The Medium - Test, Action-Adventure, XboxSeriesX, PC, PlayStation5

The Medium
13.09.2021, Michael Krosta

Test: The Medium

Leben in zwei Welten

Das Bloober Team bezeichnet The Medium (ab 24,99€ bei kaufen) als sein bisher ambitioniertestes Projekt, für das man sich von den surrealen Werken des polnischen Künstlers Zdzislaw Beksinski inspirieren ließ. Nach PC und Xbox Series X|S sind wir jetzt auch auf der PlayStation 5 durch zwei Realitätsebenen gestiefelt, haben gefangene Seelen erlöst und sind vor einem grausamen Monster geflohen. Ob der Psycho-Horror fesseln kann und was die Umsetzung zu bieten hat, klären wir im Test.

Marianne hat eine besondere Gabe: Als Medium ist es ihr möglich, einen Blick in die spirituelle Parallelwelt zu werfen und dort sogar mit der Umgebung zu interagieren. Zudem hat sie die Fähigkeit, auch in der gewohnten Realität mehr zu sehen, zu hören und zu fühlen als normale Menschen. So kann sie z.B. durch die Berührung und Untersuchung von Gegenständen ein Echo aus der Vergangenheit empfangen oder Erinnerungspunkte rekonstruieren, um ganz im Stil der grauenhaften Lichtwesen-Inszenierung aus Everybody's Gone to the Rapture weitere Einblicke zu erhalten. Dank der erweiterten Wahrnehmung ist es Marianne außerdem möglich, bedeutende Objekte in ihrem Umfeld hervorzugeben oder sogar versteckte Gegenstände aufzuspüren. In der spirituellen Welt hat sie außerdem die Fähigkeit, eine Schutzbarriere gegen aggressive Mottenschwärme zu errichten oder einen spirituellen Energiestoß auszusenden. Dies funktioniert jedoch nur, wenn man über die nötigen Kraftreserven verfügt, die man ausschließlich an besonderen Energiepunkten aufladen darf.   

Eine besondere Gabe

Etwa ein Drittel der Spielzeit verbringt man parallel in beiden Realitäten.
Während das Bloober Team in der Vergangenheit bei seinen Psycho-Trips immer auf die Ego-Perspektive gesetzt hat, sieht man hier die Figur und dirigiert sie durch die meist künstlich beschränkten Areale. Nur bei der genauen Untersuchung markierter Stellen geht es erneut zur Ego-Ansicht zurück. Im Mittelpunkt steht dabei der riesige Gebäudekomplex NIWA, zu dem neben einem Hotel à la The Shining auch eine Tagesstätte, ein Schwimmbad sowie ein unterirdischer Bunker gehören. Durch die festgelegten Kameraeinstellungen, die mitunter von kleinen Schwenks und gelungenen Schnitten begleitet werden, fühlt sich The Medium angenehm klassisch an und erinnert an Spiele wie Silent Hill oder Resident Evil. Anlass zur Kritik geben allerdings die mitunter etwas hakelige Steuerung und die nicht sonderlich aufwändig gestalteten Animationen.

Bye-bye, Egoansicht

Im Gegensatz zu Spielen wie Soul Reaver kann man hier nicht nach Lust und Laune zwischen beiden Realitäten wechseln. Stattdessen werden die Momente zunächst im Zuge der Story geskriptet. Erst später erhält man die Möglichkeit, sich mit der Hilfe von Spiegeln an vorgegebenen Stellen zwischen den Welten zu bewegen. Das Besondere an The Medium sind aber ohne Zweifel die Passagen, in denen man sich am geteilten Bildschirm parallel in der realen und der spirituellen Welt bewegt. Nach Entwicklerangaben erlebt man etwa ein Drittel der knapp zehnstündigen Kampagne in dieser ungewöhnlichen Ansicht, bei der man sofort nachvollziehen kann, warum das Konzept ursprünglich für die Wii U mit ihren zwei Bildschirmen umgesetzt werden sollte.

