Dolmen - Test, Rollenspiel, PC, XboxOne, XboxSeriesX, PlayStation4, PlayStation5

Dolmen
20.05.2022, Boris Connemann

Test: Dolmen

Arznei gegen den Elden Blues?

Elden Ring ist schon lange platiniert, die Gedanken an die Erlebnisse aber noch brühwarm? Da behelfen sich leidgeprüfte Spieler mit einem erneuten Durchlauf von Dark Souls 3 oder träumen von etwaigen Bloodborne-Prequels, -Sequels oder dem Remaster. Bis das so weit ist, kommt ein Überraschungsgast aus Brasilien zur Soulslike-Party. Kann das düstere Sci-Fi-Spiel Dolmen (ab 11,00€ bei kaufen) die Pein der masochistisch angehauchten Zocker stillen?

Wie schon die Zwerge in Moria waren auch die Wissenschaftler einer Kolonie auf dem weit entfernten Planeten Revion Prime zu gierig, als es um die Erforschung unbekannten Terrains ging. Sie haben zu tief gegraben und dabei ein Dimensionstor geöffnet, dass Kreaturen ausspuckt, die man lieber nicht zum Nachbarn hat. Das höllische Gezücht macht dann auch kurzen Prozess mit dem Erdenvolk und nistet sich häuslich ein. Klar also dass auf dem Planeten jemand nach dem Rechten sehen und den Weltraum-Müllmann spielen muss. Diese Aufgabe kommt dem Spieler zu, der nach einer kurzen Teleport-Sequenz unsanft in der Mülltrennungsanlage von Revion Prime aufschlägt – wie passend. Immerhin ist die Funkverbindung zum Raumschiff oben in der Atmosphäre scheinbar intakt. Bewaffnet mit einer kleinen Axt, einem Blaster mit Frost-Geschossen und dem absolut notwendigen Energieschild wagt der Kammerjäger erste Schritte. Das markerschütternde Geräusch plötzlich herunterkrachender Metallplatten, das fiese Zischen der Belüftungsrohre und ein sonderbar durchdringendes, insektenartiges Schnarren lassen schon zu Beginn nichts Gutes vermuten.

Panik auf Revion Prime

Es lohnt sich die Umgebung sorgfältig abzusuchen. An einigen, versteckten Stellen verteilen Überlebende wertvolle Geschenke.
Bereits wenige Meter voraus kreucht die Ursache für das Unbehagen: Kleine, mittelgroße und – natürlich! – noch größere Space-Spinnen, die es sich in der Anlage gemütlich gemacht haben, sind nicht gerade begeistert von dem Störenfried im Metallanzug und greifen uns kurzerhand an. Ein paar Hiebe mit der Axt, per Schild zurückgeschleuderte Giftbälle plus ein paar Salven aus der Laserknarre später ist erstmal wieder Ruhe. Die ist auch notwendig, um die farbcodierten Goodies einzusammeln, die nach dem Ableben der Insektoiden zu Boden purzeln. Ah, Rohstoffe! Die sind bestimmt nicht ganz unwichtig, bleiben aber erstmal in der Tasche, bis eine Möglichkeit gefunden ist, sie einzusetzen.

Komm zu Papa!

Da es sich bei Dolmen um ein Soulslike handelt, sind Kennern die Bedeutungen der Bildschirmanzeigen sofort sonnenklar: Der rote, grüne und darunter blaue Balken links oben zeigen Lebensenergie, Ausdauer und Batteriekraft an; unten links sind die Waffen und einsetzbare Ausrüstungsgegenstände zu sehen. Statt in diesem Szenario unpassender Estus-Flaschen kommen im Weltraum natürlich Batterien zum Einsatz, um den blauen Balken aufzufüllen. Der wiederum erlaubt es, auf Knopfdruck die Lebensenergie wieder auf Vordermann zu bringen. Auch der Einsatz des Blasters sorgt dafür, dass die Batteriekraft leidet, anders als bei einem Heilmanöver füllt sich hier die blaue Leiste nach kurzer Wartezeit automatisch wieder auf. Wie ein Bekloppter rumballern, ist also nicht möglich. Aber Gegner aus Entfernung unschädlich zu machen und gegebenenfalls zu warten, ist nicht nur für den Beginn des rund 25-stündigen Abenteuers eine bewährte und absolut empfehlenswerte Herangehensweise.

Altbekannt und altbewährt: Wird ein neues Gebiet betreten, sollte das Schild auf jeden Fall oben gehalten werden.
Natürlich dezimiert der Einsatz der Axt den grünen Ausdauerbalken, auch Rennen ist nur für kurze Zeit möglich, bis dem stählernen Recken eben die Puste ausgeht. Ein Druck auf den Ausweichknopf spuckt in Dolmen keine Rolle sondern ein kleines Warp-Manöver in die entsprechend angegebene Richtung aus. Also alles bereits bekannt? Fast! Neben einigen neuen Mechaniken, die später Erwähnung finden, ist der Einsatz des eingebauten Reaktors im Anzug eine Neuerung, die so noch nicht bekannt ist: Zu Beginn verfügt die Spielfigur nur über drei verschiedene Reaktoren, die nach Belieben ausgetauscht werden können. Ein Druck auf die Dreiecks-Taste sorgt dann kurzzeitig dafür, dass die Nahkampfattacken mit Feuer, Eis oder ätzender Flüssigkeit verstärkt werden – was besonders bei den nervenzerrenden Bosskämpfen klare Vorteile bringt. Liegt dem Spieler die Steuerung in der Standard-Variante nicht, können alle Eingaben glücklicherweise auf Wunsch angepasst werden.

