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Sniper Elite VR
21.07.2021, Jan Wöbbeking

Test: Sniper Elite VR

Volltreffer oder Ladehemmung?

Kann Rebellion die Lücke schließen? Bekommen Virtual-Reality-Fans endlich einen kompetenten, klassischen Scharfschützen-Shooter? Sniper Elite VR versucht sich zumindest daran – mit Unterstützung des Aim-Controllers für PSVR und händischem Nachladen auf den übrigen Headsets. Im Test überprüfen wir die Qualitäten des virtuellen Freiheitskampfes im Zweiten Weltkrieg.

Espire 1 wurde zum technischen Rohkrepierer, Medal of Honor: Above and Beyond hatte auch seine Problemchen und Phantom: Covert Ops war zwar cool, mit seiner Kajak-Mechanik aber nicht jedermanns Sache. Sniper Elite VR dagegen soll klassisches Scharfschießen in die virtuelle Realität bringen: Rebellion schraubte eine ganze Weile daran, das Handling passend umzusetzen (zur Vorschau von der E3 2019). Die sympathisch vertonte englische Story-Einbettung auf dem alten Anwesen in Kalabrien passt bereits gut zum Medium. Als altersmilder Großvater aus der Ego-Perspektive packe ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit die sprichwörtliche Geschichte aus dem Krieg aus. Genau so also, wie ich es auch von meinem eigenen Opa kannte...

Opa erzählt aus dem Krieg

Dabei schwingt stets ein pazifistischer Unterton mit: Wir haben gekämpft, damit ihr es nicht müsst! Und bei einem Volltreffer haben wir uns martialische Killcams vorgestellt, in denen jedes noch so kleine Organ authentisch in der Röntgenansicht zerfetzt wird! Ich muss gestehen, dass mir dieser sadistische Teil der Action ganz besonders gut gefällt. Wer sich daran stört, kann diese Wiederholung aber deaktivieren oder ihre Umsetzung anpassen. Der nicht gerade magenschonende Kugelflug z.B. ist standardmäßig deaktiviert.

Mit PlayStationVR (PS4 Pro) wird das Bild deutlich unschärfer und unruhiger.


Dümmliche Nazis

Nach einer Geschichte vom Opa und der entspannten Anpassung der Ausrüstung aus Distanz-, Nahkampf- und Seitenwaffen übernehme dann ich als Spieler die Arbeit. In den Rückblenden begebe ich mich im  Jahr 1943 in Infiltrations- und Sabotage-Missionen der lokalen Partisanen. Meist zwingt mich das Level-Design auf passende Weise dazu, mich zu verschanzen, um Gegner auf Wachtürmen oder Burgzinnen aus dem Weg zu räumen. Danach geht es per Knopfdruck in die Hocke und mit der Pistole in der Hand weiter durch die meist ziemlich linearen Gassen Süditaliens.

Dort sorgen gleich mehrere Aspekte für einen Bruch in der Präsenz: Aufgrund unsauber gesetzter Grenzen der Kollisionsabfrage zählt so mancher Schuss durch eine Nische nicht als Treffer. Auf dem verwinkelten Friedhof bleibe ich zudem gelegentlich zwischen Grabsteinen und Mauern hängen und werde zum gefundenen Fressen für eine Patrouille. Das Aufheben von Waffen wie der MP 40 oder der Webley MK. VI gestaltet sich oft zu fummelig: Viele Gegenstände lassen sich einfach nicht sauber oder schnell genug mit der Hand anpeilen, bevor ich sie im ähnlich unzuverlässigen Inventar verstaue. In Population: One oder Half-Life: Alyx flutscht all das (und auch das Klettern) um einiges eleganter!

Manchmal müssen es schwere Geschütze richten - z.B. eine Panzerfaust oder ein angeforderter Luftschlag. (Rift S)
Trotz diverser Alarmstufen durchkreuzt die schwache KI immer wieder Schleichgänge. Selbst eine Soundmaskierung für lautlose Kills (z.B. bei Flugzeuglärm) kann das Problem nicht wirklich entschärfen. Hatte ich erst einmal ins Wespennest gestochen, wurde ich oft viel zu schnell in die Zange genommen. Auf längere Distanz suchten die Gegner dagegen viel zu zaghaft und verloren selbst bei sterbenden Kollegen in der Nähe schnell das Interesse. Ein weiterer Stimmungskiller ist die Vertonung deutscher Soldaten. Dümmlich überbetonte Ausrufe wie „Hurensohn!“ oder „Das...wird...UNTERSUCHT!“ lassen hier allenfalls Trash-Atmosphäre aufkommen.

