Sky: Kinder des Lichts - Test, Adventure, PC, PlayStation4, iPad, Android, Switch, PlayStation5, iPhone

Sky: Kinder des Lichts
16.07.2021, Matthias Schmid

Test: Sky: Kinder des Lichts

Das verschenkte Meisterwerk

Neun Jahre sind seit dem PS3-Juwel Journey vergangen. Sky: Kinder des Lichts, das neue Spiel von thatgamecompany, erschien bereits 2019 für iOS und 2020 für Android - nun gibt es das wunderschöne Indiespiel auf der Switch, sogar für lau. Leider hat es sich auch hier den Weg zum Platin-Award verbaut. Wie dieses Kunststück abermals gelang, verrät unser Test.

2012 veröffentlichte das kalifornische Studio thatgamecompay sein Meisterstück: Journey. Das gleichsam leise wie kraftvolle Abenteuer bildete den Abschluss der von Sony finanzierten Spiele-Trilogie bestehend aus flOw, Flower und eben Journey. Der PSN-Titel stellte schnell einen Verkaufsrekord auf, wurde drei Jahre später für die PS4 portiert und landete 2019 sogar noch im Epic Games Store. Doch finanziell brachte das Projekt das Indiestudio zunächst an den Rande des Ruins. Weil sich die Entwicklungszeit deutlich verlängerte, mussten Gehälter halbiert und Mitarbeiter in Urlaub geschickt oder sogar entlassen werden - Gründer und Kreativchef Chenova Chen gab über diese Vorgänge bereits 2013 überraschend offen Auskunft.


Von Journey zu Sky

Von der Hub-Welt aus kann man eine unterbrochene Reise fortsetzen. Grafik: 90% stimungsvoll, 10% kitschig.
Um künftig derartige Schieflagen zu vermeiden, sicherte sich thatgamecompany nach der Fertigstellung von Journey Finanzspritzen in Höhe von über zehn Millionen Euro. 4,2 Millionen Euro stammten dabei von der Risikokapital-Beteiligungsgesellschaft Benchmark Capital. Die ist bekannt dafür, regelmäßig in aufstrebende Tech-Unternehmen zu investieren, darunter heutige Schwergewichte wie eBay, Uber oder Instagram. Zudem ist gut vorstellbar (Zahlen wurden aber keine kommuniziert), dass sich Apple das nächste thatgamecompany-Spiel Sky: Kinder des Lichts etwas kosten ließ - schließlich wurde der Titel prominent auf einer Apple-Konferenz vorgestellt und erschien im Sommer 2019 zeitexklusiv für iOS-Plattformen. Im April 2020 folgte die von mir getestete Android-Version und seit kurzer Zeit ist das Spiel nun auch für eine Konsole, die Switch, erschienen.

Vorweg: Sky: Kinder des Lichts setzt noch deutlich mehr als Journey, dessen stilles Koop-Erlebnis viele Zocker begeisterte, auf gemeinsames Erleben. Fast immer sind andere Lichtkinder mit euch in der Spielwelt unterwegs, man kann Einladungen an befreundete Spieler schicken, zusätzlich gibt es Abschnitte in der Spielwelt, die sich nur für Gruppen öffnen. Trotzdem kann man Sky auch getrost als Einzelspieler-Titel zocken - der Großteil der Welten ist zugänglich und die (ohnehin sehr sachte) Kommunikation nicht verpflichtend. In spielerischer Hinsicht schließt der Titel fast nahtlos an das reduzierte, grundentspannte Prinzip seines Vorgängers im Geiste an…

