Hell Let Loose - Test, Shooter, PC, XboxSeriesX, PlayStation5

Hell Let Loose
12.10.2021, Jan Wöbbeking

Test: Hell Let Loose

Schroffe Massenschlachten im Netz

Das rund um den Erdball verstreute Indie-Studio Black Matter bietet derzeit ein Gegenkonzept zur unkomplizierten Freiheit in Battlefield 2042. In Hell Let Loose (ab 24,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) gibt es streng getrennte Klassen und Aufgaben, rund 80 Seiten Feldhandbuch und bis zu 100 Spieler, die sich bei jedem unvorsichtigen Schritt eine tödliche Kugel einfangen können. Im Test überprüfen wir auch die technischen Herausforderungen.

Hell Let Loose schafft wieder Respekt vorm Tod. Kein lautes Treffer-Feedback, kein stylisches Pling, kein HUD-Schnickschnack. Wie ein nasser Sack fällt mein wenige Pixel großes Gegenüber in sich zusammen und bleibt regungslos auf dem normannischen Acker liegen. Warum musste er auch so unvorsichtig in mein Versteck hinter der langen Hecke spazieren, nachdem er mich entdeckt hatte? Ich fühle mich fast ein wenig schuldig bei meinem ersten Kill. Auf pazifistische Weise kann ich es jetzt nicht mehr durch die Wirren des Krieges schaffen – anders als mein Opa in seinen alten Geschichten aus Frankreich, in denen er letztendlich niemanden erschießen musste.

Respekt vorm Tötungswerkzeug

Manch einer mag sich über den ernsthaften Einstieg in diesen Test wundern, doch auch Hell Let Loose nimmt seine Sache äußerst ernst dabei, eine möglichst authentische Schlachtfeld-Atmosphäre einzufangen. Eine sich verschiebende Frontlinie, verstreute Gehöfte, diverse Befestigungen im hügeligen Wald und das Anrennen gegen verschanzte Gegner am Strand: All das wurde visuell deutlich authentischer umgesetzt als im Großteil der Weltkriegs-Shooter. Wir haben auf der PlayStation 5 getestet, auf der sich PS-Plus-Abonnenten den Online-Shooter im Oktober kostenlos herunterladen können.

Cineastische Filter lassen sich glücklicherweise auch auf der PS5 deaktivieren - außer natürlich beim Sperrfeuer, welches sinnvoll die Sicht des Gegners erschwert.
Auch technisch schlagen sich die schnörkellosen Kriegskulissen dort gut. Ich geriet zwar nirgendwo ins Staunen über Details oder Effekte, aber die sehr weiten Panoramen mit bis zu 100 Spielern werden größtenteils sauber eingefangen – vom gelegentlichen Aufploppen der Detailstufen abgesehen.

Weit und wuchtig

Die mit viel Tiefbass rumpelnden Panzer und Artilleriegeschütze haben mich manchmal sogar ein wenig zusammenzucken lassen. Auch die räumliche Abmischung ist hochpräzise – mit verräterischen Schrittgeräuschen und an die Wand klatschenden Querschlägern. Eine gut eingemessene 5.1-Anlange kann also den entscheidenden Vorteil bringen, während man um verschiedene Gebiete kämpft. Die zackige Marschmusik im Hauptmenü ist übrigens ebenfalls zäher als gedacht. Selbst nach dem Ausschalten in den Optionen schepperte nach der kommenden Runde wieder ein strammes „Eeerika!“ aus den Boxen.

Je nach Modus (Offensive oder Kriegsführung) drängen sich die deutsche bzw. die US-Fraktion gegenseitig bis zu einem Hauptquartier-Sektor zurück - oder die Frontlinie verschiebt sich in Richtung der Verteidiger. Eine schöne Besonderheit sind dabei die schwarz schraffierten „Stützpunkte“, welche die Eroberungsstärke jedes Spielers verdreifachen und so mehr taktische Tiefe ins Vorrücken der Einheiten bringen. Das rund 80-seitige digitale Handbuch im Hauptmenü verwirrt leider mit einer inkonsequenten deutschen Übersetzung. Trotzdem sollte man einen Großteil davon gelesen haben, um die verschiedenen Klassen, Rollen und Mechaniken der teils ungewöhnlich belegten Controller-Steuerung zu verstehen.

Schwere Kost

Vor allem die Nutzung der drei Ressourcen-Typen erschließt sich nicht auf Anhieb – etwa für Vorratskisten, zum Bau diverser Barrikaden, von Knotenpunkten zur Versorgung oder ganzer „Todeszonen“ eines Pioniers aus Stacheldraht und Panzerfallen. Auch die Errichtung verschiedener Spawnpunkte wie Garnisonen oder Außenposten darf je nach Typ nur von bestimmten Anführern oder Spähern angestoßen werden.

