F1 22 - Test, Rennspiel, PlayStation5, XboxSeriesX, PlayStation4, PC, XboxOne
Für die Formel-1-Saison 2022 mussten die Teams die umfangreichsten Änderungen an Fahrzeugen seit den 1980er Jahren vornehmen. Die vormals eingesetzten 13-Zoll-Ballonreifen wurden durch 18-Zoll-Niederquerschnittsreifen ersetzt. Der Außendurchmesser der Pneus steigt dadurch von 670 auf 725 Millimeter, das Gewicht der Fahrzeuge ist mit rund 800 Kilogramm so hoch wie noch nie zuvor. Zusätzlich wurden alle unnötigen Anbauten, wie etwa kleine Flügel und Spoiler, verboten, da damit unnötige Luftverwirbelungen erzeugt werden, die es dem Hintermann schwer machen, einen Überholvorgang zu starten. Der größte Teil des Abtriebs der Formel-1-Fahrzeuge erfolgt durch die Änderungen im technischen Regelwerk nun durch zwei tunnelförmige Aussparungen am Unterboden, die dafür sorgen, dass das Fahrzeug per Ground-Effekt auf die Piste gesogen wird. Auf diese Weise sind nun schnellere Kurvendurchfahrten möglich, in langsameren Teilen der Strecke leidet allerdings das Handling. Auch die maximale Geschwindigkeit ist 2022 deutlich niedriger als zuvor – bis zu drei Sekunden langsamere Rundenzeiten sind die Folge.
Alles auf Anfang
Also die perfekte Chance für die Entwickler von Codemasters, sich der Fahrphysik nicht nur anzunehmen, sondern diese grundlegend zu überarbeiten. Den offiziellen Ankündigungen zufolge hat das Team rund um Creative Director Lee Mather in F1 22 (ab 69,98€ bei
Kleine Schritte bis zur Perfektion
Wenn der Spieler den niedrigsten der drei generellen Schwierigkeitsgrade auswählt, dann bleiben in den weiteren Optionen zahlreiche Einstellungen versteckt. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, gleich auf "Experte" zu setzen, um alle Möglichkeiten einsehen und nutzen zu können. Danach kann man ganz entspannt herunterregeln, um das Renn-Theater perfekt an das eigene Können anzupassen.
Die äußerst umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten, die auch während des Spielverlaufs fast jederzeit an allen Stellen abgeändert werden können, sind für F1 22 schon erste, wichtige Punkte auf dem Bewertungs-Konto. Mit diesen Möglichkeiten am Handschuh, kann vom blutigen Anfänger bis hin zum abgebrühten Profi mit höchstem Anspruch an eine Simulation jeder Spieler in die Welt des pfeilschnellen, atemlosen Formel-Rennsports eintauchen.
Auch bei den Spiel-Optionen lässt sich Codemasters nicht lumpen: Neben einer Saison als Fahrer in einem der aktuellen Teams, deren Dauer und Streckenauswahl sich natürlich einstellen lässt, gibt es einen Modus mit geteiltem Bildschirm, Mehrspieler-Rennen für bis zu 22 Teilnehmer in einer eigenen Lobby, den Online-Koop-Modus für zwei Spieler, die ganz eigene Formel-1-Karriere samt eigenem Rennstall und den brandneuen F1-Life-Modus, der den Spieler in die mondäne Welt eines Lebens als Formel-Eins-Pilot entführen soll. Für den Test habe ich mich zuerst an einer kompletten Saison (25% Streckenlänge, alle Strecken, Training kurz, Quali normal) als Team-Kollege von Daniel Riccardo, dem Honeybadger, eingeschrieben. Es muss doch rauszukriegen sein, warum der leistungstechnisch eigentlich annehmbare McLaren in dieser Saison scheinbar nicht vom Fleck kommt und die beiden Fahrer aktuell in der Meisterschaft abgeschlagen sind. Gleich einen Platz bei Red Bull oder Ferrari einnehmen? Immer gewinnen kann jeder!
Eine Musik mit Physik
Nach den ersten zwei WM-Läufen, die notwendig waren, um ein gutes Gefühl für die überarbeitete Fahrphysik zu bekommen, folgt die nächste Überraschung: Die Fahrphysik und das daraus resultierende Fahrverhalten der Formel-1-Fahrzeuge in F1 22 kann man nur als absolut gelungen bezeichnen. Besonders bei der Fahrt über Curbs in schnellen Schikanen oder Kurvenausgängen ist der Bolide lange nicht mehr so zickig wie noch im Vorgängerspiel. Dort brach das Heck das Fahrzeugs einfach mal aus, obwohl man diese Schikane in gleicher Weise schon hundertmal gefahren ist. In F1 22 hat diese Rätselstunde ein Ende, das Verhalten ist deutlich nachvollziehbarer, bietet damit mehr Raum für Experimente und gibt dem Fahrer mehr Selbstvertrauen, um auf die nötige Jagd nach Zehntelsekunden zu gehen.
