Psychonauts 2 - Test, Plattformer, PC, PlayStation4, XboxOne, Linux, Mac, PlayStation5, XboxSeriesX
Nach dem Kickstarter-Erfolg von Yooka-Laylee witterte auch Schafer seine Chance, den eigenen Fan-Liebling fortzusetzen – und „3D-Action-Adventures mit Farben und Humor" weiteren Aufwind zu verschaffen. So viel sei vorweggenommen: An Farben mangelt es dem Spiel ganz gewiss nicht! Auch der Humor wird hier zwischen den Kämpfen überaus üppig eingestreut. Viele flapsige Kommentare zwischen den Hauptfiguren und in zahlreichen Zwischensequenzen sorgen auf Anhieb für dieses typische „Premium-Gefühl“, das sich auch bei Double Fines älterem Projekt Brütal Legend einstellt.
Überaus bunte Psyche
Die erzählerischen Inzenierung der wilden Geschichte erweckt immer wieder den Eindruck, zur Hauptfigur eines professionellen Animationsfilms zu werden. Im Gegensatz zu Teil 1 haben sich Double Fine und Publisher Microsoft diesmal aber eine deutsche Synchronisation der zahlreichen Dialoge gespart. Stattdessen gibt es lediglich deutsche Texte und Untertitel.
Weiter geht’s!
Nach der Rettung des großen Vorsitzenden der Psychonauten, Truman Zanotto, muss die Organisation einem geheimen Auftraggeber auf die Schliche kommen. Bösewicht Doktor Loboto hatte Truman in sein Unterwasserversteck im „Rhombus of Ruin“ entführt und mit einem Serum seine Erinnerungen gelöscht. Innerhalb der Organisation für hellseherische Spionage nimmt aber niemand den brabbelnden Doc für voll. Es muss also einen deutlich weniger debilen Hintermann geben. Dieser spukt schließlich schon im frühen Spielverlauf in Lobotos Visionen herum. Sogar die eigentlich für tot erklärte, hochgefährliche Maligula könnte eine Rückkehr planen und die Welt ins Unglück stürzen, wenn an den Visionen etwas dran ist. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Suche nach Maligulas legendärem Gegenspieler Ford Cruller, der sich dank Teleportationsfähigkeiten gleich an zahlreichen Orten des Hauptquartiers herumtreibt.
Praktikant gesucht
Die Zirkus-Kunststücke des jungen Helden und übersinnliche Fähigkeiten helfen ihm aber bei mannigfaltigen Gelegenheiten weiter. Beim Hüpfen, Grinden oder einem Schwebeflug etwa entfaltet sich ein herrlich entspannter, aber trotzdem fordernder Rhythmus. Die Randbereiche der Areale sind zwar nicht ganz so perfektionistisch ausbalanciert wie etwa in Marios 3D-Titeln – der Rest wirkt aber erfreulich rund - vor allem nach etwas Gewöhnung ans Management der Fähigkeiten auf dem Controller. Vorm PC darf man alternativ auch Maus und Tastatur benutzen. Schon die Außenwelt bietet skurrile Akrobatik-Herausforderungen wie Baumstümpfe auf einem aufwärts fließenden Wasserfall. Dazu gesellen sich versteckte Durchgänge, die mit den Flammen der Pyrokinese abgefackelt werden oder kleine Puzzle-Einlagen. Letztere erfordern z.B. das Tragen schwerer Zahnräder per Pyrokinese zu einer defekten Seilbahn.
Bereits die Figuren in der realen Welt besitzen ein wunderbar verschrobenes Design – z.B. der einst berüchtigte Coach Morry mit seinen erstaunlich kegelförmigen Proportionen. Sogar Raz’ „Mitschüler“, die ihn erst einmal ordentlich hänseln und seine Kleidung stehlen, sorgen mit einer gehörigen Portion Persönlichkeit dafür, dass die wilden Eskapaden der ungewöhnlichen Welt greifbarer werden. Damit auch die Nachwuchs-Agenten auf Missionen an gefährliche Orte mitkommen dürfen, begeht Raz sogar ein Kapitalverbrechen: In den Synapsen von Lehrerin Hollis Forsythe manipuliert er ihr Risikobewusstsein derart, dass ein extrem faszinierender, bizarrer Mix aus Hospital und Casino entsteht. Ein belastendes Erlebnis aus ihrer Vergangenheit betrifft schließlich einen Ideenklau aus der medizinischen Forschung, den sie bis heute nicht ganz überwunden hat.
Charakterköpfe
Beim Einstieg in die Hirne zentraler Figuren wie ihr wird es also noch deutlich wilder als in der Realität - dank exzentrischer Persönlichkeitszüge, Dämonen der Vergangenheit und allerlei verborgener Ängste. Inmitten von einarmigen Organ-Banditen versuchen Skellettpüppchen ihr Glück in der Lotterie fürs eigene Kinderglück – und zanken sich nebenbei darum, ob der Weg dorthin ihnen überhaupt Spaß bereitet. Auch im ekligen Zahnmeer von Dr. Loboto oder einem psychedelischen Rockkonzert voller Regenbogenbrücken wird die überbordende Kreativität des Teams deutlich. An jeder Ecke gibt es Unmengen bizarrer Winkel und Verstecke zu entdecken.
