WRC 10 - The Official Game - Test, Rennspiel, PlayStation4, PlayStation5, PC, XboxOne, Switch, XboxSeriesX
Man stelle sich vor, ein Buchautor müsste aus vertraglichen Gründen noch eine geplante Buchreihe vollenden, obwohl der Verleger ihm bereits nach dem ersten Werk klargemacht hat, dass es keine weiteren Veröffentlichungen mehr geben wird. Klingt ziemlich sinnlos, oder? Ganz so schlimm ist es bei den WRC-Spielen noch nicht – immerhin wird es bis zum bitteren Ende mit den jährlichen Veröffentlichungen weitergehen und damit 2022 vermutlich noch ein WRC 11 zum Abschied folgen. Allerdings merkt man bereits bei diesem sechsten WRC-Projekt unter der Regie von Kylotonn, dass man offenbar keine sonderlich großen Ambitionen mehr verfolgt, auf der Zielgerade nochmal Vollgas zu geben.
Der Ofen ist aus
Da ist natürlich schon das grundsätzliche Problem, das so ziemlich alle Spiele im knallharten 12-Monats-Takt plagt: Abseits aktualisierter Lizenzen fehlt oft die nötige Zeit, größere Baustellen innerhalb eines Jahres anzupacken. Hier unterscheidet sich die WRC nicht von anderen Sportspielen wie FIFA, NBA & Co, bei denen sich die Weiterentwicklung ebenfalls in Grenzen hält oder eher auf die Monetarisierung ausgerichtet ist. Trotzdem gibt es solche und solche: Beim Blick auf F1 spürt man z.B., dass Codemasters zumindest bemüht ist, die Rennspielreihe mit neuen Features oder Überarbeitungen weiter voran zu bringen. Richtet man den Blick dagegen zum Vergleich auf Milestone, springen Fließbandarbeit und Recycling bei Serien wie MotoGP oder MXGP deutlich stärker ins Auge. Nachdem Kylotonn zuletzt eher Codemasters nacheiferte, tendiert man mit WRC 10 jetzt trotz vier neuen Rallye-Schauplätzen leider verstärkt in Richtung Milestone und setzt damit vor allem auf Recycling, bei dem auch viele Kritikpunkte des Vorgängers erhalten bleiben, darunter der Menü-Overkill, die schwankende Balance und fehlende Streckenabnutzung.
Neuer Name, altes Spiel?
Wer keine Lust auf das nervige Personal- und Kalendermanagement oder die recht unrealistische Weiterentwicklung des Fahrzeugs mittels Talentbaum hat, findet als Alternative zur Karriere außerdem wieder den Saison-Modus, bei dem man sich verstärkt dem eigentlichen Fahren und Setup-Einstellungen widmen kann. Auf dem Testgelände oder Trainingsveranstaltungen auf Rundkursen kann man außerdem an seinen Fähigkeiten feilen, die man spätestens im Mehrspielermodus im Duell gegen anderen Fahrer aus Fleisch und Blut benötigt. Neben täglichen und wöchentlichen Online-Events lassen sich erneut Clubs für eigene Meisterschaften gründen oder man fährt lokal am geteilten Bildschirm gegeneinander. Wer es lieber kooperativ mag, findet außerdem den Beifahrer-Modus, der beim Vorgänger nachgereicht wurde und die Aufgabe für die Ansagen aus dem Gebetbuch auf einen Mitspieler überträgt – ein netter Spaß, bei dem man ohne Streckenkenntnisse aber keine Bestzeiten erwarten sollte.
Passenderweise wird in WRC 10 auch das 50-jährige Jubiläum der FIA-Rennserie gefeiert. Zu diesem Zweck hält mit dem dazugehörigen Modus die einzig nennenswerte Neuerung Einzug: Ähnlich wie beim wunderbaren art of rally warten hier eine ganze Reihe an Herausforderungen in festgelegten Fahrzeugen, in denen man durch die Geschichte des Motorsports braust und die vorgegebenen Referenz-Zeiten unterbieten muss. Dabei führt die Reise von den Anfängen bei der Akropolis Rally 1973 über die Phase der ungezähmten Gruppe-B-Monster der Achtziger bis hin zur Gruppe A und modernen Klassen der letzten 20 Jahre. Zwar werden die Veranstaltungen nur recht lieblos aneinander geklatscht, doch erfüllen immerhin kleine Info-Texte den Bildungsauftrag. Gleichzeitig öffnet das erfolgreiche Absolvieren der Jubiläums-Events die Tür, mit einem eigenen Team in der Karriere durchzustarten, wobei man den Flitzern im Lackierungs-Editor sogar einen individuellen Anstrich verpassen darf. Sinnvoller wäre es allerdings gewesen, die Stoppuhr bei den Jubiläums-Herausforderungen rückwärts laufen zu lassen anstatt die Fahrer noch weiter über die Etappe zu scheuchen, obwohl sie das gesetzte Ziel schon längst verfehlt haben.