Die Steuerung per Dual Sense ist dabei recht gut, besonders die haptischen Effekte begeistern und siedeln sich sogar stellenweise über der Implementierung dieses Features bei Gran Turismo 7 an. Flatternde Bremsen, Widerstand auf dem Gas oder das Rumpeln der Curbs beim Überfahren sorgen für ein äußerst authentisches Spielgefühl. Nur der Weg des rechten Sticks ist stellenweise etwas zu lang, in schnellen Schikanen ist es nicht einfach, immer den perfekten Einfahrtswinkel zu finden und dann fix die Richtung zu wechseln.
Gamepad oder Lenkrad?
- GT DD Pro Wheelbase (8 Nm mit Boost-Kit)
- Clubsport Lenkrad F1 Esports V2
- Clubsport Pedale V3 inkl. Brake Performance Kit
Um die Performance von F1 22 beim Einsatz eines Lenkrads samt Pedalerie auszutesten, haben wir uns folgendes Setup genauer angesehen:
- SEN 360
- FF 100
- FFS Peak
- NDP 40
- NFR 6
- NIN 0
- INT 4
- FEI 100
- FOR 100
- SPR 100
- DPR 100
- BLI Off
- SHO 100
- BRF User Preference
Die Einstellungen für das Setup (Tuning-Menü-Settings) lauten:
- Vibration & Force Feedback: On
- Vibration & Force Feedback Strength: 80
- On Track Effects: 10
- Rumblestrip Effects: 25
- Off Track Effects: 25
- Wheel Damper: 0
- Understeer Enhance: Off
- Maximum Wheel Rotation: 360
In-Game Settings:
So gerüstet seine Runden zu ziehen ist mit Worten kaum zu beschreiben: Mir ist auf der Konsole noch kein Spiel begegnet, dass eine derart perfekte Unterstützung dieser Profi-Hardware bietet. Selbst PC-Sim-Klopper wie iRacing oder Assetto Corsa Competizione haben hier stellenweise das Nachsehen. Die Lenkrad-Unterstützung bei F1 22 ist in der obigen Zusammenstellung fast schon mehr als ein feuchter Traum. Natürlich sind auf diese Weise deutlich bessere Rundenzeiten als mit einem Gamepad möglich, das Anfahren schneller Schikanen absolut unproblematisch – und äußerst spaßig. Es gibt nicht viele Rennspiele, bei denen sich alte Hasen noch vor drohenden Crashes wegducken oder den Kopf zur Seite neigen, wenn der betonierte Kurveneingang mit 240 km/h auf den Spieler zurast! Überhaupt tragen viele Teile des Spiels – wie die realistische Optik, die tolle Abbildung der Geschwindigkeit und die stark verbesserte Fahrphysik – in F1 22 maßgeblich dazu bei, dass man so richtig Lust bekommt, die volle Rundenzahl abzuspulen und sich dabei in einen trancetapezierten Tunnel zu begeben.
Herzlich willkommen im immersivsten Abschnitt des Tests, in dem ich den Modus für PC-VR unter die Lupe nehme. PlayStation-Nutzer werden übrigens nicht bedient, sie müssen auf PSVR-Unterstützung verzichten. Beim Thema Virtual Reality können die Codemasters auf viel Erfahrung zurückblicken. Nach VR-Modi für Dirt Rally und Dirt Rally 2.0 sowie Project Cars 3 (von der Codemasters-Tochter Slightly Mad Studios) ist nun erstmals auch die Formel 1 an der Reihe.
Formel Eins mit zwei Helmen
Den VR-Modus auf PC hat unser Virtual-Reality-Profi Jan Wöbbeking getestet – er kommt zu folgendem Schluss:
Trotz der hübschen Kulisse bewegt sich die Performance nach etwas Feintuning in einem angenehmen Bereich. Mit einem Intel i7-8700K und einer GeForce RTX 2080 Ti bleibt es sogar auf hohen bis sehr hohen Einstellungen flüssig, solange ich mit der betagten Rift S spiele. Eine höhere Auflösung frisst spürbar mehr Performance. Bei Nutzung der Valve Index oder der mit dem PC verbundenen Quest 2 muss ich bereits auf mittlere bzw. niedrige Einstellungen herunterregeln (jeweils 90 Hertz, 120% Supersampling). Das Gesamtbild kann sich aber selbst dann noch sehen lassen, wenn man über ein paar fehlende Effekte hinwegsieht. In einem Punkt verliert F1 22 allerdings gegen die Konkurrenz aus eigenem Hause: Beim Blick in die Ferne bietet Project Cars 2 nach wie ein etwas ruhigeres Bild.
