Cris Tales - Test, Rollenspiel, Stadia, PlayStation5, XboxSeriesX, Switch, PC, XboxOne, PlayStation4

Cris Tales
20.08.2021, Marcel Kleffmann

Test: Cris Tales

Zu wenig Zeit gehabt?

Cris Tales (ab 8,99€ bei kaufen) war eine der Überraschungen auf der gamescom 2019. In dem Japan-Rollenspiel kann man Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig erleben. Doch irgendwie will die interessante Idee nicht so richtig zünden.

Das junge Waisenkind Crisbell, das nichts über ihre Vergangenheit weiß und gänzlich unerwartet zu einer Zeitmagierin wird, steht im Mittelpunkt des Japan-Rollenspiels. Sie kann vergangene, gegenwärtige und zukünftige Versionen ihrer Welt gleichzeitig sehen - was durch eine Aufteilung des Bildschirms via Dreieck realisiert wurde. Alles, was in der Mitte passiert, ist die Gegenwart. Die Vergangenheit ist links davon zu sehen. Auf der rechten Seite wirft man einen Blick in die Zukunft. Crisbell kann aber nicht selbst in andere Zeitebenen reisen. Hier kommt die sprechende Begleiter-Kröte Matias ins Spiel, die auch in die anderen Zeiten hüpfen kann.

Gestern. Heute. Morgen.

Nach der ersten Verwunderung, warum ausgerechnet Crisbell zu einer Zeitmagierin wurde, trifft sie auf Wilhelm - ebenfalls ein Zeitmagier. Gemeinsam ziehen sie los, um die "Zeitkaiserin" zu stoppen. Doch bis dahin muss die Truppe an Stärke gewinnen, neue Verbündete ins Boot holen und unterschiedlichen Königreichen einen Besuch abstatten. Zugleich wird aus der Gruppe von Ausgestoßenen eine kleine eingeschworene Gemeinschaft.

Die Zeitmechanik ist eine faszinierende Idee, da man den Verfall der Welt von der Vergangenheit bis in die Zukunft direkt erkennen kann. Es geht u.a. um den negativen Einfluss der Menschen auf die Welt und auf andere Personen. So sieht man z.B. ein und denselben Charakter in allen drei Zeitsträngen, während manche in der Zukunft fehlen, weil sie vielleicht an Altersschwäche gestorben sind.

Zeitmagie und Zeiträtsel

Eine Region in drei Zeiten. In der Vergangenheit (links) wirkt diese Stadt aus dem zweiten Königreich noch sehr einladend und freundlich. In der Zukunft (rechts) ist alles zerstört und düster. In der Mitte deutet sich schon die Zukunft an.
Zusammen mit späteren Zeitmagier-Kräften (Objekte in der Zeit vor- und zurückspulen) entstehen immer wieder kleine Rätsel, in denen man Objekte in ihren Ursprungszustand zurückversetzen oder eine zukunftsbezogene Aktion mit einem Gegenstand ausführen muss - z.B. einen Baum wachsen lässt, in dem man einen Samen in der Vergangenheit pflanzt. Oftmals verkommt diese Mechanik dazu, dass Ressourcen-Kisten gesucht und geplündert werden können. Ansonsten führt man Gespräche mit Nicht-Spieler-Charakteren und kann in Multiple-Choice-Dialogen auch Entscheidungen fällen, die Konsequenzen in den Zeitlinien nach sich ziehen werden.  

Was auf dem ersten Blick ziemlich komplex und überborgend wirkt, entpuppt sich im Spielverlauf als grundsätzlich tolle Idee, die längst nicht ihr volles Potenzial ausschöpft und meistens nur für kleinere und überschaubare Rätsel genutzt wird - deren Ablauf sich meist ähnelt. Zumal ein nur punktuell praktisches Hilfesystem zur Seite springt, wenn man irgendwo feststeckt.  

Gleich zu Beginn darf man sich den Volcano-Schwestern stellen und lernt die Effekte von Wassermagie plus Zeit gegen Metall kennen.


Qualitätsschwankungen

Die in Cris Tales erzählte Geschichte ist ein etwas zu lang gewordenes Auf und Ab (Spieldauer: über 20 Stunden). Während die ersten zwei Drittel ganz ordentlich sind und mit relevanten Entscheidungen daherkommen, flaut das Geschehen zum Ende ab, zieht sich in die Länge und gipfelt in einem Showdown, der nicht so richtig passen will und vorherige Entscheidungen kaum einbezieht.

Dabei schwankt die Story- und Dialogqualität sehr. Manche Quests und Dialogtexte sind hervorragend geschrieben und können emotional berühren oder die Beziehungen zwischen den Charakteren sinnvoll vertiefen, während andere Dialoge zum Fremdschämen animieren, zu kindlich naiv daherkommen oder wie Fülltexte wirken. Einige Nebengeschichten mit persönlichen Geschichten und viel Backtracking gibt es ebenso.

