eFootball 2022 - Test, Sport, XboxSeriesX, iPad, iPhone, Android, XboxOne, PlayStation5, PC, PlayStation4

eFootball 2022
21.10.2021, Matthias Schmid

Test: eFootball 2022

Geschenkt ist noch zu teuer

eFootball 2022 ist weder das schlimmste Spiel der Welt noch ein lustiger Trashkick mit Schadenfreude-Garantie. Es ist ganz einfach der letzte Beweis, dass Pro Evolution Soccer gestorben und begraben ist. Damit ihr euch das lausige Free-to-Play-Spiel nicht antun müsst, haben wir das erledigt - hier kommt der Test.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich es realisiert und mich damit abgefunden hatte: eFootball (2022) ist nicht mehr die Spielemarke, in die ich mich Anfang der 2000er verliebt hatte. In diese beste Sportsimulation der Spielewelt, vom Mastermind Shingo Takatsuka über Jahre hinweg penibel perfektioniert. Schon vor meiner Zeit als Spielejournalist war ich mit einem Kumpel zu lokalen Turnieren gefahren, später durfte ich die Titel selbst testen und den besten Pro-Evo-Spielern live bei Weltmeisterschaften über die Schulter respektive aufs Gamepad schauen. Meine große PES-Zeit ist zwar über zehn Jahre her, dennoch war die Serie über all die Jahre hinweg mein Fußballspiel gewesen, ein Titel, der sich trotz der veränderten Stellschrauben immer noch vertraut anfühlte. Und der, da war ich mir in meinem Elfenbeinturm sicher, schon immer noch das bessere, wertigere, ehrlichere Fußballspiel als dieser EA-Promi, dem die Jugend der Welt ihre Millionen in den weit aufgesperrten FUT-Rachen wirft. Veränderungen sind nötig, kleine Justierungen, ja vielleicht sogar große Brüche - etliche hatte ich bei PES miterlebt, manche missbilligt, andere begrüßt. Im vorletzten Jahr kam der ungelenke Namenszusatz eFootball hinzu, in der Vorsaison werteten viele von uns PES-Mögern die Atempause als Hoffnungszeichen. Dafür, dass Konami die Marke nicht abgeschrieben hat (Hallo, Metal Gear und Silent Hill), sondern an einer echten, qualitativ hochwertigen Neuausrichtung arbeitet.

Shingos Erbe?

In der Partie nach dem ersten Start von eFootball 2022 kann man Portugal gegen Argentinien spielen. Danach nicht mehr!
Tja, am Arsch! eFootball 2022 ist zwar umsonst herunterlad- und spielbar, aber für alle Kenner der Reihe in jeglicher Hinsicht ein Tritt vors Schienbein. Ach was sag ich - ein De-Jong-Kick vor die Brust, ein Pepe-Drauftreter, ein Witsel-Schien-und-Wadenbeinbrecher. Das beginnt beim Umfang, aktuell beinhaltet eFootball 2022 in der Version 0.9 nur zwei Mini-Modi: Freundschaftspiele mit fixer fünfminütiger Spielzeit auf zwei Schwierigkeitsgraden und sogenannte Events, das sind Online-Duelle gegen beliebige Gegner (ohne Spieler-Suche oder die Chance, einen Freund einzuladen); bei letzteren kann man Credits verdienen, für die es aktuell noch keine Verwendung gibt. Zur Auswahl stehen, nach einer Anfangspartie mit den Nationalmannschaften von Portugal und Argentinien nur neun Clubteams: Aus Europa sind das Bayern München, Manchester United, Arsenal London, Juventus Turin und der FC Barcelona; aus Südamerika gesellen sind Flamengo, Sao Paulo, Corinthians und River Plate dazu. Das sind allesamt Premium-Partner der Marke, weitere solche Teams (AS Rom, Atalanta Bergamo, etc.) sind dennoch nicht dabei, und eben alle anderen Mannschaften ebensowenig. Das heißt übrigens auch: Coverstar Messi (der ja bekanntlich neuerdings für PSG seine Schuhe schnürt) ist im Spiel abseits des Startmatches nicht spielbar!

