Sniper Ghost Warrior Contracts 2 - Test, Shooter, PC, PlayStation5, XboxOne, PlayStation4, XboxSeriesX
Die Missions-Intros werden mit jedem Teil der Reihe professioneller, mittlerweile erinnern sie in ihrer Machart an die typischen Call-of Duty-Einleitungsfilmchen - ein „verrauschtes“ Video hier, ein Zoom da, garniert mit einem böse aussehenden Cyber-Kriminellen zwischen Special-Force-Einheiten. Aber noch mehr als in den Activision-Ballereien solltet ihr in Sniper Ghost Warrior Contracts 2 (ab 9,25€ bei kaufen) nach dem Überspringen-Button Ausschau halten - denn außer Plattitüden und belanglosem „Terrorstaat mit Naher-Osten-Touch, der supergefährlich ist“-Gewese gibt es hier nichts zu sehen. Das muss für den Spielspaß jedoch noch kaum etwas bedeuten: Zum einen bleibt die Geschichte stark im Hintergrund, zum anderen bin ich das von der Serie mittlerweile gewohnt und habe nichts anderes erwartet. Allerdings kann ich auch verstehen, warum man die Chose nicht gleich ganz lässt: Den supercoolen Hightech-Sniper Raven einfach so in die Levels beamen und dem Spieler sagen: „Jo, mach mal - töte alle und exfiltriere dann“ - das würde sich auch nicht gut anfühlen...
Wo ist der Skip-Button?
Sniper Ghost Warrior Contracts 2 ist ganz eindeutig der Spross seines gerade einmal 18 Monate alten Vorgängers (der mit ohne 2 im Titel): Gab es in früheren Jahren mehr Änderungen - von Teil 1 zu 2 stieg der CoD-Faktor, Teil 3 versuchte sich an einer Open World -, hat sich diesmal konzeptionell nichts getan: Die aktuelle Episode setzt wie Teil 4 auf fünf große Sandbox-Missionen mit je mehreren Primärzielen sowie reichlich optionalem Kram. Das Erledigen der wichtigen Aufträge schaltet das jeweils nächste Level frei und bringt Kohle sowie Auflevel-Punkte, die Zusatzziele sorgen nur für mehr Asche in der Tasche. Das spielt sich dann so: Nachdem Raven am Startpunkt des Zielgebietes abgesetzt wurde, erhält er einige knappe Hinweise auf die Missionsziele, zudem werden die ungefähren Zielorte auf der groben Karte markiert. Hat man nach viel Schleichen und Snipern (dazu gleich mehr) eines der Ziele erledigt, tauchen auf der Map mehrere Exfiltrationspunkte auf. Dort angekommen, erhält man die Belohnung für den jüngst erledigten Auftrag und kann sich entscheiden: Ins Hauptmenü zurückkehren und vielleicht Knarren kaufen plus Fähigkeiten verbessern oder im aktuellen Gebiet weiterspielen. Während des ersten Durchlaufs sollte man sich fast immer für die zweite Option entscheiden: Denn eine schon halb von Wachen befreite Karte ist Gold wert und die nächste Map wird ohnehin erst nach dem Erledigen aller Ziele freigeschaltet. Weil man während des Zockens aber auch Schnellreise-Punkte innerhalb der Level freischaltet, kann ein zweiter Durchlauf trotz wieder anwesender Feinde weniger langwierig sein.