Und wie läuft das so?
Mein Tipp: Regelt in den erfreulich vielfältigen Grafik-Optionen die Kantenglättung auf "TAA" herunter. Danach seht ihr auch in F1 22 die Konkurrenz am Horizont ein wenig schärfer. Eine weitere Empfehlung: Bringt viel Geduld mit! Im Gegensatz zur hübschen Kulisse wirkt die Nutzerführung wie aus der Steinzeit. Es gibt keine virtuelle Tastatur, unpraktische Formulare und Datenschutzrichtlinien, Verbindungsabbrüche und viele weitere Umständlichkeiten. Da mein PC am Rande des Zimmers steht, musste ich immer wieder in wilden Verrenkungen zwischen Spielfeld, realer Tastatur, Gamepads und Systemmenüs wechseln.
Bis hierhin also alles vom Feinsten, oder? Bis auf das schlaffe, weil wenig detailreiche Schadensmodell, die verschachtelte Menüstruktur und die an einigen Stellen veraltete Präsentation von Interview- oder Team-Anfragen auf jeden Fall. Dann werfen wir doch einen Blick in den F1-Life-Modus, der uns auf dem sehr geduldigen Papier das Leben eines echten Formel-1-Piloten neben der Strecke schmackhaft machen soll. Dort dürfen wir uns eine Behausung einrichten, mit neuen Hosen, Kappen oder Sonnenbrillen unsere uneingeschränkte Coolness betonen und sogar ans Steuer von Supersportwagen wie einem AMG GT Pro oder Aston Martin DB11 AMR dürfen wir uns setzen. Der Kauf klappt übrigens mit vom Spiel vergebenen Münzen, die nicht Teil des Mikrotransaktions-Wahnsinns sind. Gefahren werden mit den Supersportlern dann verschiedene Einzelwettbewerbe oder Geschicklichkeitsaufgaben.
Der Elefant im Raum
Neues Team, neues Glück
Fazit
Mit F1 22 liefert Codemasters die bis dato beste Auflage der Rennsimulation ab. Fantastische Optik von Fahrzeugen und Umgebungen treffen hier auf eine Fahrphysik, die regelmäßig für feuchte Augen sorgt – und das rührt nicht vom Fahrtwind bei einem nicht heruntergeklappten Helm-Visier. Die so geschaffene Authentizität wird natürlich von dem Fahrerfeld unterstützt, das man nach ausgiebigem Studium der Netflix-Serie Drive to Survive auf persönlicher Ebene deutlich besser zu kennen glaubt. Am brüllenden Heck von George Russel klebend, den aggressiven und schlauen Haudegen Alonso unerbittlich im Nacken – und aus der Box mahnt der Renningenieur über Sprechfunk vor der Überhitzung des Motors: Das ist die ganze Magie und Faszination der Formel 1 vor der Spielekonsole oder dem PC! Dazu kommt ein sehr gut funktionierender Mehrspieler-Modus mit allem, was GT7 schmerzlich vermissen lässt, und ein VR-Modus für den PC, der mehr als nur Makulatur ist. Allerdings können die Entwickler für den unausweichlichen 23er-Ableger gerne noch am wenig detailreichen Schadensmodell schrauben, ein Lackierungs-System wie in Forza Motorsport entwickeln und sich von dem unsäglichen F1-Life-Modus verabschieden.
Pro
- realistische Optik und Physik
- alle Teams und Fahrer der Saison 2022
- zahlreiche Einzelspieler-Modi
- sehr guter Mehrspieler-Modus
- faszinierende Dual-Sense-Unterstützung
- beste Lenkrad-Unterstützung der Konsolenwelt
- performanter VR-Modus (PC)
- granular anpassbarer Schwierigkeitsgrad
- dynamisches Wettersystem
Kontra
- umständliche Menüführung
- überflüssiger F1-Life-Modus
- Physik der Supersportwagen kaum nachvollziehbar
- optisch angestaubte Zwischen-Events
- Schadensmodell nicht sehr detailliert
- keine eigenen Lackierungen und Logos
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.