Vampire: The Masquerade - Swansong - Test, Rollenspiel, XboxOne, PC, PlayStation5, PlayStation4, Switch, XboxSeriesX

Vampire: The Masquerade - Swansong
20.05.2022, Boris Connemann

Test: Vampire: The Masquerade - Swansong

Eine blutleere Angelegenheit

Nach dem mäßigen Free-to-Play-Shooter Bloodhunt, kommt mit Vampire: The Masquerade – Swansong jetzt ein neues Rollenspiel aus dem beliebten Table-Top-Universum. Endlich ein würdiger Nachfolger zum Kultspiel Bloodlines oder wieder nur eine halbgare Abzocke? Wir haben uns für euch durchgequatscht.

Schon beim ersten Spielstart bewegen sich die Augenbrauen des Spielers nach oben: Statt eines schicken Intros wird zu einer schwammigen Kulisse des nächtlichen Boston kurz die aktuelle Situation umrissen: Wie den meisten von euch bereits bekannt sein dürfte, tummeln sich im Universum von Vampire: The Masquerade die Blutsauger im Jahr 2019 munter unter den Sterblichen, immer darauf bedacht, die Maskierung des eigenen Wesens und Tuns aufrecht zu erhalten. Es gibt zahllose unterschiedliche Clans und Arten von Blutsaugern: Von den aristokratisch angehauchten, aber total pyschotischen Malkavian bis hin zu den hässlichen aber regeltreuen sowie mächtigen Nosferatu hat jeder Clan seinen eigenen Platz und herrscht über ein bestimmtes Gebiet. In Swansong bekommt ihr es mit der Camarilla, einem Zusammenschluss mehrerer Parteien, die sich in Boston versteckt halten, und deren akuten Problemen zu tun. Auch sorgt ein strenges Kastensystem dafür, dass jeder Langzahn weiß, wo sein Platz ist, ganz oben auf der Leiter findet sich Prinz Iversen – der lädt seine drei wichtigsten Gefolgsleute zu einer dringenden Audienz.

Der Alarm vor dem Alarm

Die Gesichter vieler Spielfiguren sind schon fast lachhaft schlecht, die kargen Animationen tun ihr Übriges.
Zuerst übernimmt der Spieler die Steuerung von Emem. Die dunkelhäutige, hübsche Vampirdame herrscht über viele Clubs in Boston und genießt mit das höchste Vertrauen bei Prinz Iversen. Im Hauptquartier angekommen schildert die Obrigkeit das ganze Ausmaß des Dilemmas: Ein roter Alarm wurde ausgerufen! Denn ein wichtiges, als Party getarntes Treffen endet in einem Blutbad – und das hat in diesem Fall ausnahmsweise nichts mit Zähnen zu tun, die sich in irgendwelche Hauptschlagadern bohren. Nachdem der Prinz die Situation ausführlich dargelegt hat, stehen für Emem ein paar detektivische Nachforschungen in den Büros und Gemächern der übrigen Gefolgschaft an. Beim Schlendern durch verwinkelte und immer gleich aussehende Gänge tritt das erste große Problem zu Tage, dass alle zukünftigen Aufgaben mit trauriger Musik untermalen soll: Die Orientierung ist in weiten Teilen ein fleischgewordener Albtraum, eine Karte der Spielumgebung gibt es nicht. So ergeht es auch den zwei weiteren Vampiren, die von Prinz Iversen mit besonderen Aufgaben betraut werden: Leysha, eine von Visionen geplagte Wahrsagerin, und Galeb Bazory, der sich als FBI-Agent getarnt weitgehend frei unter den Sterblichen bewegen kann.

Wo bin ich jetzt, wo will ich hin?