Es wirkt so, als wäre Cris Tales zu aufgebläht worden, um eine stringente Qualität zu bieten und musste dann wohl voreilig veröffentlicht werden. Dieser unfertige Eindruck wird von dem kargen Look mancher Gegenden unterstrichen, denn das Auf und Ab gilt ebenfalls für die grafische Gestaltung der Schauplätze, die von famoser Detailkulisse bis zu öder Wüste reichen. Hinzu kommt ein generell zu langsames Spiel- und Bewegungstempo, was den Abschluss der Geschichte in die Länge zieht und Zweifel am Pacing und der Regie aufkommen lässt.

Auch in den rundenbasierten Kämpfen, die von ihrer textuellen Aufmachung leicht an Persona 5 erinnern, bietet die Zeitmechanik kreative Vorgehensweisen, wobei nur Crisbell mit der Zeit hantieren darf. Die anderen Charaktere des Party-Trios haben andere, "normalere" Fähigkeiten. Wilhelm setzt z.B. auf Naturkräfte. Er kann einen Samen einpflanzen, der in Zusammenspiel mit Crisbells Zeitkräften zu einem giftigen Baum mit Flächenschaden wird - so entsteht quasi eine Zeitcombo.  

Kampf mit der Zeit

Crisbell kann die Gegner vorwärts und rückwärts durch die Zeit schicken - was durch ihre Platzierung auf dem Schlachtfeld (links: in die Vergangenheit; rechts: in die Zukunft) bedingt ist. Durch das Hantieren mit der Zeit kann man die Stärke der Feinde beeinflussen. Prinzipiell werden Gegner in die Vergangenheit flinker, aber schwächer, während sie in der Zukunft langsamer, aber ggf. mächtiger sind, weil sie neue Attacken oder Zauber gelernt haben. Außerdem können gewisse Statuseffekte durch andere Attacken oder Zauber mit der Zeit abgeändert werden. Ein Wasserzauber lässt mit der Zeit eine Rüstung bzw. Metall rosten.  

Außerdem gibt es wie in Paper Mario ein Bonussystem für Attacken: Wenn man im richtigen Moment die Kampftaste drückt, wird der Angriff oder die Verteidigung besonders effektiv ausfallen. Es gibt dabei visuelle Hinweise, die beim Timing helfen, aber in langen Kämpfen kann es ermüdend sein, immer exakt auf das Timing zu setzen. Es gibt übrigens keine Möglichkeit, um dieses Timing-Feature auszuschalten oder das Zeitfenster für die Reaktion auf den Angriff zu vergrößern. Irgendwie passt dieses Feature nicht sonderlich gut in das eher gemächliche Spielgefühl.  

Timing-Bonussystem für Attacken

Am oberen Bildschirmrand zeigt eine Leiste an, welcher Figur als Nächstes an der Reihe ist.
Abgesehen von der überschaubaren Gegnervielfalt fallen bei den Kämpfen bzw. bei der Ausbalancierung einige Schwächen auf. Viele Kämpfe sind zu leicht, vor allem nachdem Crisbell heilen kann. Darüber hinaus sind viele Standard-Kämpfe zu kurz, um die Zeitfertigkeiten richtig einsetzen zu können. In der Regel reicht es aus, die Standard-Attacken zu benutzen, anstatt die aufwändigeren Zeitcombos zu setzen und paradoxerweise fehlt bei vielen Bosskämpfen die nötige Kampffreiheit, weil man bestimmte Attacken gezielt kontern muss, um weiterzukommen, was zu gelegentlichen und nicht wirklich passenden Schwierigkeitsspitzen führt. Des Weiteren könnten die Interaktionen zwischen den Gruppenmitgliedern und den Zeitebenen ruhig stärker ausfallen.

Noch ein Wort zu den getesteten Umsetzungen. Bei der Switch-Version stören viele und relativ lange Ladezeiten den Spielfluss. Die PC-Version bietet keine Einstellungsmöglichkeiten für Steuerung und Grafik (nicht mal Auflösung). Es gibt lediglich Audio-Optionen. Da die Maus nicht zum Einsatz kommt, lässt sich das Spiel auf dem PC am besten mit Controller steuern.