Eine Panzerfahrt erfordert hier mehr Koordination der entsprechenden Einheit.
Ähnlich wie in MAG steht der Kommandant des Teams in ständigem Kontakt zu den Einheitenführern, was bei meinen bisherigen Runden intensiv genutzt wurde. Bei gewöhnlichen Soldaten sah das nicht immer so aus: Fand ich ausnahmsweise eine kommunikationsfreudige Einheit, sorgte die Koordination mit mehreren Voice-Chat-Kanälen tatsächlich für ein spannendes Gemeinschaftsgefühl bei der Bunkerverteidigung. Dies blieb mit Fremden allerdings die Ausnahme, da sich ein Teil der offenbar frustrierten Mannschaft lieber die Zeit mit hinterlistigen Team-Kills vertrieb.

Kommunikationsprobleme

Vielleicht hätten die Entwickler es Neueinsteigern aber auch einfacher machen sollen. Manche, teils ungewohnt belegte Steuerungs-Details werden zwar während der ersten Spielstunden kurz eingeblendet, inmitten des gefährlichen Sperrfeuers (das übrigens schön die Sicht eintrübt) können sie aber schnell untergehen. Zudem fördert die Karte trotz nützlicher Markierungen nicht gerade die Übersicht: Ihr Design liegt zwar nahe an realen Vorbildern, sie lässt sich aber nur umständlich per Stick-Cursor bewegen. Sobald ich mich auf einige Besonderheiten eingestellt hatte, sorgte die behäbige Steuerung aber für präzises Anlegen und angenehmen Nervenkitzel etwa bei der Bedienung von Panzerfäusten unter Einberechnung der Gravitation. Ans schwerfälligere Überwinden des unebenen Terrains musste ich mich nach ein paar Runden Battlefield 2042 aber erst wieder gewöhnen.

Lags und Verbindungsabbrüche verderben hier regelmäßig den Spaß in den langwierigen Matches. Macht euch darauf gefasst, dass gut laufende Runden urplötzlich mit einer Fehlermeldung enden oder ihr zeitweise ruckartig durch die Pampa zuckelt. Sofern alles funktionierte, hatte ich aber mit einigen der begrenzt verfügbaren Rollen pro Einheit meinen Spaß, z.B. beim Feuerschutz als MG-Schütze. Wer möchte, kann auch eigene Einheiten eröffnen und kommandieren. Am meisten zu tun hatte ich freilich als Sanitäter am Utah- oder Omaha-Strand. Dort eröffneten meine Rauchgranaten immerhin kurze Zeitfenster für Sprints in die Dünen. Auf den meist offenen Feldern der übrigen acht Schauplätze hatte ich am meisten Spaß als Teil der vorher festgelegten Panzereinheit für leichte bis schwere rollende Ungetüme.

Unsauberer Netzcode

Hier gibt es keine komfortablen Panzer-Taxis für nebenbei. Stattdessen muss beim Blick durch den schmalen Sichtschlitz erst einmal sekundenlang der Anlasser betätigt werden, bevor sich die Maschine langsam rumpelnd per Gangschaltung in Bewegung setzt. Für die Bedienung von Geschütz oder Periskop wird zunächst langwierig der Platz gewechselt – so dass man tunlichst mit einem gut koordinierten Team lospoltern sollte. Wenn die basslastigen Geschütze nach langer Fahrt eine Reihe von Treffern landen, ist das dann umso befriedigender.

Hier bleibt der Freischaltkram überschaubar, statt sich in den Vordergrund zu drängen.
Weitere positive Feinheiten betreffen die Optionen zum möglichen Cross-play, Kontinental-Regionen und privaten Lobbys. Der ans Spieler-Level und einzelne Klassen gebundene Fortschritt bleibt allerdings recht überschaubar. In der Kaserne lassen sich für die zwei Fraktionen lediglich Feinheiten freischalten - darunter einige Gesichter, Uniformen, Helme und ein, zwei alternative Waffen je nach Klassen-Level. Die Hauptmotivation besteht hier also eher darin, die für einen Online-Shooter recht komplexen Systeme zu meistern, um schließlich spannende, authentische Schlachten zu inszenieren und zu gewinnen. Dazu gehört übrigens, per LKW genügend Truppen und Vorräte an die Front zu befördern. Sollte sich das Team nicht um solche Beförderungsmöglichkeiten kümmern, stehen erst einmal ziemlich lange Fußmärsche an der Tagesordnung. Diese können sogar deutlich länger ausfallen als seinerzeit in MAG.