Ist euch das Gegenüber im Gespräch klar unterlegen, steigen die Erfolgschancen drastisch. Aber auch das kann nach hinten losgehen.
Nach einer viel zu langwierigen Einführung, stolpert der Spieler schon zu Beginn über zahlreiche Logiklücken und Ungereimtheiten: Warum sagt sich Emem in den Büroräumen dauernd, dass sie nicht entdeckt werden darf, kann aber vor den Augen ihrer Kollegen ohne Scheu in Schubladen und Schränken stöbern? Warum spiegelt sich die Spielfigur überall? Und weshalb dauert alles so lange, obwohl seine Hoheit ständig daran erinnert, dass es auf jede Sekunde ankommt? Immerhin dürfen vor dem ersten echten Einsatz bei jeder Figur ein paar Talente festgelegt werden. Aber auch das ist eher Makulatur, denn Emen, Leysha und Galeb verfügen bereits über jeweils eine Begagung, die sich voneinander unterschiedet. Emen kann — allerdings nur an wenigen, festgelegten Stellen – weite Sprünge vollführen. Galeb erspäht auf Knopfdruck Dinge, die nur er sehen kann, und Leysha kann Klamotten oder später das komplette Wesen von bestimmten Personen kopieren. Natürlich sind alle Missionen für jedes Mitglied der bissigen Task-Force darauf ausgelegt, die originären Fähigkeiten nutzen zu können. Der verfügbare Talentbaum ist also bei allen spielbaren Figuren sehr ähnlich, eine Skillung ist aber für alle drei mehr als notwendig: die Art der Redekunst.

Die drei Fragezeichen

Für alle Fähigkeiten, die der Spieler im Laufe einer Ermittlung einsetzen will, sind Punkte fällig: Für den erfolgreichen Verlauf eines wichtigen, weil informativen Zwiegesprächs werden ein paar Zähler vom Kraftkonto abgezogen, beim Einsatz der einzigartigen Vampir-Power steigt Stück für Stück der Hunger auf frisches Blut. Sind beide Konten leer, ist die gestellte Aufgabe in einem Spielabschnitt nicht mehr zu lösen. Die Balken wieder aufzufüllen, ist leider grausam: Neue Kraftpunkte kommen wieder hinzu, indem alle Punkte einer Konversation brav abgefragt werden, der Hunger ist natürlich mit dem Blut Unschuldiger zu stillen. Dafür muss erst ein Raum gefunden werden, in dem es keine unerwünschten Zuschauer gibt.

Die Frikadelle am Ohr

Das langweilige, beleidigene einfache Beiß-Minispiel hängt euch schon nach kurzer Zeit zum Halse raus.
Dann blinkt bei einigen, zufällig herumlaufenden Personen, ein neuer Menüpunkt auf. Der Vampir flüstert seine hypnotisierenden Worte und schon kann per lausigem Minispiel zugebissen werden. Lausig deshalb, weil der Spieler im Verlauf des Spiels dann rund hundertmal die immer gleiche Animation über sich ergehen lassen muss, zudem ist die bissige Aktion lachhaft einfach und einfach nur öde. Schon eingeschlafen? Es wird noch "besser": Denn Kämpfe oder auch nur den Hauch von adrenalinfördernden Handgreiflichkeiten gibt es in Swansong nicht. Stattdessen wird gelabert — und zwar ohne Unterlass. Statt also dem Vampir von den Zähnen, tropft dem Spieler das Blut aus dem Ohr.

Die optisch unterirdische Qualität des desinfizierenden Dampfes steht sinnbildlich für die sonstige Optik des Spiels.
Klar, in Rollenspielen wird im Allgemeinen gern und viel erzählt, allerdings hat das Gegenüber in den meisten Fällen etwas Interessantes zu berichten und der weitere Verlauf wird durch das Sammeln, Craften und, ganz wichtig, Kämpfen aufgelockert. Das ist in Swangsong nicht der Fall! So laufen die Einsätze nach einem Schema ab, dass Spiele dieses Genres im Jahr 2022 schon längst tief begraben zu haben schienen: Der Spieler sucht die karge und uninspirierte Spielumgebung nach Hinweisen ab, hat dabei natürlich größte Mühe, jeweils das kleine X für die Interaktion mit einem ganz bestimmten Gegenstand einzublenden. Nehmen wir zum Beispiel einen Küchenschrank mit zwei Türen, die jeweils einzeln zu öffnen sind – darin befindet sich dann ein Notizzettel. Wie viel Spaß kann es machen, die Kamera Millimeter für Millimeter zu drehen, um endlich Zugriff auf die korrekte Einblendung zu bekommen? Wird zudem ein wichtiges Kleinteil übersehen, kann man sich auf ein paar Extra-Runden durch die labyrinthartigen Gangsysteme gefasst machen.