Das Jubiläum wird gefeiert
Lieber Controller statt Lenkrad
Im Kern steckt in WRC 10 trotz des Recyclings eigentlich ein gutes Rallye-Spiel. Was die Wertung aber stark nach unten zieht, ist die erschreckend schwache Technik: Auf der PS5 hat man die Wahl zwischen drei Grafikmodi, wobei der Qualitätsmodus mit seinen höher aufgelösten Texturen angesichts der unterirdischen Bildrate nahezu unspielbar ist und zusätzlich mit zahlreichen Pop-ups von Objekten aufwartet. Letzere springen auch verstärkt beim „ausgeglichenen Modus“ ins Auge, doch am schlimmsten ist das unsägliche Tearing, mit dem man sich bei der hauseigenen KT Engine die Darstellung mit 60fps offenbar teuer erkaufen muss und selbst daran in manchen Situationen scheitert. Eine HDR-Unterstützung sucht man ebenfalls vergebens. Bei diesem enttäuschenden Anblick mag man es kaum glauben, tatsächlich vor einer PlayStation 5 zu sitzen. Nicht ausprobieren konnten wir den 120Hz-Modus, für den man ein modernes TV-Gerät mit HDMI 2.1 benötigt und vermutlich noch mehr grafische Abstriche in Kauf nehmen muss.
Enttäuschende Technik
Nach Hause telefonieren
Fazit
Nach WRC 9 hatte ich die Hoffnung, dass Kylotonn beim Nachfolger nochmal einen Gang höher schaltet. Leider wurde ich enttäuscht: WRC 10 spult über weite Strecken ein Recycling-Programm in bester Milestone-Manier ab, hat mit dem Zusatzmodus zum 50-jährigen Jubiläum der WRC aber zumindest ein nettes, wenngleich auch etwas lieblos gestaltetes Extra zu bieten. Was die Wertung aber massiv nach unten zieht, ist die erschreckend schwache Technik: Es ist unfassbar, dass man auf einer derart leistungsfähigen Konsole wie der PS5 diese zahllosen Pop-ups beim Bildaufbau, das hässliche Tearing und dazu noch eine schwankende Performance ertragen muss! Im Qualitätsmodus grenzt die unterirdische Bildrate sogar fast schon an Körperverletzung! Was Kylotonn mit seiner KT Engine auf der Next-Gen-Konsole abliefert, ist schlichtweg ein Armutszeugnis, zu dem sich auch noch nervige Verbindungsprobleme gesellen. Ich wollte WRC 10 eigentlich mögen. Auch weil ich durchaus Spaß mit dem Vorgänger hatte und mich über die kontinuierliche Steigerung des Studios gefreut habe, das immer mehr zu Dirt Rally aufschließen konnte. Aber wenn ich mir jetzt anschaue, was die Franzosen da vor allem in technischer Hinsicht fabriziert haben, ist es für die WRC-Reihe vielleicht wirklich besser, wenn 2023 das Lizenz-Zepter an Codemasters weitergereicht wird.
Pro
- offizielle Lizenz mit allen Teams und Fahrern
- ordentliche Fahrphysik mit Fokus auf Simulation
- vollwertiges und anpassbares Schadensmodell...
- drei Fahrzeugklassen & historische Modelle
- umfangreiche Karriere mit Management-Ansätzen
- normale und erweiterte Setup-Optionen
- Upgrade-System für Fahrzeug und Personal
- fordernde, z.T. lange Etappen mit enger Streckenführung
- (optionale) Fahrhilfen
- Kosten für Schäden motivieren zu sauberem Fahren
- diverse Trainings-Herausforderungen & Übungsgelände
- spezielle Events zum WRC-Jubiläum
- überwiegend verlässlicher und präziser Co-Pilot (mehrsprachig)
- verschiedene Tageszeiten
- Geisterwagen anderer Spieler lassen sich laden
- dynamisches Wettersystem
- massig Statistiken (DriverCard)
- Kameraeinstellungen lassen sich separat anpassen
- Rennen am geteilten Bildschirm möglich
- Club-System für eigene Online-Meisterschaften
- wechselnde Online-Herausforderungen
- Co-Pilot reagiert auf Fehlfehler (optional)
- brauchbarer Lackierungs-Editor
- mehrere Grafikmodi (Qualität, Ausgeglichen, 120fps)
- endlich Filteroptionen bei Bestenlisten
- haptisches Feedback (PS5)
Kontra
- KI-Zeiten schwanken teilweise sehr stark
- kein überzeugendes Fahrgefühl mit Lenkrad
- ...mit den üblichen Inkonsequenzen
- gewöhnungsbedürftige Menüstruktur in Karriere
- mäßige Motorengeräusche
- häufige Pop-ups von Objekten und Texturen (LoD)
- Bildrate im Qualitätsmodus schwer zu ertragen
- mitunter heftiges Tearing (Grafikmodus: Ausgeglichen)
- keine eigenen Offline-Meisterschaften möglich
- nerviges Zurücksetzen (inkl. Strafe) bei Passanten
- nichts für Gelegenheitsfahrer
- fehlendes Fahrgefühl auf Asphalt-Abschnitten
- keine klassische Fahrschule
- z.T. Schwankungen in der Bildrate
- keine Abnutzung der Strecke
- Unfälle wirken unrealistisch (Kollisionsabfrage)
- kein lokaler Wettbewerb für mehrere Spieler (nacheinander)
- Clubs nicht plattformübergreifend
- keine Pannen mit Reifenwechsel
- häufige Verbindungsprobleme (für Bestenliste)
- keine HDR-Unterstützung
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Starter-Pack mit Crew-Mitgliedern, weitere Strecken und Fahrzeuge zum Kauf erhältlich
- Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.