Das Speichersystem von SGWC2 ist leider kein Freund des Spielers: Man darf nämlich nicht jederzeit abspeichern, was den Reiz eines perfekten Spiels zerstört. Ich könnte verstehen, dass man die Option deaktiviert, sobald Alarm ausgelöst wird - aber eine Quicksave-Option sollte wenigstens im Normalzustand verfügbar sein; damit man nach einem Fehlschuss nicht aller vorher penibel durchgeführter Kills beraubt wird. Nach dem Bildschirmtod oder durch aktives Laden des letzen Autospeicherpunkts wird man zwar stets in der Nähe wieder aufgesetzt - allerdings sind meist alle getöteten Wachen im Umkreis wieder auf ihrem Posten. Nur manchmal hatte sich das Spiel gemerkt, welche Feinde ich schon still und leise erledigt hatte - das war für den Moment zwar erfreulich, aber letzlich doch unbefriedigend, weil ich mich nicht darauf verlassen konnte. Zudem gab es zwei, drei Anlässe, wo ein Ladepunkt dummerweise mit alarmierten Wachen einherging - einmal stand ich dabei dermaßen in der Ecke, eingekerkert von feuernden Soldaten, dass nur ein kompletter Neustart des Gebiets half. Na, schönen Dank auch - spiele ich halt die komplette letzte Stunde nochmal…
Während man in Ego-Sicht durch Felswüste, eine mit Feindbasen durchsetzte Bergregion, nächtlichen Wald oder ein orientalisches Hafengebiet schleicht, ist vor allem eines entscheidend: Nicht entdeckt werden. Sind eure Schüsse zu hören (was selten der Fall ist), werden Leichen entdeckt (kommt vor) oder Kills bzw. Fehlschüsse direkt beobachtet (Hauptgrund), wechselt meist die gesamte Basis in den Alarmzustand und kennt obendrein euren exakten Aufenthaltsort. Das klingt aus rein logischer Sicht schon dämlich und spielt sich auch so - denn zum einen wird man dann aus hunderten Metern Entfernung mit dem MG beschossen, zum anderen regnen auch schon mal Mörsergeschosse vom Himmel. Wohl dem, der einen Rückzugsweg in ein Tunnelsystem hat oder hoch oben auf einem Turm sitzt. Erstere Option erlaubt die Flucht, die zweite den Kampf. Aus einer überlegenen Position heraus kann man schon mal ein gutes Dutzend heranstürmende oder sich verschanzende Wachen nach und nach erledigen.
Die Angst vor dem Alarm
Den Kampf auf kürzere Distanz kann ich nicht empfehlen: Erstens weil sich das direkte Ballern mit MG, Schrotflinte & Co. nicht sonderlich dynamisch und kraftvoll anfühlt, hier ist das Spiel meilenweit von CoD und Konsorten entfernt. Zweitens weil die Trefferrückmeldung im Spiel so schlecht ist wie eh und je in der Serie - oft verrät nur ein Blick auf die sinkende Zahl bei der Lebensleiste, dass man sich gerade Kugeln einfängt. Drittens sind Leveldesign und Munitionsvorrat auch gar nicht dafür ausgelegt. Ein starker Nahkampf-Angriff rettet einem gegen einen oder zwei Feinde zwar regelmäßig das Leben - gegen eine echte Übermacht ist das aber keine Lösung. Ravens Lebensenergie regeniert sich übrigens automatisch und vollständig, weil das aber recht lange dauert, gibt es zusätzlich Medipacks.
Was bleibt also: Langsam vorgehen, die Umgebung ausgiebig mit dem Fernglass scannen, die Flugdrohne aussenden, um aus der Luft weitere Feinde zu markieren oder einzelne Patrouillen per Giftpfeil ruhig zu stellen. Zum Sniper-Gewehr, einer Alternativwaffe und der Pistole gesellt sich eine stattliche Anzahl von Granaten, Gadgets, Minen oder Spezialmunition, die man mit erspielter Kohle zwischen den Levels kauft. Wer sich in SGWC2 hineinkniet und die Feinheiten selbst herausarbeitet, holt deutlich mehr als der Schleich- und Schießmechanik heraus, als nach den ersten zwei, drei Stunden sichtbar ist. Die Benutzung der Nachtsicht-Funktion oder Ravens Maskenmodus (der z.B. Kletterkanten und wichtige Items hervorhebt) wird zwar im Tutorial kurz gezeigt - zur Benutzung muss man sich aber zwingen. Zwingen deshalb, weil es auf der ersten Blick leichter scheint, diese Spielereien zu ignorieren und einfach Feinde zu markieren und nacheinander zu erschießen. Erst mit fortlaufender Spielzeit erkennt man den Mehrwert dieser Optionen und freut sich, z.B. in meinem Lieblingslevel Berg Kuamar, über verschiedene Wege zum Ziel und die Tatsache, dass man auch in scheinbar ausweglosen Situation noch eine Möglichkeit findet, seine Ziele zu erreichen.