Zwei Realitäten

Die Schleicheinlagen wirken aufgesetzt und sind nicht sonderlich spannend.
Es ist auf jeden Fall beeindruckend und erfrischend anders, diese beiden Welten parallel zu erleben, zumal es auch ein paar clevere Verknüpfungen beider Realitäten gibt. So können sich Aktionen in der spirituellen Ebene durchaus auf die reale Welt auswirken und umgekehrt. Darüber hinaus eröffnen sich interessante Ansätze beim Design der Schauplätze, wenn z.B. in einer der beiden Ebenen ein Durchgang versperrt ist. Hier erweist sich eine weitere Fähigkeit von Marianne als äußerst nützlich: Auf Knopfdruck lässt sich ein außerkörperliches Erlebnis initiieren, mit dessen Hilfe man in der spirituellen Welt für eine kurze Zeit unabhängig vom Gegenüber in der Realität agieren darf, um etwa weitere Areale zu untersuchen. Allerdings muss man aufpassen, dass man es nicht übertreibt, denn eine zu lange Trennung führt unweigerlich zum Tod. Die Inszenierung erinnert an ein langsames Ertrinken, bei dem die Spielfigur zunehmend verblasst. Da man die Fähigkeit aber unendlich oft anwenden darf und nicht auf Energiereserven angewiesen ist, stellt der Zeitdruck in der Regel keine sonderlich große Hürde dar.     

Die Gabe verleiht auch die Fähigkeit, in der Realität mehr Dinge zu sehen als andere Menschen.
Gleichzeitig werden angesichts der simplen Rätsel auch die Gehirnzellen nie sonderlich gefordert, wenn man Objekte in der Umgebung verschiebt oder in der spirituellen Welt den deutlichen Leuchtspuren folgt, um nach den dadurch entdeckten Objekten die gefangenen Seelen zu erlösen. Einen Höhepunkt stellt ein Moment dar, in dem man mit Hilfe einer Uhr die Zeit manipuliert, obwohl Bloober dieses Element bereits auf ganz ähnliche Weise in Layers of Fear 2 und mit der Kamera von Blair Witch zelebriert hat. Ohnehin hat man häufig das Gefühl, dass sich die Entwickler gerne selbst zitieren oder im schlimmsten Fall ein gewisser Hang zum Recycling von Ideen und Assets im Studio herrscht: Die Passagen im Wald könnten z.B. ebenso gut aus dem Hexen-Horror stammen. Fehlt eigentlich nur noch der Hund als treuer Gefährte, oder? Tatsächlich hat man selbst für den überflüssigen Auftritt des Vierbeiners einen Moment in The Medium reserviert. Im Einstieg ist man zudem als nette Referenz im gleichen Gebäude unterwegs wie in Observer, doch befindet man sich hier freilich nicht im Krakau des Jahres 2084, sondern irgendwo Ende der Neunziger Jahre. Positiv hervorzuheben ist der Verzicht auf eine übertriebene Effekt-Orgie, wie man sie in der Vergangenheit gerne zelebriert hat, obwohl es diese Ansätze z.B. in Form von plötzlich verlängerten Korridoren auch hier zu sehen gibt. Ohne an dieser Stelle ins Detail zu gehen, präsentiert sich die Geschichte leider mitunter verwirrend und lenkt mit zu vielen nebensächlichen Handlungsträngen, uninteressanten Figuren sowie einem Overkill an Dokumenten und Echos ab, anstatt sich einfach auf das Wesentliche zu konzentrieren und einen spannenden Rahmen zu bilden.

Simple Rätsel

The Medium leidet wider den Erwartungen an einem grundsätzlichen Problem: Es ist trotz des sehenswerten Artdesigns, des ansprechenden Szenarios und einer atmosphärischen Klangkulisse zu keiner Zeit wirklich gruselig oder gar verstörend wie Horror-Erlebnisse vom Schlag eines Silent Hill – und das, obwohl man mit Akira Yamaoka sogar den Komponisten des Konami-Klassikers für die Vertonung der spirituellen Welt verpflichtet hat. Selbst das grausame Monster The Maw verliert in Windeseile seinen anfänglichen Schrecken, weil bei mageren Schleichpassagen aufgrund der geskripteten Mini-Laufwege keinerlei Spannung aufkommt und die Fluchtabschnitte zu oft von nervigem Trial & Error geprägt sind. Positiv bleiben die Begegnungen mit dem Antagonisten trotz der überzeugenden Sprecher-Performance von Troy Baker jedenfalls nicht Erinnerung. Apropos: Zu hören gibt es nur die englischen Akteure, während man sich bei der Lokalisierung lediglich auf deutsche Untertitel beschränkt.

