In Rays of the Light - Test, Adventure, PlayStation4, PlayStation5, XboxOne, Switch

In Rays of the Light
15.07.2021, Jan Wöbbeking

Test: In Rays of the Light

Poesie des Verfalls

Die verfallenen Überreste eines früheren Lebens bekommen eine zweite Chance: In rays of the Light ist Sergey Noskovs Konsolen-Remake seines PC-Adventures The Light aus dem Jahr 2012. Unsere PUR-Leser entschieden sich im Juni für den Wunschtest dieses Indie-Häppchens, das Freunde verlassener Orte Gänsehaut bescheren dürfte.

Ein verlassener Rohbau aus den frühen Achtzigern, fatalistische Kritzeleien über die zerstörerische Kraft unserer Spezies und keine Menschenseele weit und breit – oder etwa doch? Mit dieser Prämisse lässt In Rays of the Light den Spieler vor allem zu Beginn auf angenehme Weise im Unklaren darüber, was ihn rund um die schroff aus dem Grün ragende Bauruine erwartet. Hat man sich erst einmal Zugang zum Keller des Bildungskomplexes verschafft und mehrere Botschaften analysiert, lässt sich irgendwann erahnen, was sich hier abgespielte. Die gebrochen übersetzten Kritzeleien können den Spieler allerdings schon mal in die Irre schicken.

Finstere Vorahnung

Allgemein wirkt das Ein-Mann-Projekt vielerorts ungeschliffen. Die zu langsame Stick-Steuerung (oder zu hektische Touchpad-Alternative) fühlt sich erst nach etwas Feintuning brauchbar an. Zudem lässt sich nicht einmal die Controller-Belegung ändern. Negativ fallen auch die ungewohnte Inventar-Führung sowie die seltenen automatischen Speicherpunkte auf. Spielt das zwei bis drei Stunden kurze Abenteuer also am besten an einem Stück durch oder schaltet die Konsole in den Schlafmodus. Nach einem Konsolen-Neustart kann es schon mal vorkommen, dass das halbe Inventar futsch ist.

Auf PlayStation 5 kommt der schroffe Charme des verlassenen Komplexes am besten rüber.
Auch der Rest der Technik schwächelt auf der PS4 Pro mit gelegentlichen Rucklern. Auf der Switch bleibt es zwar flüssiger, dafür leidet die Kulisse unter arg grobpixeligen Schatten und Hintergründen. Sogar auf der PS5 sackt die Bildrate in seltenen Fällen unter 30 Bilder pro Sekunde, vor allem in schummrig beleuchteten Katakomben mit vielen Lichtquellen. Schade auch, dass trotz des Themas kein HDR unterstützt wird.



Technischer Renovierungsbedarf

Nach wenigen Minuten der Einwöhnung verzeiht man dem Abenteuer aber viele seiner Macken. Allein schon die Atmosphäre des kleinen Projekts zieht Abenteurer schnell mit subtil inszenierten Hinweisen in seine Welt. Die eingestreuten Melodien und Klavierpassagen schaffen es ebenfalls immer wieder, unterschiedliche Stimmungen zu wecken.

Die Sicherung braucht Saft: Ein Blick auf eines der wenigen ausgelagerten Puzzles. (PS5)
Die Natur hat sich bereits Teile der schroffen Architektur zurückerobert, so dass immer wieder gleißende Lichtstrahlen durch die Blätter fallen. Zu Beginn dominiert das Gefühl der gemütlichen Erkundung eines verlassenen Grundstücks. Die Ego-Sicht wird dabei kaum von unnötigen HUD-Elementen verschandelt. Die Stimmung wird aber schon früh von einem finsteren Unterton bestimmt. Vergilbte, unterbelichtete Fotos vom Leben auf der Campus-Baustelle wecken bereits eine Ahnung, was später kommen könnte. Für einen Bruch im Szenario sorgen allenfalls mehrfach kopierte Assets wie rote Fässer. Mussten ausgerechnet damit Ressourcen gespart werden?


