Fracked - Test, Shooter, PlayStation4, PlayStationVR, VirtualReality
Vorab gleich eine Warnung: Fracked benötigt zwingend zwei der technisch veralteten und trotzdem noch recht kostspieligen Move-Controller. Diese Nachricht allein dürfte schon manchen interessierten PSVR-Besitzer abschrecken. Meine Bedenken diesbezüglich wurden aber schnell ausgeräumt. nDreams hat dank seiner jahrelangen Erfahrung ein erstaunlich griffiges und mitreißendes Steuerungskonzept erarbeitet. Sicher – das Fehlen eines Analogsticks macht das Laufen zwangsweise unnötig kompliziert, weil stattdessen der linke Move-Controller geneigt und eine Taste gedrückt wird. Nach kurzer Gewöhnung wird aber klar, wie clever das Manko mit anderen Tricks kompensiert wird. So fühlte es sich schon nach wenigen Minuten erstaunlich gut an, zwischen Bohrtürmen und Bretterverschlägen umher zu huschen und gut verschanzt auf die Comic-Gegner anzulegen.
Move ist Pflicht
Der Hauptgrund fürs gute Spielgefühl ist eine Neuerung, die sich ähnlich einschneidend auf kommende Spiele auswirken könnte wie seinerzeit Gears of War mit seiner Deckungsmechanik. Grundsätzlich kann ich mich in Fracked ganz frei hinter Hütten, Wänden, Kisten oder anderen Hindernissen bewegen, um mich dort zu verstecken. Doch sobald ich mit der linken Hand an eine beliebige Kante greife, kann ich mich blitzschnell aus der Deckung ziehen - und wieder hinein. Schwupp, schon bin ich draußen! Ein paar Schüsse später ziehe ich mich blitzschnell zurück in Sicherheit. Und das ganz ohne dass der Rest des virtuellen Körpers dazwischenfunkt. Es wurde einfach herrlich unkompliziert und Arcade-freundlich umgesetzt!
Geniale Deckungsmechanik
Während mich Pilotin Rosalez aus dem Heli über Funk mit Infos versorgt, stürme ich eine von mutierten Arbeitern überrannte Fracking-Anlage und liefere mir massenhaft Schusswechsel. Die Comic-Waffen könnten etwas präzisere Visiere gebrauchen, davon abgesehen machen die Kämpfe aber richtig Laune. Die angenehm aktiven Gegner setzen hier schön nach, darunter ausschwärmende Standard-Psychos, mit Leuchtkristallen aufgeputschte Explosivwesen oder schwer gepanzerte Minenleger mit Schwachstelle. Wenn es sein muss, wagen sie sich auch auf Treppen, Gerüste oder ein Flachdach über dem verschanzten Spieler. Zu forsch werden sie aber glücklicherweise nicht – so dass kleine Fehlgriffe an den ungewohnten Move-Klöppeln nicht sofort bestraft werden.
Überschaubares Arsenal
Schade, das sich die Entwickler kein Kombo-System, Zeitlupen oder ähnliche coole Arcade-Mechaniken ausgedacht haben. Eine spannende und wunderbar eingebundene Abwechslung sind allerdings die Klettertouren und Ausflüge auf Skiern. Das Ausweichen per Kopfneigung und Zerlegen von Schneemobilen im Bond-Stil flutschen hier um Welten besser als in Medal of Honor: Above and Beyond oder jedem anderen mir bekannten VR-Actiontitel. So flüssig und nahtlos hätte ich mir den Ablauf in Blood & Truth gewünscht! Wenn sich die professionell vertonte Rosalez und der namenlose Held mit flapsigen Sprüchen aufziehen, erinnert das angenehm an die abenteuerliche Atmosphäre der Uncharted-Reihe.
Die übernatürlich angehauchte Geschichte rund um Mutations-Kristalle und finstere Absichten des Gegenspielers kratzt allerdings nur an der Oberfläche: Nach nur rund dreieinhalb Stunden Spielzeit enttäuscht die Erzählung bereits mit einem erstaunlich abruptem Ende. Für den gebotenen unkomplizierten Arcade-Ausflug bietet sie aber immerhin den passenden Rahmen. Einen professionellen Eindruck hinterlassen auch das stringente Comic-Design und die offensichtlich funktionierende Qualitätskontrolle. Nur selten kam es dazu, dass Gegner durch eine Wand flutschten oder ein paar Minen in der Luft hängenblieben.
Kurz und schmerzlos
Bei der audiovisuellen Umsetzung haben sich die Entwickler dagegen nicht gerade mit Ruhm bekleckert: Es bleibt zwar stets flüssig, doch viele Texturen wirken selbst für eine Comic-Kulisse extrem grob. Auch gelegentlich aufploppende Objekte oder nachladende Detailstufen fallen negativ auf. Auf der PS4 Pro lassen zudem die flimmernden Kanten das Bild etwas unruhig erscheinen. Vermutlich hat sich das Team von Anfang an Reserven für eine mögliche spätere Quest-Umsetzung freigehalten. Bisher werden solche Gerüchte übrigens verneint. Verwunderlich ist das nicht: Sony präsentiert das Projekt schließlich als Vorzeige-Titel, um die Marke PlayStation VR im Gespräch zu halten, bevor die Pläne zum Nachfolger-Headset konkreter werden.