Cris Tales auf PC und Switch

Fazit

Irgendwie hatte ich mir mehr von Cris Tales und mehr kreative Zeitspielereien erhofft. Das Fundament aus der Interaktion mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist famos, wird im eigentlichen Spiel aber zu zaghaft genutzt. Ja, es gibt schöne und stellenweise emotionale Entscheidungsmomente und kleinere Rätsel zu lösen, dennoch lassen die Entwickler viel kreatives Potenzial ungenutzt. Etwas stärker kommen die Zeitelemente in den Kämpfen zum Vorschein, nur bleiben sie zu oberflächlich, weil die normalen Attacken der Charaktere oft ausreichen. Auch die Qualität der Geschichte und der Dialogtexte schwankt, während das letzte Drittel ein bisschen zu aufgebläht wirkt, was das ohnehin träge Spieltempo weiter verlangsamt. Es wirkt so, als wäre der Umfang des Spiels zu groß geworden - oder es fehlte am Ende die notwendige Zeit für eine bessere Ausbalancierung von Pacing, Schwierigkeitsgrad und Handlungsfreiheit. Das ist bedauerlich, denn Cris Tales hat eigentlich ein solides JRPG-Fundament mit einer guten Ausgangsidee, das in der Form aber hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.

Pro

  • herausragende Zeitmechanik
  • einige gute Zeiträtsel und -ideen
  • Entscheidungen und Konsequenzen
  • manche Story-Passagen und Charakter-Entwicklungen
  • clever visualisierte Zeitebenen
  • viele schöne und ausdrucksstarke Schauplätze
  • starker Soundtrack

Kontra

  • Zeitmechanik wird zu zaghaft eingesetzt
  • qualitative Schwankungen bei Texten und Dialogen
  • Standard-Attacken zu stark im Vergleich zur Zeitmagie
  • letztes Drittel fällt ab
  • keine Schwierigkeitsgrade
  • nur rudimentäres Hilfesystem
  • Pacing-Probleme (zu langsam)
  • spartanische Weltkarte
  • ungelenker Einstieg
  • einige Schauplätze wirken öde
  • lange Ladezeiten auf Switch
  • nahezu keine Optionen auf PC

Wertung

Switch

Cris Tales kann sein JRPG-Fundament und die gute Ausgangsidee nicht wirklich nutzen. Es bleibt oft zu oberflächlich und wirkt dennoch aufgebläht sowie unfertig.

PC

Cris Tales kann sein JRPG-Fundament und die gute Ausgangsidee nicht wirklich nutzen. Es bleibt oft zu oberflächlich und wirkt dennoch aufgebläht sowie unfertig.

Echtgeldtransaktionen

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  • In Cris Tales gibt es zum Testzeitpunkt keine Mikrotransaktionen und auch keinen Ingame-Shop.
Kommentare
Todesglubsch

Ich fand auch Ni No Kuni eher enttäuschend und mittelmäßig.
Nüchtern gesprochen war's das ja auch. Das Artdesign war charmant, aber das war's auch schon. Story war lasch, das Studio Ghibli-Budget reichte nur für die erste Spielhälfte, das Kampfsystem war zu simpel. usw.
Und Nier Replicant war eine der nervigsten, frustrierendsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe!
Ich hab zweimal versucht das Original zu spielen und gab auf. Da sich nichts im Remaster geändert hat, kann ich auch das verstehen.
... mein Spielegeschmack wäre in irgendeiner Form oder Farbe nachvollziehbar oder würde Sinn ergeben.
Merk ich. Ich hab wenigstens den Anstand alles zu bemeckern, auch wenn mir was Spaß macht

vor 3 Jahren
Psycake

Ich habe das Spiel kürzlich beendet und muss leider sagen, dass ich eher enttäuscht war.
Jetzt weiß ich endlich wo du den Schlussstrich ziehst
Weißt du nicht. Ich fand auch Ni No Kuni eher enttäuschend und mittelmäßig. Und Nier Replicant war eine der nervigsten, frustrierendsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe! Ich will ja nicht, dass du glaubst, mein Spielegeschmack wäre in irgendeiner Form oder Farbe nachvollziehbar oder würde Sinn ergeben.

vor 3 Jahren
Todesglubsch

Ich habe das Spiel kürzlich beendet und muss leider sagen, dass ich eher enttäuscht war.
Jetzt weiß ich endlich wo du den Schlussstrich ziehst


Find die Wertung ja eigentlich schade, die Demo war vielversprechend.
Gezögert habe ich wegen dem Publisher, bei Modus hab ich grundsätzlich Skepsis.

vor 3 Jahren
Sylver001

Toll.. das Endfazit entspricht meiner Vorab Kritik / Prognose nach der Demo.. jetzt frage ich mich, warum man mich für im Grunde die selbe Einschätzung fertig gemacht hat ^^ (jetzt nicht hier, aber allgemein gesprochen)

vor 3 Jahren
James Dean

Dachte beim Header erst, das wäre ein 2D-Open-World-Dingen ähnlich wie Oracle of Ages. Aber diese "Comic"- Grafik in scheinbarem 2,5D lädt mich mehr aus als ein.

vor 3 Jahren