Bitte knacken Sie mit den Synapsen!
Der Großteil der aufmotzbaren Fähigkeiten wirkt ebenfalls gelungen. Dazu gehören eine Zeitlupe gegen blitzschnell rotierende Ventilatoren, aufladbare Energieprojektile direkt aus dem eigenen Geist oder der Balanceakt auf einer Kugel, der eine agilere Fortbewegung und höhere Sprünge ermöglicht. Die gestiegene Komplexität hat aber auch ihre Schattenseiten, denn bei der Belegung haben sich die Entwickler etwas verzettelt: Zum Schweben aus brenzligen Situationen muss beispielsweise die entsprechende Fallschirm-Blase auf einer der vier L- und R-Tasten belegt sein. Gutes Einprägen oder häufiges Umbelegen der Fähigkeiten ist also Pflicht. Zudem lassen die übersinnlichen Tricks sich nicht nur in mehreren Stufen aufrüsten (z.B. mit einem Schlag aus der Ausweichrolle), sondern auch mit „Ansteckern“ erweitern.
Aggressiver Hüpfausflug
Hinzu kommen noch Objekte wie emotionaler Ballast - alles in allem wirkt der Fokus auf Sammelkram also ein wenig aufgeblasen. Im Laufe der Kämpfe sorgen Experimente mit neuen Ansteckern aber trotzdem für Extra-Motivation bei erneuten Besuchen der langen, fantasiereichen Levels und der offenen Außenwelt. Dort hat sich u.a. Raz’ rebellischer Schwarm Lili versteckt, die auch nicht gerade das harmonischste Verhältnis mit ihrem Vater Truman zu haben scheint.
Einsteiger dürfen übrigens von Haus aus einen Unbesiegbarkeits-Modus aktivieren, der unter Fans bereits für kontroversen Gesprächsstoff sorgte. Durchschnittlich begabte Spieler können grob zwölf bis 14 Stunden für das Abenteuer einplanen. Ab und an stehen auch mehr oder weniger gelungene Minispiele wie ein riesiges Pillen-Pachinko auf dem Programm – oder auch cool inszenierte Bosskämpfe wie gegen die durchgepeitschte Lehrerin Hollis. Nachdem sie sich in einen glühenden „Glücktopus“ verwandelt und Raz’ Altersgenossen in Karten verbannt hat, liegt es am Spieler, die passende Fähigkeit gegen die explosiven Glühbirnen herauszufinden.
Mängel bei der Technik
Beim Ausspucken der bizarren Bomben und anderen Soundeffekten lassen sich die Geräusche leider nicht immer ideal orten. Gelungen wirken dagegen das Sounddesign sowie die passenden Orchester- und Swing-Stücke. Der schwungvolle Soundtrack trägt viel zur cineastischen Stimmung bei. Beim Detailgrad und den Effekten macht sich die lange Entwicklungsdauer des Spiels bemerkbar. Der Unreal-Engine-Titel bleibt weit von einem Grafikfeuerwerk wie Ratchet & Clank: Rift Apart entfernt. Trotz einiger aus der Nähe unscharfer Texturen und seltenem Aufploppen nachladender Objekte ergibt sich beim Spielen aber ein insgesamt überzeugendes Bild.
Vorteil Xbox Series X
Fazit
Psychonauts 2 entpuppt sich im Test tatsächlich als wahre Charm-Bombe, die mich immer wieder mit ihren schrulligen Ideen und dem virtuos inszenierten Humor in ihre Welt gezogen hat! Während ich in immer wildere Gehirnwindungen und monströsere Gedanken abtauchte, war es gar nicht so leicht, zwischendurch wieder auszusteigen und den Controller beiseite zu legen. Am meisten Spaß bringen aufrüstbare Fähigkeiten wie die Multifunktionsblase für den Schwebeflug und Attacken - oder auch die „Mentale Verbindung“, mit der Held Raz nicht nur thematische Gedankenfragmente verbindet, sondern auch Gegner ins Verderben ziehen kann – ein angenehm hinterlistiger Trick! Selbst die technisch nur durchwachsene Präsentation und der etwas zu stark aufgeblasene Wust aus Sammelaufgaben, Upgrades und Mehrfachbelegungen kann den Spaß am Wahnsinn nicht wirklich trüben. Unterm Strich also ein überaus lohnenswerter und äußerst humorvoller Hüpfausflug in die actionreichen Untiefen des Geistes, der übrigens auch für PS4 und Xbox One erhältlich ist.
Pro
- überdrehtes aber stilsicheres wahnwitziges Design
- coole, vielfach aufrüstbare übersinnliche Fähigkeiten
- unterhaltsam-ausgewogener Mix aus Kämpfen und Hüpf-Parcours
- professionell inszenierter Smalltalk
- verschrobene Charaktere mit viel Persönlichkeit
- knackige HDR-Darstellung (Xbox Series X)
- schwungvoller Swing- und Orchester-Soundtrack
Kontra
- übertriebener Wust an Sammelaufgaben und Aufrüst-Feinheiten
- überladene Steuerungs-Belegung
- einige unscharfe Texturen und später nachladende Details
- schwache Surround-Abmischung
- keine deutsche Sprachausgabe
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.