Unterm Strich finde ich Sniper Ghost Warrior Contracts 2 ein Stückchen besser als den Vorgänger: Weil die Missionsziele teils erfreulich abwechslungsreich ausfallen, man sich seinen Erfolg hart erarbeiten muss und das Leveldesign durchdacht ausfällt. Die grafische Präsentation ist solide bis ansehnlich, Felsformationen in der Ferne sehen z.B. besonders gut aus; in den Betongängen unter der Erde muss das Spiel aber ein paar Federn lassen - dafür läuft die von mir vor allem gespielte PS4-Version stets tadellos. Das Sniper-System an sich ist durchdacht und erfordert auf den höheren Stufen Übung und Präzision, bietet aber mit dem (auf drei Schwierigkeitsgraden deaktivierbarem) Rotpunkt, der zeigt wo die Kugel einschlägt, auch Hilfen für Einsteiger.
Freud & Leid
Über das unkomfortable Speichersystem, das meiner Ansicht nach ein gravierendes Manko darstellt, habe ich mich bereits oben ausgelassen, doch die teils unterirdische Feind-KI muss ebenfalls Erwähnung finden: Viele Feinde stürmen kopflos nach vorn, obwohl sich bereits drei Kameraden vor ihnen an ein und derselben Stelle eine Kugel eingefangen haben. Andere spielen das gute alte Kopf-hoch-Kopf-runter-Spiel, bis man sie doch erwischt. Und mancher steht trotz rotem Alarm völlig unbedarft herum und kriegt es nicht mit, wenn man fünf Meter vor ihm hockt. Auch bin ich kein Freund der vielen Selbstschussanlagen in manchen Levelabschnitten - hier hatte ich das Gefühl, dass mir das Spiel einen billigen Knüppel zwischen die Beine wirft, dem ich zu wenig entgegenzusetzen habe. Dazu kommen ein paar kleinere Fehler, z.B. werden auf der Karte mitten in einer Mission plötzlich nicht mehr die Ziele hervorgehoben oder das Spiel setzt einen Speicherpunkt, bei dem ein Feind zehn Meter hinter mir patrouilliert.
Die deutsche Version
Hierzulande erscheint Sniper Ghost Warrior Contracts 2 nur gekürzt, das erinnert an scheinbar überwunden geglaubte Zustände von vor einigen Jahren. Wie bereits im Vorfeld berichtet, fehlen in der deutschen Fassung platzende Köpfe und das Abschießen von Körperteilen. Das ist dem Spielspaß zwar nicht abträglich, dass dieser Umstand viele erwachsene Spieler stört, ist aber offensichtlich. Zudem gibt es in der PS4-Version bisher bei allen Schüssen überhaupt kein Blut. Das gilt sowohl für die kleinen Blutwölkchen, die auf PC und Xbox bei jedem Schuss sichtbar sind, als auch für den Blutschwall, der in der Killcam-Sicht erkennbar aus dem Körper tritt. Auf PS4 sieht es einfach so aus, als würde das Projektil durch den Körper gleiten ohne Schaden anzurichten - trotzdem fallen die Feinde natürlich tot um. Die Spielbarkeit wird dadurch zwar nicht verschlechtert, die eigentlich audiovisuell ansehnlich inszenierten Zeitlupen-Aufnahmen verkommen so aber zur Farce und sehen wie ein Bug aus. Seltsamerweise gibt es auf der Sony-Konsole an einer Stelle aber doch etwas Blut zu sehen - und zwar bei Nahkampf-Kills. Die Entwickler wissen um diesen Fehler und arbeiten an einem Patch, Stand 10. Juni (aktuelle Version: 1.02), ist der aber noch nicht ausgeliefert.