Vorteil: PS5?
In seltenen Fällen reagierten auch die Trigger nicht ganz so verlässlich wie auf der PS4 Pro. Hätte ich das Spiel nicht auf dieser Hauptplattform testen müssen, wäre ich trotz kleiner Macken schnell zur PS5 gewechselt. Dort wirken die weiten Comic-Panoramen schließlich eine ganze Ecke stimmiger. Selbst die arg groben Texturen wirken dann besser gefiltert.
Technische Schwächen
Vorbildlich wurden dagegen die erwähnten Kletter-Passagen umgesetzt. Das vorsichtige zweihändige Entlanghangeln an knisternden Kabeln oder beinahe schon abstürzten Vehikeln hat mir ähnlich viel Spaß gemacht wie seinerzeit mit Nathan Drake. Als durchschnittlich empfindlicher Spieler wurde mir übrigens nur selten mulmig, obwohl ich hier auch mal am Heli baumele oder auf Skiern unterwegs bin. Zur Not lassen sich Komfort-Funktionen feintunen - etwa die Intensität der Vignette oder die ruckartige bzw. flüssige Drehung. Spieler mit wirklich empfindlichen Mägen sollten aber die Finger vom Spiel lassen. Die freie Bewegung ist schließlich eine elemantarer Kern des Erlebnisses, inklusive schneller Sprints auf Knopfdruck. Wer abwechslungsreiche Schauplätze rund um den Globus sucht, sollte sich ebenfalls lieber anderswo umschauen – z.B. bei Defector von Twisted Pixel. Für immerhin etwas Wiederspielwert sorgen übrigens versteckte Münzen sowie zwei alternative Schwierigkeitsgrade. Einer davon gestaltet sich leichter und fügt allen Waffen Laservisiere hinzu. Die Hardcore-Variante hingegen bietet nur ein einziges Leben pro Speicherstand.
Fazit
Fracked beweist, wie wichtig ein üppiger Erfahrungsschatz in der VR-Entwicklung ist: Selbst große Namen wie Medal of Honor: Above And Beyond oder Sniper Elite VR bieten nicht im Ansatz die schwungvolle Eleganz, mit der nDreams spannende Schießereien, wilde Ski-Verfolgungsjagden und Klettertouren abfackelt – und das, obwohl hier zwei veraltete Move-Controller Pflicht sind! Im Kern steht dabei die clevere neue Deckungsmechanik. Schon nach wenigen Minuten zog ich mich mit der linken Hand so flüssig hinter die Wände und wieder hinaus, als hätte ich nie etwas anderes gemacht! Ich hoffe inständig, dass sich andere Entwickler bei dieser Idee bedienen – und dass Fracked einen Nachfolger bekommt. Das nur rund dreieinhalb Stunden kurze Action-Abenteuer endet nämlich viel zu abrupt. Hinzu kommen Schwächen bei der Abwechslung und der grafischen Umsetzung. Trotzdem wird klar, dass die Konzentration aufs Wesentliche im Bereich eines VR-Shooters deutlich wichtiger ist. Seine Kernmechaniken beherrscht das Spiel schließlich ganz ausgezeichnet!
Pro
- spannend orchestrierte Feuergefechte
- coole, gut funktionierende Ski- und Klettereinlagen
- neu entwickelte, hochgradig spaßige Deckungsmechanik
- Steuerung toll auf Move-Controller zugeschnitten...
- Waffen-Mix passt gut zur Action...
- elegant durchexerziertes, schwungvolles Arcade-Spielgefühl
- ideal abgestimmte Vorstöße der KI
- passendes, stringent durchgezogenes Comic-Design
- motivierender Smalltalk über Funk
- professsionell auf Englisch vertonte Dialoge
- kerniger Big-Beat-Soundtrack
Kontra
- matschig-unscharfe Texturen
- Grafik-Schwächen bei Detailstufen, Kanten, Mündern
- Sound undynamisch abgemischt
- ...Move-Controller-Nachteile stören trotzdem manchmal
- ...simple Visiere erschweren das Zielen
- nur rund dreieinhalb Stunden kurz
- einfach gestrickte Story und enttäuschend inszeniertes Ende
- keine raffinierten Arcade-Mechaniken wie Kombos oder Zeitlupe
- keine eigenen Granaten oder Nahkampf-Attacken
- Abwechslungsmangel bei den Schauplätzen
- nur wenige Bosskämpfe
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Alternative Deluxe Edition für derzeit fünf Euro bzw. zwei Euro (PS Plus) Aufschlag enthält diverse Skins, einen Soundtrack, ein Artbook und 72 Stunden Frühzugang. Für PS-Plus-Nutzer gibt es zudem eine Demo.
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.