Augenschmaus: Sky: Kinder des Lichts fährt ein paar Areale auf, die trotz der technischen Defizite absolut umwerfend aussehen.
Mit einem leichtfüßigen, bemäntelten Wesen laufe ich durch eine virtuelle Landschaft, die dem Begriff „sanfte Hügel“ eine neue Dimension verleiht: Wo andere Erzählabenteuer seit Journey stets nur versuchen, die Eleganz des Weltendesigns von thatgamecompany nachzuahmen, zeigt Sky: Kinder des Lichts, wie man es richtig macht. Die sandigen Wüsten, kleinen Gras-Inselchen und halb verfallenen Paläste sehen so adrett und wunderschön aus, dass es mir regelmäßig die Sprache verschlagen hat. Wie im Vorgänger gibt es keine Kämpfe mit Feinden, keine konkreten Schalterrätsel, keine Waffen oder anspruchsvollen Geschicklichkeitspassen. Stattdessen wird das Erwandern der Spielwelt zum Spielinhalt - man schaut sich gut um, aktiviert ein paar simple Mechanismen, kommuniziert hier und da vage mit anderen Spielern und surft im Farbenrausch Dünen hinab. Und man fliegt neuerdings! War in Journey das kurze Schweben per aufgeleveltem Zauberschal noch mehr eine erweiterte Sprungmechanik, erlaubt ein aufgeladenes Kleidchen voller Licht in Sky nun deutlich längeres Verweilen in der Luft. Zudem sind die „Landabschnitte“ vielfach durch echte Flugpassagen verknüpft: Meine Figur breitet beim Sprung in die Wolken automatisch die Flügel aus und stürzt sich in die Winde.


Laufen, Surfen, Fliegen

Spätestens beim Gleiten durch voluminöse Wolkentunnel, die bauschig am Spieler vorbeihuschen, oder beim Eintauchen in den wattigen Dunst, hat mich Sky in grafischer Sicht komplett verzückt. Dazu gesellt sich eine äußerst harmonische, vielschichtige Beleuchtung - diffuse Lichteffekte und sanfte Strahlen sorgen für eine enorme Räumlichkeit. Über das seltsame Menü, das seine Smartphone-Wurzeln nicht verbergen kann, geht es entweder in den Shop, zum Posteingang, in den Andere-Spieler-Einladen-Bildschirm und zur Option, ob man den "Hochleistungsmodus (60 FPS)" oder den "Hochauflösenden Modus (30 FPS)" wählt. Leider sind beide Varianten nicht zufriedenstellend: Im Hochleistungsmodus sind die Kanten flimmeriger und die Ruckler dennoch nicht ausgeschlossen, in der hochauflösenden Variante wirkt die Spielwelt zwar etwas detailliert, doch bei Kameradrehungen und schnellen Flügen geht die Bildrate derart in die Knie, dass es ein Graus ist. Vor allem auf einem großen TV jenseits der 50 Zoll muss Sky Federn lassen, im Handheld-Modus der Switch stechen diese technischen Mankos weniger deutlich ins Auge.

Cloud Gaming

Mit Licht schmiedet man Kerzen und mit Kerzen kann man Dinge kaufen. Oder so ähnlich. Sky will familienfreundlich und zugänglich sein, verwirrt aber durch seine krude Spielstruktur, die Währungen und Mikrotransaktionen.
Warum Sky: Kinder des Lichts ein derart wundervolles Spielerlebnis ist, lässt sich - wie schon bei Journey - mit Worten nur unzureichend wiedergeben. Von den anmutigen Bewegungen über die wundervolle Beleuchtung und die tolle Farbwahl bis hin zur Ausgestaltung der Szenarien ist Sky ein sinnliches Spiel voller Magie und Poesie. Es weckt die Entdeckerlust und befriedigt sie im nächsten Moment mit purer Schönheit, es lässt einen, wie die Filme von Studio Ghibli, die naive Freude kindlichen Spielens und Kommunizierens ebenso nachvollziehen wie den Traum vom Fliegen erleben. Auch die wohldosierten Spielmechaniken sind durchdacht konzipiert und klug eingesetzt: Regelmäßig folgt man den Lichtspuren von Geistern, die sehr vage Kurzgeschichten erzählen, mal gilt es, dem Blick eines düsteren Himmelsdrachen zu entgehen, mal muss das Licht der Spielfigur vor prasselndem Regen bewahrt werden - herausfordernd ist das nie, aber immer interessant und lohnenswert.