Es gibt keine Karriere, keinen My-Club-Modus, keine Meisterschaften, nicht mal ein Training. Halt, in den Optionen verbirgt sich der Punkt „Training“ - doch das ist leider nur der Intro-Film zum Erneut-Anchauen, in dem gelangweilt ein paar neue Features angerissen werden, während Iniesta und Piqué im Hintergrund unscharfe Bewegtbilder dazu liefern. Das war es schon. Wirklich.

Was nicht drin steckt

Wer findet taktische Einstellungen wie die Formationswahl? PES hat zwar eine lange Geschichte von schlechten Menüs, aber diesmal versteckt sich hier leider kein taktischer Tiefgang.
Selbst die Taktikoptionen sind mager: Es gibt fünf lapidare Befehle für die generelle Umschalttaktik und ansonsten nur die Optionen, Spieler zu tauschen oder sie auf dem Taktikplan zu verschieben. Nicht einmal die Aufstellung darf von z.B. 4-3-3 auf 3-5-2 geändert werden, nur durch das Verschieben der Spieler passt sich die Formation dann automatisch an. Ein Schelm, wer dabei an einen Smartphone-Screen denkt, auf dem man das sicher praktisch erledigen könnte. eFootball 2022 erscheint nämlich auch für mobile Plattformen und will sogar Crossplay mit Konsolen und dem PC erlauben. Die Handy-Version ist derzeit übrigens noch nicht verfübar, PC-, PlayStation- und Xbox-Spieler dürfen sich deshalb ein bisschen wie Versuchskaninchen für die vermutlich lukrativeren Plattformen fühlen.

Ist keine Katastrophe, aber schon richtig schwach. Die generell niedrige Spielgeschwindigkeit, manche ins Aus rollende Bälle oder die schlecht ankommenden Flanken aus dem Sprint - all das könnte man noch als Zugeständnis an mehr Realismus werten, doch eigentlich ist eFootball 2022 vor allem eines: träge. Die Spieler reagieren langsam und verzögert auf eure Eingaben, knackige Ballstaffetten sind nicht möglich. Auch Dribblings finde ich, trotz der sogenannten Ball-Touch-Control (die schnelle Richtungswechsel erleichtern soll), sehr ineffektiv. Auch Onlinegegner, die mich am Ende besiegten, taten dies fast nie durch flinke Solos sondern über geradlinige Sprints mit schnellen Spielern wie Sané oder tödlichen Pässen in den Lauf, die vereinzelt gut ankommen.

Und das Spielgefühl?

Wer braucht schon Spielmodi, wenn er fünfminütige Freundschaftspartien mit ganzen neun Mannschaften austragen kann.
Das neue Physical Defending, das per L2 ausgelöst wird, ist in der aktuellen Fassung ein übermächtiges Tool: Zusätzlich zum starken Stochern (per Viereck-Taste) kann man damit den Gegner wegdrängen. Manchmal wird daraus ein Foul, manchmal aber auch eine völlig unrealistische Balleroberung. Das sieht dann in der Verteidigung so aus, als ob eine überirdische Macht einfach meinen Defensivkünstler am Stürmer vorbeischiebt und ihm den Ball klaut. In der Offensive nehme ich der schlecht und gefährlich herumpasssenden KI damit ebenso häufig den Ball ab und bin dann prompt im Eins-zu-Eins gegen den Torhüter. Von ein, zwei Seitfallziehern abgesehen fühlen sich Tore in eFootball 2022 dabei nie sonderlich schön oder befriedigend an: Sie klingen nicht so satt wie in FIFA 22, sind fast nie Tiki-Taka-mäßig genial herausgespielt und auch Wucht kommt bei kaum einem Treffer rüber.

Aus technischer Sicht ärgere ich mich über die schlechte Verbindung zum virtuellen Rasen, das traurige Publikum und viele Animationshakler bei Zweikämpfen; die Gesichter und Spielermodelle selbst sind dagegen ganz ordentlich, wenn man wie ich keine Ronaldo-Fratzen-Bugs erlebt; die im Juli veröffentlichten, irre aussehenden Shots von den Gesichtern von Bale und Messi stammten aber ganz offensichtlich nicht aus diesem eFootball 2022.