Keine Gruselstimmung, nerviges Monster

Den dramaturgischen und spielerischen Tiefpunkt erlebt man jedoch, sobald man die Kontrolle über eine zweite Figur übernimmt, über die an dieser Stelle nichts verraten werden soll. Diese Passagen sind einfach zu lang, zu repetitiv und schlichtweg zu langweilig designt. Generell gestaltet sich der Weg zum Finale im letzten Drittel so zäh wie Kaugummi und obwohl die letzten Minuten mit einer Offenbarung und einem großen Fragezeichen durchaus fesseln können, wünscht man sich Stunden zuvor bereits das Ende dieser Gähn-Tortur herbei. The Medium offenbart einmal mehr die Stärken und Schwächen des Bloober Teams: Die Polen haben ein Design-Talent für die Erschaffung von Schauplätzen, gepaart mit einer überzeugenden audiovisuellen Präsentation – obwohl man sich mit Blick auf die recht grob gestalteten Figuren, die Kulisse im Allgemeinen und die Bildrate mit 30fps zurecht fragen darf, warum dies neben dem PC technisch nur auf der neuen Konsolengeneration möglich sein soll.

Es werden auch grausige Erinnerungen an Everybody's Gone to the Rapture wach - so will ich jedenfalls keine Geschichte erleben müssen!
Aber wie so oft scheitert man trotz ein paar guter Ansätze am eigentlichen Spieldesign: Wenn man zum gefühlt hundertsten Mal eine Haut-Barriere im Schneckentempo mit einem Messer durchtrennen muss, die Areale nach hervorgehobenen Hinweisen für die simplen Rätseleinlagen abklappert oder sich der „Kampf“ auf das Halten einer Taste beschränkt, fallen einem schnell die Augen zu, während man im stimmungsvollen Dunkel in der Bude hockt und wie empfohlen die Kopfhörer auf den Ohren hat. Im Begleitschreiben zur damaligen Testversion hat Bloober noch einmal betont, dass bei The Medium die Erfahrung im Mittelpunkt stehen soll und nicht die Herausforderung. Das darf aber keine Entschuldigung für die mitunter eklatanten Schwächen beim Spieldesign sein, die vor allem in der zweiten Hälfte zunehmend in den Vordergrund treten!

Mängel im Spieldesign

Bloober Team hat versucht, alle Funktionen des DualSense-Controllers ins Spiel zu packen.
Keine Überraschung: Auf der PlayStation 5 bekommt man im Kern das gleiche Erlebnis wie auf PC und Xbox Series X|S. Allerdings haben die Entwickler versucht, die zusätzlichen Möglichkeiten des neuen DualSense-Controllers einzubinden. Konkret bedeutet das zum einen den Einsatz des haptischen Feedbacks, das man auf Wunsch in den Optionen deaktivieren kann. Dadurch kann man quasi spüren, wie Marianne in Schleichpassagen die Luft ausgeht oder die tödlichen Motten während der Verteidigung auf den Geisterschild prasseln. Darüber hinaus hat man sogar noch Möglichkeiten gefunden, das Touchpad und den Gyro-Sensor mit Funktionen zu belegen, indem man Inventargegenstände als Alternative zum Stick auch mit dem Touchpad rotieren und sich mit Hilfe von Controller-Bewegungen in bestimmten Szenen umschauen kann. Selbst der im Controller verbaute Lautsprecher bleibt nicht stumm und untermalt das Zerschneiden der Haut mit dem Messer oder Aktionen mit dem Bolzenschneider mit zusätzlichen Geräuschen. Das Flackern der Leuchtleiste im Zusammenspiel mit der Taschenlampe wird man dagegen nur bemerken, wenn man währenddessen auf den Controller schaut. 

Die Macht des DualSense?