Traum vom Fliegen: Das Gleiten in den Wolken steuert sich ordentlich.
14,99 Euro kostete das PS3-Märchen Journey bei seinem Launch anno 2012. Sky: Kinder des Lichts hingegen steht, wie schon auf Smartphones, für Switch gratis zum Download bereit. Das wird erkauft von einer Schwemme an Mikrotransaktionen, die nicht nur nervig ist, sondern das gesamte Spielerlebnis verkompliziert: Wo thatgamecompany sonst so stark auf Einfachheit setzt, wird es im Spiel nicht gut kommuniziert, wofür man sein Echtgeld einsetzen sollte. Für beim normalen Zocken aufgesammeltes Licht erhält man nämlich Kerzen als zentrale Währung in Sky. Mit diesen kauft man Gesten, Bindung zu Geistern, neue Outfits und Frisuren oder auch Herzen; die Herzen braucht man wiederum auch für einige Dinge. Mit echter Kohle kaufen kann man aber nur ein paar saisonale Outfits und die Kerzen (z.B. 190 Stück für 55 Euro!) - wer darauf keinen Bock hat, muss schon ziemlich viel Zeit in Sky investieren, um optische Modifikatoren für die Spielfigur (Frisur, Mantel, Gesicht, Instrument auf dem Rücken) zu erspielen. Ich habe dann, wie schon auf dem Handy, einfach auf derlei Gimmicks verzichtet - das beeinträchtigt zwar nicht die Spielbarkeit, trotzdem habe ich mich auf unangenehme Weise um ein Spielelement beschnitten gefühlt. Dass es obendrein saisonale Events und zeitbasierte Zusatzziele, ja sogar Saisonkerzen gibt (aktuell läuft das "Crossover-Seasonevent mit Der kleine Prinz"), steigert vielleicht die Langzeitmotivation, trägt aber erneut zur Verwirrung von Gelegenheitsspielern bei - ich hätte auf derlei Features gut verzichten können.


Spielspaß für lau

Ähnlich wie Journey erzählt Sky mit hübschen kleinen Bildern eine vage Geschichte.
Das gemeinsame Erlebnis mit anderen Online-Spielern ist manchmal nervig (weil kleinere Aufgaben ständig vor euren Augen gelöst werden), manchnmal aber auch meist bereichernd. Mal ärgert man sich für ein paar Sekunden, dass hektisches Voranpreschen anderer Spieler für eine zu rasche Aktivierung von Lichtschaltern oder Geistersilhouetten sorgt, im Allgemeinen fühlt es sich aber gut an, die Silhouetten anderer Wanderer in der Spielwelt zu sehen. Man kann ihnen Licht spenden, sich gegenseitig Freundschaften anbieten (durch Verneigen und Offerieren einer Kerze), gemeinsam musizieren, an Bänken kleine Nachrichten hinterlassen und einige wuchtige Türen im Team aufsperren. Grundsätzlich ist Sky in eine Hubwelt und sieben thematisch angenehm unterschiedliche Areale eingeteilt - dort gibt es jeweils einen kleinen Bereich, wo man Outfits ändern oder die Bindung zu Geistern erhöhen kann, bevor es in den „Action-Teil“ der Levels geht. Verliert ihr mitten in einem Abschnitt die Lust, bleibt der Spielstand stets erhalten: Über ein Portal in der Hubwelt, die an ein buntes Stonehenge erinnert, könnt ihr jederzeit genau dort weitermachen, wo ihr eure Reise zuletzt unterbrochen habt.

