhaken stehen dafür viele Bewegungsmöglichkeiten zur Verfügung, die zusammen mit dem hohen Tempo einen ordentlichen Baller-Flow ermöglichen. Mit ikonischen 40k-Waffen wie dem heiligen Bolter (einer Art überdimensioniertem Sprenggranaten-Sturmgewehr), Plasmawerfern oder Lasergewehren springt, dasht und metzelt man sich zu Metal-Klängen durch die Feindeshorden.
Doom Eternal, aber viel schlechter
Dazu kommt ein grundlegendes Fehlen von Eleganz - ein Phänomen was international auch als „Euro Jank“ bekannt ist. Die Animationen von Feinden und Spielfigur sind grobschlächtig und bestenfalls unpräzise. Die unvermeidlichen Nahkampf-Finisher in der Ego-Perspektive haben Platzhalter-Qualität und können zu keinem Zeitpunkt mit Doom (2016) mithalten. Und selbst das Auslösen der Fähigkeiten wie Zeitlupe, Stoß, Betäubung oder größerer Zielgenauigkeit mitten im Kampf ist über ein Kreismenü gelöst, was fürchterlich sperrig anmutet. Man hat übrigens auch noch einen Kampfhund als Begleiter, den man mit einem Quietsche-Spielzeug ins Gefecht ruft und auf Feinde hetzt. Das ist gleichermaßen lustig wie sinnlos, denn Hundi kann oft seine Ziele nicht richtig anvisieren und ist äußerst ineffektiv beim Bekämpfen von Fieslingen.
Let‘s dance the Euro Jank
Auch die Level sind qualitativ nicht auf einer Ebene. Während der von außen beeindruckende Koloss-Zug 44 im inneren eigentlich nur aus dem immer gleichen Metallgang besteht, gibt es durchaus coole Momente in finsteren Abgründen oder auf gigantischen Schrotthalden vor turmhohen, mit automatischen Waffen bewachten Toren. Neben der stumpfen Action gibt es bei Hired Gun übrigens auch eingestreute Sammel-Rätsel, bei denen man Dinge finden und in Apparaturen stopfen muss. Das Problem: Niemand sagt einem Bescheid, dass man genau das tun muss. Das wiederum führte bei mir zunächst zum langatmigen Suchen nach einem Ausgang, bevor ich zufällig über eine der benötigten Batterien stolperte. Mehr Abwechslung gibt es zwischen den Ballereien, bis auf ein paar umgelegte Schalter oder die eine oder andere Fluchtsequenz, nicht.
Die Waffen, Ausrüstung und Implantate lassen sich im Gangster-Versteck Martyr‘s End gegen in Einsätzen gesammelte Credits verbessern und aufrüsten. In Truhen und bei Feinden gibt es einiges an Technologie, Rüstung, Glückbringern und Co. abzugreifen, die wie in einem Action-Rollenspiel nach Seltenheitsstufen sortiert sind und bestimmte Verbesserungen mitbringen. So gibt es etwa eine Erhöhung der Drop-Chance von Beute, mehr Lebenspunkte, bessere Rüstung und Resistenzen.
Rüst mich auf, Baby
Im Test sind uns zum Glück nur wenige Bugs aufgefallen, die allesamt kleinerer Natur waren. Mal passt die Soundabmischung nicht so recht und das Spiel stürzt in der Mission Koloss 44 grundsätzlich ab, wenn man zum ersten Mal den Zug betritt. Startet man den Checkpunkt dann erneut, gab es aber keine weiteren Probleme. Zudem lassen sich zum Teil einige Schalter und Dialoge nicht auf Anhieb aktivieren, das lässt sich aber mit einem einfachen Schritt-vor-Schritt-zurück beheben. Warum sich auf der Konsole allerdings der Motion Blur nicht deaktivieren lässt bleibt genauso ein Geheimnis der Entwickler wie die auf allen Systemen vorhandenen Nachladeruckler, die ebenso wie einige Teile der Spielmechanik nostalgische Erinnerungen an die Spiele der 90er auslösen.
Fazit
Nein. Necromunda: Hired Gun ist wirklich kein gutes Spiel. Erzählerisch ein völliger Clusterfuck aus wirren Dialogen und fürchterlicher Sprachausgabe und spielerisch eine bestenfalls solide Hommage an Doom Eternal, die aber hauptsächlich durch fragwürdige Animationen und stumpfes Ballern auffällt, wirkt dieser Shooter wie aus der Zeit gefallen.Trotzdem hatte der 40k-Fan in mir in einigen dunklen Momenten Spaß mit der Action – etwa wenn Genestealer aus dem Schatten auftauchen, man eine Leichen-Verwertungs-Anlage besucht, Propaganda-Poster des Astra Militarum begutachtet oder in den Kavernen von Hive Primus während einer Aufzug-Fahrt plötzlich eine gotische Kathedrale oder eine gigantische Aquila auftaucht. Mehr Warhammer-Atmosphäre geht nämlich nicht! Alle anderen müssen aber schon sehr viel Lust auf einen stumpfen Shooter, seine wankelmütige Kulisse und eine Fremdscham-Erzählung haben, um in Hired Gun mehr als einen misslungenen Versuch zu sehen, das ikonische Miniaturen-Tabletop Necromunda in ein Doom-Like zu gießen. Das Potential des großartigen 40k-Universums wird hier erneut nicht mal oberflächlich angekratzt – von den möglichen Ränkespielen und politischen Wirrungen von Necromunda mal ganz zu schweigen. Nein, Necromunda: Hired Gun ist wirklich kein gutes Spiel. Aber Spaß kann man trotzdem manchmal haben.
Pro
- schnelle Action mit viel Bewegungsfreiheit
- blutig, brachial und kompromisslos
- viele Fähigkeiten und verbesserbare Waffen
- in guten Momenten starke 40k-Atmosphäre
Kontra
- kaum vorhandene, schwach erzählte Story
- keinerlei Hintergründe zu Universum und Makropole
- furchtbare Synchronisierung
- schwache "Rätsel"
- dumme, ungefährliche Gegner
- viele Kugelschwamm-Feinde
- unelegante Animationen und Übergänge
- teils schwache Charaktermodelle
- nur 30FPS (PS4)
- Motion Blur nicht abschaltbar (Konsolen)
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?