Die Stimmung stimmt

Der Ausflug führt durch keine große offene Welt. Sie bietet aber genügend Raum, um ein authentisches Präsenzgefühl auf dem fremden Anwesen zu erzeugen. Mal ermöglicht ein gefundener Gegenstand den Einbruch in einen alten Schulbus, parallel muss man anderweitig nachhelfen, um an eine Reihe von Schlüsseln zu gelangen. Auch kleine Schieberätsel und ein verwüstetes Auditorium spielen eine wichtige Rolle bei der Instandsetzung der Technik. Komplexe Puzzles fehlen leider, aber die wenigen vorhandenen gliedern sich schön in den Rhythmus der Erkundung ein.

Meditative Erkundung

Irgendwann kippt die Stimmung, was für einen willkommenen Tempowechsel sorgt. Die zunehmend surreale Wahrnehmung weckt manchmal sogar Erinnerungen an Twin Peaks. Es verwundert nicht, dass die Regie des kleinen Projekts bei weitem nicht so virtuos anmutet wie die übernatürliche Bildgewalt von David Lynch und Mark Frost. Wer sich gerne in Stimmungen fallen lässt und eigene Deutungen vornimmt, wird sich aber wohlfühlen.

Mit der Switch wird es vor allem auf dem TV arg grob und blockig. Im Mobilbetrieb fällt das deutlich weniger auf. Ähnlich wie auf der PS4 Pro stören hier auch lange Ladezeiten.
Das Spieldesign erfährt an diesem Punkt allerdings ebenfalls eine radikale Änderung. Beim Irren durch stockfinstere, verwinkelte Gänge mit einer flackernden Taschenlampe oder einem Feuerzeug werden hier oft die Nerven strapaziert. Weitere Details sparen wir uns aus Spoiler-Gründen und der kurzen Spielzeit lieber, aber unterhaltsam war das Spiel hier nur noch dank seiner teils traumähnlichen Inszenierung. Auch die Integration der zwei alternativen Endsequenzen kann zu Verwirrung führen, da hierzu (hölzern übersetzte) Hinweise übertrieben penibel beachtet und gedeutet werden müssen. Zum Ende hin fehlt es also in vielen Punkten an Feinschliff und Erfahrung.

Nervenstrapazen im finsteren Keller

Im Vergleich zum nach wie vor kostenlos erhältlichen PC-Original „The Light“ in russischer Sprache (z.B. auf Indiedb.com ) wirken nicht nur Beleuchtung und Detailfülle aufwändiger. Auch manche Puzzles und Objekte in der Welt wurden ein wenig abgeändert. Die frühere Maus-Steuerung wirkte übrigens noch ein wenig wirrer, da man auch im Vollbildmodus gelegentlich mit dem stets sichtbaren Mauszeiger außerhalb des Bildes landete. Vor einem Jahr folgte bereits die PC-Neuauflage „The Light Remake“, das derzeit auf Steam für 3,99 Euro angeboten wird. Die Konsolenfassung für Xbox One, PlayStation 4, PlayStation 5 und Switch schlägt mit 7,99 Euro zu Buche.

Fazit

Vor allem in der ersten Hälfte seiner zwei bis drei Spielstunden erschafft In Rays of the Light eine angenehm abgeschiedene Adventure-Atmosphäre. Wer selbst schon einmal ein leer stehendes Bauwerk erforscht hat oder ein Faible für Videos verlassener Orte besitzt (häufig „Lost Places“ genannt), dürfte sich sofort wohl fühlen. Der Großteil der Puzzles ist zwar simpel gehalten, sorgt aber für einen angenehmen Rhythmus beim Erkunden. Das gilt allerdings nicht mehr für die zweite Spielhälfte. Der Abstieg zu noch finstereren Themen sorgt zwar für einen willkommenen Wechsel in der Dramaturgie, dann stehen allerdings auch verwirrende Touren durch verwinkelte Keller an. Hier hätte es vermutlich geholfen, wenn sich Noskov fürs Remake zusätzliche Hilfe für den Feinschliff beim Rätsel- und Leveldesign organisiert hätte. Weniger störend wirken die vielen kleinen grafischen Macken, die vor allem auf den technisch schwächeren Systemen wie der PS4 Pro oder der Switch auftreten. Wer für die Qualitäten eines Geheimtipps auch mal die Zähne zusammenbeißt, dürfte also trotz einiger Unzulänglichkeiten auf seine Kosten kommen! Eine Xbox-One-Fassung wird übrigens ebenfalls angeboten.

