Silt - Test, Action-Adventure, XboxOne, Switch, XboxSeriesX, PlayStation4, PC, PlayStation5

Silt
01.06.2022, Michael Herde

Test: Silt

Schaurig-schöner Grusel in der Tiefsee

Mit detailverliebtem Zeichenstil, subtilem Grusel und kleinen Rätseln am laufenden Band wandelt das Unterwasser-Abenteuer Silt (ab 13,49€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) in den Fußstapfen von Limbo oder Little Nightmares. Ob das ausreicht, um eigene Spuren im Genre zu hinterlassen oder ob Silt bloß ein Schlag ins Wasser geworden ist, analysieren wir in unserem Test.

Angst ist eine persönliche, intime Angelegenheit. Obwohl vermeintlich gegensätzlich, ist sie damit dem Humor artverwandt. Denn was den einen zum Lachen oder Schaudern bringt, das lässt den anderen völlig kalt. Zweifelsohne wohnt aber beiden Phänomenen ein gewisser Unterhaltungswert inne, zumindest, solange wir es nicht mit krankhaften Ausmaßen von Angst zu tun haben. Dann spricht man von Phobien, und deren Spektrum könnte größer kaum sein.

Wider die Furcht

Schlechte Aussichten: Unser Taucher ist unter Wasser angekettet, vor der Nase lauern ein bissiger Fisch und viel Finsternis.
Der Begriff "Aichmophobie" etwa bezeichnet die Furcht vor spitzen Dingen, "Arachibutyrophobie" beschreibt hingegen die Angst, dass Erdnussbutter beim Verzehr am Gaumen kleben bleibt. Wer gar unter "Hexakosioihexekontahexaphobie" leidet, der fürchtet die Zahl 666. So etwas mag zunächst befremdlich oder gar lustig klingen, für Betroffene ist es das aber keineswegs. Solche exotischen Angstauslöser lassen sich zum Glück leicht vermeiden, man streicht einfach Erdnussbutter vom Speiseplan oder meidet das Wacken Open Air. Auch "Thalassophobie", die Angst vor großen oder tiefen Gewässern, sollte im Alltag kaum eine Rolle spielen, es sei denn, man lebt auf Sylt oder spielt Silt. Wer Letzteres beruflich tut, sollte keine "Arithmophobie" haben, sonst wird es mit der Zahlenwertung am Ende des Tests problematisch...

Der Stör ist schneller und wendiger als unser Taucher, wodurch wir den schnapplustigen Pflanzen leichter ausweichen können.
Von der ersten Szene an spielt Silt meisterlich auf der Klaviatur möglicher Ängste. Ein namenloser Taucher schwebt regungslos irgendwo in der Tiefe des Meeres, fixiert von einer Fußfessel und Kette, umschlossen von Finsternis. Ein schwacher Lichtschein in der Bildmitte offenbart in der Nähe einen Fisch mit spitzen Zähnen. Rasch lernen wir das spielerische Grundkonzept des 2D-Puzzle-Abenteuers kennen: Auf Knopfdruck sendet unser Taucher einen Energiestrahl aus, den wir per Analogstick zu anderen Lebewesen in der Nähe lenken – fortan können wir sie dann kontrollieren und uns ihre spezifischen Fähigkeiten zu Nutze zu machen. So auch bei diesem Fischlein: Mühelos zerbeißt es die Kette, wir wechseln zurück zum Taucher und schwimmen instinktiv nach oben, ehe es auch uns zerbeißt.

Die vielen Schrecken der Tiefsee

Auf Knopfdruck lenken wir einen Energiestrahl zu anderen Lebewesen, um sie zu steuern und ihre Fähigkeiten zu nutzen. Vereinzelt fällt die unsaubere Grauabstufung störend auf.
So schnell das Spielprinzip verinnerlicht ist, so rasch erklärt sich auch die organisch anmutende Umgebungsgrafik, die wie das gesamte Spiel handgezeichnet ist und auf Farben komplett verzichtet. Wir waren gefangen im Leib eines riesigen Fisches und schwimmen nun unter Schaudern aus dessen mit spitzen Zähnen bewehrtem Maul. Als Nächstes begegnen wir einer Kreatur, die an einen Hammerhai erinnert. Erneut übernehmen wir die Kontrolle und probieren aus, welche Fähigkeit uns das verleiht. Aha, er kann bestimmte Wände zerstören, was sogleich einen neuen Pfad öffnet. Ein leuchtendes Etwas lockt uns an. Wir schwimmen hin, obwohl wir es besser wissen sollten, erwartet uns am anderen Ende doch gewiss das nächste Maul. Einen anderen Weg lässt Silt aber nicht zu, außerdem schlängelt sich von hinten bereits ein ekliger Wurm mit angriffslustigem Maul heran. Also was soll's. Los!