Wer eFootball 2022 auf PS5 von weitem sieht, ahnt noch nicht, wie schwach das Ganze ist. An der Grafik liegt es nämlich nicht.
Darf man daran glauben, dass Konami aus dieser enttäuschenden Version 0.9 mit einigen Patches noch ein gutes Fußballspiel macht? Ich denke, das ist nicht angebracht. Warum sollte man die Fans mit einer so üblen Demo verprellen, wenn die Rettung nur ein paar Wochen entfernt wäre? Hier liegt mehr im Argen als man durch flottere Reaktionszeiten oder ein paar bessere Animationen reparieren könnte. Zudem gibt sich Konami derzeit wenig Mühe, den angerichteten Schaden zu abzumildern. Neben einer Ingame-Meldung, dass man sich der Probleme bewusst sei und daran arbeite, gibt es immer noch keine ehrliche Kommunikationsstrategie. Was verbessert der für Ende Oktober angekündigte Patch konkret? Wie wird eFootball 2022 am 11. November aussehen, wenn die Inhalte des 39,99 Euro teuren „Premium Player Pack“ einlösbar sein sollen? Gibt es dann alle Modi gratis und man muss nur für die Kartenpacks von My Club bezahlen? Oder werden doch manche Inhalte zum Einzelpreis angeboten? Welche Teams werden verfügbar sein, wie gestalten sich die Online-Matches dann? Solange Konami nicht nur das Produkt, sondern auch seine fadenscheinige Infopolitik nicht grundlegend ändert, sehe ich keinen Anlass, eFootball 2022 auch nur einem Spieler ans Herz zu legen. Nicht mal gratis.

Prinzip Hoffnung?

Fazit

Für einen langjährigen PES-Fan ist es traurig zu sehen, was aus Konamis einst herausragender Sportsimulation geworden ist. eFootball 2022 ist für mich kein Tiefpunkt, sondern der Endpunkt. Kein mittelmäßiges Free-to-Play-Spiel, das man für lau schon mal ausprobieren kann, sondern eine schwerfällige, unspaßige Demo, deren viele Schwächen nicht zu beheben sein werden. Während Grafik und Präsentation noch in Ordnung gehen, natürlich ohne der EA-Konkurrenz das Wasser reichen zu können, sind es die spielerischen Schwächen, die alle jene Hoffnung zu Grabe tragen, die man Konami angesichts der letztjährigen Kreativpause noch angedeihen ließ. eFootball 2022 ist bieder und träge statt realistisch und akkurat, er verzichtet auf grundlegendste Features, bietet kein Training oder taktische Feinheiten an, besitzt keinen anständigen Online-Modus und hat aktuell nur lächerliche neun Teams am Start. Die wenigen spielerischen Einfälle sind fast wirkungslos (Ball Touch Control) oder zu mächtig (Physical Defending). Obendrein ist es aktuell noch völlig unklar, welche Modi und Inhalte ab dem 11. November im gratis spielbaren eFootball 2022 enthalten sein werden, wenn die Vorbestell-Inhalte des "Premium Player Pack" einlösbar sein werden.

Pro

  • Spielermodelle und Animationen auf ordentlichem Niveau
  • nette Kabinen- und Aufwärmanimationen
  • ein paar prominente Originalteams
  • Physical Defending ist ein interessantes Spielfeature

Kontra

  • lächerlich geringer Umfang
  • schwerfällig und träge
  • Spieler reagieren zu langsam
  • Physical Defending ist aber auch viel zu übermächtig
  • fast alle essentiellen Modi fehlen
  • Freundschaftsspiele auf 5 Minuten beschränkt
  • keine Spielersuche in den Onlinematches
  • Dribbling fühlt sich schwammig an
  • welche Inhalte werden letztlich gratis sein?
  • einige Clippingfehler bei Zweikämpfen
  • kaum Taktikeinstellungen

Wertung

PlayStation5

Träges, biederes, unfertig wirkendes Fußballspiel mit Minimal-Inhalt und undurchsichtigem Zukunftsplan. Eine schlechte Demo!