Captain Future hat ein Déjà-vu

Beim Bau einer Waffe können zusätzlich beliebige Boni verteilt werden – sofern die entsprechenden Rohstoffe verfügbar sind.
Der erste Bildschirmtod lässt nicht lange auf sich warten, denn hinter den aggressiven Arachnoiden schlurfen zähe Mini-Golems, deren Feuerbälle bei einem Treffer nicht nur immens viel Schaden verursachen, sondern bei einem Balance-Akt über rostige Verbindungsrohre schnell dafür sorgen, dass es ab in die Tiefe geht. Schwupps, schon wacht Captain Future am Einstiegspunkt wieder auf und hat nun einen Versuch, seine erspielten Punkte wieder zurückzuholen – oder besser, die Zeitlinie wieder ins Lot zu bringen, wie es in Dolmen genannt wird. Die eingesammelten Materialien zum Bau neuer Ausrüstung bleiben beim Ableben fairerweise erhalten.

Die erste Teleport-Station ist erreicht, nun wird es Zeit herauszufinden, was mit dem ganzen Krempel anzufangen ist, der unterwegs eingesammelt wurde. Eine ganze Menge! An entsprechenden Maschienen warten neue Nah- und Fernkampfwaffen darauf, endlich repliziert zu werden. Auch frische Helme, Beine, Arme und Brustpanzer kann man – die entsprechenden Rohstoffe und Fähigkeitspunkte vorausgesetzt – dort herstellen. Erspielte Seelen, äh, Punkte dienen natürlicherweise zum Aufleveln in den bekannten Kategorien. Es ist jedoch ratsam, sich zuerst anzusehen, welche Waffen und Rüstungsteile man nutzen möchte, um sich hier nicht zu verskillen.

Entspannung im Orbit

Diesmal wird es klappen: Die giftspuckende Dementula dürfte nach der nächsten Attacke endlich Geschichte sein.
Die Nutzung neuer Rüstungen hat einen interessanten Nebeneffekt, mit dem sich vortrefflich experimentieren lässt: Die Schutzkleidung ist einer von drei Klassen zugehörig. Mit jedem neuen Teil erhält der Spieler einen Punkt in dem entsprechenden Klassenbaum. Entweder man mixt die nach und nach aufploppenden Vorteile, die als Knotenpunkte erkennbar sind, oder man setzt alles auf eine Karte und kann so schon früh dafür sorgen, dass einem das Lebenslicht nicht im Sekundentakt ausgepustet wird. Da alle hergestellten Teile in Dolmen kein Gewicht haben und somit auch die nicht die Gefahr besteht, fat zu rollen, kann man hier so lange herumtüfteln, bis das passende Setup gefunden ist und es zurück in die Tunnel der Verzweiflung geht.

So lange die Gegner noch weiter weg sind, ist der Einsatz der Laserknarre natürlicherweise die erste Wahl.
Roten, grünen und blauen Balken verlängert? Feuerschwert, Eis-Maschinengewehr und Rüstungsteile gegen das poplige Start-Setup ausgetauscht? Dann kann es ja weitergehen! Natürlich sind nach dem kurzen Ausflug wieder alle Gegner auf der Platte. Nun ist es aber weitgehend ein Kinderspiel, mit denen kurzen Prozess zu machen. Das Gefühl von Fortschritt vermittelt Dolmen für einen Souls-Abklatsch ziemlich gut, die Balance stimmt bis auf wenige Ausnahmen. Doch ohne Geschick im Kampf gewinnt auch ein Space Marine keinen Blumentopf. Und da kommen die ersten Haken zu Tage: Denn das Trefferfeedback der Gegner ist erstens so gut wie nicht vorhanden, zweitens merkt auch der Spieler meist sonderbar verzögert, dass er einen vor dem Latz bekommen hat. Das lässt die Kämpfe hakelig und unausgegoren wirken. Dazu tut die Kamera, die gern mal unerwartet lieber den Boden als das Kampfgeschehen in Szene setzt, ihr Übriges. Besonders in engen Gängen, wenn aus Versehen mehrere Gegner gleichzeitig gezogen wurden, ist das ein sicheres Todesurteil. Man gewöhnt sich nach einiger Spielzeit an diese doch recht groben und nervigen Unzulänglichkeiten, sie verwehren Dolmen allerdings einen Platz auf dem Treppchen.