Fazit

Das Dual-Reality-Konzept von The Medium, bei dem man gleichzeitig in zwei Parallelwelten unterwegs ist, ist etwas Besonderes: Es ist beeindruckend und erfrischend anders, zumal es auch ein paar clevere Verknüpfungen beider Realitäten gibt. Doch wie so oft beim Bloober Team hapert es trotz positiver Ansätze an einer mitreißenden Handlung und einem fesselnden Spieldesign: Die Rätsel sind ein Kinderspiel, die Kämpfe sind langweilig und die wenigen Begegnungen mit dem Monster entweder öde oder frustrierend. Abseits der gut inszenierten Zwischensequenzen erfährt man mehr über die verwirrende Geschichte vor allem durch eine übertiebene Anzahl an Dokumenten, die redundante Suche nach Echos oder die stilistisch furchtbare Rekonstruktion von Erinnerungen im Stil von Everybody's Gone to the Rapture. Diese grausige Art der Erzählung ist für mich dann auch der einzig echte Horror, den The Medium ausstrahlt. Denn ansonsten präsentiert sich der Trip überraschend zahm, fährt immer wieder die gleichen sowie mitunter drögen Spielelemente („Haut zerschneiden“) auf und wird gerade zum Finale hin über weite Strecken erschreckend zäh. Eine gewisse Atmosphäre, die vor allem durch die Unterstützung der gelungenen Klangkulisse entsteht, möchte ich dem Spiel zusammen mit dem schicken Artdesign jedoch nicht absprechen. Aber wer sich hier verstörenden und spannenden Psycho-Horror im Stil von Klassikern wie Silent Hill, Project Zero oder Amnesia erhofft, wird enttäuscht. Das Abschneiden im befriedigenden Bereich verdankt The Medium in erster Linie seiner frischen und gut umgesetzten Idee des Dual-Reality-Konzepts sowie den seltenen Momenten, in denen gute Designideen aufblitzen. Die Einbindung der DualSense-Funktionen empfinde ich auf der PS5 hier dagegen nur als eine nette, mitunter sogar etwas zu bemühte Dreingabe, die das Spielerlebnis und damit auch die Wertung nicht genügend beeinflussen kann. 

Pro

  • Verknüpfung zweier (mitunter paralleler) Realitätsebenen
  • überzeugende Klangkulisse
  • interessante Rätsel- und Designansätze
  • mitunter tolle Kameraeinstellungen und Perspektivwechsel
  • atmosphärische und mitunter richtig schick gestaltete Schauplätze
  • überzeugende (englische) Sprecher
  • mitunter nette Einbindung der DualSense-Funktionen (PS5)

Kontra

  • echte Gruselstimmung will nicht aufkommen
  • Fluchtpassagen mit Trial & Error
  • witzlose Schleicheinlagen
  • Rätsel fallen eher sehr simpel aus
  • einige nervige, repetitive Spielelemente (Haut durchschneiden, Echos)
  • einige sehr zähe Abschnitte (vor allem mit zweiter spielbarer Figur)
  • Story verliert sich in überflüssigen Handlungssträngen
  • mies inszenierte Erinnerungspunkte
  • keine deutsche Sprachausgabe

Wertung

PlayStation5

Auf der PS5 bekommt man im Prinzip das gleiche Spielerlebnis wie auf anderen Plattformen mit zusätzlichen, aber mitunter aufgesetzt wirkenden DualSense-Funktionen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

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Kommentare
cM0

Warum testet man dieses Spiel wieder? Warum nicht wirkliche neue Tests, wie zB von den US Sportspielen usw?
Wahrscheinlich weil sich dieser Port recht schnell testen lässt. Das Original ist schon bekannt, also wurde wahrscheinlich nur die Technik getestet, was sich recht schnell erledigen lässt.

vor 3 Jahren
bondKI

Warum testet man dieses Spiel wieder? Warum nicht wirkliche neue Tests, wie zB von den US Sportspielen usw?
Weil die in DE kaum einen interessieren?

vor 3 Jahren
Lightningfast

Warum testet man dieses Spiel wieder? Warum nicht wirkliche neue Tests, wie zB von den US Sportspielen usw?

vor 3 Jahren
MadMax1803

Danke für den Test, hätte mir mehr erwartet.

PS: Werde eure Tests vermissen

vor 3 Jahren
BigSpiD

Mich hat es sehr gut unterhalten. An zwei Abenden hatten wir es durch gespielt und es war zu keiner Zeit langweilig. Aber es ist definitiv ein Stimmungsspiel...wer da grad keine Lust drauf hat, wird damit auch nicht glücklich. Da verzeiht ein mainstream Standardspiel deutlich mehr.

vor 3 Jahren