Zu den kolportierten Problemen der Series-X-Version kann ich leider keine Aussage abgeben - wir erhielten kein Testmuster für Xbox-Konsolen. Die PC-Version von SGWC2 hingegen ist größtenteils okay, allerdings besitzt das auf der CryEngine basierende Spiel recht wenig allgemeine Einstellungsoptionen. Man kann zwar die Aufzeichnung von Spieldaten verbieten oder die Häufigkeit der "Kugel-Kamera" begrenzen , aber die teils heftigen Kopfbewegungen beim Laufen dürfen nicht angepasst werden. Das Spiel unterstützt Widescreen-Auflösungen (teilweise auch Ultra-Widescreen) und das Sichtfeld kann von 60 bis 80 ausgeweitet werden. Die Grafikoptionen neben Auflösung, Vollbild, Gamma und V-Sync sind oberflächlich und selbst bei den erweiterten Optionen eher allgemein gehalten (Nachbearbeitung, Antialiasing An/Aus, Fideity FX An/Aus). Bei Controller und Maus können Empfindlichkeit (ebenfalls für Ziel und Drohne) eingestellt werden; auch die Y-Achse lässt sich umkehren. Die Belegung von Controller und Maus lässt sich nicht ändern, dafür die Belegung der Tasten auf der Tastatur. Die Grafik auf PC protzt mit teilweise sehr scharfen und detaillierten Texturen, dafür ist die Level-Architektur oft grob (z.B. grobschlächtige Steine oder Wände als Begrenzungen). Bezüglich der Gewaltdarstellung können wir für die deutsche PC-Fassung bestätigen: Es gibt (verhaltene) Blutspritzer bei normalen Treffern (sehen eher aus wie kleine rote Wölkchen), aber bei den Zeitlupen-Einstellungen fließt mehr Blut, jedoch werden keine Köpfe oder Gliedmaßen abgetrennt.
Fazit
Der Test von Sniper Ghost Warrior Contracts 2 war für mich ein Wechselbad der Gefühle: Ich ärgerte mich dermaßen über das blöde Speichersystem und die Tatsache, dass bei einem Fehlschuss die gesamte Basis in den Alarmzustand wechselt und Jagd auf mich macht, obwohl eigentlich niemand meine Position kennen dürfte. An anderer Stelle fühlte ich mich plötzlich wie ein cooler Sniper-Agent, der mit einem Aufzug in ein Hochsicherheitsbasis hinabfährt, Kameras hackt, durch enge Gänge schleicht, gepanzerte Wachen mit Spezialmunition ausschaltet, per Drohne die Basis erkundet und unbehelligt mit einer wichtigen Zugangskarte wieder entkommt. Das Schießen per Scharfschützengewehr fühlt sich gut an, auch das Sounddesign bei den Zeitlupen-Kills überzeugt - allerdings nicht auf der PS4, ohne Blut sehen die Clips wie Fehler aus. Das Auflevelsystem für Ausrüstung, Fähigkeiten und Gadgets geht in Ordnung, Profis können sich hier schön spezialisieren. Unterm Strich ist das zweite Contracts ein Lichtblick am Ende des düsteren Sniper-Ghost-Warrior-Tunnels - so hell wie ein Sniper Elite 4 strahlt es aber noch nicht.
Pro
- abwechslungsreiches, durchdachtes Leveldesign
- generell gutes Scharfschützen-Gefühl
- Gadgets erlauben taktisches Vorgehen
- ansprechende Grafik, vor allem in den Außenbereichen
- reichlich Gewehre und Waffen zum Freischalten
- überschaubarer, grundsolider Fertigkeitenbaum
- Zeitlupen-Kamera wirkt wuchtig
- Spiel drängt Gadgets und taktische Spielereien nicht auf, sie stehen aber zur Verfügung
- teils sehr ausladende Schauplätze mit freier Auswahl, was man zuerst angeht
Kontra
- generell unkomfortables Speichersystem, das mitunter auch noch schlecht funktioniert
- meist schwache Gegner-KI
- zu schnell roter Alarm in der gesamt Basis, alle Feinde kennen stets die Position des Spielers
- deutsche Version entspricht nicht der Originalfassung
- deutsche PS4-Version aktuell sogar ganz ohne Blut beim Snipern
- Story mal wieder ein Totalausfall
- schlechte Treffer-Rückmeldung bei Beschuss
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Diverse Waffen- und Skin-Pakete zum Kauf verfügbar (zwischen 1,99 und 9,99 Euro) - bisweilen gewähren sie einen Vorteil im Spiel, das aber nie online stattfindet. Weitere DLC-Inhalte (Levels) sind angekündigt, der erste DLC soll gratis sein, weil sich die PS5-Version wegen technischer Probleme verspätet.
- Käufe können minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.