Alles auf Anfang – mal wieder

Die blauen Energieblitze sind für euch harmlos und eine große Hilfe bei den nächsten beiden Boss-Gegnern.
Liegt der erste Boss nach einigen Versuchen im Staub, wird nicht nur mächtig abgesahnt, sondern eine weitere Option steht dann zur Verfügung: Bestimmte Waffen können nur gecraftet werden, wenn drei oder mehr Teile eines Obermotzes zur Verfügung stehen. Pro Sieg gibt es aber nur jeweils ein Teil. Was tun? Die entsprechende Währung vorausgesetzt, kann an einem Terminal in der Nähe des Bossraums dafür gesorgt werden, dass dieser wieder dem Grab entsteigt, um erneut in seiner Behausung zu lauern. Wahlweise könnt ihr hier bei anderen Spielern aushelfen oder die Verzweiflung nimmt Überhand und man ruft selber um Hilfe; auch das ist nicht ganz billig. Eine Spielstufe oder gar das ganze Spiel mit Online-Kumpels meistern, das ist leider nicht möglich. Schade!

Der Preis ist heiß

Zudem zeigen die Endgegner, deren Animationen recht vorzeitlich wirken, dass das Feedback von eingestecktem und ausgeteiltem Schaden ziemlich zu wünschen übrig lässt. Auch optisch reißt Dolmen keine Bäume aus: Verwinkelte Fabrikanlagen, düstere Höhlen samt gigeresker Architektur und später ein Ausflug ins trostlose Außenareal sind zwar annehmbar, echte Gruselstimmung oder das Verlangen den Saber-Rider-Soundtrack nachzupfeifen, kommt hier aber nicht auf. Immerhin hat sich das kleine Entwickler-Team bemüht für Abwechslung zu sorgen, sofern das in ihrem Rahmen eben möglich war.

Fazit

Wo sortiert sich Dolmen qualitätsmäßig ein, wenn man die originalen Souls-Titel, aber auch Mortal Shell oder The Surge 1 & 2 als Vergleich anlegt? Zuerst einmal ist auch hier offenkundig, dass praktisch die komplette Mechanik eines Dark Souls frech abgekupfert wurde. Das muss nichts Schlechtes bedeuten, denn vor allem Veteranen finden sich sofort zurecht und wissen ohne jegliche Hilfestellung – auch in Dolmen wird so gut wie nichts mehr oder weniger ausführlich erklärt –, was zu tun ist. Andererseits ist die Kopie an vielen entscheidenden Stellen allerdings weit unter dem Anspruch, der mittlerweile an dieses Genre gestellt wird. Verzögertes Feedback in den sowieso schon recht anspruchsvollen kämpfen sorgt oft dafür, dass Attacken zu verpuffen scheinen, die Einschätzung einer sicheren Entfernung zu einem AOE-Angriff ist so gut wie unmöglich. Souls-Freunde sind Schmerz gewohnt, der wird in Dolmen aber zu einem großen Teil von den Unzulänglichkeiten genährt. Immerhin macht es Spaß, statt dem Zauberstab eine Laserwaffe zu schwingen, recht viele Waffen und Rüstungen lassen viel Raum für einen Build, der dem eigenen Spielstil entspricht. Und mit einem zugedrückten Auge siegt in den meisten Fällen die Neugier, was für Monströsitäten wohl noch hinter der nächsten Abbiegung lauern. Auf jeden Fall wirkt der Ausflug nach Revion Prime wie ein kleines Medizinfläschchen, das bei akutem Elden Blues zu verschreiben ist. Es dauert ja zum Glück nicht mehr allzu lange, bis mit Thymesia im August ein völlig neu entwickeltes Medikament gegen diese schlimme Krankheit freigegeben wird.

Pro

  • einige nette Ideen
  • Soulslike geht immer
  • viel Raum für Experimente
  • fairer Preis
  • stimmige Umgebungsgeräusche

Kontra

  • schlechtes Trefferfeedback
  • billige Animationen
  • stellenweise mehr als unfair
  • vernachlässigbarer Soundtrack
  • unspektakuläre Optik

Wertung

PlayStation5

Leidlich charmante Dark-Souls-Kopie, mit der sich ein kleines Team verhoben hat. Als Ode an das große Vorbild verstanden und zum relativ günstigen Preis ist der Elden Blues aber wenigstens für ein paar Stunden verschwunden.

Echtgeldtransaktionen

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Kommentare
nawarI

Bosse wiederzubeleben und mehrmals zu bekämpfen, ist ein cooles Feature.
Viele Bosse bei Bloodborne hätte ich gerne nochmal herausgefordert ohne gleich New Game Plus Plus zu starten.
Manche knappen Siege fand ich wenig befriedigend und haben sich mehr wie durchsterben angefühlt.
Ich merke es gerade bei Hades, dass es auch nett ist Bosse kennenzulernen und zu durchschauen. Die Godseeker Arena in Hollow Knight ist eine gute Möglichkeit

vor 2 Jahren
Babelfisch

Boris schreibt gute Tests! Weiter so!

vor 2 Jahren
Herschfeldt

Bumbum Boris die Bestie..

vor 2 Jahren
Solon25

"Schlechtes Trefferfeedback" und "mehr als unfair" passt ja beim negativen zusammen. Bei sowas bin ich raus.

vor 2 Jahren