Pro

  • bedrückende Atmosphäre mit plötzlichen Stimmungsschwankungen
  • über Fundstücke erzählte Story weckt die Neugier
  • passend kleines, aber offenes Areal
  • immersive Präsentation mit nur seltenen HUD-Elementen
  • gefühlvolle, sporadisch eingestreute Musik

Kontra

  • ein paar frustrierende Wegfindungs-Rätsel
  • Weg zum alternativen Ende spielerisch schlecht eingebunden
  • keine komplexen Puzzles
  • hölzerne Übersetzung kann mitunter verwirren
  • es ruckelt selten (PS5) bzw gelegentlich (PS4 Pro)
  • Switch-Fassung leidet unter grobpixeligen Kulissen und Schatten sowie langen Ladezeiten

Wertung

PlayStation4

Trotz holpriger Umsetzung steckt ein meist stimmungsvolles Erkundungs-Adventure in "In Rays of the Light" - auf der PS4 Pro mit gelegentlichen Rucklern.

PlayStation5

Trotz holpriger Umsetzung steckt ein meist stimmungsvolles Erkundungs-Adventure in "In Rays of the Light".

Switch

Trotz holpriger Umsetzung steckt ein meist stimmungsvolles Erkundungs-Adventure in "In Rays of the Light" - auf der Switch mit arg kantigen Details und Schatten.

Echtgeldtransaktionen

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  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
Ryo Hazuki

Das Spiel war richtig gut, gestern in der Series X Version durchgespielt. Genau mein Genre.

vor 3 Jahren
eLZorro

Bei Firewatch brauche ich gar keinen Teil 2.
Aber über eine 1:1 Filmumsetzung würde ich mich sehr freuen. Die novellenartige Geschichte und die zum schneiden dicke Stimmung würde ich gerne auf der großen Leinwand sehen.

vor 3 Jahren
JudgeMeByMyJumper



Oh ja, das war wunderschön. Kennst du auch „Gone home“?
Ja, und das fand ich auch prima. Und auch nicht langweilig nach 10 Minuten wie andere. Aber nachvollziehen kann ich das schon. Ging mir wiederum bei anderen Spielen so.
Und „Firewatch“ fand ich auch ziemlich gut!
Da hatte ich auch dran gedacht, dass noch in meiner Antwort unterzubringen. Da fand ich die Stimmung beim durch-den-Wald-spazieren schon außerordentlich gut. Edith Finch hat mich absolut umgehauen. Noch nie sowas erlebt und spiele ich immer wieder gerne durch. Das könnte ich bei gone home zB nicht, aber firewatch habe ich zB auch nie wieder angeguckt... Irgendwie möchte ich, dass das einzigartig und einmalig bleibt. Ein Nachfolgespiel kommt ja wohl nachdem Campo Santo von valve geschluckt wurde eher nicht mehr.

vor 3 Jahren
Baralin

Vielen Dank für den Test. Schön, dass das geklappt hat. Ich würde mich ja mal wieder über sowas wie what remains of Edith Finch freuen. Das war so ein atmosphärisches Spiel, das es tatsächlich in meine all time top 5 geschafft hat.
Oh ja, das war wunderschön. Kennst du auch „Gone home“?
Ja, und das fand ich auch prima. Und auch nicht langweilig nach 10 Minuten wie andere. Aber nachvollziehen kann ich das schon. Ging mir wiederum bei anderen Spielen so.
Und „Firewatch“ fand ich auch ziemlich gut!

vor 3 Jahren
JudgeMeByMyJumper

Vielen Dank für den Test. Schön, dass das geklappt hat. Ich würde mich ja mal wieder über sowas wie what remains of Edith Finch freuen. Das war so ein atmosphärisches Spiel, das es tatsächlich in meine all time top 5 geschafft hat.
Oh ja, das war wunderschön. Kennst du auch „Gone home“?
Ja, und das fand ich auch prima. Und auch nicht langweilig nach 10 Minuten wie andere. Aber nachvollziehen kann ich das schon. Ging mir wiederum bei anderen Spielen so.

vor 3 Jahren