Saints Row - Test, Action-Adventure, PlayStation5, XboxSeriesX, XboxOne, PlayStation4, PC
Keine bekannten Charaktere, kein Steelport, keine Saints: In Santo Ileso, einer uninspirierten und herzlich vergessenswerten Mischung aus LA, Las Vegas und Alburquerque, beginnt die Geschichte der berüchtigten Straßengang Third Street Saints von neuem. Der namenlose Boss ist Mitglied der Private-Military-Firma „The Marshalls“, die sich als Gang gemeinsam mit den Autoverrückten Latino-Gangbangern „Los Panteros“ und den Neon-Mad-Max-Fans „The Idols“ die Stadt aufteilen. Man lebt in einer WG mit Mitgliedern der anderen Gangs, die im „Murder Business“ arbeiten, um ihre Studenten-Darlehen abzubezahlen. Die Freunde bringen natürlich ihre alten Crews gegen sich auf und gründen letztlich die Saints, um in der Welt der Banden-Kriminalität zu bestehen. Und ja: das ist mit genauso vielen Fremdscham-Momenten verbunden, wie es klingt.
Saints Row bleibt Saints Row bleibt Saints Row
Das Spaßproblem
Um an richtig viel Geld zu kommen, muss ich aber sogenannte „kriminelle Vorhaben“ errichten. Hier platziere ich über eine Karte im Kirchen-Hauptquartier der Saints illegale Sub-Unternehmen in der Stadt, die z.B. Giftmüll entsorgen, Versicherungsbetrug begehen oder geklaute Autos verwerten. Im Anschluss muss ich dann kleine und größere Aufgaben übernehmen, um die Vorhaben abzuschließen. Danach wird auf dem per Telefon erreichbaren Konto so richtig abgesahnt. Das ist nett, wenn es darum geht von Marshall geklaute High-End-Spielzeuge für ein Startup zu testen und wird beinahe zu Arbeit, wenn man ein gutes Dutzend LKWs mit hochexplosivem Giftmüll quer durch die Stadt fahren muss.
Das klingt jetzt vielleicht erstmal nicht schlecht – immerhin hat man in Santo Ileso auf diese Weise viel zu tun und es gibt selten Leerlauf. Stimmt! Das Problem ist nur, dass die wenigsten Aktivitäten wirklich Spaß machen. Gleichzeitig kann ich die Unternehmungen aber nicht links liegen lassen, da für einige Missionen erst X Unternehmungen in der Stadt platziert und abgeschlossen sein müssen, um sie starten zu können. Und das heißt: Fleißarbeit. Egal wie wenig Spaß der unpräzise Ragdoll-Highscore-Quatsch „Versicherungsbetrug“ auch macht, den ich in einem Vorgänger irgendwie schonmal in besser gesehen habe.
Viel Schießen, viel Fahren, viel Langeweile
Ähnliche Probleme hat der Shooter: Weder Zielen noch Schießen fühlen sich gut an. Die Waffen – von der Faustfeuerwaffe über SMGs, Sturmgewehre bis hin zum Raketenwerfer – sind schon aus den Vorgängern bekannt, haben kaum Punch und lasche Sounds. Außerdem fühlt sich das Zielen mit dem Analogstick einfach nicht präzise genug an. Das haben wohl auch die Entwickler gemerkt, sodass man mit einem Tastendruck automatisch explosive Fässer und Co. zerstören kann. Klar: man kann sich auf dem Dach von Autos liegend wüste Schießereien liefern oder direkt mit dem Wingsuit aus dem fließenden Verkehr in die Luft gehen. Das ist aber spätestens seit Just Cause 3 nichts Neues mehr – und war da auch deutlich spaßiger in Szene gesetzt. Außerdem fehlen mir die absurden Waffen der Vorgänger. Lasergewehre und Jetbikes sind hier das Ende der kreativen Fahnenstange, was die Ballerei noch eintöniger macht.
Ihr merkt also: zwei der zentralen Spielmechaniken von Saints Row haben fundamentale Spaßprobleme. Und wäre das nicht schon genug, sieht das Ganze nicht mal besonders gut aus. Während das neun (!) Jahre alte Grand Theft Auto 5 gerade in frischem 4K-Glanz erstrahlt und trotz seines Alters so gut aussieht wie nie, ist Saints Row irgendwo kurz hinter 2013 mit kaputtem Grafikmotor am Straßenrand der technischen Entwicklung liegengeblieben. Die schon seit Saints Row 4 traditionell überforderte Engine, schafft es zu keinem Zeitpunkt, ein wirklich zeitgemäßes Bild von Santo Ileso auf den Bildschirm zu bringen.