Alarm! Alarm!

Die meiste Zeit über stehen natürlich Distanzschüsse mit Gewehren wie der Carcano M91/41 oder dem Karabiner M98K auf dem Programm, die jeweils eigene Waffen-Herausforderungen und Punkte-Boni mitbringen. Es braucht ein wenig Gewöhnung, doch danach hatte ich das sichtbare Zentrum des Zielfernrohrs schnell und intuitiv vorm Auge statt ins schwarze Nichts daneben zu starren. Einfach vor das Auge bewegen und auf Knopfdruck zoomt eine „Fokus-Mechanik“ etwas weiter herein und verlangsamt die Zeit. Es wurde also ein relativ arcadelastiger Ansatz gewählt, der dank VR-Immersion und Bewegungs-Controllern aber trotzdem für ein authentisches Spielgefühl sorgt.

Am präzisesten lässt sich so nah vor dem Headset mit den Index-Controllern anlegen, aber auch Rift S und Quest 2 schlagen sich beim Anvisieren meist gut. Etwas enttäuschend schneidet der Aim-Controller für PSVR ab, der manchmal leicht seitlich wegdriftet. Das hatte ich bei Farpoint deutlich besser in Erinnerung! Nicht empfehlen kann ich das Anlegen per DualShock 4, da schon leichtes Zittern zu viel Unruhe ins Spiel bringt. Ein weiterer Nachteil der PSVR-Fassung ist, dass das eigenhändige Nachladen gestrichen wurde (es sei denn, man greift zu zwei Move-Controllern, mit entsprechend umständlicher Fortbewegung ohne Sticks).

Nachteil: PSVR

Am PC oder mit der Quest 2 dagegen sorgt das händische Nachladen für erstaunlich viel Motivation! Die Handgriffe und Eigenheiten der Waffen wurden schön umgesetzt. Allerdings wurde dabei nicht immer die Größe der Controller berücksichtigt. Schon Facebooks kleine Touch-Controller klatschen gerne mal zusammen, wenn ich das Magazin aus der Munitionstasche ins Gewehr 43 einsetze und den Repetierer zurückziehe. Mit den längeren Index-Hörnchen tritt das Problem noch deutlich häufiger auf. Spaß macht übrigens auch der gut kalkulierbare Wurf von Granaten oder Flaschen zur Ablenkung. Schade allerdings, dass sich so wenige Gegenstände überhaupt aufheben oder manipulieren lassen – ein Versäumnis, das viele Kulissen etwas leblos erscheinen lässt; nicht einmal Schubladen lassen sich hier öffnen.

Die mobile Umsetzung ist Rebellion, Just Add Water und Coatsink grafisch stimmig gelungen. (Quest 2)


Optionale Hilfe

Je nach der Wahl von einem der drei Realismus- und Schwierigkeitsgrade hilft beim Scharfschießen das Auto-Aim ein wenig nach. Nur auf dem höchsten wird der Geschossfall nicht mit dem roten Kreis der Fokus-Anzeige symbolisiert. Diese Zielhilfe ist auch im Nahkampf nützlich, z.B. bei schnellen Schüssen aus der Hüfte mit einer MP40. Erfreulich ist zudem die Fülle an (Komfort-) Optionen wie einer alternativen Teleportation. Die Entwickler haben sogar das schnellere Laufen per Klick auf den linken Stick so gut abgestimmt, dass mein Magen nicht die geringsten Probleme hatte.

Für Ermüdung sorgt allerdings das Leveldesign: Schon nach rund der Hälfte der gut fünf Spielstunden wird Monotonie spürbar. Hier und da gibt es zwar ein wenig Abwechslung, z.B. bei einem gezielten Mordanschlag nahe der idyllischen Küste oder der Verteidigung einer Absturzstelle im Wald mit Panzerfäusten. Insgesamt hätte ich mir in meinem Abenteuer als meist einsamer Widerstandskämpfer aber mehr solche Momente gewünscht. Insgesamt bleibt das Ausknipsen der anrückenden oder patrouillierenden Soldaten zu einförmig und fehleranfällig. Für etwas Langzeit-Motivation sorgen Kombos, Doppel-Kills auf höhere Distanz sowie allerlei Sammelobjekte wie in der Kulisse versteckte Steinadler oder Abschiedsbriefe.

In der schonend überblendenden Killcam gibt es wieder Gehacktes (Rift S). Die GeForce 2080 Ti stemmte sämtliche Kulissen übrigens fehlerfrei - doch auch deutlich schwächere Karten dürften keine Probleme bekommen.