Der Weg ist das Ziel

Fazit

„Nichts für schwache Nerven“ – der kurze, aber schmerzlose Kommentar in der Spiele-Übersicht der PS5 hat gar nicht so unrecht. Das schroff inszenierte Hell Let Loose macht es jenen, die „nur mal per PSN-plus hineinschnuppern“ wollen, wahrlich nicht leicht. Sperrige Menüs, viel zu häufige Lags und Verbindungsabbrüche sowie das Wälzen eines langen digitalen Handbuchs dürften manch einen Freund gängiger Shooter abschrecken. Eine gute Kommunikation ist hier ein wichtiger Pfeiler für den Erfolg! Daher sollte man sich tunlichst mit ein paar Freunden zusammentun, statt mit Zufalls-Kameraden losziehen. Wer sich auf all die Unzulänglichkeiten einlässt und ein wenig in die sperrigen Klassen-, Spawn- und Nachschub-Systeme einarbeitet, wird aber mit einem Erlebnis belohnt, dass deutlich mehr authentische Kriegs-Atmosphäre verströmt als das Gros der Konkurrenz! Bis zu 100 Soldaten gleichzeitig, lange Panzerfahrten, verbissene Grabenkämpfe, verschanzte Duelle in Waldbefestigungen oder auf offenem Feld – all das hat mir in Verbindung mit schnörkellos inszenierten Kills deutlich mehr Respekt eingeflößt als etwa in Red Orchestra 2: Heroes of Stalingrad. Auch die zumindest audiovisuell überzeugende Technik hilft beim Mittendrin-Gefühl - mit einer fast schon unangenehm präzisen, wuchtigen Surround-Abmischung. Obwohl ich normalerweise am liebsten im Arcade-Bereich unterwegs bin und in den ersten Spielstunden ganz schön beißen musste, habe ich mittlerweile Blut geleckt. Am letzten Wochenende z.B. spukte mir bei der Battlefield-Beta mehrmals die Idee im Kopf herum, zu Hell Let Loose zu wechseln.

Hinweis: Der Test basiert auf der PS5-Fassung, Team 17 hat aber auch Umsetzungen für den PC sowie Xbox Series X/S veröffentlicht.

Pro

  • authentisch inszenierte Schlachten
  • weitläufige Karten mit 100 Spielern
  • viele, sehr unterschiedliche Klassen bzw. Rollen
  • Zusammenarbeit und Kommunikation stark gefordert
  • dichte Vegetation und Gebäude wirken realgetreu
  • gnaden- und schnörkellose Tode schaffen Respekt
  • realistisch fordernde Panzer-Bedienung im Team
  • feinfühlige Waffenbedienung
  • wuchtig krachende und präzise ortbare Sound-Abmischung

Kontra

  • sehr häufige Verbindungsabbrüche
  • zahlreiche Lags und manchmal falsch reagierende Eingaben
  • unnötig sperrige Karte und Menüs überfordern einige Spieler
  • Laufen, Bauen & Co. mitunter schwerfällig/umständlich
  • Texte und Ingame-Handbuch holprig übersetzt
  • Kooperation nicht so durchdacht organisiert wie in MAG
  • in der Ferne aufploppende Detailstufen und Objekte

Wertung

PlayStation5

Sperriger Einstieg, viel zu häufige Verbindungsfehler, aber auch ein faszinierend authentisches Schlachtfeldgefühl: Hell Let Loose ist ein Shooter für Geduldige.

Echtgeldtransaktionen

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  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
Kommentare
Desuで&#12377

Ich kann Jedem den das Thema interessiert wirklich nur ans Herz legen sich Post Scriptum anzuschauen. Meiner Meinung nach Hell Let Loose deutlich voraus und taktischer, offener, immersiver, asymetrischer.

Was einem bei der Grafik auf dem ersten Blick als nüchtern im Gegensatz zu HLL scheinen mag, ist meiner Meinung nach ein großer Vorteil. Alles ist mit weniger Post Processing belastet und sieht klarer, nüchterner aus. Das schlägt weniger auf die Augen und vermeidet Verwechslungen mit CoD. Die Community ist klein und hängt an dem Spiel, viel Kommunikation, wenige bis gar keine Nervtöter.

Das Schießgefühl, die Sounds, die Maps, einzigartig.

vor 3 Jahren
janusz

Hell Let Loose auf Konsole Spielen ist wie Suppe mit ner Gabel essen.

Ich spiels aufm PC und es ist halt ein simiger WW2 Shooter: sperrig, nicht immer schnell und mit insgesamt sehr stark schwankendem Spielerlebnis und voll auf Teamwork ausgerichtet.

Aber wenn mal alles zündet, mit Divebombern, Artillery Support, Sturmangriffen und Flankenverteitigung und und und, ist das Spielerlebnis einmalig, episch und mitreißend. Das schafft kein CoD und auch kein BF.

vor 3 Jahren
Todesglubsch

Auf dem PC vielleicht. Aber ich schätze nach dem Plus Monat wird man auf PS wohl nicht mehr so viele Spieler sehen.

vor 3 Jahren
Alanthir

Ich habe noch nie welche gesehen, aber die Server haben meist auch eher Warteschlangen als das sie zu leer werden würden.

vor 3 Jahren
[Shadow_Man]

Gibt es bei dem Spiel auch Bots? Weil Arma z.B. kann man ja auch mit Bots spielen.

vor 3 Jahren