Wir sollen Recht behalten: Am Ende eines engen Tunnelparcours lauert bereits ein riesiger Anglerfisch, dessen Bewegungsmuster es zu studieren gilt. Wir locken ihn an, er ist aggressiv und zertrümmert dabei Felsbarrikaden. Mit etwas Geschick gelingt es, ihn unter die herabfallenden Trümmer zu locken, sodass das Biest rasch erledigt ist. Im Verlauf des gut dreistündigen Abenteuers begegnen wir noch vielen anderen surrealen Schrecken sowie drei weiteren Bossen, die allesamt aus der talentierten Feder des Illustrators Tom Mead stammen.

Bewährtes Konzept in frischem Gewand

Flüchtet vor Würmern, die dann blindlings in ihr Verderben schwimmen. Wie sagte Qui Gon Jinn: "Es gibt immer einen noch größeren Fisch!“
Zusammen mit seinem Partner und Programmierer Dominic Clarke, der bislang an Rennspielen wie Project Cars, MotorStorm und der WRC-Reihe gearbeitet hat und kürzlich auf dem offiziellen PlayStation-Blog zum Thema Silt zu Wort kam , hat Mead einen im besten Wortsinn schauderhaften Indie-Titel geschaffen, der sich in die Tradition namhafter Videospiele einreiht. Stilistisch und spielerisch erinnert Silt stark bis an die beiden sehr guten bis exzellenten Playdead-Hits Limbo (2010) und Inside (2016). Der Fokus liegt bei Silt jedoch weniger auf reaktionsschnellen Geschicklichkeitseinlagen und Sprungeinlagen, sondern mehr auf dem Erkennen der Aufgabenstellung und der Kombination verschiedener Fähigkeiten.

Ohne Worte: Die Geschichte von Silt ist mysteriös und bleibt unserer Interpretation überlassen.
Silt ist ein wirkungsvolles Horrorspiel. Doch wie eingangs beschrieben, sind Angst und Furcht etwas stark Subjektives. Silt verzichtet auf Action, blutige Effektspektakel und Zerstückelung ebenso wie auf Jumpscares, zumindest weitestgehend. Es gibt genau eine fordernde Sequenz im letzten Drittel des Spiels. Hier gilt es, gleichzeitig vor gierigem Gewürm zu flüchten, während urplötzlich noch größere und gierigere Kreaturen aus dem Boden schnellen und zuschnappen. Das bedarf womöglich einiger Anläufe und kann für Frust sorgen, weil es sich vom Rest des Spiels so stark abhebt. Wirklich schwierig ist es aber auch nicht, sobald die zu Grunde liegende Mechanik verstanden ist. Der Grusel in Silt entsteht in aller Regel auf andere Weise: Das Spiel ist grundsätzlich sehr dunkel, die oft befremdlich-surrealen Umgebungen sind detailliert gezeichnet, wodurch alles unheimlich wirkt und Bedrohungen tarnen könnte. Das Erkundungsabenteuer spielt mit Urängsten und verunsichert kontinuierlich. Mit jedem Bildschirmwechsel ändert sich auch die Umgebung, sodass wir uns nie sicher fühlen können. Nie können wir wissen, welche Schrecken uns als Nächstes erwarten. Aus spielerischer Sicht sorgt das trotz mangelnden Anspruchs ständig für Abwechslung, keine Idee erhält die Gelegenheit, sich abzunutzen. Aus ästhetischer Sicht sorgt das ständig für Verzücken, denn Silt ist ein richtig schönes Spiel.

Subtiler Grusel mit allen Sinnen

Statt Feuerkraft ist auch in Boss-Duellen Grips gefragt. Diese krebsartige Kreatur mag keinen Strom, die Elektroaale unten im Bild hingegen schon.
Dem steht die klangliche Untermalung in nichts nach: Es gibt zwar keine Sprachausgabe und auch die Musik bleibt meist im Hintergrund. Dafür verstärkt der Sound auf subtile Weise das beklemmende Gefühl beim Erkunden der bizarren Spielwelt. Das klaustrophobische Schnaufen des Tauchers erinnert an Isaac Clarke in Dead Space und schürt ebenso Unbehagen wie sporadisches Bassdröhnen unterhalb der 50-Hertz-Grenze. Weil solche Subwoofer-Einsätze beim nächtlichen Spielen auch den Nachbarn Unbehagen bereiten könnten, empfiehlt sich im Zweifelsfall ein guter Kopfhörer, insbesondere natürlich beim Spielen im Handheld-Modus der Switch. Über die eingebauten Lautsprecher geht hier doch viel verloren. Auch wirkt die filigrane Grafik auf dem kleinen Bildschirm weniger eindrucksvoll, vor allem in beleuchteten Räumen verpufft die dichte Atmosphäre rasch.