Je schärfer, desto tödlicher

Die Suche nach ihnen vermag allerdings nicht so zu faszinieren wie in den detailreicheren Kulissen von Medal of Honor: Above and Beyond oder gar Half-Life: Alyx. In Sniper Elite VR wird zu jeder Zeit klar, dass die Grafik eine Kompromisslösung bleiben musste, die auch noch auf der PS4 Pro und der Quest 2 eine saubere Bildrate bietet. Auf dem betagten Sony-System macht sich allerdings beim Anvisieren die niedrige Auflösung bemerkbar. Mit der Index oder Rift S genoss ich dagegen den passenden Durch- bzw. Überblick; auf der Quest 2 wurde es naturgemäß noch ein wenig schärfer. Mit Facebooks aktuellem Headset kann sogar die native Fassung aus dem Quest-Store grafisch überzeugen. Sicher – es gibt Abstriche bei Vegetationsdichte, Texturdetails, Beleuchtung und gröberen Ecken. Doch all das ist mir deutlich lieber als der etwas unscharfe Gesamteindruck mit der PSVR.

Fazit

Auch den Veteranen von Rebellion ist kein großer Wurf im Bereich der VR-Shooter gelungen. Wer unterm Headset gerne auf entfernte Ziele anlegt, bekommt mit dem stimmungsvollen Kajak-Ausflug Phantom: Covert Ops nach wie vor spannendere Missionen. Auch die grafische Umsetzung hinkt Konkurrenten wie Half-Life: Alyx oder Medal of Honor: Above and Beyond klar hinterher. Vor allem die holprige Handhabung und die schwache Gegner-KI ruinieren hier im Minutentakt fast jeglichen taktischen Ansatz. Als ich mich damit arrangiert hatte und auf die Rambo-Methode umschwenkte, kam aber immerhin manchmal Spaß am Abzug (und während der martialischen Killcam!) auf. Vor allem die beschauliche Story-Einbettung in Süditalien und das relativ authentisch umgesetzte manuelle Nachladen haben mich stärker motiviert, als ich gedacht hätte. Wenn es nicht unbedingt Scharfschützen-Action sein muss, gibt es aber deutlich rundere Titel im Bereich der VR-Shooter, zumal sich Spiele wie Fracked oder After the Fall der Fertigstellung nähern...

Pro

  • unterhaltsam-immersives Scharfschießen
  • im Prinzip befriedigend umgesetztes Nachladen...
  • cool an VR angepasste, deaktivierbare Killcam
  • erstaunlich magenfreundlich, mit vielen Komfort-Optionen
  • Schauplätze bieten idyllische Panoramen in Kalabrien
  • Variation im Arsenal sorgt für Abwechslung
  • sympathische Story-Einbettung als Opas Geschichten aus dem Krieg

Kontra

  • schwache KI verhindert regelmäßig Schleich-Touren
  • ...aber mitunter Controller-Kollisionen beim Nachladen
  • ungenaue Hitboxen und Hängenbleiben an Gegenständen
  • dem Leveldesign mangelt es auf Dauer an Abwechslung
  • Kulissen aus der Nähe unscharf, eckig und detailarm
  • dümmliche deutsche Phrasen
  • fast keine Interaktionen mit Gegenständen aus der Kulisse
  • automatisches Nachladen macht weniger Spaß (DualShock 4/Aim-Controller)

Wertung

VirtualReality

Probleme bei Steuerung und KI durchkreuzen verlässlich taktisches Vorgehen; Waffenhandling und Inszenierung lassen aber trotzdem einen gewissen Sniper-Spaß aufkommen.

OculusRift

Probleme bei Steuerung und KI durchkreuzen verlässlich taktisches Vorgehen; Waffenhandling und Inszenierung lassen aber trotzdem einen gewissen Sniper-Spaß aufkommen.

OculusQuest

Probleme bei Steuerung und KI durchkreuzen verlässlich taktisches Vorgehen; Waffenhandling und Inszenierung lassen aber trotzdem einen gewissen Sniper-Spaß aufkommen.

PlayStationVR

Einschränkungen bei Bildschärfe, Präzision und Nachladen machen die PSVR-Fassung zur schwächsten Umsetzung – selbst mit dem Aim-Controller.

ValveIndex

Probleme bei Steuerung und KI durchkreuzen verlässlich taktisches Vorgehen; Waffenhandling und Inszenierung lassen aber trotzdem einen gewissen Sniper-Spaß aufkommen.

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Kommentare
treib0r

Ich habe mir ebenfalls mehr von dem Titel erhofft. Gitt sei Dank bekommt man Oculus Store alles refunded.

vor 3 Jahren