Cris Tales - Test, Rollenspiel, Stadia, PlayStation5, XboxSeriesX, Switch, PC, XboxOne, PlayStation4
Das junge Waisenkind Crisbell, das nichts über ihre Vergangenheit weiß und gänzlich unerwartet zu einer Zeitmagierin wird, steht im Mittelpunkt des Japan-Rollenspiels. Sie kann vergangene, gegenwärtige und zukünftige Versionen ihrer Welt gleichzeitig sehen - was durch eine Aufteilung des Bildschirms via Dreieck realisiert wurde. Alles, was in der Mitte passiert, ist die Gegenwart. Die Vergangenheit ist links davon zu sehen. Auf der rechten Seite wirft man einen Blick in die Zukunft. Crisbell kann aber nicht selbst in andere Zeitebenen reisen. Hier kommt die sprechende Begleiter-Kröte Matias ins Spiel, die auch in die anderen Zeiten hüpfen kann.
Gestern. Heute. Morgen.
Nach der ersten Verwunderung, warum ausgerechnet Crisbell zu einer Zeitmagierin wurde, trifft sie auf Wilhelm - ebenfalls ein Zeitmagier. Gemeinsam ziehen sie los, um die "Zeitkaiserin" zu stoppen. Doch bis dahin muss die Truppe an Stärke gewinnen, neue Verbündete ins Boot holen und unterschiedlichen Königreichen einen Besuch abstatten. Zugleich wird aus der Gruppe von Ausgestoßenen eine kleine eingeschworene Gemeinschaft.
Die Zeitmechanik ist eine faszinierende Idee, da man den Verfall der Welt von der Vergangenheit bis in die Zukunft direkt erkennen kann. Es geht u.a. um den negativen Einfluss der Menschen auf die Welt und auf andere Personen. So sieht man z.B. ein und denselben Charakter in allen drei Zeitsträngen, während manche in der Zukunft fehlen, weil sie vielleicht an Altersschwäche gestorben sind.
Zeitmagie und Zeiträtsel
Was auf dem ersten Blick ziemlich komplex und überborgend wirkt, entpuppt sich im Spielverlauf als grundsätzlich tolle Idee, die längst nicht ihr volles Potenzial ausschöpft und meistens nur für kleinere und überschaubare Rätsel genutzt wird - deren Ablauf sich meist ähnelt. Zumal ein nur punktuell praktisches Hilfesystem zur Seite springt, wenn man irgendwo feststeckt.
Qualitätsschwankungen
Die in Cris Tales erzählte Geschichte ist ein etwas zu lang gewordenes Auf und Ab (Spieldauer: über 20 Stunden). Während die ersten zwei Drittel ganz ordentlich sind und mit relevanten Entscheidungen daherkommen, flaut das Geschehen zum Ende ab, zieht sich in die Länge und gipfelt in einem Showdown, der nicht so richtig passen will und vorherige Entscheidungen kaum einbezieht.
Dabei schwankt die Story- und Dialogqualität sehr. Manche Quests und Dialogtexte sind hervorragend geschrieben und können emotional berühren oder die Beziehungen zwischen den Charakteren sinnvoll vertiefen, während andere Dialoge zum Fremdschämen animieren, zu kindlich naiv daherkommen oder wie Fülltexte wirken. Einige Nebengeschichten mit persönlichen Geschichten und viel Backtracking gibt es ebenso.
Es wirkt so, als wäre Cris Tales zu aufgebläht worden, um eine stringente Qualität zu bieten und musste dann wohl voreilig veröffentlicht werden. Dieser unfertige Eindruck wird von dem kargen Look mancher Gegenden unterstrichen, denn das Auf und Ab gilt ebenfalls für die grafische Gestaltung der Schauplätze, die von famoser Detailkulisse bis zu öder Wüste reichen. Hinzu kommt ein generell zu langsames Spiel- und Bewegungstempo, was den Abschluss der Geschichte in die Länge zieht und Zweifel am Pacing und der Regie aufkommen lässt.
Auch in den rundenbasierten Kämpfen, die von ihrer textuellen Aufmachung leicht an Persona 5 erinnern, bietet die Zeitmechanik kreative Vorgehensweisen, wobei nur Crisbell mit der Zeit hantieren darf. Die anderen Charaktere des Party-Trios haben andere, "normalere" Fähigkeiten. Wilhelm setzt z.B. auf Naturkräfte. Er kann einen Samen einpflanzen, der in Zusammenspiel mit Crisbells Zeitkräften zu einem giftigen Baum mit Flächenschaden wird - so entsteht quasi eine Zeitcombo.
Kampf mit der Zeit
Crisbell kann die Gegner vorwärts und rückwärts durch die Zeit schicken - was durch ihre Platzierung auf dem Schlachtfeld (links: in die Vergangenheit; rechts: in die Zukunft) bedingt ist. Durch das Hantieren mit der Zeit kann man die Stärke der Feinde beeinflussen. Prinzipiell werden Gegner in die Vergangenheit flinker, aber schwächer, während sie in der Zukunft langsamer, aber ggf. mächtiger sind, weil sie neue Attacken oder Zauber gelernt haben. Außerdem können gewisse Statuseffekte durch andere Attacken oder Zauber mit der Zeit abgeändert werden. Ein Wasserzauber lässt mit der Zeit eine Rüstung bzw. Metall rosten.
Außerdem gibt es wie in Paper Mario ein Bonussystem für Attacken: Wenn man im richtigen Moment die Kampftaste drückt, wird der Angriff oder die Verteidigung besonders effektiv ausfallen. Es gibt dabei visuelle Hinweise, die beim Timing helfen, aber in langen Kämpfen kann es ermüdend sein, immer exakt auf das Timing zu setzen. Es gibt übrigens keine Möglichkeit, um dieses Timing-Feature auszuschalten oder das Zeitfenster für die Reaktion auf den Angriff zu vergrößern. Irgendwie passt dieses Feature nicht sonderlich gut in das eher gemächliche Spielgefühl.
Timing-Bonussystem für Attacken
Noch ein Wort zu den getesteten Umsetzungen. Bei der Switch-Version stören viele und relativ lange Ladezeiten den Spielfluss. Die PC-Version bietet keine Einstellungsmöglichkeiten für Steuerung und Grafik (nicht mal Auflösung). Es gibt lediglich Audio-Optionen. Da die Maus nicht zum Einsatz kommt, lässt sich das Spiel auf dem PC am besten mit Controller steuern.
Cris Tales auf PC und Switch
Fazit
Pro
- herausragende Zeitmechanik
- einige gute Zeiträtsel und -ideen
- Entscheidungen und Konsequenzen
- manche Story-Passagen und Charakter-Entwicklungen
- clever visualisierte Zeitebenen
- viele schöne und ausdrucksstarke Schauplätze
- starker Soundtrack
Kontra
- Zeitmechanik wird zu zaghaft eingesetzt
- qualitative Schwankungen bei Texten und Dialogen
- Standard-Attacken zu stark im Vergleich zur Zeitmagie
- letztes Drittel fällt ab
- keine Schwierigkeitsgrade
- nur rudimentäres Hilfesystem
- Pacing-Probleme (zu langsam)
- spartanische Weltkarte
- ungelenker Einstieg
- einige Schauplätze wirken öde
- lange Ladezeiten auf Switch
- nahezu keine Optionen auf PC
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- In Cris Tales gibt es zum Testzeitpunkt keine Mikrotransaktionen und auch keinen Ingame-Shop.