Fazit

Eigentlich könnte ich einfach froh sein, dass thatgamecompany ein neues Spiel gemacht hat und ich auf Switch damit meinen Spaß habe - zumal es mich nicht mal was kostet. Andererseits kann ich nicht umhin, die Videospielgötter anzuheulen, wegen der verpassten Chance auf ein zeitloses Meisterwerk. Ich finde es geradezu tragisch, dass ich Sky: Kinders des Lichts auf diesem Wege erleben „musste“ - zuerst auf dem Smartphone mit Touchscreen-Steuerung und einem kleinen Display. Nun auf der Switch, von Rucklern geplagt und mit derselben unschönen Free-to-Play-Struktur, von Mikrotransaktionen gegängelt. Grundsätzlich ist Sky nämlich poetisch, verträumt und berauschend schön: Ich habe keine Ahnung, wie man das auch nur ansatzweise besser inszenieren könnte! Das Spiel ist viel näher an Journey als ich es nach den ersten Trailern erwartet hätte. Ich hatte auch auf Switch weder Lust, Geld für virtuelle Kerzen auszugeben, noch welche durch ewiges Herumsuchen und erzwungene Interaktion zu erlangen. Außerdem ist es an manchen Stellen unklar, welches Ziel man gerade ansteuern muss und ob es dafür Mitspieler braucht. Hinzu kommt das undurchsichtige Upgrade-System, das eher Ballast als Bereicherung ist. Unterm Strich ist Sky immer noch ein richtig tolles Spiel, doch mit der Entscheidung für ein Free-to-Play-Modell auch auf Konsole hat das Studio wohl die letzte Chance vertan, Sky zu dem Meilenstein zu machen, der es hätte sein können.

Pro

  • traumhaft schöne Grafik
  • Laufen, Surfen und Fliegen sehr elegant
  • Pad-Steuerung besser als Touchkontrolle vom Smartphone
  • schöne, diffuse Lichteffekte
  • Soundkulisse zum Träumen
  • viel optische Abwechslung
  • interessanter Mehrspieler-Ansatz
  • ein Stückchen umfangreicher als Journey

Kontra

  • unpassende Mikrotransaktionen
  • undurchsichtiges Upgrade
  • und Währungssystem
  • unnötig verwirrende Spielstruktur
  • Internetverbindung ist auch auf Switch Pflicht
  • leichte Ruckler und Flimmerkanten im 60-FPS-Modus
  • starke Ruckler im höher aufgelösten 30-FPS-Modus

Wertung

Switch

Traumhaft schönes Spiel voller Anmut und Verve - inhaltlich ein würdiger Nachfolger zu Journey. Doch Mikrotransaktionen, technische Schwächen und die Spielstruktur beeinträchtigen das Erlebnis spürbar.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Mikrotransaktionen: Kauf von Kerzen kostet bis zu 54,99 Euro (für das größte Paket), kein Season-Pass nötig für zeitliche Events, zeitlich begrenzte Items. (z.B. aktuell Outfits passend zur Kooperation mit "Der kleine Prinz" (16,99 Euro).
  • Käufe beeinflussen das Spieldesign stark.
  • Der Shop ist penetranter Bestandteil der Menüs oder Benutzerführung.
  • Man wird durch Grind animiert die Spielzeit über Käufe verkürzen, Pay-to-Shortcut.
Kommentare
ChaoticSonic

Eigentlich ja echt ne schöne Sache, wenn da so eine Perle von That Game Company kommt ...
Aber wenn es durch MTs mehr oder weniger quasi zerstört wird, dann schaue ich da erst gar nicht rein.

Sollte das irgendwann rereleased werden, ohne den MT-Mumpitz, dafür dann eben für 15 € oder 20 € oder so, dann werf ich vielleicht doch nochmal n Blick drauf.

vor 3 Jahren
4P|Matthias

Erster! Erster, der darauf hinweist, dass auf der Startseite "Der verschenkte Meisterwerk" steht.
Es ist sehr warm.
Trotzdem danke

vor 3 Jahren
Eispfogel

Zweiter, der das ebenfalls gesehen hat xD
Ich liebe Journey! Schade, dass Sky so umgesetzt wurde...ein weiteres Spiel, dass durch diesen MT Wahn kaputtgemacht wird.

Aber was solls. Journey funktioniert noch immer und irgendwer wird für Sky sicher Geld ausgeben und es lohnt sich wieder...
Hauptsache es erwischt nicht die falschen. Manch einer findet bei sowas ja kein Ende und zahlt sich dumm und dämlich.

Und das scheint ja auch super mit dem Spiel verwoben zu sein, sodass die super auf Walfang gehen können :/

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
Jondoan

Erster! Erster, der darauf hinweist, dass auf der Startseite "Der verschenkte Meisterwerk" steht.

vor 3 Jahren