Fazit

Für einen Erstling ist Silt eine runde Sache ohne grobe Schnitzer. Das audiovisuelle Design ist exzellent und überrascht ständig mit frischen Ideen. Drei Stunden Spielzeit sind nicht viel, dafür gibt es keinen Leerlauf. Ich finde Silt auch unheimlich und schauderte jedes Mal vor Ekel, als garstiges Schnappgetier aus dem Untergrund geschossen kam oder ich von Gewürm gejagt wurde. Wohl auch, weil das sonst gemächliche Abenteuer dann urplötzlich hektisch wird. Mich hat die beklemmende Atmosphäre mit feinen Details wie Tiefbass und verstörender Bildsprache in ihren Bann gezogen, aber ich bin auch ein recht verkopfter Typ. Wer es lieber plakativ und auf Schockeffekt getrimmt mag, der wird hier nicht fündig. Silt macht an sich nichts falsch, eine höhere Wertung verhindert nur, dass mir die Aufgabendichte zu gering ausfällt. Zwar muss ich mitunter Fähigkeiten verschiedener Wesen aneinanderreihen, mehr Komplexität und Anspruch hätten trotzdem nicht geschadet, zumal der Wiederspielwert gering und das ganze Konzept nicht gerade neu ist. Limbo bot hier schon vor zwölf Jahren mehr.

Pro

  • wunderschöner monochromer Grafikstil
  • unterschwelliger Horror
  • subtile Klanguntermalung
  • abwechslungsreiches Spieldesign

Kontra

  • spielerisch selten fordernd oder originell
  • kaum Wiederspielwert
  • Bildebenen manchmal schwer zu unterscheiden
  • vereinzelt sichtbare Abstufung bei grauen Hintergrundverläufen

Wertung

Switch

Solider Einstand: rundum souveränes Rätsel-Abenteuer mit wunderschönem Design und subtilem Grusel, das spielerisch weder originell noch anspruchsvoll ausfällt.

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Kommentare
Blauebluete@googlemail.com

Limbo ist eines meiner Liebslingsspiele. Nur mit knapp 3 Stunden Spielzeit und einem wohl weniger anspruchsvollem Rätseldesign erscheint mir das Spiel doch weniger interessant. Na mal sehen, für einen Sale-Kauf wird es doch vielleicht reichen. Genauso wie Trek to Yomi- diese Schwaz-Weiß-Optik spricht mich einfach an.
Der Vergleich mit Trek to Yomi ist ganz passend. Spielerisch dünn, aber ansprechend gemacht. Silt ist schon spielerisch gehaltvoller, aber halt nie so fordernd oder frisch wie etwa Limbo damals. Es ist ein schönes, gefälliges Erlebnis, solange es dauert, längerfristig dürfte aber vermutlich nicht viel hängenbleiben.

vor 2 Jahren
Sekiro666

Limbo ist eines meiner Liebslingsspiele. Nur mit knapp 3 Stunden Spielzeit und einem wohl weniger anspruchsvollem Rätseldesign erscheint mir das Spiel doch weniger interessant. Na mal sehen, für einen Sale-Kauf wird es doch vielleicht reichen. Genauso wie Trek to Yomi- diese Schwaz-Weiß-Optik spricht mich einfach an.

vor 2 Jahren
Sevulon

Versteht wer die Anspielung "Angst essen Taucher auf" in der Überschrift? Würde mich wundern
Ich habe eigentlich auch drauf gewartet, dass direkt jemand wegen der fehlerhaften Grammatik meckert, weil er den Film und die Anspielung darauf nicht kennt.

vor 2 Jahren
grisu_de

Versteht wer die Anspielung "Angst essen Taucher auf" in der Überschrift? Würde mich wundern
https://de.wikipedia.org/wiki/Angst_essen_Seele_auf
Okay, vielleicht sind die User hier auch einfach etwas gesetzter als auf anderen Gaming-Seiten.

vor 2 Jahren
schockbock

Versteht wer die Anspielung "Angst essen Taucher auf" in der Überschrift? Würde mich wundern
https://de.wikipedia.org/wiki/Angst_essen_Seele_auf

vor 2 Jahren