2003 will Technik und Gameplay zurück

Denn fehlen Zahlencodes, eine Rolle Klebeband oder eine Batterie, rückt ein erfolgreicher Abschluss des Einsatzes in weite Ferne. Also erstmal alles absuchen, Optik und Animationen der Spielfigur erinnern dabei an Spiele aus längst vergangenen Zeiten. Gelaufen werden – und das noch viel zu langsam – kann nur, wenn das Spiel es zulässt und bei den starren und ausdruckslosen Gesichtern der meisten Gesprächspartner läuft einem mehr als nur ein kalter Schauer über den Rücken. Das Schlimme ist, dass man die Plastik-Fratzen und deren emotionsloses und uninspiriertes Gequatsche samt spärlicher Hand-oder Armbewegungen minutenlang ertragen muss. Eine Möglichkeit, gesprochene Sätze zu überspringen, gibt es nur, wenn eine Mission erneut in Angriff genommen wird.

Der Talentbaum ist bei allen drei Figuren viel zu ähnlich und bietet kaum Platz für Experimente.
Zu Beginn sind die Wortgefechte zumindest ein kleines Highlight, das im weiteren Verlauf allerdings arg überstrapaziert wird. Hier kommen die Überzeugungs-, Einschüchterungs- oder sonstige Psychologie-Fähigkeiten zum Tragen: Es muss zwei- oder dreimal gelingen, dem Gegenüber mit einer bezaubernden Antwort den Schneid abzukaufen. Sind Hunger und Kraftbalken aber bereits zu niedrig, ist von einem Sieg der Worte hier nur zu träumen, eine entsprechende Niederlage unabwendbar. Das gilt auch für alle anderen Aktionen, die zum erfolgreichen Abschluss einer Mission führen könnten. Es kann weder manuell gespeichert, noch zurückgespult werden. Ist das Endergebnis einer einstündigen Aufgabe nicht zufriedenstellend, ist die ganze Chose erneut ganz von vorn zu bewältigen. Diese rudimentäre und krude Mechanik hat in einem modernen Videospiel nichts zu suchen.

Quälende Wiederholungen

Nach einem Einsatz wird angezeigt, was alles verpasst wurde. Na, Lust auf noch eine Runde?
Das gilt auch für die nervigen, zeitraubenden und unlogischen Rätsel, die obendrein deplatziert und aufgesetzt wirken. Besonders drei mechanische Steinscheiben, die in bestimmten Konstellationen einzeln oder im Pulk zu einem passenden Bild zusammengesetzt werden sollen, gehören zu den wohl langweiligsten Fragestellungen, die es geben kann. Natürlich wird diese Tortur dem Spieler nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal hintereinander zugemutet. Über das Rätsel mit den Freudschen Schwänen breiten wir hier lieber einen Mantel des Schweigens. Kurzum: Auch diese Einlagen bringen keinen Spaß und sorgen eher dafür, dass man sich schnell ein anderes, ein besseres Spiel herbeisehnt. Immerhin erfährt der Spieler in den unzähligen und ausartenden Konversationen viel über die Welt von Vampire: The Masquerade. Wären Figuren glaubhafter, die Vertonung sorgfältiger, gewiefter und gewitzter, könnte stellenweise sogar ein Funke von Interesse entstehen. Auch die verschiedenen Enden, die vom Erfolg der Protagonisten während ihrer Einsätze abhängen, können bestimmte Spielernaturen sicherlich ein Weilchen bei der Stange halten. Klar ist, dass der erste Durchgang bei den meisten Zockern nicht von dem besten Ende gekrönt wird – um das zu bekommen, sind Notizzettel, höchste Frustresistenz und eine Menge Durchhaltevermögen vonnöten.