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Aktuell ist das Premium Player Pack für 39,99 Euro vorbestellbar. Inhalt: 2.800 eFootball-Münzen, 6 Zufallsdeals.
  • Es gibt Käufe für Fähigkeiten, Karten, Figuren, Waffen, Geld, XP oder Spielmodi.
  • Käufe können durch Zufallsfaktoren zum Glücksspiel werden.
Kommentare
Ploksitural

absolut höhrenswerter "Auf ein Bier"-Podcast zu diesem Thema (mit Mathias Schmid von 4players):

https://www.gamespodcast.de/2021/10/24/ ... as-schmid/

vor 3 Jahren
Mafuba

Verstehe ich es richtig das die PES Serie bis PES 21 geht und der diesjähriger Ableger ab jetzt quasi dieser Müll aus dem Test inkl. Namensänderung zu eFootball ist und es kein offizielles PES mehr gibt ?
Schon vor zwei Jahren afair wurde der Name von PES zu eFootball geändert. Jetzt wurde es zudem F2P und sie haben erneut die Engine gewechselt.

Persönlich tippe ich auf schöne Kosteneinsparungen, was man grafisch wie spielerisch nun ausbadet.
Ich kann mir vorstellen, dass Konami irgendwann auch als "Megafeature" Crossplay zwischen PC,PS5, XBX und Android und IOS rasubringen und vermarkten wird. Da man dann so viele User wie möglich abgreifen will müsste man dann theoretisch Grafik etc. auf ein Minimum reduzieren, dass es dann auch gut auf aelteren geraeten laeuft...

Das ist aber auch nur eine Mutmaßung meinerseits... Würde aber gut zu Konami passen

vor 3 Jahren
TheoFleury

Na die Wertung bewegt & schlängelt sich ja endlich in fairen bahnen Warum nicht früher ?

Die Lizenzen waren teurer als das eigentliche Spiel wie mir erscheint. Gute Arbeit Konami

Toter kann ein Genre nicht mehr sein...Eventuell aber doch noch die letzte Chance, jemanden anderen eine moderne Fußball-Simulation kreieren zu lassen...

Mal schauen ob Sports Boxing Club einem Next-Gen Sportspiel näher kommt, als der ganze bisherige schreckliche Standard. EA gurkt ja lieber mit der Frostbite Engine herum und "Hyper Motion"...

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
dobpat

Verstehe ich es richtig das die PES Serie bis PES 21 geht und der diesjähriger Ableger ab jetzt quasi dieser Müll aus dem Test inkl. Namensänderung zu eFootball ist und es kein offizielles PES mehr gibt ?
Schon vor zwei Jahren afair wurde der Name von PES zu eFootball geändert. Jetzt wurde es zudem F2P und sie haben erneut die Engine gewechselt.

Persönlich tippe ich auf schöne Kosteneinsparungen, was man grafisch wie spielerisch nun ausbadet.
Danke. Ok, das mit dem eFootball ist komplett an mir vorbeigegangen. Da merke ich wieder das ich alt werde und nicht mehr soviel Zeit mit Spielen verbringe

vor 3 Jahren
no need no flag olulz

Zum Glück war ich nie Fussballfan... Braucht man ja ganz schön ein dickes Leder um das wegzustecken.
Der Test war cool. Werde ich deutlich mehr vermissen, als virtuellen Fussball. Und der "echte" Fussball kann mir eigentlich auch gestohlen bleiben.
Kommt halt drauf an. Viele Fußballfans, die so drauf sind wie ich, denen ist das halt egal, weil PES sowieso keine Lizenzen hat. Und ohne Lizenzen kein Fußballspiel. Gameplay ist einfach wirklich zweitrangig.

Also nicht falsch verstehen, ich hätte gerne gutes Gameplay. Aber FIFA hat das nie geliefert und die PES-Teile, die ich probiert hatte (so 2010-2013 rum), hatten das auch nicht.

vor 3 Jahren