Straight Outta 2013
Fiese Pop-Ins, eine in braunem Matsch verschwimmende Weitsicht und im Sonnenlicht fies schmierendes Anti-Aliasing: Saints Row sieht an allen Ecken und Enden so aus, wie es sich spielt. Hoffnungslos veraltet. Das gilt auch für die Gesichter, Innenräume, Animationen oder Explosionen. Man hat weitestgehend das Gefühl das HD-Remaster eines sieben bis acht Jahre alten Spieles zu erleben. Klar, hier wurde noch für PS4 und Xbox One entwickelt, aber andere offene Welten von Assassin’s Creed Valhalla bis Elden Ring beweisen, dass auch auf den alten Konsolen deutlich mehr drin wäre. Und selbst wenn viele Texturen scharf oder ein paar Lichtstimmungen in der Dämmerung durchaus ganz nett sind: Saints Row liegt technisch deutlich hinter der Konkurrenz, die immer noch GTA 5 heißt. Immerhin: Auf der Series X läuft Saints Row im Performance-Modus problemlos bei jederzeit 60FPS. Das ist bei der gebotenen Qualität aber auch das Mindeste.
Dein eigener Boss
Allerdings wäre es eben auch schön, wenn der Spaß nicht direkt mit dem Spielstart enden würde. Dem steht allerdings auch die debile KI von Feinden und Zivilisten im Weg, die sich weitestgehend so verhalten, wie es mittelmäßig programmierte Bots eben tun. Der KI-Verkehr nimmt keinerlei Rücksicht auf mich – und rammt mich gnadenlos von der Straße, sollte ich leichtfertig im Weg herumstehen. Die dämlichen Feinde agieren zu Fuß noch hirnloser und rennen wie eine Herde Lämmer auf die Schlachtbank, mir also geradewegs vor die Flinte. Sie sind nur in gigantischer Zahl gefährlich, was bedeutet, dass ich zum Teil an die hundert Mitglieder einer Gang ausschalte. Während einer einzigen Mission. Klar: Saints Row nimmt sich zu keinem Zeitpunkt ernst. So richtig glaubwürdig wirkt Santo Ileso dadurch aber nicht.
Mehr Spaß im Koop?
Immerhin lässt sich Saints Row auch gemeinsam erleben. Mit Kumpels machen die meisten Aktivitäten dann auch gleich deutlich mehr Spaß - und sei es nur, weil es sich zu zweit über Physik-Ungereimtheiten und plötzlich in Sichtweite aufploppende Feindfahrzeuge besser lacht. Rein technisch funktionierte der Koop im Test durchweg solide, allerdings ist das „kooperative Spiel“ wirklich auf das grundlegende „gemeinsam Missionen machen“ beschränkt. Nicht mal Munition kann ich abgeben, in Cutscenes stehe ich ohne meine Koop-Partner da und in Waffenländen verschwindet das jeweilige Spielermodell, wenn der Shop geöffnet wird. Klar, das ist für einen Lacher im Partychat gut, wie Koop im Jahr 2022 fühlt es sich aber nicht an.
Fazit
Man muss vorsichtig sein, was man sich wünscht. Im Test zum Remaster von Saints Row The Third habe ich mir ein „modernes Saints Row 5“ herbeigesehnt, welches die Tugenden der Serie mit moderner Spielmechanik und Kulisse verknüpft. Nur: So habe ich das eigentlich nicht gemeint! Saints Row fühlt sich an wie eine Reise in die Vergangenheit – und zwar nicht auf die gute Art. Wo das erwähnte Remaster vor zwei Jahren zumindest noch erahnen ließ, warum die Reihe eine Zeitlang durchaus eine ordentliche B-Alternative zu GTA bot, ist das Reboot die zombiehafte Rückkehr des Spieldesigns einer längst vergangenen Ära. Die GTA-Remaster-Trilogie offenbarte bereits abseits all ihrer technischen Probleme die spielerischen Schwächen der frühen Open-World-Städte. Und Saints Row beweist endgültig: Die Zeit dieser stumpfen Art von Stadt-Sandbox ist abgelaufen! Dazu kommt: Wirklich alles ist hier bestenfalls mittelmäßig – mit einigen wenigen Ausnahmen, wie der unterhaltsamen LARP-Questreihe. Technisch wie spielerisch ist von einem echten Neustart der Reihe also nichts zu sehen und angesichts des einigermaßen lieblos zusammengeklöppelten Santo Ileso wird auch wenig von diesem schwachen Reboot, das genauso gut Saints Row 5: The New Saints heißen könnte, in Erinnerung bleiben.
Pro
- guter Charakter-Editor
- abwechslungsreiche Nebenaufgaben
- immer viel zu tun
- Stabile Framerates im Performance-Modus
- technisch solider Koop-Modus
Kontra
- kein besonders guter Shooter
- Autofahren macht wenig Spaß
- die kriminellen Vorhaben werden zu Fleißarbeit
- der "haha, Gewalt"-Humor zündet bei mir nicht
- technisch nicht zeitgemäß
- Santo Ileso ist ein Schauplatz ohne Highlights
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