Fazit

Das hat kein Blutsauger verdient! Vampire: The Masquerade – Swansong ist ein Paradebeispiel für schlechtes, veraltetes Spiedesign, für maue und statische Optik von Figuren und Umgebungen, für nicht enden wollendes Gerede und für den wohl größten Feind eines Videospielers: die Langeweile. Auch die Rollenspiel-Elemente wie der Mini-Talentbaum und die daraus resultierenden, einzigartigen Fähigkeiten der drei steuerbaren Langzähne wirken hier dilettantisch und werden viel zu selten und nur an bestimmten Punkten eingesetzt. Freiheit zum Ausprobieren und Experimentieren bleibt da nicht! Die unterschiedlichen Locations, die im Spielverlauf abgegrast werden müssen, sind in den seltensten Fällen spannend, abwechslungsreich oder gar interessant – aber fast immer zu dunkel. Um die trostlose Runde zu komplettieren, gesellen sich technische Ungereimtheiten und Bugs dazu, die nicht nur Rollenspiel-Fans schon nach kurzer Zeit vor dem Bildschirm davon träumen lassen, dass sich aus dem Thema „Vampire in der modernen Welt“ sicherlich dreitausendmal mehr machen ließe.

Pro

  • viele Infos zu Spielwelt und Figuren
  • kleine, interessante Ansätze sind vorhanden

Kontra

  • viel zu hoher Preis für das Gebotene
  • schwache Optik, üble Animationen
  • Bugs und Grafikfehler
  • uninspirierte Sprecher, viel zu viel Text
  • ein Feigenblatt von einem Rollenspiel

Wertung

PlayStation5

Blutleeres Pseudo-Rollenspiel, das kleine, nette Ideen mit altbackener Technik und einem extrem langatmigen Spielverlauf pflockt.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

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Mittel
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Kommentare
Kuttelfisch

Unabhängig von der Qualität des Spiels wird bei einem auf einem Pen and Paper basierenden RPG kritisiert das es (zur Abwechslung) um Dialoge geht.

Auch im Pen ans Paper Bereich ist nicht alles Dungeon and Dragons (und selbst da gibt es inzwischen offizielle Kampagnen in denen Kämpfe optional sind).

Okay, bei Vampire Die Maskerade waren die Spielertypen schon imme unterschiedlich, die einen spielen das als "Supervillians with Fangs" (gerade bei den älteren Editionen) bei den anderen kommen physische Konflikte alle Jubeljahre vor und werden eher Cinematisch und kurz abgehandelt.

Swansong geht in die letztere Richtung. Ohne das qualitativ vergleichen zu wollen liest sich der Test so als ob auch ein Disco Elysium wegen fehlenden Kampfsystem gescheitert wäre.

vor 2 Jahren
GeronimoJackson

Wenn man die üblichen "SJW pRoPaGaNdA!11" und "f*** Epic!111"-Bewertungen mal ausblendet, relativiert das zumindest den User-Score etwas. Ich würde das Spiel allerdings auch im unteren Mittelfeld ansiedeln, habe nach ca. 8 Stunden auch nicht mehr wirklich Lust, weiterzuspielen. Auch wenn man doch schon irgendwie wissen möchte, wie die Story weitergeht (nur um dann vermutlich auch enttäuscht zu werden )

vor 2 Jahren
Sevulon

Das Spiel fokussiert sich auf zwei Dinge: Dialoge und Rätsel lösen. Beides macht es herausragend - mal abgesehen von den Animationen. Wer aber Dialoge langweilig findet und auf Rätsel keine Lust hat, ist vielleicht nicht die richtige Person, um dieses Spiel zu testen. Falsche Erwartungen können nur zu Enttäuschung führen.
Ging aber wohl vielen so, denn das Spiel wird durch die Bank weg schlecht bewertet: https://www.metacritic.com/game/pc/vamp ... --swansong

Ist also nicht nur 4players, die das Spiel zerreißen.

vor 2 Jahren
Irenicus

Das Spiel ist nix für mich, habe es in einem stream gesehen, zuviel life is Strange und dadurch zu wenig rpg gameplay für meinen geschmack.

Ich glaube für Leute die life is strange in einem vampirsetting haben wollen könnte es vielleicht was sein. ^^

vor 2 Jahren
Mordegar

Also bleibt nichts als weiter darauf zu hoffen, dass Bloodlines 2 die Biege schafft und irgendwann fertig released wird...
Wenn Schweine doch nur fliegen könnten...

vor 2 Jahren